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Verfahren zur Herstellung von Butter Der Butterbildungsprozeß ist
nach dem neuesten Stande kolloidchemischer Forschung als eine Koagulation aufzufassen.
Die Milch besteht aus Fett, Eiweißkörpern (Kasein, Albumin und Spuren von Globulinen),
Milchzucker, Mineralbestandteilen (Salze) und Wasser. Der Milchzucker und die Mineralbestandteile
sind im Wasser echt gelöst (maxi= maldispers als Moleküle und Ionen), die Eiweißkörper
in kolloider Zerteilung vorhanden (d. h. als feinste Teilchen von einigen Millionstel
Millimeter Durchmesser), und das Fett liegt als relativ grobdisperse Zerteilung;
als Emulsion, vor. Die Stabilität einer solchen Fettemulsion, wie sie die Milch
darstellt, besteht so lange, wie die Kolloide sowie die grobdisperse Fettphase durch
Ionen, die auf der Oberfläche sitzen, elektrisch aufgeladen sind (d. h. wenn sie
gegenüber dem Dispersionsmittel, der Flüssigkeit, ein - bestimmtes elektrisches
Potential aufweisen) oder wie sie stark hydratisiert sind, wobei aber auch wieder
die elektrische Aufladung eine Rolle spielt, so daß bei irgendwie eintretender Dehydratation
die Stabilität des dispersen Systems durch die Aufladung der Teilchen bestimmt ist.
Besteht nun in einem- System keine elektrische Aufladung oder keine ausreichende
Hydratatiori, so bleiben die Teilchen aneinanderhaften, wenn sie mit der ihnen eigenen
Brownschen Bewegung (zittrige, unregelmäßige Bewegung der Teilchen infolge der Molekülstöße
der Flüssigkeit) aufeinanderstoßen. Die Zusammenstöße erfolgen in konzentrierten
Lösungen-zienilich häufig, so daß sich in kurzer Frist ein System von nicht geladenen
oder entladenen Teilchen zu großen Koagulaten zusammenballt und ausflockt, ausfällt
oder ausrähmt. Stabile Zerteilungen von Fett in Wasser sind bekannt bei schwach
alkalischer Reaktion (Anwesenheit von Hydroxylionen), wodurch die Fetteilchen aufgeladen
werden: In neutralen oder schwach sauren Systemen, Tide es die Milch darstellt,
wäre eine stabile Fettzerteilung ohne Gegenwart eines weiteren stabilisierenden
Stoffes nicht wohl denkbar. Als stabilisierende Stoffe kommen außer aufladenden
Ionen sogenannte Schutzkolloide in Frage. Dies sind kolloide Stoffe (gewisse Eiweißkörper
o. dgl.), welche an sich infolge einer großen Affinität zum Lösungsmittel stark
hydratisiert und sehr stabil sind. Solche Stoffe bilden um die Teilchen weniger
stabiler Zerteilungen sehr leicht hydratisierte Hüllen und übertragen ihren hydrophilen,
stabilen Charakter auf die -weniger oder nicht stabilen Teilchen.
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In der Milch ist null die Gegenwart von Eiweißstoffen bekannt, und
es müßte auch ohne besondere Kenntnis bestätigender Beobachtungen rein theoretisch
angenommen werden, daß sich um die Fettkugeln Eiweißstoffe als schützende Hüllen
anlagern. Die Annahme einer solchen Hülle um die Fettkugeln ist heute in der Milchwirtschaft
allgemein gültig; es wird von einer Serumhülle (früher Haptogenmembrangenannt)gesprochen,wobeies
sich: um einen Eiweißkörper handelt, dessen chemischer
Charakter
noch nicht aufgeklärt ist. Der Körper ist aber zweifellos stark oberflächenaktiv;
er reichert sich an sämtlichen Grenzflächen (bei der Schaumbildung) stark an und
erniedrigt die Grenzflächenspannung. Als oberflächenaktiver Körper muß er sich ebenfalls
an der Grenzfläche Fett-Wasser anlagern und durch seine Schutzkolloidwirkung zur
Geltung bringen. Es kann somit mit Destimmtheit mit einer Eiweißhülle um den Fettkugeln
in der Milch gerechnet werden.
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Gemäß dem in der Literatur vorliegenden Tatsachenmaterial lassen sich
nun deutlich zwei verschieden verlaufende Koagulationsvorgänge des Fettes in der
Milch erkennen, nämlich der Aufrahmungsvorgang und die Butterbildung. Bei der Aufrahmung
handelt es sich um einen sogenannten orthokinetischen Koagulationseffekt (nach W
i e g n e r), wobei die Eiweißhüllen um die Fettkügelchen nicht beeinflußt werden.
Es entsteht unter dein Einfluß des Auftriebes auf der Milchoberfläche beim Stehen
eine Fettanreicherung, die sogenannte Rahmschicht, wobei. sich im Rahm lokkere,
leicht wieder dispergierbare Koagulate bilden.
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Dieser Erscheinung gegenüber handelt es sich beim Butterungsvorgang
zweifellos um einen irreversiblen Koagulationseffekt. Eine solche vollständige Koagulation,
wie sie die Butterbildung darstellt, tritt dann ein, wenn die Teilchen durch eine
Erhöhung des Elektrolytgehaltes in der Außenflüssigkeit vollständig entladen werden.
Bei frischer Milch tritt aber auch bei Erhöhung des Elektrolytgehaltes eine Koagulation
zu Butter nicht ohne weiteres ein, sondern die. Butterkoagulation kommt erst dann
zustande, wenn die schützenden Eiweißhüllen der Fettkügelchen entfernt oder jedenfalls
weitgehend abgebaut sind. Dies ist der wesentliche Unterschied gegenüber dem Aufrahmungsvorgange.
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In der Praxis beobachtet man, daß die Butterbildung unter den folgenden
Bedingungen eintritt i. Wenn die Milch oder der Rahm infolge der natürlichen Säuerung
(Bakterientätigkeit) einen gewissen Säuregrad erreicht hat (Rahmreifung).
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2. Wenn die zum günstigen Grade gesäuerte Milch oder der Rahm mechanisch
bearbeitet werden, wobei sie gestoßen, gequirlt, geschüttelt oder gepeitscht werden.
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3. Es gilt allgemein und ist durch Versuche belegt, daß zur Butterbildung
ein Schaumvorhanden sein muß, welcher durch die unter 2 angeführte mechanische Behandlung
in Verbindung mit atmosphärischer Luft oder eines anderen Gases erzeugt wird.
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Diesen drei Bedingungen will nun das vorliegende Verfahren auf einfachere
und wirksaurere Weise gerecht werden und damit die Butterungsdauer auf einen Bruchteil
der bis= her benötigten Zeit herabsetzen. Versuche ergaben nämlich, daß sich der
Butterbildungsprozeß gegenüber allen bisher praktisch ausführbaren Vorschlägen bedeutend
rascher und einfacher erzielen läßt, wenn derselbe direkt mit Milch oder Rahm durch
mechanisches Peitschen, z. B. starkes Rühren, der mit Kohlensäure übersättigten
und unter einem während des Prozesses anhaltenden Kohlensäuredruck stehenden Flüssigkeit
durchgeführt wird. Dadurch ergeben sich folgende neue Wirkungen: Durch die Übersättigung
der Milch mit Kohlensäure unter Druck von einigen Atmosphären wird sofort die Wasserstoffionenkonzentration
im System erhöht, während beiden heute üblichen @Butterungsverfahren infolge Bakterientätigkeit
ein Säuregrad erst nach einiger Zeit durch die natürliche Milchsäurebildung erreicht
wird, wodurch Milch und Rahm butterungsreif,werden. Die Milch wird also nach dem
vorliegenden Verfahren sofort butterungsreif.
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Weiter hat die anhaltende Übersättigung des Butterungsgutes den Vorteil,
daß eine Erhöhung der Zahl der Gasbläschen und damit eine Vergrößerung der Gesamtgrenzfläche
Kohlensäure - Flüssigkeit erzielt werden, wodurch die Schaumbildung relativ erhöht
wird.
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Ferner wird bei ruhendem Überdruck gegenüber den bekannten Butterungsversuchen
mit durchströmender Druckluft die Tatsache ausgenutzt, daß das Schutzeiweiß gegenüber
Kohlensäure eine größere Affinität als gegenüber Luft aufweist und dadurch die Adsorption
der Eiweißkörper an der Grenzfläche Kohlensäure-Flüssigkeit stärker wird als an
der Grenzfläche Luft-Flüssigkeit.
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Außerdem wird die Schutzwirkung des Eiweißes durch die saure Reaktion
(erhöhte Wasserstoffionenkonzentration) bei Verwendung von Kohlensäure geschwächt.
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Die Berücksichtigung aller dieser physikalisch-chemischen Tatsachen
durch das vorliegende Verfahren ermöglicht eine Herabsetzung der Butterungszeit
von Minuten auf Sekunden, wobei das Butterungsprodukt der so mit Kohlensäure behandelten
Milch- oder Rahmmassen außerdem frischer, angenehmer im Geschmack und haltbarer
wird als bei Luftbehandlung. Bakteriologische Untersuchungen führten nämlich zum
Schluß, daß bei Verwendung von Kohlensäure gemäß vorliegendem Verfahren eine sehr
starke Adsorption von Mikroorganismen durch dieses Gas stattfindet, wodurch die
so gewonnene Butter bakterienärmer ausfällt.
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Man hat schon vorgeschlagen, den drucklosen Luftinhalt eines Butterfasses
wegen
seiner oxydierenden und bakterienfördernden Wirkung durch
Kohlensäure ohne überdruck zu verdrängen, erhielt aber hierbei z. B. auch nicht
die gemäß vorliegendem Verfahren beabsichtigte sofortige Erhöhung der Wasserstoffionenkonzentration
durch Gasübersättigung. Milch ohne Übersättigung mit Kohlensäure, ohne anhaltenden
Überdruck und ohne anhaltende heftige mechanische Bearbeitung ergibt wegen Nichteintretens
der irreversiblen Koagulation nur eine mit Kohlensäure versetzte Trinkmilch. Die
Verwendung durchströmender Druckluft allein, insbesondere ohne mechanische Peitschung,
und nicht in einem hermetisch abgeschlossenen Druckgefäß ermöglicht, wie oben dargelegt
ist, weder die sofortige Butterungsreife noch die wesentliche -starke Adsorption
des Schutzeiweißes. Außerdem ist die schädigende Wirkung des Luftsauerstoffes nicht
ausgeschaltet.