DE3721562A1 - Verwendung exogener ganglioside als schutzfaktor bei tumorerkrankungen - Google Patents
Verwendung exogener ganglioside als schutzfaktor bei tumorerkrankungenInfo
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Description
Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Gangliosidmischung
und deren Einzelfraktionen, welche einen Schutzeffekt
gegen die durch Antitumormittel verursachte Neurotoxizität
aufweisen.
Die Ganglioside stellen eine Familie komplexer Glykolipidmoleküle
dar und sind natürliche Komponenten
zellulärer Membranen und insbesondere der neuronalen
Membranen. Sie sind an der Entwicklung, Differenzierung
und neuronalen Regeneration beteiligt.
Exogene Ganglioside werden in stabiler Weise in die
neuronalen Membranen inkorporiert (Toffano G. et al
[1980]: J. Neurochem. 35, [4], 861-866; Aporti F. et al.
[1981]: Acta Oto-Laryingologica, 92, 433-437). Diese
Inkorporierung steht mit der Aktivierung eines enzymatischen
Membransystems (Na⁺, K⁺)ATPase, deren Aktivität für die
Nervenimpulsleitung essentiell ist, im Zusammenhang. Die
enzymatische Inkorporierung und Aktivierung wurden sowohl
in vitro (Leon A. et al. [1981]: J. Neurochem.
37, [2], 350-357) und in vivo (Aporti F. et al. [1981])
gezeigt.
Ganglioside sind Säureglykolipide, die zu der als
Glykosphingolipide bekannten Familie biologischer Verbindungen
gehören. Diese weisen vier Grundstruktureinheiten
auf: eine lange Aminoalkoholkette, eine Fettsäure,
eine Oligosaccharidfraktion und einen oder mehrere
Sialinsäurereste.
Die in cerebralen Gangliosiden vorhandene lange Aminoalkoholkette
ist 4-Sphingenin. Das Analogon mit der
längsten Kette ist 4-Eicosasphingenin. Diese Verbindungen
sind allgemein als Shingosine bekannt.
Die entsprechenden gesättigten Verbindungen (Sphinganine)
sind in geringen Mengen ebenfalls in den Gangliosiden
vorhanden.
Eine Fettsäure ist mittels einer Amidbindung an die
Sphingosin-Grundstruktur gebunden. Bei cerebralen
Gangliosiden ist diese Fettsäure zu 95% Stearinsäure
(18 : 0). Andere Fettsäuren finden sich in geringeren
Mengen, beispielsweise Arachidinsäure (20 : 0), Palmitinsäure
(16 : 0) oder Palmitoleinsäure (16 : 19). Der Aminoalkohol
und die Fettsäure bilden zusammen eine Ceramid
genannte Einheit, die den hydrophoben Teil des Gangliosidmoleküls
darstellt.
Die an das Ceramid gebundene Oligosaccharidkette
charakterisiert die Glykosphingolipidfamilie, zu der das
Gangliosid gehört. Sphingolipide werden auf der Basis der
Kohlenhydrate, die unmittelbar an das Ceramid gebunden
sind, in zwei Untergruppen eingeteilt. Die erste und
kleinere Untergruppe leitet sich von Galaktosylceramid
ab. Die meisten Glykosphingolipide und deshalb im wesentlichen
alle Ganglioside gehören zu der Untergruppe, die
sich von Glykosylceramid ableitet.
Sialinsäure ist in den cerebralen Gangliosiden hauptsächlich
in der N-Acetylform vorhanden, die N-Glykolylform
wurde jedoch auch bei einigen Gangliosidarten gefunden.
Dieser Rest ist im allgemeinen als Neuraminsäure (NANA
oder NGNA) bekannt.
N-Acetylneuraminsäure; offene Kette und
Hemiketalring
Die Hydrophilie der Ganglioside hängt ab von der Oligosaccharidkette
und der Zahl der an diese Kette gebundenen
Sialinsäurereste.
Die höchste Gangliosidkonzentration findet man in der
grauen Substanz des Gehirns, die etwa 2,5 µm NANA pro g
Naßsubstanz (ungefähr 0,4% des Trockengewichts, 0,6%
der Gesamtlipide) (Ledeen R., Salsmar K., Cabrera M.,
J. Lipid Res.: 2, 129 [1968]) enthält. Ungefähr 90% des
Gesamtgangliosidgehalts von Säugetiergehirnen wird durch
vier Ganglioside mit identischer Oligosaccharidsequenz gebildet:
Gal( β 1→3)GalNAc( β 1→4)Gal( β 1→4)Glc( β 1→1)Cer
Der größte Teil der verbleibenden 10% des Gehalts an
cerebralen Gangliosiden bei Säugetieren umfaßt die
fehlenden Ganglioside der terminalen Galaktose- oder
Galaktosyl-N-acetylgalaktosamineinheit (Svennerholm L.,
Mansson S., Li Y., J. Biol. Chem. 248, 740 [1973]).
Die cerebralen Ganglioside wurden chromatographisch isoliert
und gereinigt. Zuerst wurde die Struktur des GM1-Gangliosids
bestimmt. Es wurde gezeigt, daß diese Struktur allen vier
Hauptgangliosiden, die im Säugergehirn vorhanden sind,
gemeinsam ist. Die nachfolgend angegebene Struktur bezieht
sich auf die für GM1 beschriebene Struktur und wird
beispielhaft angegeben. Die Tabelle 1 enthält Angaben über
die vier Hauptganglioside von Säugetiergehirnen.
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Behandlung und
Heilung von Neurotoxizität, die durch Antitumormittel, insbesondere
Vinca-Alkaloide, hervorgerufen wird, mit einer
Zusammensetzung, die eine Gangliosidmischung ist aus GM₁,
GD1a, GD1b und GT1b in folgenden %-Verhältnissen:
GM1- 21%
GD1a- 40%
GD1b- 16%
GT1b- 19%
Die Erfindung betrifft weiter ein pharmazeutisches Mittel,
das eine Mischung von Gangliosiden und/oder der einzelnen
Fraktionen davon enthält. Dieses Mittel besitzt Schutzwirkung
gegen Neurotoxizität, hervorgerufen durch Antitumormittel,
insbesondere Alkaloid-Antitumormittel der
Vinca-Reihe. Die Gangliosidmischung ist insbesondere eine
Mischung der Ganglioside GM1, GD1a, GD1b und GT1b der
oben angegebenen prozentualen Zusammensetzung.
Dieses Mittel besitzt Schutzwirkung gegen die vom Antitumormittel
verursachte Toxizität und ist zur Behandlung
und Befreiung von den toxischen Nebenwirkungen einer Antitumor-
Chemotherapie brauchbar.
Gegenstand der Erfindung ist weiter ein Arzneimittel für
die Prophylaxe der allgemeinen toxischen Effekte oder
chronischen neurotoxischen Effekte, die durch die Verabreichung
antineoplastischer Mittel verursacht werden.
Schließlich ist Gegenstand der Erfindung die Verwendung
einer Gangliosidmischung, insbesondere einer Mischung
der Ganglioside GM1, GD1a, GD1b und GT1b zur Verhütung
oder zur prophylaktischen Behandlung allgemeiner toxischer
Effekte oder chronischer neurotoxischer Effekte, die durch
eine anschließende Verabreichung antineoplastischer Mittel
verursacht werden.
Wie oben erläutert, stellen die Ganglioside eine Familie
komplexer Glykolipidmoleküle dar, die natürliche
Komponenten von Zellmembranen sind. Aufgrund der Annahme,
daß Ganglioside zur Hauptsache mit Neuronenmembranen
assoziiert sind, wurde berichtet (Fishman and Coll.
[1976]: Science, 194, 906-915), daß sie eine Rolle bei der
Informationsübertragung durch diese Membranen spielen
könnten. Diese Hypothese wird durch eine Reihe von Beobachtungen
an Ereignissen gestützt, die durch die Zellmembranen
vermittelt werden, bei denen diese Moleküle mit
einbezogen sind. Dabei handelt es sich um: die neuronale
Entwicklung (Dimpfel W. und Coll.: In "Gangliosides in
Neurological and Neuromuscular Function, Development and
Repair", Rapport and Gorio, Raven Press 119-134, 1981),
Differenzierung (Leon A. und Coll.: In "Membranes in
Growth & Development", Hoffmann und Coll., 311-320 [1981])
Regenerierung (Gorio A. u. Coll [1981a]:
In "Gangliosides in Neurological and Neuromuscular
Function, Development and Repair", Rapport and Gorio,
Raven Press 177-195]).
Eine zur parenteralen Verabreichung gereinigte Mischung
der Ganglioside GM1, GD1a, GD1b und GT1b hat sich bei der
Stimulierung der Reinnervation aufgrund verstärktem
Neuronenwachstums (Gorio A. und Coll. [1980]: Brain Res.
197, 236-241) als wirksam erwiesen. Die das Neuronenwachstum
fördernde Aktivität wurde sowohl in vitro an
neuronalen Gewebekulturen-Modellen (Roisen F. J. and Coll.
[1981]: Science, 214, 577-578; Hauw J. J. and Coll.
[1981]: Neurophysiologie. C. R. Acad. Sc. Paris,
292, [8], 569-571]) als auch in vivo an Tier-Denervations-Modellen
(Gorio und Coll., "Brain Res. 197, 236-241),
Gorio A. und Coll. [1981]: In "Nervous system
regeneration. Birth Defects; original article series",
19, [4], 157-174, [1983], Haber B und Coll.) bestätigt.
Die in vivo Tiermodelle (Denervation des rasch zuckenden
Muskels bei der Ratte durch Zerquetschen des Ischial-Nervs,
Teildenervation des Musculus soleus bei der
Ratte durch Resektion und Dislokation der Nervenwurzel
L 5) erbrachten sowohl elektrophysiologisch als auch
morphologisch den Beweis für ein erhöhtes kollaterales
Nervenwachstum nach Behandlung mit exogenen Gangliosiden
(5-50 mg/kg pro Tag bei parenteraler Injektion), was zu
einer rascheren Wiederherstellung der Funktionalität führte.
Elektrophysiologisch wurde die raschere Heilung des geschädigten
Nervs aufgrund der Behandlung mit Gangliosiden
an verschiedenen Tiermodellen gezeigt, dazu zählen die
sensorische Nervenfunktion nach Durchtrennen des Nervs
(Norido F. und Coll. [1981]: Experientia, 37, 301-302);
Verringerung der Kochlear-Funktion nach Lärmeinwirkung
(Aporti F. und Coll. [1977]: Nuovo Arch. Otol. Rinol.
Laringol. 5, [1], 25-32); Diabetes-Neuropathie bei
genetisch diabetischen Mäusen (Noride F. und Coll.,
Muscle & Nerve, 5, 107.110 [1982]); und Neurotoxinvergiftung
(Aporti F. und coll. [1981]; Acta Otolaryngologica
92, 433-437, [1981], Maroni M. und Coll. Clinical
Toxicology 18, [12] 1475-1484 [1981]).
Auf der Basis dieser experimentellen Daten ist ersichtlich,
daß die Gangliosidmischung GM1, GD1a, GD1b und GT1b für
viele Beschwerden brauchbar ist, die das
periphere Nervensystem beeinflussen, wobei die
Reinnervation stimuliert und beschleunigt werden kann.
Darüber hinaus hat sich die Gangliosidmischung aufgrund
ihrer Schutzwirkung gegen die durch Antitumormittel im
allgemeinen, insbesondere durch die von der Vinca-Reihe
abgeleiteten Alkaloide, als brauchbar erwiesen.
Wie oben erwähnt, sind die Ganglioside als Membrankomponenten
ubiquitär, wobei sich die meisten in dem äußeren
Blättchen der Lipidschicht der Plasmamembranen finden
(Ledeen R. [1984]: TINS 8, 169-174).
Es ist literaturbekannt, daß Ganglioside bei Regulationsphänomenen
und bei der zellulären Erkennung beteiligt
sind; es wurde daher verifiziert, daß sie bei der Entwicklung
und der zellulären Differenzierung eine Rolle
spielen. Es ist weiter bekannt, daß die Tumorbildung mit
bedeutenden Veränderungen auf der Zelloberfläche von
Glykosphingolipiden (und deshalb einschließlich
Gangliosiden) im Zusammenhang steht. Auf dieser Basis
wurde postuliert, daß Ganglioside eine (bisher noch nicht
gut definierte) Rolle bei der Wachstumsregulierung,
Differenzierung und Zellinteraktion spielen (Hakomori S.
[1981]: Ann. Rev. Biochem. 50, 733-764).
Bei der embryonalen und histogenen Entwicklung und
Differenzierung werden die zellulären Interaktionen
durch kontinuierliche Veränderung von Zelloberflächenmolekülen,
die für ein genetisches Programm kodieren,
mediiert. Während dieses Prozesses erfolgen bemerkenswerte
phasenabhängige Veränderungen im Gehalt und der
Komplexität der Zelloberflächen-Ganglioside.
Einige Beispiele für dieses Phänomen sind:
- a) Expression von Tetanustoxin (Koulakoff A. et al. [1983]: Develop. Biol. 100, 350-357) und Choleratoxin- Bindungsstellen (Willinger M. und Schachner M. [1980]: Develop. biol. 74, 101-117) im ZNS erfolgt nur an postmitotischen Neuronen);
- b) Beim Intestinalepithelium sind die undifferenzierten Zellen durch die Anwesenheit von Lac-Cer, Glu-Cer und die Abwesenheit von GM₃ charakterisiert, wohingegen die differenzierten Zellen durch hohe GM₃-Spiegel charakterisiert sind (Ledeen R. [1984] TINS 8, 169-174);
- c) Es erfolgt eine beträchtliche Erhöhung an GM1b, wenn die Amyloidzellen dazu induziert werden, in Makrophagen zu differenzieren (Ledeen R. [1984] TINS 8, 169-174).
Diese und andere hier nicht genannte Beispiele, wie
die Modifizierung von Gangliosiden während eines Zell-
Zell-Kontaktes, zeigen, daß die Expression spezifischer
Ganglioside an der Zelloberfläche mit dem Umschalten des
Zellprogramms vom proliferativen zum nicht-proliferativen
Zustand korreliert (Koulakoff A. et al [1983]: Develop.
Biol. 100, 350-357). Darüber hinaus kann ihre
Expression die Zell-Zell-Interaktion, Zellmigration
und Zelldifferenzierung definieren.
Letzteres läßt sich von in vitro Experimenten ableiten,
die durch Zugabe exogener Ganglioside zu proliferierenden
(z. B. 3T3, Neuroblastom, Glioma etc.) oder nicht-
proliferierenden Zellen (z. B. Primärneuronen) in
eine Kultur durchgeführt wurden. In allen Fällen erhöhen
die exogen zugegebenen Ganglioside die Zelldifferenzierung.
Bei proliferierenden Zellen steht dieser
Effekt mit abnehmender Proliferation (siehe unten) im
Zusammenhang (Haber B. und Gorio A., Hrsg. [1984]:
J. Neurosci. Res.).
Aufgrund der nachfolgenden Beobachtungen wurde vorgeschlagen,
daß die Ganglioside möglicherweise bei der
Regulierung des Zellwachstums eine Rolle spielen:
- a) die Synthese spezifischer Ganglioside ist in Assoziation mit der "Kontaktinhibierung" des Zellwachstums stark erhöht (Ledeen R. [1984] TINS 8, 169-174);
- b) die Gangliosidsynthese erhöht sich, wenn das Zellwachstum in transformierten Zellen durch Differenzierungsmittel gehemmt oder induziert wird (Ledeen R. [1984] TINS 8, 169-174);
- c) die exogene Zugabe von Gangliosiden, einschließlich GM1, die in Plasmamembranen inkorporiert sind, inhibiert das Zellwachstum und induziert Kontaktinhibitierung. Dieser Effekt wurde bei mehreren Zellinien beobachtet (d. h. 3T3, Neuroblastoma, Gliom) (Haber B. und Gorio A., Hrsg. [1984]: J. Neurosci. Res.; Ledeen R. et al., Hrsg. [1984]: Adv. Exper. Med. and Biol. 174).
Demzufolge erhöht sich die Gangliosidsynthese, wenn die
Proliferation gestoppt wird. Darüber hinaus führt der
exogene Zusatz von Gangliosiden zu einem Anhalten oder
Verzögern der Zellproliferation. Es ist zu bemerken, daß
dieser letztere Effekt in keiner Weise mit Cytotoxizität
im Zusammenhang steht.
Veränderungen im Gangliosidmuster der Zelloberfläche
wurden bei verschiedenen Typen von Tumorzellen und als
spezifische Antwort auf unterschiedliche transformierende,
karzinogene Mittel beobachtet. Diese Veränderungen können
deshalb als allgemeines Phänomen betrachtet werden, das
gewöhnlich mit der Transformation assoziiert ist
(Hakomori S. [1975]: Biochim. Biophys. Acta 417, 55-89).
Während der onkogenen Transformation sind im wesentlichen
drei Kategorien an Veränderungen der Glykolipidzelloberfläche,
einschließlich der Ganglioside, zu beobachten:
Unvollständige Synthese, Neusynthese und organisatorische Membran-Neuordnungen der Glykolipidmoleküle (Hakomori S. [1984]: TIBS 10, 453-458). Sowohl der Prekursor, der sich aufgrund unvollständiger Synthese akkumuliert als auch das durch Neosynthese gebildete Neoglykolipid (üblicherweise kleinere [minor] Glykolipide oder Ganglioside) werden für eine "tumor-assoziierte" antigene Expression gehalten, wenn sie auf der Progenitor-Zelloberfläche nicht nachweisbar sind. Darüber hinaus sind diese tumor-assoziierten Antigene manchmal dadurch charakterisiert, daß sie eine ungewöhnliche Ceramid-Zusammensetzung besitzen.
Unvollständige Synthese, Neusynthese und organisatorische Membran-Neuordnungen der Glykolipidmoleküle (Hakomori S. [1984]: TIBS 10, 453-458). Sowohl der Prekursor, der sich aufgrund unvollständiger Synthese akkumuliert als auch das durch Neosynthese gebildete Neoglykolipid (üblicherweise kleinere [minor] Glykolipide oder Ganglioside) werden für eine "tumor-assoziierte" antigene Expression gehalten, wenn sie auf der Progenitor-Zelloberfläche nicht nachweisbar sind. Darüber hinaus sind diese tumor-assoziierten Antigene manchmal dadurch charakterisiert, daß sie eine ungewöhnliche Ceramid-Zusammensetzung besitzen.
Vincristin ist ein häufig verwendetes antineoplastisches
Mittel und kommt erfolgreich bei der Behandlung von Leukämie,
Lymphom und im allgemeinen bei fortgeschrittenen Krebsformen
zur Anwendung (Holland J. F. et al [1983]: Cancer
Res., 33, 1258-1264). Der Hauptnachteil der extensiven
Anwendung von Vincristin bei verschiedenen Tumorerkrankungen
ist dessen große Toxizität. Insbesondere besteht
eine der Hauptnebenwirkungen darin, daß Anzeichen
von peripherer und autonomer Neurotoxizität auftreten.
Die Neuropathie zeigt sich typischerweise im Verlust
der Sehnenreflexe, in Parästhesie, Muskelschmerz und
-schwäche, Konstipation und Bauchschmerz. Die Neurotoxizität
setzt der Dosierung und der Zahl der Verabreichungen,
die zur Heilung tumoraler Pathologien erforderlich
ist, enge Grenzen und erfordert häufig das
Absetzen des Arzneimittels (Arnold A. M. et al [1985]:
The Lancet, 9. Februar).
Der anti-mitotische Wirkungsmechanismus der Vinca-Alkaloide
besteht in einer Interferenz mit der Mikrotubuli-Anordnung
in der mitotischen Spindel. Man nimmt
an, daß der die Mikrotubli störende Effekt auch für
morphologische Änderungen der Axone und Neurone in
Tierversuchen verantwortlich ist, wobei fokale, axonale
Schwellungen, disorganisierte Akkumulierungen von
Neurofilamenten (Cho E. S. et al. (1983): Arch. Toxicol.
52, 83-90) und mikrotubulare, kristalloide Inklusionen
in Neuronen (Sato M., Miyoshi K. [1984]: Acta Neuropathol.
63, 150-159) zu beobachten sind. Vom elektrophysiologischen
Standpunkt aus gesehen, zeigen die Untersuchungen
von McLeod und Penny (J. Neurol. Neurosurg. Psychiat. 32,
297-304, 1969) und Guiheneuc et al. (J. Neurol. Sci. 45,
355-366, 1980) am Menschen, daß die VRC-induzierte
Neuropathie vom Dying-Back-Typ unter Miteinbeziehung distaler,
retrograder axonaler Degeneration war. Dieser distale
Degenerationsprozeß verursacht eine teilweise Denervation
des entsprechenden Muskels. In dieser Situation scheinen
Reparatursequenzen in Form kollateraler Sprouting-Phänomene
durch lebensfähige Axone den Versuch des Organismus darzustellen,
die betreffenden Muskeln mit verschwindenden
Axonen zu reinnervieren (Brown M. C. et al [1981]: Ann. Rev.
Neurosci. 4, 17-42).
McLeod und Penny (1969) haben gefunden, daß diese
physiologischen Repair-Prozesse nach Unterbrechung der
VCR-Therapie erneut wirksam werden und die rasche
Regenierung der Nervenfasern ermöglichen.
Es ist andererseits bekannt, daß die parenterale Verabreichung
einer Gangliosidmischung (mit dem Warenzeichen
CRONASSIAL bezeichnet) an Tiere Repair-Prozesse an
peripheren Nerven durch einen Mechanismus stimuliert, der
auf einer Erleichterung des Nerven-Sproutings basiert
(Gorio A. et al. [1980]: Brain Res. 197, 236-241).
Umfangreiche klinische Forschung hat erbracht, daß das
Arzneimittel CRONASSIAL bei einer großen Zahl von
Störungen des peripheren Nervensystems angebracht ist, wobei
die Stimulierung der reparativen Innervierung einen
klinischen Vorteil bedeutet. Zu derartigen peripheren
Neuropathien zählen auch einige toxische Formen, wie
iatrogene Neuropathien, die durch Vinca-Alkaloide verursacht
werden, welche zur Behandlung von Neoplasien angewandt
wurden.
Bei Vincristin-induzierter Neuropathie haben Dantona
et al (1978): Rivista Scientifica ed Educazione
Permanente (Suppl. 9, 155-158) von 40 Patienten mit
akuten neurotoxischen Syndromen, die durch Vincristin
verursacht wurden, berichtet. Diese Patienten erhielten
20 mg Cronassial täglich während 20 Tagen und anschließend
10 mg täglich für mehr als 10 Tage. Die Patienten wurden
regelmäßig befragt, wobei besonderes Augenmerk auf ihre
Symptome gelegt wurde. 57,5% der Patienten berichteten
über eine signifikante subjektive Verbesserung. Insbesondere
hat sich gezeigt, daß die Parästhesiesymptome
bereits am vierten Tag nach Beginn der Therapie nachlassen.
Diesen Vorversuchen folgte ein kontrollierter Versuch an
einer geringeren Patientenzahl.
Azzoni (II Policlinico, Sez. Medica, 85 [4], 255-262
[1978]) untersuchte sieben mit Cronassial behandelte
Patienten und parallel dazu im Vergleich sieben unbehandelte
vergleichbare Patienten. Die behandelten Patienten
erhielten 20 mg Cronassial i.m. täglich 4 bis 6 Wochen
lang gleichzeitig mit Vincristin, um neoplastische
Störungen zu unterdrücken. Der Effekt der Behandlung wurde
anhand der Symptome für vier wichtige neurologische Veränderungen
verfolgt: Parästhesie, Achillessehnen-Areflexie,
Fußdorsiflexionskraft und Darmfunktionsstörung. Die Bewertung
der Symptome nach dem Behandlungszyklus erfolgte
im Hinblick auf die geringe Patientenzahl mit Hilfe der
Armitage-Sequenzanalyse. Diese Analyse zeigte, daß die
Cronassial-Therapie bei der angewandten Dosierung das
Auftreten mäßig neurotoxischer Anzeichen (Paresthesie und
den Verlust des Achillessehnenreflexes) wirksam verhütete.
Um die Möglichkeit einer physikalisch-chemischen oder
biologischen Wechselwirkung zwischen den in Cronassial
enthaltenen Gangliosiden und Vincristin auszuschließen
und um die Möglichkeit der Beeinträchtigung der antitumoralen
Aktivität von Vincristin durch die begleitende
Verabreichung von Cronassial zu untersuchen,
wurden verschiedene Tierversuche unter gleichzeitiger Verabreichung
von Vincristin und Gangliosiden durchgeführt.
Insbesondere wurden untersucht:
- 1. Die akute und chronische Toxizität und
- 2. der antitumorale Effekt.
Tiere: Die Mäuse wurden in Gruppen von nicht mehr als
8 Tieren unterteilt und in Standardkäfigen gehalten.
Futter und Wasser stand ad libitum zur Verfügung.
Die Tiere wurden in Räumen unter genau kontrollierten
Bedingungen untergebracht.
- - 1 mg Vincristin wurde auf die Konzentration verdünnt, die erforderlich ist, um 0,1 ml/10 g Körpergewicht zu injizieren.
- - eine Lösung von Gangliosiden wurde hergestellt durch Zugabe von sterilem destilliertem Wasser in einer Menge, die ausreicht, um eine Endkonzentration von 200 mg/kg in einem Volumen von 0,2 ml zu erhalten. Diese Dosis wurde Mäusen mit einem Gewicht von ungefähr 20 g verabreicht.
Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Es ist
ersichtlich, daß die Gangliosidmischung keine Schutzwirkung
gegen die von einer einzelnen i.v. Vincristindosis
herrührende Toxizität besitzt.
Männliche Mäuse CD-1 (ICR) BR (Charles River, Italien)
mit einem Gewicht von 25-30 g wurden für das gesamte
Experiment verwendet. Es wurde Gruppen von 10 Tieren
pro Käfig gehalten. Die Tiere wurden mit Standard-Laborfutter
gefüttert, Leitungswasser stand ihnen ad
libitum zur Verfügung. Die Tiere wurden bei konstanter
Raumtemperatur (21±1°) und relativer Feuchtigkeit
(60%) und regelmäßigen Hell/Dunkelzyklen (Licht von
8.00 morgens bis 8.00 abends) gehalten.
Vincristinsulfat (Lilly) wurde in Kochsalzlösung gelöst
und i.v. in einem Dosisvolumen von 10 ml/kg
injiziert. Die Ganglioside wurden in einem Phosphatpuffer
(0,01 M; pH 7,5) der 0,8% NaCl enthielt,
solubilisiert und i.m. in einem Dosisvolumen von 5 ml/kg
verabreicht.
Die Gangliosidmischung (oder der Träger) wurde i.m.
täglich an fünf aufeinanderfolgenden Tagen in unterschiedlichen
Dosierungen (50, 100 und 200 mg/kg) verabreicht.
Vincristin wurde i.v. 5 h nach der letzten
Behandlung mit Gangliosiden (oder dem Träger) in
Dosierungen von 2,4 und 2,6 mg/kg injiziert.
Die Gangliosidmischung (oder der Träger) wurde i.m.
in Dosierungen von 200 mg/kg 5 h vor einer i.v. Behandlung
mit Vincristin an fünf aufeinanderfolgenden
Tagen verabreicht.
Die Vincristindosierung war 2,2, 2,4 und 2,6 mg/kg.
Die Mortalitätsrate wurde anhand der Zahl der Tiere bewertet,
die innerhalb der ersten 14 Tage der Vincristin-Behandlung
starben.
Die statistische Signifikanz der Mortalitätsraten wurde
mit Hilfe des Wahrscheinlichkeitstests von Fisher bewertet.
Die Ergebnisse der Versuche sind in den Tabellen 3 und 4
zusammengestellt und in Fig. 1 graphisch aufgetragen.
Fig. 1 zeigt:
Den Effekt der Vor- und Nachbehandlung mit Gangliosiden auf die Toxizität, die durch unterschiedliche Vincristin-(VCR)-Dosen induziert wurde. Es wurden 10 Mäuse in jeder Gruppe verwendet. Auf Basis der Kurve für die Mortalitätsrate nach einer Vincristinverabreichung wurden Dosierungen zwischen 2 und 3 mg/kg für die Untersuchungen mit Gangliosiden ausgewählt. Im ersten Experiment wurde die Wirkung der Gangliosidbehandlung vor und nach der Vincristininjektion verglichen.
Den Effekt der Vor- und Nachbehandlung mit Gangliosiden auf die Toxizität, die durch unterschiedliche Vincristin-(VCR)-Dosen induziert wurde. Es wurden 10 Mäuse in jeder Gruppe verwendet. Auf Basis der Kurve für die Mortalitätsrate nach einer Vincristinverabreichung wurden Dosierungen zwischen 2 und 3 mg/kg für die Untersuchungen mit Gangliosiden ausgewählt. Im ersten Experiment wurde die Wirkung der Gangliosidbehandlung vor und nach der Vincristininjektion verglichen.
Im Falle der Nachbehandlung wurde eine einzelne Gangliosidverabreichung
gegeben, um die Möglichkeit auszuschließen,
daß die größere Wirksamkeit der Vorbehandlung mit
Gangliosiden bei der Reduktion der Vincristintoxizität
nur von der letzten Gangliosidinjektion herrührt.
Wie in Fig. 1 gezeigt, wurde eine Reduktion der Vincristintoxizität
beobachtet, wenn die Gangliosidmischung subchronisch
vor, aber nicht nach der Vincristininjektion
verabreicht wurde. Dieser Effekt wurde mit der maximalen
Gangliosiddosis (200 mg/kg) erhalten. Wenn eine geringere
Dosis der Gangliosidmischung verabreicht wurde, war ein
dosisabhängiger Effekt der Gangliosid-Schutzwirkung
(Tabelle 3) zu beobachten, ausgenommen die abnormale
Mortalitätsrate der Gruppe, die mit 100 mg/kg Gangliosiden
und 2,6 mg/kg Vincristin behandelt wurde.
Weitere Versuche wurden mit einer Gangliosiddosis von
200 mg/kg durchgeführt. Die relativen Daten sind aus
Tabelle 4 ersichtlich.
BehandlungMortalitätsrate
BehandlungMortalitätsrate
Träger + VCR 2,4 mg/kg i.v.7/10
Ganglioside 50 mg/kg i.m. + VCR 2,4 mg/kg i.v.2/10
Ganglioside 100 mg/kg i.m. + VCR 2,4 mg/kg i.v.1/10
Ganglioside 200 mg/kg i.m. + VCR 2.4 mg/kg i.v.0/10
Träger + VCR 2.6 mg/kg i. v.5/10
Ganglioside 50 mg/kg i.m. + VCR 2.6 mg/kg i.v.4/10
Ganglioside 100 mg/kg i.m. + VCR 2.6 mg/kg i.v.9/10
Ganglioside 200 mg/kg i.m. + VCR 2,6 mg/kg i.v.2/10
Für die einzelnen Tumore wurden die folgenden Stämme
verwendet:
- - Männliche Swiss-Schneidermäuse mit einem Gewicht von 27 g wurden für die Versuche mit Sarcoma S 180 verwendet.
- - Weibliche C₅₇Bl-Mäuse mit einem Gewicht von 20 g wurden für die Versuche mit Melanom B16 verwendet.
- - Männliche BDF₁-Mäuse mit einem Gewicht von 30 g wurden für die Versuche mit Leukämie L1210 verwendet.
- - C57-B1-Mäuse mit einem Gewicht von 20 g wurden für die Experimente mit Lewis-lung verwendet.
Dieser Tumor wurde in diesem Labor bereits über 10 Jahre
in den gleichen Stamm an Mäusen transplantiert. Die
Transplantation erfolgte durch sc-Inokulierung von 0,1 ml
eines Tumorhomogenats, das durch feines Zerhacken von
lebensfähigem Tumorgewebe erhalten wurde. Das Transplantat
wurde wiederholt mittels einer Nadel (26 Gauge) in eine
sterile Petrischale gegeben. Es wurden 0,1 ml Penicillin
(20 000 Einheiten/ml) und Streptomycin (20 000 Einheiten/ml)
zu der Lösung gegeben. Weiter wurden 5 mg Neomycin
zugegeben.
Dieser Tumor wurde durch Inokulation hergestellt wie oben
für Sarcoma S 180 beschrieben.
7 Tage nach der Inokulation von L1210-Zellen wurde den
Tieren die Milz entnommen, die anschließend mit isotonischer
Kochsalzlösung 1 : 100 fein gehackt wurde. 0,1 ml
dieser Milz- und Leukämie-L1210-Zellsuspension wurde anschließend
sc in die Flanke jeder BDF₁-Maus injiziert.
Dieser Tumor wurde durch Inokulierung in der gleichen Weise
hergestellt, wie oben für Sarcom S 180 beschrieben.
Es wurde ein Standardvial mit 1 mg Vincristin verwendet.
Dieses wurde hergestellt mit einem geeigneten
Volumen an Verdünnungslösung, um die für die Injektion von
0,1 ml/10 g Körpergewicht erforderliche Endkonzentration
zu erzielen.
Eine Lösung dieser Substanz, die eine Mischung von vier
Gangliosiden darstellt, wurde hergestellt durch Zugabe
von sterilem destilliertem Wasser in einer Menge, die für
eine Konzentration von 200 mg/kg in einem Volumen von
0,2 ml ausreicht. Diese Dosis wird Mäusen mit einem Gewicht
von ungefähr 20 g verabreicht.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in Tabelle 5
zusammengestellt.
Die Tests von Vincristin mit und ohne Cronassial an den
Tumoren S180, B16 und L1210 zeigten, daß Cronassial die
Antitumoraktivität, die Vincristin haben mag, nicht beeinträchtigt.
Dies wird anhand der Inhibierung des
Tumorwachstums während der mittleren Überlebenszeit gezeigt.
Im Gegenteil, die mit Leukämie L1210 erhaltenen Ergebnisse
zeigen, daß die durch die Toxizität von Vincristin
alleine verursachte Sterblichkeit reduziert sein kann
(bei Verabreichung mit Cronassial) und daß die Wirksamkeit
von Vincristin gegen L1210 erhöht wird, wobei eine
mittlere Überlebenszeit von 10,3 Tagen im Vergleich zu
7,8 Tagen für Vincristin alleine zu beobachten ist.
Dieser Unterschied ist statistisch signifikant.
Erfindungsgemäß soll die Gangliosidformulierung die
einzelnen Ganglioside in folgenden Anteilen enthalten:
Einzelne GangliosideGew.-%
- GM1von 10 bis 23
- GD1avon 36 bis 44
- GD1bvon 14 bis 18
- GT1bvon 17 bis 21
Bei einer bevorzugten Formulierung werden die einzelnen
Ganglioside in folgenden Mengen kombiniert:
GM1- 21%
GD1a- 40%
GD1b- 16%
GT1b- 19%
Zur Herstellung der erfindungsgemäßen pharmazeutischen
Mittel soll die Formulierung vorzugsweise einen Gesamtgangliosidtiter
(GM1+GD1a+GD1b+GT1b) von 95% (berechnet
als Trockengewicht) enthalten. Die Präparate können
Lösungen der Gangliosidverbindungen oder ein gefriergetrocknetes
Pulver der Verbindungen zusammen mit einem
oder mehreren pharmazeutisch annehmbaren Trägern oder Verdünnungsmitteln
sein, die ein Phosphatmedium von geeignetem
pH enthalten, das isoosmotisch mit physiologischen Flüssigkeiten
ist. Jede Dosis des Mittels soll zwischen 10 und
100 mg der Gangliosidmischung enthalten.
Die jeweilige Dosierung hängt von dem gewünschten Effekt
und der Verabreichungsart ab. Beispielsweise kann die
Dosierung zwischen 1,43 und 0,143 mg an Wirkstoff pro
kg/Körpergewicht pro Tag bei einer Standarddosierung
zwischen 100 und 10 mg betragen. Die Zusammensetzung
einiger pharmazeutischer Mittel ist nachfolgend angegeben:
Jedes 2 ml Vial enthält:
- - Gangliosidmischung folgender Zusammensetzung: 100 mg GM121% GD1a40% GD1b16% GT1b19%
- - Phosphatpuffer pH 7,6 M/100 in pyrogenfreiem, sterilem, destilliertem Wasser, q.s.p. 2 ml
Jedes 2 ml Vial enthält:
- - Gangliosidmischung folgender Zusammensetzung: 10 mg GM121% GD1a40% GD1b16% GT1b19%
- - Phosphatpuffer pH 7,6 M/100 in pyrogenfreiem, sterilem, destilliertem Wasser, q.s.p. 2 ml
Jedes 2 ml Vial enthält:
- - Gangliosidmischung folgender Zusammensetzung: 25 mg GM121% GD1a40% GD1b16% GT1b19%
- - Phosphatpuffer pH 7,6 M/100 in pyrogenfreiem, sterilem, destilliertem Wasser, q.s.p. 2 ml
Jedes Vial mit gefriergetrocknetem Inhalt enthält:
- - Gangliosidmischung folgender Zusammensetzung: 75 mg GM121% GD1a40% GD1b16% GT1b19%
Ein 2 ml Vial mit Lösungsmittel enthält:
- - Mannit 25 mg
- - Phosphatpuffer pH 7,6 M/100 in pyrogenfreiem, sterilem, destilliertem Wasser, q.s.p. 2 ml
Die bei der Verhütung der chronischen Vincristintoxizität
durch gemeinsame Verabreichung einer Gangliosidmischung
erhaltenen Ergebnisse sind überraschend, weil
es nicht möglich ist, diesen allgemeinen Schutzeffekt
mit dem bereits früher beobachteten, neuronalen
reparativen Effekt der Ganglioside allein in Zusammenhang
zu bringen. Auf Basis der früheren, mit Gangliosiden erhaltenen
Ergebnisse wurde die Hypothese aufgestellt, daß
Ganglioside die Vincristinneuropathie verhindern können,
nicht aber diejenigen Neuropathien, die durch chronische
Toxizität allgemeinen Charakters verursacht werden.
Die von Vincristin am stärksten betroffenen drei Bereiche
sind das hämatologische System, das Gastrointestinale
System und das Nervensystem. Andererseits ist
es schwierig, den Schutzeffekt der Ganglioside zu erklären,
wenn dieser lediglich als Effekt auf das zentrale
oder autonome Nervensystem betrachtet wird, weil die durch
Vincristin verursachte und an den Tieren bestimmte
Mortalität nicht nur ihren Auswirkungen auf das
periphere oder autonome Nervensystem zugeschrieben werden
kann. Dies bedeutet deshalb, daß die Ganglioside ihre
Wirkung durch einen Mechanismus allgemeinerer Art entfalten,
der sich von dem anhand früherer Untersuchungen
als Hypothese aufgestellten Mechanismus unterscheidet.
Darüber hinaus kann dieser Effekt reproduziert werden mit
anderen Antitumormitteln, wie Mitozantron, cis-Platin,
Methotrexat, Adriamycin, Daunomycin und Cyclophosphamid,
bei denen ein hoher Grad allgemeiner und neuronaler
Toxizität zu beobachten ist. Es ist zu betonen, daß die
Ganglioside die antitumorale Aktivität von Vincristin
nicht negativ beeinflussen. Bei experimentieller Leukämie
ist sogar ein positiver Effekt auf das Arzneimittel zu
beobachten.
Bei der therapeutischen Anwendung ist zu beachten, daß
- - die exogene Zugabe von Gangliosiden zu Zellinien in Transformation die Zellproliferation verringert oder verlangsamt und die Zelldifferenzierung begünstigt,
- - der Effekt der Ganglioside nicht cytotoxisch und reversibel ist,
- - der antiproliferative Effekt der Ganglioside abhängig sein kann vom Zelltyp und vielleicht von der Abhängigkeit der in Betracht gezogenen Zellen vom Wachstumsfaktor für die Proliferation.
Vincristin andererseits inhibiert die Zellproliferation
unabhängig vom Zelltyp und dem in Betracht gezogenen
Wachstumsfaktor. Diese Effekte sind jedoch der Cytotoxizität
von Vincristin sowohl gegenüber transformierten
als auch gegenüber nicht-transformierten proliferativen
Zellen zuzuschreiben. Als solche kann die Gangliosid-
VCR-Assoziation bei Tumorerkrankungen als valid betrachtet
werden. Die Ganglioside ermöglichen es, geringere
Dosen an VCR als Antitumormittel zu verwenden, so daß
als Ergebnis der cytotoxische Effekt von VCR auf normale
Zellen verringert wird. Andererseits ist es bekannt, daß
die Verabreichung von Antitumorarzneimitteln, wie VCR,
an Tumorpatienten schwere Nebenwirkungen verursacht. Es
ist deshalb wünschenswert, eine Verringerung dieser Nebenwirkungen
(die auf einer allgemeineren Toxizität der
Arzneimittel beruhen) zu erzielen.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die erhaltenen
Ergebnisse von den erwarteten sehr verschieden sind, weil
sie nicht auf das Nervensystem zurückführen. Sie zeigen
im Gegenteil eine schützende oder prophylaktische Wirkung
gegen die Nebenwirkungen allgemeiner toxischer Natur, die
durch Verabreichung von Antitumormitteln der Vinca-Reihe
verursacht werden. Diese Art der Wirkung ermöglicht es
den Behandlungszeitraum mit Vincristin zu verlängern, wobei
die Dosis hoch genug gewählt werden kann, um das Tumorwachstum
zu verlangsamen und gleichzeitig das Einsetzen
der erwähnten Nebenwirkungen zu verzögern.
Eine Verabreichung der Gangliosidmischung, insbesondere
der Cronassial-Mischung, führt zu einer Prophylaxe gegen
allgemeine toxische Effekte oder chronische neurotoxische
Effekte, die durch Verabreichung antineoplastischer
Mittel verursacht werden. Die prophylaktische Aktivität
ist insbesondere evident, wenn die Gangliosidmischung vor
Verabreichung des antineoplastischen Mittels gegeben wird.
Claims (9)
1. Verwendung einer Mischung der Ganglioside GM₁, GD1a,
GD1b und GT1b zur Verhütung oder prophylaktischen
Behandlung allgemeiner toxischer Effekte oder
chronischer neurotoxischer Effekte, die durch die
nachfolgende Verabreichung antineoplastischer Mittel
verursacht werden.
2. Verwendung nach Anspruch 1, wobei die Gangliosidmischung
etwa 19 bis 23 Gew.-% GM₁, etwa 36 bis
44 Gew.-% GD1a, etwa 14 bis 18 Gew.-% GD1b und etwa
17 bis 21 Gew.-% GT1b enthält.
3. Verwendung nach Anspruch 2, wobei die Gangliosidmischung
etwa 21 Gew.-% GM₁, etwa 40 Gew.-% GD1a,
etwa 16 Gew.-% GD1b und etwa 19 Gew.-% GT1b enthält.
4. Verwendung nach Anspruch 2, wobei die Gangliosidmischung
etwa 23 Gew.-% GM₁, etwa 40 Gew.-% GD1a,
etwa 16 Gew.-% GD1b und etwa 19 Gew.-% GT1b enthält.
5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei
die Gangliosidmischung in einer Standarddosierung von
100 bis 10 mg verabreicht wird.
6. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei
das antineoplastische Mittel ein Vinca-Alkohol ist.
7. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei
das antineoplastische Mittel Vincristin, Mitozantron,
cis-Platin, Methotrexat, Adriamycin, Daunomycin oder
Cyclophosphamid ist.
8. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei
das antineoplastische Mittel Vincristin ist.
9. Verwendung der Ansprüche 1 bis 8, wobei der
neurotoxische Effekt im Verlust des Sehnenreflexes,
in Parästhesie, Muskelschmerz, Muskelschwäche,
Konstipation oder Bauchschmerz besteht.
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