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Verfahren zur Gewinnung von Cyanverbindungen Es sind bereits verschiedene
Vorschläge gemacht worden zur synthetischen Darstellung von Cyanwasserstoff aus
flüchtigen oder gasförmigen Kohlenstoffverbindungen und ebensolchen Stickstoffverbindungen
in Gegenwart von Katalysatoren. Von den bekannten Arbeitsweisen kommen für die Beurteilung
der vorliegenden Erfindung in erster Linie Verfahren in Betracht, bei welchen das
Hauptgewicht auf die Wahl der Katalysatoren bzw. deren Gestaltung gelegt wird. Als
besonders geeignet für die Blausäuresynthese sind die Metalle und Metalloxyde der
Eisengruppe sowie die Metalle der Platingruppe bezeichnet worden. Bei Anwendung
der Oxyde der Eisengruppe ist die Benutzung eines überschusses der Kohlenstoffv
erhindung gegenüber der Stickstoffverbindung sowie die Anwendung verhältnismäßig
niedriger Temperatur und möglichst reiner und trockener Gase vorgeschlagen worden.
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Diese bekannten Verfahren sowie auch die in M u 1i.1 e r t »Die Industrie
der Ammoniak-und Cy anverbindungen« 1915, S. 170/7 i beschriebenen haben
den großen Nachteil, daß sie ohne Ausnahme ungenügende Ausbeuten liefern (vgl. M
u h 1 e r t a. a. O., S. 17 1), weil nicht nur ein verhältnismäßig geringer
Teil der angewendeten Ammoniakmenge in Cyanwasserstoff umgewandelt wird, sondern
auch der größere, nicht in Reaktion getretene Teil des Ammoniaks infolge 'Zersetzung
für den Prozeß verlorengeht. Diese überaus nachteiligen Wirkungen der bekannten
Verfahren haben, wie festgestellt wurde, ihre Ursache hauptsächlich darin, daß entweder
die benutzten Katalysatoren, wie insbesondere Eisen oder Platin o. dgl., für den
fraglichen Zweck ungeeignet sind, oder daß die jeweils angewendeten Temperaturen
zu hoch oder zu niedrig sind, oder daß das Ammoniak in zu großer Konzentration auf
das Kohlenoxydgas zur Einwirkung gebracht wird. Der letztere Umstand unterscheidet
im wesentlichen auch das vorliegende Verfahren von dem von Mai 1 h e und d e G o
d o n in den Annales de Chimie (9) 13, S. 183 beschriebenen. Diese Autoren, -welche
zwar auch mit Tonerde, Thoriumoxyd als Katalysatoren und bei günstigeren Temperaturen
arbeiten, übersehen bei ihrem Bestreben, die angewendete Iiohlenoxydmenge möglichst
quantitativ in Blausäure umzuwandeln, vollkommen die technische Bedeutung, welche
in einer möglichst restlosen Ausnutzung des viel -wertvolleren Ammoniaks unter Anwendung
eines beträchtlichen Überschusses an Kohlenoxyd gegenüber der benutzten Ammoniakmenge
zu erblicken ist.
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Es wurde nun gefunden, daß durch die bestimmte Vereinigung von an
sich zum Teil bekannten Arbeitsweisen, nämlich der Anwendung geeigneter Katalysatoren,
nicht zu hoher Temperatur und eines zur Vermeidung des Zerfalls der Stickstoffverbindungen,
insbesondere des Ammoniaks, hinreichend großen Überschusses an Schutzgasen eine
bedeutende Erhöhung der Ausbeuten an Cyanwasserstoff neben einer besonders hohen
Reaktionsgeschwindigkeit
und eine möglichst vollständige Wiedergewinnung
des nicht in Reaktion getretenen Ammoniaks erzielt wird.
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Die Metalle oder Metallverbindungen der Eisen- sowie der Platingruppe
sind als Katalysatoren bei der Blausäuresynthese vollkommen ungeeignet, weil sie
sowohl auf das Kohlenoxyd als auch auf das Ammoniak zersetzend einwirken. Von den
bekannten Katalysatoren können für das vorliegende Verfahren Tonerde, Thoriumoxyd,
Zirkonoxyd, Titanoxyd o. dgl. als gut brauchbar Verwendung finden. Als besonders
wirksam haben sich jedoch die Verbindungen erwiesen, deren Verwendung als Katalysatoren
bei der Blausäuresynthesebisher noch nicht vorgeschlagen wurde. Die genannten Katalysatoren
können sowohl ohne Träger, d. h. in kompakter Form, als auch mit Trägern oder Verdünnungsmitteln
angewendet werden.
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Aus dem vorstehend angeführten Grunde empfiehlt es sich, auch keine
eisernen Apparaturen, sondern solche aus anderem, eisenfreiem Material, z. B. aus
Kupfer oder aus irdenen Massen o. dgl., zu verwenden.
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Die Wahl der Temperaturhöhe ist abhängig von der Güte des angewendeten
Katalysators, der Art der aufeinander einwirkenden Gas- und Verdünnungsmittel, der
Konzentration der gasförmigen Stickstoffverbindungen sowie von der Strömungsgeschwindigkeit
der Gase. Im allgemeinen empfiehlt es sich, Temperaturen zwischen 400 bis 8oo° C
zu wählen. Besonders vorteilhaft sind Temperaturen von 5oo bis 6oo°.
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Zwecks möglichster Vermeidung des bisher stets eingetretenen verlustbringenden
Zerfalls der Stickstoffverbindung (Ammoniak, Stickstoffoxyde u. a.) wird bei dem
vorliegenden Verfahren mit einem erheblichen überschuß an gasförmigen Kohlenstoffverbindungen,
wie z. B. an Kohlenoxyd oder kohlenoxydhaltigen Gasen, z. B. Generatorgas, Wassergas,
Kokereigasen oder Gasen und Dämpfen aus der Melasseschlempe o. dgl. oder Gemischen
dieser verschiedenen Gase gearbeitet. Je nach der Wirksamkeit des benutzten Katalysators
und der Art der gasförmigen Ausgangsstoffe ist der Lberschuß des Kohlenoxyds oder
der kohlenoxydhaltigen Gase bzw. deren Gemische auf ungefähr das Doppelte bis Zehnfache
des Ammoniakvolumens zu bemessen. Besonders günstige Ausbeuten an Blausäure, bezogen
auf die Stickstoffverbindungen, wurden im allgemeinen bei einem Volumenverhältnis
von ungefähr 5:1 zwischen den Kohlenstoff- und den Stickstoffverbindungen erhalten.
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Es wurde weiterhin gefunden, daß durch einen beträchtlichen Zusatz
von Wasserstoff oder wasserstoffhaltigen Gasgemischen, z. B. des oben schon genannten
Wassergases, vorteilhaft in einem Verhältnis von ungefähr 5 bis io Raumteilen Wassergas
oder von Gasgemischen, die verhältnismäßig noch mehr Wasserstoff enthalten als das
Wassergas auf ungefähr i Raumteil Ammoniak, die Zersetzung des Ammoniaks selbst
bei gewöhnlichem Druck noch bedeutend weiter vermindert wird als bei der Verwendung
von überschüssigem Kohlenoxyd für sich allein.
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Schließlich kann . die Überführung einer möglichst großen Menge der
angewendeten Stickstoffverbindungen in Blausäure auch noch dadurch wesentlich gefördert
werden, dar man das Reaktionsgemisch vor seiner etwaigen Rückleitung in den Betrieb
zwecks Störung des Gleichgewichtes von der gebildeten Blausäure in bekannter Weise
befreit.
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Zwecks Herstellung der jeweils günstigsten Volumenverhältnisse zwischen
der Stickstoffverbindung einerseits und den in den genannten technischen Gasgemischen,
wie z. B. in Wassergas enthaltenen Gasen, wie Wasserstoff, oder Kohlenoxydgas anderseits
wird die wechselnde Zusammensetzung der technischen Gasgemische häufig eine besondere
Zuführung von Wasserstoff bzw. von Kohlenoxyd oder Ammoniak vor oder -während des
Prozesses erforderlich machen.
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Das vorliegende Verfahren ist den eingangs erwähnten bekannten Verfahren
auch noch dadurch überlegen, dar es die Anwendung feuchter Gase gestattet, ohne
eine wesentliche Beeinträchtigung der Ausbeuten an Blausäure oder des Prozeßverlaufs
befürchten zu müssen. Der Fortfall der umständlichen und kostspieligen Trocknung
der Gase bedeutet eine erhebliche Ersparnis an 'Zeit und Geld. Auch ist ein besonderer
Reinheitsgrad der Gase nicht erforderlich, da die genannten Katalysatoren gegen
Verunreinigungen viel weniger empfindlich sind als die Metalle der Eisen-oder Platingruppe
u. a.
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Man kann mittels des vorliegenden Verfahrens die angewendeten Stickstoffverbindungen
fast quantitativ in Blausäure überführen, weil die 'Zersetzung des nicht in Reaktion
getretenen Ammoniaks weitgehendst verhindert wird und dieses durch stete Rückführung
des unzersetzten von der gebildeten Blausäure befreiten Ammoniaks in den Betrieb
für den fraglichen Prozeß benutzbar gemacht werden kann, wodurch der Betrieb auch
kontinuierlich gestaltet werden kann. Beispiele i. 3,75 cbm Kohlenoxyd und
0,75 cbm Ammoniakgas werden in geeigneten Reaktionsapparaten über einen Katalysator,
bestehend aus Thoriumoxyd, welches auf Tonscherben niedergeschlagen ist, bei ungefähr
6oo° C geleitet.
Dabei werden stündlich ungefähr 145 g Blausäure
gebildet und ungefähr o,487 cbm Ammoniakgas unzersetzt wiedergewonnen, welche nach
Befreiung von der gebildeten Blausäure von neuem in den Betrieb zurückgeführt werden.
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2. 3.75 cbm Wassergas und o,7 5 cbm Ammoniakgaswerden über denselben
Katalysator wie oben bei ungefähr 56o° geleitet. Es entstehen stündlich ungefähr
121 g Blausäure, und ungefähr o,612 cbm Ammoniakgas werden untersetzt wiedergewonnen.
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;. 6o cbm Wassergas und 6 cbm Ammoniak werden bei ungefähr 6oo° C
über einen Katalysator geleitet, bestehend aus Ceroxyd, das mit Tonerde verdünnt
ist und auf Tonscherben als Träger aufgetragen wird. Es bilden sich stündlich ungefähr
1,841g Blausäure, und ungefähr 4 cbm Ammoniak bleiben urzersetzt.
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4. 5 cbm Ammoniakgas, 15 cbm Kohlenoxyd und 5o cbm Wasserstoff werden
bei ungefähr 6oo" C über einen Kontaktkörper mit Ceroxyd als Katalysator geleitet.
Nach mehrmaligem Überleiten des Gasgemisches über den Kontakt entstehen ungefähr
5,31,-g Blausäure, also rund 95 o,o Ausbeute, in bezug auf Ammoniak.
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Die Vergleichszahlen lassen deutlich erkennen, wie außerordentlich
groß der mit dem vorliegenden Verfahren erreichte technische Fortschritt gegenüber
allen bisherigen katalytischen Verfahren zur Gewinnung von Blausäure aus den genannten
Ausgangsstoffen ist.
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Bei der Synthese des Cyanwasserstoffes aus Kohlenoxyd und Ammoniak
gingen bisher gewöhnlich für jede Molekel des gebildeten Cyanwa.sserstoffs mehrere
Molekel des angewandten Ammoniaks infolge der mehr oder weniger starken Wirkung
der Temperatur und der Katalysatoren durch Zersetzung verloren. Wie die obigen Beispiele
zeigen, kann dieser Ammoniakverlust durch das vorliegende Verfahren bedeutend herabgesetzt,
ja sogar fast völlig vermieden werden. Während nach Beispiel i auf eine Molekel
gebildeter Blausäure etwa eine Molekel Ammoniak verlorengeht, wird dieser Verlust,
wenn man das Kohlenoxyd durch das gleiche Volumen Wassergas ersetzt, auf etwa o,28
Molekeln Ammoniak pro Molekel gebildeter Blausäure herabgedrückt. Noch günstiger
sind die Verhältnisse nach den Beispielen 3 und ,l durch Anwendung von Ceroxyd als
Katalysator, wobei eine weitere Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit erreicht wird,
unter gleichzeitiger bedeutend weiterer. Verminderung des Ammoniakzerfalls.