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Gewinnung konzentrierter schwefliger Säure aus verdünnten Gasen Die
übliche Methode, aus verdünnten Gasen schweflige Säure zu gewinnen, besteht darin,
daß die verdünnten Gase in der Kälte im Gegenstrom mit Wasser ausgewaschen werden
und daß S02 durch Erhitzen wieder ausgetrieben wird. Bei Verwendung von 12 °1o schweflige
Säure enthaltendem Gas wird eine Lösung erhalten, die ungefähr to g SO, im
Liter enthält. Die Lösung muß zum Freimachen des S02 bis auf ioo° erhitzt werden,
was einen großen Aufwand an Dampf und eine umfangreiche Apparatur erfordert.
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Es wurde gefunden, daß ein Gemisch von Wasser mit aromatischen Aminen,
insbesondere mit Anilin, bei Zimmertemperatur große :Mengen von S 0 2 aufnimmt und
beim Erhitzen durch Hydrolyse wieder abgibt. Diese Eigenschaft derartiger Gemische
kann vorteilhaft zur Gewinnung von schwefliger Säure aus solche enthaltenden Gasen
verwendet werden.
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Es ist zwar bekannt (Ber. der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Bd.
21, S. rgzo), daß kristallisiertes Anilinsulfit aus einer Lösung, die durch Erwärmen
gleicher Teile Pottasche und Anilin mit Wasser erhalten wurde, durch Einleiten von
schwefliger Säure und darauffolgendes Abkühlen gewonnen werden kann. 1n der Patentschrift
454 320, S. 2, Z. 85 bis 95, ist ferner auf ein Verfahren hingewiesen, das sich
der Schweröle des Steinkohlenteers als Absorptionsmittel für schweflige Säure bedient,
wobei erklärt wird, daß diese Schweröle wesentliche Mengen von stickstoffhaltigen
Basen enthalten, von denen bekannt sei, daß sie ein großes Absorptionsvermögen für
S 02 Gase besitzen. Abgesehen davon, daß die genannten Schweröle mir ungefähr 6
°4 hochsiedende Pyridän- und Chinolinbasen enthalten (vgl. z. B. L u n g e - B e
r 1 , Chemischtechnische Untersuchungsmethoden, 7. Aufl., Bd. 111, S.
217) und daß sie auch nicht in wäßriger Suspension verwendet werden, konnte
aus keiner der angezogenen Publikationen geschlossen werden, daß ein Gemisch von
Wasser und aromatischen Aminen einerseits aus verdünnten Gasen solch große Mengen
S 02 quantitativ herauswäscht . und andererseits durch einfaches Erwärmen auf verhältnismäßig
niedrige Temperaturen sich doch wieder praktisch vollständig vom S02 befreien läßt.
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Werden beispielsweise 5 % schweflige Säure enthaltende Gase
durch. ein auf 35° gehaltenes Gemisch von 5 Teilen Wasser und 1,5 Teilen Anilin
geleitet oder einem solchen entgegengeführt, so wird die schweflige
Säure
rasch und beinahe vollständig absorbiert. Man erhält dabei eine Lösung mit einem
Sättigungsgrad von 96 g S 02 im Liter; bei weiterem Absorbieren beginnt die Sulfit-bzw.
Bisulfitverbindung des Anilins zu kristallisieren. Die 96 g SO, im Liter
enthaltende Absorptionslösung- siedet bei 85° und gibt beim Erwärmen zwischen 35
und 96° 62 g.S 02 pro Liter ab.
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Will man noch höhere SO,-Konzentrationen-erreichen, so entsteht ein
Kristallbrei. In diesem Falle arbeitet man zweckmäßiger mit einem Gemisch von 5
Teilen Anilin und 2 Teilen Wasser bei etwa 30°, da dann der Kristallbrei bis zu
Konzentrationen von 130 9 pro Liter so dünnflüssig bleibt, daß Rührung noch
leicht möglich ist. Die Absorption ist bei dieser Konzentration noch ausreichend
vollständig. Im Interesse der Dünnflüssigkeit des Gemisches wird aber zweckmäßig
bei dieser Konzenträtion unterbrochen. Bei höheren Konzentrationen wird die Rührung
schwierig, während bei Verwendung des wasserreicheren Gemisches die Absorption unvollständig
wird. Ein solches Gemisch siedet bei etwa 8o° und enthält bei 96 bis 97° nur noch
etwa 30 g S 02 im Liter. -Es werden also ioo g S02 pro Liter abgegeben.
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Besonders vorteilhaft ist auch die Verwendung von Gemischen aus Wasser
mit verschiedenen Aminen, z. B. Wasser mit Anilin plus o-Toluidin plus p-Toluidin;
Wasser mit einer Mischung der drei Toluidinisomeren; Wasser mit dem technischen
Xylidingemisch, da mit solchen Gemischen sehr erhebliche SO,-Konzentrationen erreicht
werden können, ohne daß Kristallisation eintritt. So nimmt ein Gemisch von i Teil
Wasser mit i Teil technischem Xylidingemisch aus einem 50/0 SO, enthaltenden
Gas bei gewöhnlichem Druck und Zimmertemperatur a50 g SO. pro Liter Lösungsgemisch
auf, ohne daß Kristallisation eintritt, und gibt die schweflige Säure beim Erhitzen
auf etwa 95° nahezu vollständig wieder ab.
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Das Entgasen der S 02 haltigen Gemische geschieht am besten unter
Rückfluß. Spuren von Aminen im.Gasstrom werden durch Auswaschen mit H2 S 04 oder
durch Vorschalten von Absorptionsmitteln, wie z. B. Aktivkohle, zurückgehalten.
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Bei Verwendung dauernd vollständig flüssiger Gemische kann kontinuierlich
nach dem Gegenstromprinzip absorbiert und entgast werden; bei Verwendung des - anilinreichen
Gemisches jedoch wird wegen der breiigen Beschaffenheit des gesättigten Gemisches
besser intermittierend entgast.