-
Verfahren zur Gewinnung des sym. Oktohydrophenanthrens. Die Hydrierung
von Phenanthren ist bekannt. Sie ist einerseits mit Jodwasserstoff oder Natrium
und Alkohol, anderseits auf katalytischem Wege bewirkt worden und hat zu Substanzen
geführt, welche als Dihydro-, Tetrahydro-, Hexahydro-, Oktohydro-, Dodekahydro-und
Perhydrophenanthren bezeichnet worden sind. Für keines dieser Derivate ist bisher
ein ganz einwandfreier exakter Strukturbeweis geliefert worden, nur wenige sind
in sicher reinem Zustande erhalten, und für keines ist eine Methode ausgearbeitet
worden, welche seine Gewinnung aus Phenanthren in größerem Maßstabe ermöglichen
würde. Nach der Sabatierschen katalytischen Gasreduktionsmethode - haben Schmidt
und Mezger (Berl. Ber. 40, 4248) Dihydrophenanthren erhalten, das sie als 9, io-Derivat
der Formel .
ansprechen, weil es nicht wie Phenanthren ein Bromadditionsderivat gibt. Der Beweis
ist hinfällig, weil das Bromadditionsprodukt nach Fittig leicht wieder in Phenanthren
und Brom zerfällt, daher nicht angenommen werden kann, daß das Brom im Phenanthren
in 9, io-Stellung addiert ist, sondern vielmehr, daß eine Molekularverbindung vorliegt.
B r e t e a u (Compt. rend. 140, 942) hat nach der Sabatierschen Methode in mäßiger
Ausbeute zwei Produkte erhalten, die er als Hexahydrophenanthren und als Oktohydrophenanthren
bezeichnet; für das letztere gibt er unter x2 mm Druck den Siedepunkt 123 bis i24°,
das spezifische Gewicht bei 15' 0;9g3 und den Schmelzpunkt -io° an, während Schmidt
und Mezger (l. c.) für das von ihnen mittels HJ-Säure aus Phenanthren erhaltene
sogenannte Oktohydrophenanthren den Siedepunkt 282°, Schmelzpunkt -ii bis -i2° und
spezifisches Gewicht bei 2o° i,oi2 anführen. Ipatiew und Rakitin (Berl. Ber. 44
999) haben durch Reduktion von geschmolzenem Phenanthren bei sehr hohen Drucken
-(z68 Atm.) mit Wasserstoff und sehr hohen Temperaturen (40o °) bei Gegenwart von
Nickeloxyd als . Katalysator innerhalb längerer Zeit (l. c. io bis 15 Stunden) aus
25 g Phenanthren in erster Stufe nur Dihydro- und Tetrahydrophenanthren und erst
durch nochmalige ebensolche Hydrierung des so gewonnenen Hydrierungsproduktes ein
Oktohydrophenanthren erhalten, dessen Einheitlichkeit sie bezweifeln, und von dem
sie nur den Schmelzpunkt -q. bis 5 ° angeben.
-
Es ist klar, daß diese Methoden zur technischen Herstellung größerer
Mengen reiner, einheitlicher, höherer Hydrierungsstufen des Phenanthrens nicht zu
brauchen sind. Der Grund für diese bisher mangelhaften Ergebnisse der katalytischen
Reduktion des Phenanthrens dürfte, wie bei Naphthalin und Anthracen, darin zu suchen
sein, daß diese-Teerprodukte gewisse Stoffe enthalten, welche die Katalysatoren
schnell unwirksam machen, so daß Ipatiew (l. c.) für die Erzielung einer auch nur
teilweisen Hydrierung bei dem von ihm gebrauchten Phenanthrenpräparat so außerordentlich
hohe Drucke, hohe Temperatur und lange Zeit aufwenden mußte.
-
Es hat sich nun gezeigt, daß sich Phenanthren
leicht
durch katalytische Reduktion in ein symmetrisches Oktohydrophenanthren, welches
in der Mitte einen rein aromatischen Kern enthält
umwandeln läßt, wenn man das technische. Phenanthren mit fein verteilten oder leicht
schmelzbaren Metallen oder Metallverbindungen bei Temperaturen oberhalb roo ° behandelt
und das Phenanthren von diesen Reinigungsmassen bei möglichst niedriger Temperatur
abdestilliert.
-
Wenn man ein so gereinigtes Phenanthren in geschmolzenem Zustande
oder auch in katalysatorgiftfreien Lösungsmitteln gelöst mit Katalysatoren, welche
mit edlen oder unedlen Metallen bereitet sein können, mit Wasserstoff unter Druck
verrührt, so nimmt das Phenanthren mit großer Geschwindigkeit 8 H-Atome auf. Wenn
dieser Zustand erreicht ist, verlangsamt sich die weitere Reduktion in augenfälliger
Weise. Das dann gewonnene Oktohydrophenanthren ist meistens nicht absolut rein,
sondern enthält noch geringe Mengen höher und niedriger hydrierte Produkte, ist
aber für die meisten Verwendungszwecke rein genug. Um es chemisch rein zu erhalten,
bedient man sich der weiter unten beschriebenen Monosulfosäure, die sich mit wäßriger
Salzsäure schon bei xoo° hydrolysieren läßt. Das aus dieser Sulfosäure regenerierte
Oktohydrophenanthren bildet dem Eisessig ähnliche Kristalle, schmilzt bei -j--16,7°
und siedet unter 13 mm von ersten bis letzten Tropfen konstant bei z67,5° und hat
bei 2o° das spezifische Gewicht 1,o26.
-
Daß das nach vorliegendem Verfahren gewonnene Hydrierungsprodukt symmetrisches
Oktohydrophenanthren ist, wurde durch Synthese bewiesen: Aus 2-Tetrahydronaphthylbuttersäure
erhaltenes Ketongemisch, 4-Ketooktohydroanthracen und 4-Ketooktohydrophenanthren,
gibt bei der Reduktion mit Zink und Salzsäure ein Kohlenwasserstoffgemisch von sym.
Oktohydroanthracen und sym. Oktohydrophenanthren, das wegen des höheren Schmelzpunktes
und größerer Kristallisationstendenz des ersteren leicht getrennt werden kann. Der
letztere synthetisch gewonnene Kohlenwasserstoff hat sich nach Reinigung über die
Sulfosäure als identisch mit dem obigen Hydrierungsprodukt des Phenanthrens erwiesen.
Anderseits gibt die =-Tetrahydronaphthylbuttersäure beim Erwärmen ihres Chlorides
für sich das x-Ketooktohydrophenanthren
Dieses selbe x-Keto-sym.-oktohydrophenanthren erhält man aber auch durch Oxydation
des durch Hydrierung von Phenanthren gewonnenen Kohlenwasserstoffes neben ganz wenig
des 4-Keto-sym.-oktohydrophenanthrens (s. o.) ; die beiden Ketone lassen sich durch
Kristallisation aus Alkohol trennen. Dadurch ist die Struktur dieses Oktohydrcphenanthrens
mit aller Schärfe bewiesen.
-
- Beispiel. Technisches Phenanthren wurde mit x Prozent seines Gewichtes
metallischem Natrium vermischt, geschmolzen und bei 18o bis 19o° x bis 2 Stunden
verrührt, das Phenanthren von überschüssigem Metall und Metallverbindungen bei bestmöglichstem
Vakuum abdestilliert und unmittelbar 'im Rührautoklaven mit 0,05 Teilen eines
Nickelkatalysators versetzt, der durch Reduktion von auf Fullererde niedergeschlagenem
Nickelcarbonat im Wasserstoffstrom bei etwa 300° erhalten wurde. Alsdann wurde die
Mischung auf 15 bis 2o Atm. HZ-Druck gebracht und auf 18o bis 22o° erhitzt. Bei
diesem Temperaturbereich beginnt die Wasserstoffabsorption lebhaft zu werden und
verläuft mit gleichmäßiger Geschwindigkeit, bis die auf 4 M01. HZ berechnete Menge
Wasserstoff absorbiert ist, dann verlangsamt sich die Geschwindigkeit. Im Laboratorium
kann i kg Phenanthren innerhalb etwa 3 bis 4 Stunden fertig reduziert werden. Man
stellt dann Wasserstoffzufuhr und Rührwerk ab, läßt den Katalysator absitzen, hebert
die noch warme Flüssigkeit ab oder destilliert sie bei vorhandenem guten Vakuum
unmittelbar aus dem Autoklaven ab (Siedepunkt 16o bis. 170 ' bei x3 mm Druck). Der
Katalysator kann immer von neuem für eine größere Zahl von Reduktionen verwendet
werden, ehe eine Auffrischung notwendig wird. An Stelle des hier für die Reinigung
des Phenanthrens verwendeten Natriums lassen sich auch andere leicht schmelzbare
oder fein verteilte Metalle, wie Kalium, Kupferspäne, durch Reduktion der entsprechenden
Oxyde im Wasserstoffstrom erhaltenes pyrophores Eisen oder Nickel, oder
Metallverbindungen,
wie Natriumamid, Calciumcarbid usw., verwenden.
-
Das so gewonnene sym. Oktohydrophenanthren gibt mit großer Leichtigkeit
eine Monosulfosäure, welche, nachdem die Struktur des Kohlenwasserstoffes festgestellt
ist, nur die Strukturformel
haben kann. Die Säure scheidet sich aus dem Sulfurierungsgemisch nach w--nigen Minuten
aus und kann abgetrennt und durch ihre ausgezeichnet kristallisierenden, zum Teil
recht schwer löslichen Salze gereinigt werden. Das Chlorid der Säure ist sehr beständig
und gibt erst beim Erwärmen mit unverdünntem Anilin ein wohlkristallisierendes,
normal zusammengesetztes Anilid. Durch Kochen mit Salzsäure wird die Sulfosäure
zwar langsam, aber quantitativ ohne Bildung irgendwelcher Nebenprodukte in Schwefelsäure
und reines Oktohydrophenanthren (s. o.) zerlegt. Auch mit Chlor und Brom liefert
das Oktohyctrophenanthren wohlkristallisierte Substitutionsprodukte. Durch Chromsäure
wird der Kohlenwasserstoff mit 75 bis 8o Prozent Ausbeute zu r-Keto-sym.-oktohydrophenanthren
oxydiert (s. o.).
-
Durch diese vielseitige Umwandelbarkeit ist das sym. Oktohydrophenanthren
nach den verschiedensten Richtungen technisch wichtig, insbesondere kann es den
Ausgangspunkt bilden für den künstlichen Aufbau der Morphiumalkaloide und verwandter
Substanzen.