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Verfahren zur Erzeugung von Halbzellstoffen aus schwach verholzten
Pflanzen, wie Stroh, Typha, Phragmites und ähnlichen Pflanzen. Aus der Fabrikation
von Halbstoffen für die Papierfabrikation aus Lumpen weiß man schon seit langer
Zeit, daß die Einwirkung des Ätzkalkes auf die färbenden oder verunreinigenden Stoffe
eine sehr günstige ist und bei weiterer Behandlung des Rohmaterials sehr gute Ganzstofe
liefert. Eingehende Versuche, den Kalk durch schwache Ätznatron-, Sofia-oder Sodakalklaugen
zu ersetzen, führten nicht zu besseren, teilweise sogar zu weniger günstigen Ergebnisseil.
Diese Kalkbehandlung hat man versucht, auch auf die Herstellung von Halbstoffen
aus Rohpflanzen zu übertragen, und zwar, wie die Erzeugung von braunem Schliff aus
gedämpftem -Nadelholz zeigt, mit gutem Erfolg. Da man hierbei eine sehr starke mechanische
Zerfaserung des Rohmaterials vornimmt, erwies sich schließlich der Kalk als entbehrlich
und wurde durch Dämpfen mit Wasser ersetzt. Die Anwendung von Kalklauge zur Strohaufschließung
zeigte jedoch, daß derartige, zwar schwach verholzte und verkieselte Rohpflanzen
erst nach langer V orweichung in der Lauge und darauffolgender Kochung unter Druck
oder überhaupt nur unter Druck leidlich befriedigende Ergebnisse liefern, da die
intensive mechanische Zerfaserung, wie bei gedämpftem Holz nicht möglich ist. Die
aus solchen Halbstoffen erzeugten Papiere zeigen noch immer viele schlecht aufgeschlossene
Teile und zahlreiche Splitter. Viele schwach verholzte und verkieselte Pflanzen,
z. B. die Typha- und Phragmitesarten, bleiben jedoch auch hierbei zuw enig aufgeschlossen
und liefern einen splitterigen, rauhen, harten und wenig festen Halbzellstoff. Die
Behandlung mit stärkeren Natronlaugen- hat zwar bessere Ergebnisse, ist aber unter
den heutigen Verhältnissen zu teuer für die Herstellung von Halbzellstoff, selbst
unter Berücksichtigung einer W iedergewinnungsanlage.
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Neuere Verfahren behandeln derartige Rohpflanzen zunächst bei Siedetemperatur
oder unter schwachem Druck mit Kalklaugen verschiedener Stärke und lassen nach deren
Beseitigung eine Kochung bei atmosphärischem oder höherem Druck mit stärkeren oder
schwächeren Sofialaugen folgen. Abgesehen davon, daß die Erhitzung großer Flüssigkeitsmengen
auf Siedetemperatur .im offenen Gefäß keine Vorteile hinsichtlich des Dampfverbrauches
bietet, ist bei diesem Verfahren eine zweimalige Erhitzung größerer Laugenmengen
erforderlich, die bei der Kohlenteuerung und Knappheit auch eine wesentliche Verteuerung
des erzeugten Halbzellstoffes bedeutet.
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Eingehende fabrikmäßig durchgeführte Versuche haben nun gezeigt, daß
man aus genannten Pflanzen einen geschmeidigen, gut aufgeschlossenen, splitterfreien,
für die Herstellung von Pappen und Packpapier vorzüglich brauchbaren Halbzellstoff,
der sich rasch und leicht kollern läßt, erhalten kann, wenn man nach dem nachstehend
beschriebenen Verfahren arbeitet.
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Die in üblicher Weise gehäckselten Pflanzen
werden
in einen rotierenden Kocher (Kugel-oder Sturzkocher) eingefüllt und kalte oder erwärmte
Kalklauge von je nach dem Material wechselndem Kalkgehalt eingefüllt. Hierauf wird
:der Kocher geschlossen und rotiert zunächst i bis ? Stunden mit der kalten oder
schwach erwärmten Lauge ohne Dampfzufuhr. Das gehäckselte Gut wird hierbei stark
mit Kalklauge getränkt, sitzt stark zusammen und kann der besseren Raumausnutzung
halber nachgefüllt werden. Nach dieser Durchtränkung des Materials mit Kalklauge
wird der Deckel geöffnet und der K.alklaugenüberschuß zwecks neuerlicher Verwendung
dem Kalklaurenbehälter wieder zugeführt.
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Hierauf «-erlen je nach den verwendeten Pflanzenarten Soflalatigen
von 5 bis g Prozent auf ioa kg lufttrockenes Material gerechriet, in nur solcher
Verdünnung in den Ko-. eher gegeben, daß eine völlige Durchtränkung des Materials
bei der folgernden Kochung möglich ist. Nun wird der Kocher geschlossen, in Bewegung
gesetzt und allmählich Dampf zugelassen, bis der für den Aufschluß erforderliche
Hcchstdruck erreicht ist. Dieser wird je nach der Beschaffenheit des Materials längere
oder kürzere Zeit gehalten, sodann der Kocher abgeblasen, entleert, der Stoff gewaschen,
gekollert und auf Papier oder Pappe weiterverarbeitet.
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Bei dieser Aufschließungsart tritt zunächst nur die schwache Einwirkung
der Sodalauge ein, die durch den im Pflanzenmaterial zurückgebliebenen, teilweise
gelösten, teilweise feiest suspendierten Kalk allmählich in geringen Mengen von
Ätznatronlauge umgewandelt wird, welche sich im Innern und auf der Faser bildet
und in statu nascendi wirkt. Hierbei genügen die gebildeten, sehr geringen Ätznatronmengen
für einen für Halbzellstoffe genügenden Aufschluß. Bei den weiteren Kochu.ngen wird
stets ein Teil der Schwarzlauge wieder mitverwendet. Es ist von Wichtigkeit, die
Kalk- bzw. Sodamengen dem verwendeten Pflanzenmaterial genau anzupassen, damit der
gewünschte Aufschlußgrad erreicht wird, ohne daß ein unnötiger Aufwand an Chemikalien
erfolgt.
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Der erhaltene Stoff zeigt eine lichtbraune oder dunkelbraune Färbung,
läßt sich gut anfärben und auf der Pappen- oder Papierinaschine mit oder ohne andere
Zusätze verarbeiten. Die beigefügten Muster zeigen deutlich die Unterschiede der
verschiedenen Aufschlullarten.