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Holz aufschluß mit Essigsäure und Chlorethanol
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Erfinder: Prof. Dr. Horst H. Nimz, Reinhard Casten, D-2050 Hamburg
80, und Margarete Roth, D-7500 Karlsruhe Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren
zum Holzaufschluß, z.B. zur Zellstoffgewinnung, bei dem der Zusatz geringer Mengen
Chlorethanols die drucklose Extraktion des Lignins mit wasserhaltiger Essigsäure
ermöglicht.
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Gegenwärtig werden weltweit jährlich etwa 100 Mill. t Zellstoff durch
chemischenHolzaufschluB nach dem Sulfit-oder Sulfatverfahren gewonnen. Die hierbei
entstehenden schwefelhaltigen Ablaugen, die etwa die Hälfte des eingesetzten Holzes
enthalten, werden wegen ihrer umweltschädigenden Eigenschaften größtenteils verbrannt,
wobei hohe Kosten für das Eindampfen und die Reinigung der Abgase von S02 aufgewendet
werden müssen.
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Die Extraktion des Lignins aus dem Holz mit organischen 1) Lösungsmitteln
1) (Organosolv-Auf schluß), die durch Destillation vollständig zurückgewonnen werden
können und keine Chemikalienrückstände hinterlassen, hat sich bis heute technisch
nicht durchgesetzt, weil die Delignifizierung erst bei hohen Temperaturen (180 -
2000C) erfolgt, bei denen auch bereits die Cellulose teilweise abgebaut wird.
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Zusätze geringer Mengen einer Mineralsäure2) zum organischen Lösungsmittel
beschleunigen zwar die Delignifizierung, führen aber auch zur merklichen Depolymerisation
der Cellulose.
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Hierdurch lassen sich aus Laubhölzern lediglich Chemiezellstoffe mit
einem DP von 400 - 800 erhalten, während Nadelhölzer
nur unvollständig
aufgeschlossen werden. Außerdem sind S023), Na2S4), Alkali5) oder AlCl36) als Additive
vorgeschlagen worden, wodurch aber das Problem der Chemikalienrückgewinnung nicht
beseitigt wird.
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1941 hat F. Schütz 7) gezeigt, daß Ethylenchlorhydrin (Chlorethanol),
das bis zu 16 % Wasser enthält, Fichten- und Buchenholz bereits bei 105 - 1200C
innerhalb zwei bis drei Stunden zu einem leichtzerfaserbaren Zellstoff aufschließt.
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Das herausgelöste Lignin enthält jedoch bis zu 6 % Chlor 8) woraus
sich ein Verlust an Chlorethanol von mindestens 5 % des Holzgewichtes errechnet.
Die erhaltenen Zellstoffe zeigen außerdem sehr niedrige Viskositäten und eignen
sich daher nicht für die Papierherstellung.
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Von diesem Stand der Technik bzw. der Literatur ausgehend liegt der
Erfindung die Aufgabe zugrunde, das Lignin aus dem Holz mit einem organischen Lösungsmittel
zu extrahieren, das sich durch Destillation möglichst vollständig zurückgewinnen
läßt und eine wenig abgebaute Cellulose hoher Viskosität ergibt, die sich für die
Papierherstellung eignet. Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch eine Aufschlußlösung,
bestehend aus wäßriger Essigsäure, die weniger als 10 % Chlorethanol enthält.
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Die Anwendung von weniger als 10 % Chlorethanol führt gegenüber dem
Schütz-Verfahren7) dazu, daß der Verlust an Chlorethanol niedrig gehalten wird,
die erhaltenen Zellstoffe höhere DP-Werte (über 2000) haben und sich dadurch für
die Herstellung von Papier eignen.
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Gegenüber den derzeit großtechnisch durchgeführten Holzaufschlußverfahren
zur Zellstoffgewinnung, dem Sulfit- und dem Sulfatverfahren, besitzt das erfindungsgemäße
Verfahren den Vorteil, daß es umweltfreundlich ist, da es keine schwefelhaltigen
Aufschlußchemikalien verwendet und zu keinen Chemikalienrückständen führt. Das Aufschlußmittel
läßt sich durch
Destillation vollständig zurückgewinnen und somit
im Kreislauf führen. Wegen der niedrigen Siedepunkte der Lösungsmittel ist das Verfahren
energiegünstig. Eventuelle Verluste an Essigsäure werden durch das Freiwerden von
im Holz gebundener Essigsäure mehr als ausgeglichen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren besitzt gegenüber den herkömmlichen
Verfahren den Vorteil, daß es drucklos arbeiten kann und daher niedrigere Investitionskosten
erfordert.
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Es läßt sich auch in kleineren Anlagen durchführen, die sich an die
Verfügbarkeit des Holzes anpassen können.
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Das beim erfindungsgemäßen Verfahren als Nebenprodukt anfallende Lignin
ist wegen der milden Aufschlußbedingungen wenig kondensiert und in organischen Lösungsmitteln
löslich.
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Es sollte sich daher leichter hydrogenolytisch zu Phenolen abbauen
und als Leimkomponente verwenden lassen als die derzeitigen technischen Lignine.
Das erfindungsgemäße Verfahren schließt gegenüber den herkömmlichen Verfahren die
großtechnische Verwertbarkeit des bei der Zellstoffgewinnung anfallenden Lignins
mit ein. Dasselbe gilt für die Hemicellulosen, die beim erfindungsgemäßen Verfahren
weniger stark abgebaut werden und wesentlich leichter vom Ligninabtrennbar sind.
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Durch Einstellen der Wasser-Konzentration (bis zu 55 %) und der Chlorethanol-Konzentration
(bis zu 10 %) lassen sich die Aufschlußbedingungen und die Produkteigenschaften
in weiten Grenzen verändern. Hohe Chlorethanol- und niedrige Wasser-Konzentrationen
erhöhen den Siedepunkt der Aufschlußlösung, verringern die Aufschlußzeiten, den
DP des Zellstoffes und den Restlignin-Gehalt. Es ist daher möglich, in Abhängigkeit
von der Zusammensetzung der Aufschluß lösung oder der Temperatur einen Chemiezellstoff
oder einen Faserzellstoff zu erhalten.
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Als Ausgangsstoffe eignen sich alle Nadel- und Laubhölzer sowie Einjahrespflanzen.
Gegenüber dem in der Bundesrepublik ausschließlich angewendeten Sulfitverfahren
lassen sich mit dem erfindungsgemäßen Verfahren auch harzreiche Hölzer, wie z.B.
Kiefern, aufschließen.
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Für die Papierherstellungsollten bevorzugt, Hackschnitzel (Holz) oder
Häcksel (Einjahrespflanzen) zur Anwendung kommen, deren Feuchtigkeitsgehalt beliebig
hoch sein kann.
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Die Aufschlußlösung besteht aus drei Komponenten, Essigsäure, Wasser
und Chlorethanol, die als Mischung eingesetzt wird und in dieser Form beliebig lange
aufbewahrt und transportiert werden kann. Der Wassergehalt der Mischung kann zwischen
1 und 55 % liegen, vorzugsweise zwischen 2 und 20 %, und der an Chlorethanol zwischen
1 und 10 %, vorzugsweise zwischen 2 und 5 %. Die Aufschlußtemperatur sollte möglichst
nahe bei der Siedetemperatur der Aufschluß lösung liegen und richtet sich nach deren
Zusammensetzung. Die bevorzugte Siedetemperatur liegt zwischen 105 und 1150C. Je
nach Aufschlußtemperatur beträgt die Aufschlußzeit 1 - 8 Stdn., vorzugsweise 1,5
bis 3 Stdn. Je nach Aufschluß-Temperatur und -Zeit werden Zellstoffe mit unterschiedlichen
Eigenschaften erhalten. Zur weiteren Erläuterung der Erfinung mögen die nachstehend
wiedergegebenen Versuchsbeispiele dienen, in denen alle Prozentangaben als Gewichtsprozente
zu verstehen sind.
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Beispiel 1 40 g feine Fichtenholz-Hackschnitzel (36,4 g atro) werden
in einer von außen beheizbaren Glashülse ( = 4 cm, h = 21 cm) mit 400 ml einer Mischung
aus Eisessig/Wasser/Chlorethanol (85 : 10 : 5) bei 1100C Innentemperatur innerhalb
von 2 Stdn.
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aufsteigend perkoliert. Anschließend wird nacheinander mit 400 ml
Eisessig bei 1100C innerhalb 1 Stde. und mit 220 ml
Wasser bei 950
innerhalb 30 min nachgespült.
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Die vereinigten Extrakte (800 ml) werden bei 15 Torr und 500C Badtemperatur
auf etwa 100 ml eingedampft und der Rückstand bei 500C mit 200 ml Wasser versetzt,
wobei das Lignin ausflockt, während die Hemicellulosen in Lösung bleiben. Nach dem
Absaugen und Trocknen des Niederschlags erhält man 6,66 g (18,3 %) kohlenhydratfreies
Lignin als dunkles Pulver mit einem Chlorgehalt von 0,46 %, der durch Umfällen des
Lignins aus Aceton/Wasser weiter gesenkt werden kann. Das Lignin ist löslich in
Aceton/Wasser(9 : 1), Dioxan/Wasser (9 : 1), Dimethylsulfoxid und 1-%iger NaOH.
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Aus dem Filtrat der ersten Ligninfällung (s.o.) lassen sich durch
Extraktion mit Chloroform niedermolekulare Phenole in Ausbeuten bis zu 7 % erhalten.
Die so extrahierte wäßrige Lösung ergibt beim Eindampfen i.Vak. etwa 7,5 g (20,6
%) eines noch wasserhaltigen, bräunlichen Sirups, der die teilweise abgebauten Hemicellulosen
enthält.
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Der grau-braune Holzrückstand (19,47 g atro = 53,5 %) läßt sich durch
intensives Rühren in Wasser vollständig zerfasern.
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Er besitzt danach folgende Kennzahlen: Kappazahl: 37,4, entsprechend
5,6 % Lignin Reißlänge: 11170 m (Mahlgrad (SR) 60,5) Berstfestigkeit: 75,0 m2 Falzzahl:
4002 Durchreißfestigkeit: 66,0 g DP = 2364 Beispiel 2 125 g Buchenholz-Hackschnitzel
(114 g atro) werden in einem 2 l-Rundkolben mit 900 ml Eisessig, 50 ml Wasser und
50 ml Chlorethanol 2,5 Stdn. zum Sieden erhitzt. Nach dem Abkühlen wird auf einer
Nutsche abgesaugt und mit Wasser nachgewaschen.
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Der Rückstand wird mit 500 ml 1-%iger Natronlauge 20 min bei
400C
gerührt, erneut abgesaugt und mit Wasser gewaschen.
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Nach dem Aufschlagen im Pulper erhält man 45,6 g (40 %) eines im trockenen
Zustand grauen Faserstoffes mit den folgenden Kennzahlen: Kappazahl: 32 Reißlänge:4221
m (Mahlgrad (SR) 19) Berstfestigkeit: 24,6 m2 Falzzahl: 3430 Durchreißfestigkeit:
52,1 g DP: 2116 Beispiel 3 40 g Kiefernholz-Hackschnitzel (36,4 g atro) ergeben
unter den bei Beispiel 1 angegebenen Bedingungen und zusätzlicher Extraktion des
zerfaserten Zellstoffes mit 250 ml Aceton/ Wasser (9 : 1) auf der Nutsche 18,2 g
(50,1 %) eines hellgrauen Zellstoffes mit den nachfolgenden Kennzahlen: Kappazahl:
38,9 (5,8 % Lignin) Reißlänge: 8580 m (Mahlgrad: (SR) 71,5) Berstfestigkeit: 51,5
m2 Falzzahl: 1320 Durchreißfestigkeit: 52,6 g DP: 2045 Wasserunlösliches Lignin:
21 %, mit einem Chlorgehalt von 0,44 % Beispiel 4 25 g Weizenstroh-Häcksel (23,5
g atro) ergaben in der unter Beispiel 1 beschriebenen Weise, aber mit einem Mischungsverhältnis
des Aufschlußmittels Eisessig/Wasser/Chlorethanol von 87,5 : 10 : 2,5, 10,25 g (43,6
%) eines hellgrauen Zellstoffes. Kennzahlen:
Kappazahl: 19,3 (2,9
% Lignin) Reißlänge: 7040 m (Mahlgrad (SR): 79,5) Berstfestigkeit: 37,7 m3 Falzzahl:
149 Durchreißfestigkeit:27,4 g DP: 2177 Patentansprüche 1. Verfahren zum Aufschluß
von Lignocellulosen, vorzugsweise Holz, dadurch gekennzeichnet, daß die Auf schlußlösung
aus einer Mischung von a) Essigsäure, b) Wasser und c) Chlorethanol besteht, wobei
die Konzentration an Chlorethanol unter 10 % liegt und die der Essigsäure zwischen
40 und 95 %.
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2. Verfahren nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, daß sich die
Essigsäure ganz oder teilweise durch ein anderes organisches Lösungsmittel, vorzugsweise
Methanol, Ethanol oder Ethylenglykol,ersetzen läßt.
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3. Verfahren zur Herstellung von Zellstoff für die Papierherstellung
dadurch gekennzeichnet, daß sich nach dem Aufschluß nach Anspruch 1. das Lignin
mit Essigsäure, Aceton, Ethanol, Methanol oder einem anderen organischen Lösungsmittel
für sich allein oder im Gemisch mit Wasser extrahieren läßt. Anstelle eines organischen
Lösungsmittel kann auch wäßrige Natronlauge als Extraktionsmittel für Lignin und
Hemicellulosen verwendet werden.
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4. Verfahren nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, daß durch Variation
der Aufschlußbedingungen Chemiezellstoffe, Polysaccharide, niedermolekulare Zucker
oder Lignine erhalten werden.
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5. Verfahren nach Ansprüchen 1. - 4. dadurch gekennzeichnet, daß die
Aufschlußtemperatur zwischen 95 und 1300C liegt, vorzugsweise zwischen 105 und 115°C,
bei Aufschlußzeiten zwischen einer und acht Stunden, vorzugsweise 1,5 - 3 Stdn.
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6. Verfahren nach Ansprüchen 1. - 5. dadurch gekennzeichnet, daß sich
der Aufschluß sowohl in Druckgefäßen als auch drucklos in offenen oder geschlossenen
Reaktionsgefäßen durchführen läßt.
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7. Anwendung des Verfahrens nach jedem der vorangehenden Ansprüche
auf alle Holzarten, Restholz, Holzabfallprodukte wie Sägemehl, Holzspäne und Hackschnitzel,
Rinde, Einjahrespflanzen, landwirtschaftliche Abfallprodukte wie Getreidestroh,
Bagasse u.a., und sämtliche anderen Lignocellulosen zum Zwecke der Trennung in Kohlenhydrate
und Lignin.
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Literatur 1. T.N. Kleinertund K. Tayenthal, Agew. Chem. 44, 788 (1931).
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S.J. Aronovsky und R.A. Gortner, Ind.Eng.Chem. 28, 1270 (1936).
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5. R. Marton und S. Granzow, Tappi 65 (6), 103-106 (1982).
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6. K.V. Sarkanen und L.H. Hoo, J.Wood Chem.Technol. 1, 11 - 27 (1981).
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7. F. Schütz, Cellulosechemie -19, 33 (1941).
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8. K. Freudenberg und L. Acker, Ber.Dtsch.chem.Ges. 74, 1400 (1941).