-
Verfahren zur Entfärbung von .Zuckersäften und Rohzuckerlösungen.
Bei der Verdampfung der gereinigten Säfte der Rohzuckerfabriken oder der Auflösungen
von Rohzucker im Raffineriebetriebe bilden sich bekanntlich stets große Mengen dunkel
gefärbter Zersetzungsprodukte des Zuckers, die man unter dem Namen »Karamel« zusammenfaßt,
die in Wirklichkeit aber aus Substanzen von verschiedenen Eigenschaften (verschiedener
Löslichkeit in Wasser und Al-
kohol und verschiedener Färbekraft) bestehen.
Von alters her hat man die Beobachtung gemacht, daß die Bildung dieser dunkel gefärbten
Zersetzungsprodukte beim Verdampfen von zuckerhaltigen Lösungen an der Luft größer
ist als bei der Verdampfung im Vakuum, und man sucht deshalb nach Möglichkeit beim
Erwärmen oder Verdampfen von Zuckerlösungen den Luftzutritt zu verhüten.
-
Bei der Affinationsarbeit in den Weißzuckerfabriken und beim Umkristallisieren
von Zuckerkristallen im Raffineriebetriebe erwiesen sich diese Farbstoffe als besonders
lästig, weil sie beim Ausfallen des Zuckers aus der Lösung zum Teil in die Kristalle
übergehen und dieselben dauernd dunkel färben. Um hellgefärbte, möglichst weiße
Kristalle zu erzielen, bleicht man deshalb die Zuckerlösung vor der Kristallisation
mit Hilfe von Reduktionsmitteln, wie schweflige und hydroschweflige Säure. Auch
hat man, bisher allerdings ohne praktischen Erfolg, versucht, hierfür Oxydationsmittel,
wie Ozon oder Wasserstoffsuperoxyd, zu verwenden. Oder man behandelt die farbigen
Zuckerlösungen mit Stoffen, welche die Farbstoffe adsorbieren, insbesondere mit
tierischer oder vegetabilischer Kohle, ferner mit Holzmehl, Kieselgur und zeolithartigen
Verbindungen und anderen Stoffen.
-
Es wurde nun die überraschende Beobachtung gemacht, daß die Wirkung
derartiger Entfärbungsmittel ganz erheblich dadurch verbessert werden kann, daß
man vor oder während der Behandlung der farbigen Zuckerlösungen. mit ihnen, Luft
durch die Zuckerlösungen hindurch litet. Es wurde des weiteren erkannt, daß -durch
diese Luftzufuhr nicht etwa infolge Oxydation eine Umwandlung .der Färbestoffe in
farblose chemische Körper stattfindet, sondern daß dadurch die Farbstoffe lediglich
eine Veränderung erfahren, durch die sie leichter durch die erwähnten Stoffe adsorbierbar
werden.
-
Die Wirkung des Luftsauerstoffes ist derart erheblich, daß dadurch
bedeutende Mengen an Entfärbungsmitteln, bei Verwendung von pulverisierter Pflanzenkohle
bis 2o Prozent und mehr, erspart werden können. Arbeitet man in der Kälte, so kann
die Zuckerlösung zunächst mit Luft gesättigt und- darauf das Entfärbungsmittel zugeführt
werden. Arbeitet man jedoch, wie im Raffineriebetriebe zur Vermeidung von Wärmeverlusten
und Infektionen üblich ist, in der Hitze, so würde bei diesem Verfahren wegen der
Schwerlöslichkeit des Luftsauerstoffes in heißen Flüssigkeiten kein genügender Erfolg
erreicht werden. In diesem Falle muß die Zuführung der Luft während oder nach der
Behandlung mit dem Entfärbungsmittel erfolgen, womit auch der Vorteil verbunden
ist, daß es durch die Luftblasen
sehr fein in der Flüssigkeit verteilt
werden und dadurch besser ausgenutzt «-erden kann.
-
Zur Vermeidung, von Wärmeverlusten, die während der Behandlung der
Flüssigkeit infolge Verdampfung von Wasser bei offenen Gefäßen eintreten, ist es
zweckmäßig, bei Anwendung höherer Temperaturen, die bis ioo0 und darüber gewählt
werden können, Autoklaven mit Rührwerk anzuwenden, in welche die benötigte Luft
hereingepreßt wird.
-
Daß es sich tatsächlich um eine Wirkung des Luftsauerstoffes und nicht
lediglich um eine Folge der feinen Verteilung des Entfärbungsmittels durch Aufwirbeln
mittels der Luftblasen handelt, wurde noch dadurch erhärtet, daß in vergleichenden
Versuchen statt Luft Kohlensäure oder Wasserstoff in die Flüssigkeit geleitet wurde,
wobei aber keine Zunahme der Entfärbung gegenüber der in bekannter Weise nur mit
dem Entfärbungsmittel behandelten Flüssigkeit eintrat.
-
Folgendes, der Praxis entnommene Beispiel erläutert die Art und die
Wirksamkeit des Verfahrens: Beispiel. .Aus schwach abgedecktem Rohzucker, I. Produkt
von 98,o Polarisation und 98,5 Quotient, wurde eine Zuckerlösung hergestellt. Diese
Lösung hatte bei 58,50 Balling eine Farbe von q.,50 Stammer, sie wurde mit einer
gut entfärbenden Pflanzenkohle behandelt. Die Reaktion dieser Pflanzenkohle war
schwach alkalisch. Die Zuckerlösung wurde auf eine Temperatur von 7o bis 750 gebracht
und in zwei Teile geteilt. Dem einen Teil wurde o,2 Prozent Pflanzenkohle zugesetzt;
in einem verschlossenen Gefäß wurde er tüchtig durchgeschüttelt und eine Stunde
lang bei 7o bis 750 im Wasserbade erhitzt und darauf abfiltriert. Der zweite Teil
der Zuckerlösung wurde ebenfalls mit o,2 Prozent Pflanzenkohle versetzt und eine
Stunde lang bei 70 bis 750 gehalten, gleichzeitig aber ein schwacher Luftstrom
hindurchgeleitet und darauf abfiltriert und im Stammerschen Apparat die Farbe bestimmt.
-
Das Filtrat des ersten Teiles des Versuches zeigte eine Farbe nach
Stammer von 3,q.0, das Filtrat des zweiten Teiles hingegen nur eine Farbe von 2,g20
Stammer. Bezogen auf die ursprüngliche Farbe der Zuckerlösung waren also bei Versuch
I 2o,o Prozent, bei Versuch 1I 35,0 Prozent des Farbstoffes entfernt, bei
der Behandlung der Lösung mit Luft also 15 Prozent Farbe mehr entfernt als ohne
die Luftbehandlung.