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Verfahren zur Herstellung von aliphatischen primären Aminosäuren oder
deren Derivaten Trotz des wissenschaftlichen und technischen Interesses, welches
die Aminosäuren mit primärer Aminogruppe seit langem besitzen, sind bisher nur verhältnismäßig
wenige und meist umständliche und unwirtschaftliche Verfahren zu ihrer Darstellung
bekannt.
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Es wurde gefunden, daß sich primäre aliphatische Aminosäuren in glatter
Reäktion durch katalytische Hydrierung aliphatischer Cyancarbonsäuren herstellen
lassen. Nebenprodukte, insbesondere Verbindungen mit sekundärer oder tertiärer Aminogruppe,
treten entweder überhaupt nicht, oder nur in praktisch bedeutungslosen Mengen auf.
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Es wurde weiterhin gefunden, daß sich auch die in der Säuregruppe
wie folgt veränderten aliphatischen Cyancarbonsäuren: -COOR, -CONH2, -CONHR, -CONRR'
(R und R'= Kohlenwasserstoffrest) mit Wasserstoff katalytisch in derselben glatten
Weise zu den entsprechenden Aminosäurederivaten ie,duzieren lassen.
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Gegenüber .den bisher bekannten Darstellungsweisen bedeutet das neue
Verfahren einen wesentlichen Fortschritt, weil es eine Reihe bisher nur auf umständlichem
Wege erhältlicher Aminosäuren leicht zugänglich macht.
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Die Reduktion von aliphatischen Cyancarbonsäuren oder ihrer Derivate
zu ,den entsprechenden Aminosäuren ist nur in wenigen Fällen mit den bekannten chemischen
Reduktionsmitteln versucht worden, z. B. mit Zink und Säuren (Ber. d. deutsch. Chem.
Ges. Bd. 8 [i875] S. 1597) oder mit Natrium und Alkohol (Biochem. Journal
Bd.11 (1917] S.85). Dieses Verfahren hat keine technische Bedeutung, weil die entstehenden
Aminosäuren von so großen Mengen anorganischer Salze und sonstiger Nebenprodukte
begleitet sind, daß die Reindarstellung unwirtschaftlich wird. Der glatte Verlauf
der katalytischen Reduktion war in keiner Weise vorauszusehen, denn nach den bisherigen
Erfahrungen entstehen bei der katalytischen Hydrierung von aliphatischen Cyanverbindungen
im allgemeinen Gemische von Aminen, in denen meist sekundäre Amine vorherrschen
und die teilweise auch stickstofffreie Produkte enthalten.
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Beispiele 1. 57 g Cyanessigsäureäthylester werden in 400 ccm Alkohol
gelöst und 25 ccm konzentrierte Schwefelsäure zugegeben. Die Lösung wird bei Zimmertemperatur
ohne Anwendung von Druck mit Hilfe von i g Platinoxyd als Katalysator hydriert.
Nach q. Stunden kommt die Hydrierung, nach Aufnahme von wenig mehr als der berechneten
Menge Wasserstoff, zum Stillstand. Das alkoholische Filtrat
wird
im Vakuum eingedampft, der in Form des Sulfats entstandene ß-Aminopropionsäureäthylester
in Wasser gelöst, durch Kochen unter Rückfluß verseift und die vorhandene Schwefelsäure
mit Hilfe einer Bariumhydroxydlösung quantitativ entfernt. Die ß Aminopropionsäure
bleibt beim Eindampfen der Flüssigkeit in reinem Zustand als kristallinischer Rückstand
vom Schmelzpunkt 194' zurück.
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2. 66 g Diäthylcyanessigsäure (dargestellt nach Conrad und Zart, Liebigs.Annalen
Bd. 340 [19a5] S. 349) werden in etwa 6oo ccm 4°/oiger'Schwefelsäure gelöst, und
die Lösung wird bei 6o° und 6 Atm. Überdruck in Gegenwart von Plantinoxyd hydriert.
Aus dem Filtrat wird die Schwefelsäure mit Bariumhy droxyd quantitativ ausgefällt.
Eine Spur nicht hydrierter Substanz wird durch Ausäthern entfernt. Die Lösung wird
bis zur Kristallisation eingeengt. Es entsteht die bisher noch nicht beschriebene
a-Diäthylß-aminopropionsäure in sofort reinem Zustand. Sie bildet farblose Täfelchen
vom Schmelzpunkt 247°, ist leicht löslich in Wasser, unlöslich in Alkohol, Äther
und den anderen organischen Lösungsmitteln.
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3. 850g Diäthylcyanessigsäureäthylester werden in 1 1 Dekahydronaphthalin
gelöst und unter Zusatz von 300 g Nickelkatalysator bei 15o bis 16o° und
12o Atm. Druck im Rührautoklaven hydriert. Innerhalb von '4-@`tunden wird die berechnete
Wasserstoffmenge aufgenommen. Das Filtrat wird unter Rühren mit verdünnter Salzsäure
neutralisiert. Das oben schwimmende Dekahydronaphthalin wird abgetrennt und die
wässerige Lösung mehrmals ausgeäthert, um Reste von Dekahydronaphthalin zu entfernen.
Beim Zusatz von starker Natronlauge scheidet sich der a-Diäthyl-ß-aminopropionsäureäthylester
als 01 ab, das in Äther aufgenommen wird. Die Ätherlösung des sehr beständigen
Aminosäureesters wird mit Kaliumhydroxyd getrocknet. Nach dem Abdestillieren des
Äthers geht der a.-Diäthyl-ß-aminopropionsäureäthylester bei 12 mm Vakuum konstant,
ohne Vorlauf, bei 94° als farbloses, schwach basisch und zugleich mentholartig riechendes
Öl über. lm Kolben bleibt fast kein Rückstand zurück. Die Ausbeute ist nahezu quantitativ.
Der bisher nicht bekannte Ester ist wenig löslich in Wasser, leicht löslich dagegen
in organischen Lösungsmitteln; das Esterhydrochlorid bildet farblose Nadeln vom
Schmelzpunkt 95', die in Wasser und Alkohol leicht löslich sind.
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Durch Kochen mit Bariumhydroxydlösung unter Rü ckfluß wird der Ester
verseift, das Barium wird mit Hilfe von Schwefelsäure quantitativ ausgefällt. Beim
Einengen der Lösung kristallisiert die a-Diäthyl-ß-aminopropionsäure in großen farblosen
Tafeln vom Schmelzpunkt a47° aus (vgl. Beispiel 2).
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4. 85 g Diäthylcyanessigsäureäthylester werden in 500 ccm Alkohol
gelöst, 50 ccm konzentrierte Salzsäure zugegeben und mit Hilfe von Platinkatalysator
bei etwa 6o° und 4o Atm. Überdruck geschüttelt. In 21/4 Stunden wird fast .die ganze
berechnete Menge Wasserstoff aufgenommen. Nach dem Abdestillieren des Filtrats hinterblei-bt
das Hydrochlorid des a.-Diäthyl-ß-aminopropionsäureäthylesters, das aus Alkohol
unter Zusatz von Äther umkristallisiert wird; Schmelzpunkt 95° (vgl. Beispiel 3).
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5. Zoo g Diäthylcyanacetamid (dargestellt durch Kochen der Diäthylcyanessigsäure
unter Rückfluß mit Thionvlchlorid und Eintropfenlassen des so erhaltenen Diäthylcyanacetylchlorids
in 25ojoige Ammoniaklösung; aus Alkohol umkristallisiert: Schmelzpunkt r23°) werden
in 11 Alkohol gelöst, .etwa ' 7o ccm rauchende Salzsäure zugegeben und bei Zimmertemperatur
und 6 Atm. Überdruck in Gegenwart von 2 g Platinoxyd hydriert. Das Filtrat wird
im Vakuum völlig eingedampft und das zurückbleibende a-Diäthylß-aminopropionsäureamidhydrochlorid
aus Alkohol. umkristallisiert. -Die neue Verbindung bildet farblose, schöne Prismen
vom Schmelzpunkt 188 bis 189°; die in Wasser und Alkohol leicht löslich sind. Das
freie a.-Diäthyl-ß-aminopropionsäureamid schmilzt bei 94 bis 96°.
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6. 197 g Dipropylcyanessigsäureäthylester (dargestellt nach C o n
r a d, Liebigs Annalen Bd. 34o [1go5] S. 319) werden in Soo ccm Dekabydronaphthalin
gelöst, mit Hilfe von Zoo g Nickelkatalysator wie in Beispiel 3 hydriert und in
gleicher Weise aufgearbeitet. Der entstandene, ebenfalls noch nicht bekannte a-Dipropyl-ß-aminopropionsäureäthylester
ist dem a-Diäthyl-ß-aminopropionsäureäthylester sehr ähnlich. Das Hydrierungsprodukt
destilliert im Vakuum von 12 mm ohne Vorlauf oder Nachlauf konstant bei 117°.
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7. 128 g (1 Mol) ß-Cyanpropionsäureäthylester (dargestellt aus ß-Chlorpropionsäureäthylester
und Cyankalium durch Kochen in wässerig alkoholischer Lösung, Siedepunkt 221') werden
in 8oo ccm absolutem Alkohol, der 1 Mol Chlorwasserstoff enthält, gelöst und bei
Zimmertemperatur ohne Anwendung von Druck mit Hilfe von Palladium als Katalysator
in der üblichen Weise hydriert. Das Filtrat wird eingedampft, das kristallisiert
zurückbleibende y-Aminobuttersäureäthylesterhydrochlorid in Äther suspendiert und
nach Abderhalden und Kautzsch (Zeitschrift f. physiol. Chem. Bd. 81 [ 1912] S. 304)
durch
Einleiten von Ammoniak in den freien y-Aminobuttersäureäthylester verwandelt, der
unter einem Druck von 12 mm bei 75 bis 78° als farbloses, basisch riechendes Öl
überdestilliert. Gegen Ende der Destillation geht in Übereinstimmung mit den Angaben
von Abderhalden und Kautzsch als Nachlauf bei i33 bis 13q.° eine kleine Menge Pyrrolidon
über, das während der Destillation aus .dem leicht zersetzlichen Aminosäureester
entstanden ist.
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Durch Kochen des y-Aminobuttersäureäthylesters in schwefelsaurer Lösung
unter Rückfluß, Entfernung der Schwefelsäure mit Bariumhydroxyd und Eindampfen der
wässerigen Lösung wird die reine y-Aminobuttersäure erhalten, ,die nach dem Umkristallisieren
aus 75°1oigem Alkohol unter Zusatz von Äther bei :203' unter Gasentwicklung schmilzt.
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B. 5o g frisch destillierter Cyanameisensäureäthylester werden in
400 ccm Alkohol gelöst, 50 ccm konzentrierte Salzsäure zugesetzt und mit Hilfe von
z,5 g Platinoxyd bei Zimmertemperatur im Schüttelautoklaven unter einem Druck von
q.o Atm. hydriert. Es ist dabei selbstverständlich notwendig, alle Umstände nach
Möglichkeit auszuschließen, die eine Hydrolyse des leicht zersetzlichen Cyanameisensäureesters
in Blausäure, Kohlensäure und Alkohol begünstigen könnten, wie z. B. zu hohe Temperatur,
lange Reaktionsdauer usw. Die Wasserstoffaufnahme ist nach wenigen Stunden beendet,
nachdem etwa die berechnete Menge aufgenommen wurde. Das Filtrat wird bei tiefer
Temperatur im Vakuum eingedampft; das Destillat enthält geringe Mengen Diäthylcarbonat,
das durch Spaltung des Cyanameisensäureesters entstanden ist. Der Destillationsrückstand
ist fast reines Aminoessigsäureäthylesterhydrochlorid in nahezu quantitativer Ausbeute
mit geringen Beimengungen von Methylaminhydrochlorid, welches bei der Hydrierung
von abgespaltener Blausäure entstanden ist.- Das rohe Aminoessigsäureäthylesterhydrochlorid
wird mit Hilfe von Silbersulfat in das entsprechende Sulfat verwandelt, dieses durch
Kochen unter Rückfluß mit überschüssiger Bariumhydroxydlösung verseift und der Überschuß
des Bariums mit Schwefelsäure genau ausgefällt. Beim Einengen des Filtrats kristallisiert
,die reine Aminoessigsäure in guter Ausbeute aus; Schmelzpunkt 233 bis 235°.
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g. 22 g Diäthylcyanessigsäureanilid (dargestellt .durch Eintropfen
von 1 Mol Diäthylcyanacetylchlorid, vgl. Beispiel 5, in eine Benzollösung von 2
Mol Anilin, Abschütteln des Anilinhydrochlorids mit Wasser, Umkristallisieren des
teils fest ausgeschiedenen, teils durch Abdampfen des Benzols gewonnenen Anilids
aus Alkohol; Schmelzpunkt r23°) werden in Zoo ccm Alkohol gelöst und bei gewöhnlicher
Temperatur ohne Anwendung von Druck mit Hilfe von Platinoxyd als Katalysator hydriert.
Nach Aufnahme der berechneten Menge Wasserstoff wird das Filtrat im Vakuum eingedampft,
der Rückstand in Äther gelöst, eine leichte Trübung abfiltriert und däs a-Diäthyl-ß-aminopropionsäureanilid
durch Einleiten von Salzsäuregas als Hydrochlorid ausgefällt. Nach dem Umkristallisieren
aus Alkohol besitzt es den Schmelzpunkt 2o3°. Die Ausbeute ist fast quantitativ.
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10. 130 g Diäthylcyanessigsäurediäthylamid (dargestellt durch
Eintropfen von 1 Mol Diäthylcyanacetylchlorid, vgl. Beispiel s, in eine wässerige
Lösung von i Mol Diäthylamin und 1 Mol Natriumhydroxyd; farbloses Öl vom
Siedepunkt 122 bis 123° bei 12 mm) werden in 6oo ccm Alkohol gelöst, 65 ccm konzentrierte
Salzsäure zugesetzt und mit Platinoxyd als Katalysator bei Raumtemperatur ohne Anwendung
von Druck hydriert. Nach Aufnahme der berechneten Wasserstoffmenge wird das Filtrat
im Vakuum eingedampft, der *sirupöse Rückstand in Wasser gelöst und zur Entfernung
von Spuren nicht hydrierter Substanz mit Äther ausgeschüttelt. Dann wird mit konzentrierter
Natronlauge übersättigt, das ausgeschiedene Öl in Äther aufgenommen und der Äther
über Kaliumhydroxyd getrocknet. Nach dem Abdestillieren des Äthers wird der ölige
Rückstand im Vakuum destilliert. Bei 12 mm Druck destilliert das ganze Produkt bei
142 bis 1q.3° restlos über. Das bisher noch nicht bekannte a.-Diäthyl - ß - aminopropionsäurediäthylamid
bildet ein farbloses, dünnflüssiges Öl. Das Hydrochlorid bildet farblose Kristalle
vorn Schmelzpunkt 88°, die in Wasser und Alkohol leicht löslich sind.