Emil Underberfc-,
Dietlikon (Schweiz)
Verfahren zur Herstellung von aminarmen Nahrungsmitteln,
Genussmitteln und Futtermitteln
Dr.IM/3r 2.8.79
39 3H3 a
030011/0658
Verfahren zur Herstellung von aminarmen Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Futtermitteln
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Nahrungsmitteln, Genussmitteln und
Futtermitteln, die arm an biopenen Aminen oder vollständig frei von biogenen Aminen, insbesondere Histamin, sind.
In den letzten Jahren sind immer stärkere Anstrengungen unternommen worden, um in Nahrungsmitteln, Genussmitteln
und Futtermitteln den Gehalt an gesundheitsschädlichen Substanzen, wie zum Beispiel Pflanzenschutzmitteln,
Schwermetallen, Mycotoxinen, Nitrosaminen und anderen
Karzinogenen, möglichst weitgehend zu senken und im Idealfall die Nahrungsmittel, Genussmittel und Futtermittel
überhaupt frei von derartigen Substanzen zu halten. Bei Futtermitteln ist es deshalb so besonders wichtig sie möglichst
frei von Schadstoffen zu halten, weil die Schadstoffe sowohl in den Geweben der Tiere, also im Fleisch, angesammelt
werden können, als auch eine Anreicherung der Schadstoffe in der Milch der Tiere, also insbesondere in Kuhmilch
und daraus hergestellten Produkten, häufig vorkommt.
Es ist bekannt, dass der Genuss von bestimmten Nahrungsmitteln, insbesondere von bestimmten alkoholischen
Getränken wie Wein und Bier, sowie von Käse und auch von Sauerkraut zu Migräne und Kopfschmerzen führen kann, und
dass derartige Nahrungsmittel und Genussmittel auch für Menschen unbekömmlich sind, die an Allergien, Diarrhöe sowie
an Magen- und an Zwölffingerdarm-Geschwüren leiden.
Untersuchungen, die im Zusammenhang mit diesen
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erwähnten Wirkungen an Bier durchgeführt wurden, scheinen
zu zeigen, dass obergärige Typen häufiger Störungen hervorrufen als untergärige Typen. Dennoch hängt die Stärke der
Störungen mehr von der konsumierten Biermenge als vom gewählten Biertyp (Pilsener, Export usw.) ab. Ueberraschenderweise
hat es sich gezeigt, dass bei Bieren mit gleichem Gehalt an Alkohol, an Fuselölen und an Hopfenextraktstoffen,
die erwähnten unerwünschten Wirkungen stark wechselnd sein können. Es zeigte sich jedoch, dass Biere mit hohem
Eiweissgehalt und Aminosäuregehalt unbekömmlicher sind als Biere mit geringerem Eiweissgehalt.
Biogene Amine gelangen meist erst während der Verarbeitung von landwirtschaftlichen Primärprodukten in
das Lebensmittel hinein. Ein derartiges biogenes Amin ist Histamin.
Es hat sich nun gezeigt, dass zahlreiche Mikroben in der Lage sind das in landwirtschaftlichen Primärprodukten
auftretende Histidin zu dem biogenen Amin Histamin zu decarboxylieren.
Histamin ist eine Substanz, die schon in geringsten Mengen starke physiologische Reaktionen beim Menschen auslöst,
wie zum Beispiel Kopfschmerz (Migräne), Uebelkeit und Diarrhöe. Ausserdem ist Histamin ein wesentlicher Faktor bei
Allergien und Anaphylaxie.
Histamin ist eine starke Base, die mit Säuren Salze bildet. Das Histamin kommt in Pflanzen, beispielsweise
im Spinat und in Brennesseln vor, und ist in verschiedenen tierischen Geweben und menschlichem Gewebe zu finden.
Basophile Leukozyten speichern Histamin in inaktiver Form, es kann jedoch aus diesen durch allergische Reaktionen oder
durch ionisierende Strahlung oder bei Gewebezerstörunp oder
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auch durch Liberatoren freigesetzt werden.
Es wird auch angenommen, dass eine enge Beziehung zwischen dem Histamingehalt der Magenschleimhaut, dem Ulkusrezidiv
und der Magensäure besteht. Durch Verabreichung von Histaminrezeptor-Antagonisten können chronische Magengeschwüre
signifikant gebessert werden. Dasselbe gilt auch für die Migräne. Zur Migräneprophylaxe ist eine bekömmliche
histaminfreie Kost von grosser Bedeutung.
Personen mit chronischem Zwölffingerdarmgeschwür
speichern signifikant weniger Histamin in der Korpusschieinihaut als magengesunde Personen. Während gesunde Personen mit
der Nahrung zugeführtes Histamin durch eine Histaminase abbauen, kommt es bei Fehlen dieses Fermentes zu Histamin-Kopfschmerz
(Horton Syndrom), das auch Histaminzephalgie genannt wird. Auch das Bing-Kopfschmerz Syndrom und die
Harris Neu-ralgie, eine meist zu bestimmten Tageszeiten,
vorwiegend nachts, gehäuft auftretende Störung durch halbseitige Schmerzattacken im Auge-, Stirn-, Schläfenbereich
mit Tränenfluss, Rötung des Auges und des Gesichtes, Schwellung der Nasenschleimhaut usw. wird durch Histamin ausgelost
und kann erfolgreich mit Antihistaminika behandelt werden.
Desensibilisierung und Erzeugung einer erhöhten Resisitenz gegen Histamin wird durch Verabreichung von
Histaminazoprotein erreicht. Normalerweise findet sich im Serum ein Antihistaminfaktor, dessen Fehlen als Zeichen
einer latenten Allergie aufgefasst wird.
Die Ausscheidung des Histamins erfolgt durch den Stuhl und mit dem Harn.
Histamin steigert die Kontraktion der glatten Muskulatur
und lasst Gefässmuskeln erschlaffen. Auf diese Weise
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wird der Blutdruck gesenkt aber die Kapillarpermeabxlität
erhöht, so dass es zu Bildung von Quadeln und Oedemen in der
Haut kommt. Das menschliche Serum kann freies Histamin binden. Nur beim Allergiker ist das Bindungsvermögen stark vermindert,
es wird durch ein sogenanntes Antipexin gehemmt.
Als gesundheitsgefährdende Toleranzgrenze werden von Marquardt (siehe H. Marquardt, "Die Weinwirtschaft",
S. 127, 1978)
2 mg Histamin pro Kilogramm Lebensmittel oder Genussmittel,
beispielsweise Wein, angesehen.
Es wurden nun verschiedene Nahrungsmittel und Genussmittel auf ihren Gehalt an Histamin überprüft. Bei Molkereiprodukten
erhielt man dabei die in der folgenden Tabelle I zusammengestellten Ergebnisse:
Tabelle I
Histamingehalt in verschiedenen Molkereiprodukten
Erzeugnis Histamin mg/kg
Pasteurisierte Vollmilch 0,3
0,5 0,7
K-Vollmilch (uperisiert) 0,8
0,8
Dikmelk 1,2
Joghurt ' 2,1
Joghurt 1,7
Tilsiterkäse Vollfett 50,0
60,2
Gouda-Käse Vollfett 54,0
Gouda-Käse Vollfett österr. 41,0
Gouda-Käse Vollfett noil. 180,0
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Tabelle I (Forts.)
Erzeugnis Histamin mg/kg Camembert Vollfett 35,0
Camembert Vollfett 5 5,0
Stilton Vollfett engl. 158,0
Harzer-Käse 390,0
Harzer-Bauernkäse 383,0
Wie man aus dieser Tabelle sieht, liegt der Histamingehalt von verschiedenen Vollmilcharten deutlich unterhalb
der von Marquardt angegebenen Toleranzgrenze. Es ist an und für sich überraschend, dass Frischmilch bereits eine gewisse
Histaminmenge aufweist. Man kann annehmen, dass zumindestens
teilweise dieser Histamingehalt der Frischmilch darauf
zurückzuführen ist, dass von den Kühen mit den Futtermitteln
und zwar insbesondere mit Silofutter, Histamin aufgenommen wird, und dieses in die Milch übergeht. Wie man aus
der Tabelle I weiter sieht, ist jedoch der Histamingehalt von Sauermilchprodukten, wie Joghurt und von Käsen wesentlich
höher als derjenige von Frischmilch. Da Mikroorganismen, wie bereits weiter vorne erwähnt ist, in der Lage sind, das
in Milcheiweiss enthaltene Histidin durch Decarboxylierung in Histamin umzuwandeln, tritt bei der Säuerung der Milch
und bei der Käseherstellung diese drastische Erhöhung im Histamingehalt auf. Beim Verzehr von nur 50 g Harzer-Bauernkäse
werden bereits nahezu 20 mg Histamin aufgenommen, also
die 10-fache Menge, die von Marquardt als Toleranzgrenze für 1 kg Getränk, wie Wein, angesehen wird.
Auch Weine weisen einen ziemlich hohen Histamingehalt auf, und zwar insbesondere. Rotwein und Champagner.
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Auch in diesem Fall wird das Histamin, wie in der Folge noch näher diskutiert wird, dadurch gebildet, dass Histidin aus
Eiweiss-Stoffen, die im Most oder in der Maische enthalten sind, durch Mikroorganismen in Histamin umgewandelt wird.
Die bei der Weinuntersuchung erzielten Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle II zusammengestellt.
Tabelle II
Histamingehalt verschiedener Weine
Erzeugnis Histamin mp/kg
Tafelwein (Mosel) 0,5
Ta felwe in (Frankre ich) 1,6
Qualitätswein (Mosel) 1,1
Kabinettwein (Rheinhessen) 3,0
Kabinettwein ( " ) 4,5
Auslese (Rheingau) 1,7
Rotwein (Ahr) 5,6
Tokaier (Ungarn) 1,1
Tokaier, trocken (Ungarn) 3,2
Rotwein (Oesterreich) 7,4
Sekt, trocken (Deutschland) 5,1
Champagner (Frankreich) 7,8
Bei den Bieruntersuchungen hat man, wie bereits weiter vorne klargelegt wurde, festgestellt, dass eiweissreiche
Biere unbekömmlicher sind als solche mit geringem Eiweiss- oder Aminosäure-gehalt. Die Ueberprüfung des Histamingehaltes
in dieser. Bieren ergab, dass die eiweissreichen Biere auch besonders reich an Histamin sind, und dass selbst
alkoholfreie Biere relativ grosse Histamingehalte aufweisen
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können.
In der folgenden Tabelle III sind die Histamingehalte
verschiedener Biere zusammengestellt, und es werden in dieser Tabelle auch die Versuchsnummern angegeben.
|
Tabelle III |
verschiedener Biere |
Histamin mg/1 |
|
Histamingehalt |
4,5 |
Nr. |
Bier Typ |
9,8 |
1 |
AIt- |
8,0 |
2 |
AIt- |
6,8 |
3 |
AIt- |
5,0 |
1+ |
AIt- |
5,3 |
5 |
AIt- |
4,9 |
6 |
Weiss- |
4,0 |
7 |
Weiss- |
4,7 |
8 |
Weiss- |
6,8 |
9 |
Weiss- |
7,5 |
lü |
MaIz- |
4,6 |
11 |
alkoholfrei |
3,2 |
12 |
alkoholfrei |
2,9 |
13 |
Export- |
11,2 |
IU |
Export- |
7,0 |
15 |
Export- |
6,6 |
16 |
Export- |
7,2 |
17 |
Export- |
3,5 |
18 |
Export- |
0,2 |
19 |
PiIs- |
7,4 |
20 |
PiIs- |
5.8 |
21 |
PiIs- |
22 |
PiIs- |
|
-T-
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Tabelle III (Forts.)
Nr. Bier Typ Histamin mg/1
23 Pils- 5,2
2H Pils- 5,9
25 Pils- 8,7
Es wurde nun überraschenderweise gefunden, dass man den Gehalt von Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Futtermitteln
an schädlichen biogenen Aminen, insbesondere an Histamin, dadurch wesentlich senken kann, dass man während
irgendeiner Stufe der Herstellung des Nahrungsmittels, Genussmittels oder Futtermittels einen Mikroorganismus oder
ein Ferment zusetzt, durch das das im Ausgangsmaterial enthaltene Histidin in unschädliche Produkte umgewandelt wird
und nicht in das schädliche Histamin übergeht.
Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist daher ein Verfahren zur Herstellung von Nahrungsmitteln, Genussmitteln
und Futtermitteln, die arm an biogenen Aminen sind. Das erfindungsgemässe Verfahren ist dadurch gekennzeichnet,
dass man während irgendeiner Stufe der Herstellung des Nahrungsmittels, Genussmittels oder Futtermittels einen Mikroorganismus
zusetzt, der eine Transaminierung oder Desaminierung
von Histidin bewirkt, oder dass man ein die Transaminierung oder Desaminierung von Histidin bewirkendes Enzym zugibt.
Der zur Durchführung des erfindungsgemässen Verfahrens zugegebene Mikroorganismus kann ein Bakterium, vorzugsweise
aus der Klasse der Lactobacillen, der Pseudomonas Specien und Mikrokokken, ein Pilz oder eine Hefe, vorzugsweise
eine Saccharomyces-Species sein, oder man kann ein
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aus einem derartigen Mikroorganismus gewonnenes Enzym zusetzen,
welches die Transaminierung oder Desaminierung von
Histidin bewirkt.
Gemäss einer bevorzugten Ausführungsart des erfindungsgemässen
Verfahrens wird ein Nahrungsmittel, Genussmittel oder Futtermittel hergestellt, indem man während der
Herstellung einen Mikroorganismus zusetzt, oder ein Enzym zusetzt, das zu einem Abbau von im Nahrungsmittel enthaltenen
Histidin unter Bildung von Glutaminsäure, bzw. Ketoglutarsäure, oder entsprechenden Salzen führt. Auf diese
Weise gelingt es Nahrungsmittel, Genussmittel oder Futtermittel herzustellen, die einen stark verminderten Gehalt an
biogenen Aminen, insbesondere Histamin, aufweisen, oder die praktisch völlig frei von derartigen biogenen Aminen sind.
Das erfindungsgemässe Verfahren ist dort von besonderer Bedeutung, wo während der Herstellung eines Nahrungsmittels,
Genussmittels oder Futtermittels ein wesentlicher Herstellungsschritt eine durch Mikroorganismen hervorgerufene
Umwandlung ist. Beispiele für derartige durch Mikroorganismen hervorgerufene Umwandlungen sind die alkoholische
Gärung, beispielsweise bei der Weinherstellung
oder Bierherstellung, sowie ferner eine Milchsäuregärung, und auch diejenigen Vorgänge, die bei der Käseherstellung
ablaufen. Es sei in diesem Zusammenhang speziell darauf hingewiesen, dass die Milchsäuregärung nicht nur im Zusammenhang
mit der Herstellung von Sauermilchprodukten, wie Sauermilch, Joghurt oder Quark, durchgeführt wird, sondern
auch bei der Herstellung von Sauerkraut und bei der Herstellung von Silofutter stattfindet.
Wenn man das erfindungsgemässe Verfahren bei der
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Herstellung eines Nahrungsmittels, Genussmittels oder Futtermittels
anwendet, bei welcher ein wesentlicher Schritt eine
durch Mikroorganismen hervorgerufene Umwandlung ist, dann sind zwei besonders vorteilhafte Ausführungsarten des erfindungsgemässen
Verfahrens möglich.
Gemäss der einen bevorzugten Ausführungsart des
erfindungsgemässen Verfahrens wird in dem verwendeten Ausgangsmaterial
die Keimflora abgetötet, und anschliessend wird die durch den Mikroorganismus hervorgerufene Umwandlung
durchgeführt, indem man das Ausgangsmaterial mit einer entsprechenden Mikroorganismen-Reinkultur beimpft, die eine
Transaminierung oder Desaminierung des im Ausgangsmaterial
enthaltenen Histidines bewirkt.
Wenn beispielsweise eine Milchsäuregärung durchgeführt werden soll, dann kann man auch aus entsprechenden
technischen Kulturen von Lactobacillus helveticus oder Lactobacillus bulgaricus oder Lactobacillus acidophilus Einzellkulturen
isolieren und diese in einer geeigneten Nährlösung unter Zusatz von Pantothensäure, Niacin, Riboflavin und Calcium
vermehren. Die so erhaltenen wirklichen Reinkulturen der vorgenannten Mikroroganismen haben ein Optimum der Gärungstemperatur
im Bereich von HO - 44°C, wobei die maximalen Temperaturen bei welchen eine Vergärung mit diesen Mikroorganismen
möglich ist im Bereich von 50 - 52°C liegt. Die oben erwähnten Reinkulturen des Lactobacillus helveticus,
bzw. Lactobacillus bulgaricus, bzw. Lactobacillus acidophilus vergären Glucose und Maltose homofermentativ unter Bildung
von d(-)Milchsäure, jedoch ohne Bildung von Kohlendioxid. Diese fraglichen Mikroorganismen desaminieren ferner einige
Aminosäuren, und zwar Histidin, Arginin, Citrullin, Ornithin,
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Prolin und Hydroxyprolin unter Freisetzung von Ammoniak.
Es sei in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine grosse Anzahl an Mikroorganismenstämmen,
beispielsweise Lactobacillus-stämmen, die bei üblichen Sammelstellen hinterlegt sind, in der Lage sind, die gewünschte
Desaminierung von Histidin unter Freisetzung von Ammoniak durchzuführen. Sofern Reinkulturen dieser hinterlegten Stämme die erwähnte Eigenschaft besitzen, sind sie
zur Durchführung des erfindungsgemässen Verfahrens geeignet. Als Beispiel für einen dieser Mikroorganismenstämme sei
M. Rogosa genannt, der in der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen (DSM), Griesebachstrasse 8, 31I Göttingen - DT,
die Hinterlegungsnummer DSM 200 7t besitzt. Dieser Mikroorganismenstamm ist auch bei der American Type Culture
Collection (ATCC)5 12301 Parklawn Drive, Rockville, Maryland
208 52 - US, hinterlegt und besitzt dort die Hinterlegungsnummer
ATCC 9 649.
In der gleichen Weise, wie dies oben für den Lactobacillus
helveticus und die anderen genannten Lactobacillusstämme
beschrieben ist, wurde ferner auch eine "Einzellkultur" des Lactobacillus delbrücki hergestellt.
Wenn nun mit den so erhaltenen Einzellkulturen des Lactobacillus eine Milchsäuregärung durchgeführt wird, dann
wird zusätzlich zu der Bildung der Milchsäure auch in dem Ausgangsmaterial enthaltenes Histidin nach einer primären
Ammoniakabspaltung in Glutaminsäure umgewandelt, und es findet keine unerwünschte Umwandlung von Histidin unter Kohlendioxidabspaltung
statt, die zu dem unerwünschten Histamin führt.
Wird nun eine sterilisierte Süssmilch mit den vorhin beschriebenen Einzellkulturen von Lactobacillus helveti-
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cus oder Lactobacillus bulgaricus oder Lactobacillus acidophilus
beimpft, und die Milchsäuregärung bei einer Temperatur
im Bereich von 40 - 4 5°C durchgeführt, dann erhält man
eine Sauermilch, die praktisch vollständig frei von Histamin ist, bzw. deren Histamingehalt nicht hüher ist als derjenige
der zur Sauermilch-Herstellung verwendeten Frischmilch. Im
allgemeinen ist es vorteilhaft zur Gewährleistung einer Optimierung der Wachstumsbedingungen während der Milchsäuregärung
der als Ausgangsmaterial verwendeten Milch noch Pantothensäure, Niacin und Riboflavin zuzusetzen. Ein wesentlicher
mineralischer Bestandteil, den die Reinkulturen des Lactobacillus helveticus oder Lactobacillus bulgaricus oder
Lactobacillus acidophilus für ihr Wachstum benötigen ist Calcium. Jedoch enthält Frischmilch bereits ausreichende
Mengen an Calcium, so dass sich bei der hier beschriebenen Sauermilch-Herstellung die Zugabe von Calcium erübrigt.
Aus der so erhaltenen Sauermilch kann man, falls erwünscht, auch einen histaminfreien Quark herstellen, und
dieser kann entweder als solcher verkauft werden, oder er kann zur Herstellt *g bestimmter Käsesorten verwendet werden,
wie zum Beispiel zur Herstellung von Mainzer-Handkäse oder Olmützer Quargeln, oder auch von Harzkäse.
Die nach dem oben beschriebenen Verfahren erhaltene Einzellkultur des Lactobacillus delbrücki wurde verwendet,
um Sauerkraut, saure Gurken und Silofutter mit vermindertem Histamingehalt oder überhaupt histaminfrei herzustellen.
Bei der Herstellung von Sauerkraut wird der entsprechend zerkleinerte Weisskohl wie üblich gewürzt und
dann jedoch nicht durch die Einwirkung der auf ihm befindlichen Milchsäurebakterien vergoren, sondern durch ther-
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mische Behandlung wird die vorhandene Keimflora zerstört
und anschliessend erfolgt die künstliche Beimpfung mit dem Histidin zur Glutaminsäure umwandelnden Lactobacillus delbrücki
Stamm, und das so beimpfte Material wird in üblicher Weise zu Sauerkraut weiter verarbeitet.
In gleicher Weise wird auch bei der Herstellung von sauren Gurken zuerst eine Sterilisierung des Ausgangsmateriales
und nachträglich eine Beimpfung vorgenommen.
Wie bereits erwähnt wurde, ist das erfindungsgemässe
Verfahren bei der Herstellung von Gärfutter, also sogenanntem Silofutter, von grosser Bedeutung. In diesem
Falle wird das als Ausgangsmaterial verwendete Grünfutter, beispielsweise Gras, Luzerne, Grünmais und ähnliches, vorerst
durch Hitzebehandlung keimfrei gemacht, und dann künstlich mit der erwähnten Einzell-Reinkultur des Lactobacillus
delbrücki beimpft und in üblicherweise in den zu diesem Zweck vorgesehenen wasserdichten Behältern, also den üblichen
Futtersilos, vergoren. In gleicher Weise wird Silofutter aus Vorwelksilage hergestellt, wobei nach der Zugabe
von zuckerhaltigen Stoffen, beispielsweise Melasse oder Rübenschnitzeln, zu der Vorwelksilage dann diese Mischung
zuerst keimfrei gemacht und dann künstlich mit der erwähnten Einzell-Reinkultur des Lactobacillus delbrücki beimpft wird.
Das auf diese Weise hergestellte histaminfreie oder histaminarme
Silofutter ist überaus wünschenswert, weil bei seiner Verfütterung an Kühe verhindert wird, dass mit dem
Futter aufgenommenes Histamin in die Milch übergeht. Bei Verwendung eines derartigen Silofutters gelingt es praktisch
histaminfreie Frischmilch zu produzieren.
Wenn die durch Mikroorganismen hervorgerufene Um-
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Wandlung eine alkoholische Gärung ist, dann kann man die Bildung eines histaminfreien alkoholischen Vergärungsproduktes
dadurch erreichen, dass man das Ausgangsmaterial zunächst sterilisiert und dann eine entsprechende Gärung mit
einem solchen Saccharomyces-Stamm durchführt, der eine Transaminierung oder Desaminierung von im Ausgangsmaterial
enthaltenen Histidin bewirkt.
Es ist möglich, auf diese Weise einen Wein herzustellen, indem man den Most zunächst sterilisiert und dann
mit einer Einzell-Reinkultur von Saccharomyces beimpft. Dadurch wird bei der alkoholischen Gärung im Ausgangsmaterial
vorhandenes Histidin transaminiert oder desaminiert, und
nicht in schädliches Histamin umgewandelt. Da jedoch die erwähnten Einzell-Reinkulturen von Saccharomyces häufig
nicht optimal zur Durchführung der alkoholischen Gärung geeignet sind, sind die weiter hinten beschriebenen Verfahrensweisen
zur Weinherstellung, bei denen zuerst im Ausgangsmaterial enthaltenes Histidin durch andere Mikroorganismen
entfernt wird, und dann erst die alkoholische Gärung erfolgt im allgemeinen vorteilhafter. Auch die Sekundärgärung
bei der Champagnerherstellung wird im allgemeinen nicht mit einem speziell ausgewählten Hefestamm sondern durch Zugabe
von Lactobacillus-Reinkulturen durchgeführt, wie dies ebenfalls
weiter hinten noch im Detail erläutert wird.
Wie aus der Tabelle I ersichtlich ist, sind manche Käsesorten besonders reich an Histamin. Die Schwierigkeit
bei der Käseherstellung nach dem erfindungsgemässen Verfahren besteht darin, dass bei vielen Käsen nicht ein einziger
Mikroorganismus für die Bildung des speziellen Hartkäses oder Weichkäses verantwortlich ist, sondern dass mehrere
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unterschiedliche Mikroorganismen bei der Herstellung einer speziellen Käsesorte mitwirken können. Wenn man nun nach
dem erfindungsgemässen Verfahren einen histaminarmen Käse herstellen will, dann müssen aus allen für die Herstellung
der speziellen Käsesorte verantwortlichen Mikroorganismenstammen
solche Einzellkulturen herausgezüchtet werden, die zu einer Transaminierung oder Desaminierung von Histidin
führen.
Der Roquefort-Käse wird bekanntlich durch Einwirkung
eines bestimmten blauen Schimmelpilzes auf Bruch hergestellt, der aus Schafmilch durch Fällung von Lab gewonnen
wurde. Während bei der traditionellen Roquefort-Herstellung durch einen Zusatz von verschimmeltem Brot eine Infektion
des Bruches mit dem blauen Schimmelpilz erfolgt, wurde nunmehr aus dem blauen Schimmel des Roquefort-Käses eine Einzellkultur
herausgezüchtet, die zu einer Desaminierung des Histidines führte. Der Käsebruch wurde dann mit dieser
blauen Schimmel-Reinkultur beimpft, und dadurch gelang es einen Roquefort-Käse herzustellen, der nur ganz geringe
Mengen an Histamin enthielt, in geschmacklicher Hinsicht jedoch nach entsprechender Reifung dem in traditioneller Weise
hergestellten Roquefort-Käse sehr ähnlich war.
Wenn man ein Nahrungsmittel, Genussmittel oder Futtermittel herstellen will, bei dem ein wesentlicher
Schritt des Herstellungsverfahrens eine durch Mikroorganismen hervorgerufene Umwandlung ist, dann ist es nicht unbedingt
erforderlich für diese Umwandlung einen solchen Organismenstamm zu verwenden, der zu keiner Decarboxylierung des
Histidines unter Bildung des schädlichen Histamines führt,
sondern es ist auch möglich im Ausgangsmaterial enthaltenes
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Histidin vorher in unschädliche Produkte umzuwandeln, so dass bei der nachfolgenden Einwirkung des Mikroroganismus
überhaupt kein Histidin vorliegt, das durch Decarboxylierung in Histamin umgewandelt werden kann. Gemäss dieser zweiten
bevorzugten Ausführungsart des erfindungsgemassen Verfahrens wird ein Nahrungsmittel, Genussjnittel oder Futtermittel nach
einem Verfahren hergestellt, in welchem ein wesentlicher Schritt des Herstellungsverfahrens eine durch Mikroorganismen
hervorgerufene Umwandlung, beispielsweise eine alkoholische Gärung oder Milchsäuregärung ist, wobei man vor der durch den
Mikroorganismus hervorgerufenen Umwandlung das im Ausgangsmaterial
enthaltene Histidin durch Einwirkung eines Histidin desaminierenden oder transaminierenden Mikroorganismuses
oder eines eine Desaminierung oder Transaminierung von Histidin
hervorrufenden Enzymes entfernt, so dass bei der nachfolgenden, durch den Mikroorganismus hervorgerufenen wesentlichen
Umwandlung des Ausgangsmateriales in diesem praktisch kein Histidin mehr vorliegt, das durch eine von diesem zweiten
Mikroorganismus hervorgerufene Histidin-Decarboxylierung in Histamin umgewandelt werden kann. Wenn beispielsweise
das herzustellende Produkt ein alkoholisches Getränk ist, dann kann man ein praktisch histaminfreies Endprodukt auch
dadurch erhalten, indem man vor der alkoholischen Gärung die Keimflora des Ausgangsmateriales abtötet, anschliessend
einen Mikroorganismus oder ein Enzym zusetzt, das eine Transaminierung oder Desaminierung des im Ausgangsmaterial
enthaltenen Histidines bewirkt, und dann sobald das vorhandene Histidin in unschädliche Umwandlungsprodukte abgebaut
wurde die alkoholische Gärung durch Beimpfung mit einer Hefekultur durchführt. Der verwendete Hefestamm kann in
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diesem Fall auch ein solcher sein, der an sich zu einer Decarboxylierung von Histidin unter Bildung von Histamin
führen würde, da jedoch zu diesem Zeitpunkt in dem zu vergärenden Material gar kein Histidin mehr vorliegt, kann
keine unerwünschte Umwandlung des Histidines zu Histamin erfolgen.
Diese zuletzt erläuterte Ausführungsart des eriindungsgemässen
Verfahrens ist insbesondere bei der Bierherstellung sehr vorteilhaft,weil selbst bei denjenigen
Arbeitsschritten, die vor der alkoholischen Gärung stattfinden, eine durch Mikroorganismen hervorgerufene Umwandlung
von Histidin in Histamin ablaufen kann. Histidin ist nämlich im Getreide-eiweiss, beispielsweise im Gersteneiweiss,
in beträchtlichen Mengen enthalten. Nach Souci, Fachmann u. Kraut, Nährwert-Tabellen (Wiss. Verlagsgesellschaft,
Stuttgart 1977) beträgt der Histidingehalt von Gerstenmehl 1,4 bis 2,5 g pro Kilogramm Gerstenmehl, und der
Histidingehalt von entspelzter Gerste mit einem Proteingehalt von 97 bis 113 g pro Kilogramm entspricht etwa 1,8 g
pro Kilogramm. Während der Malzbereitung findet eine Proteolyse des Getreide-eiweisses im Maischbottich und in
der Braupfanne statt. Ferner liegen zu diesem Zeitpunkt bereits Mikroorganismen, wie zum Beispiel Saccharomyces
diastaticus, Lactobacillus fermentum, Lactobacillus pastorianus und Pediococcus cerevisiae vor, die zu einer
Decarboxylierung des Histidines unter Bildung von Histamin führen können. Bei den fraglichen Mikroorganismen handelt es
sich in diesem Fall natürlich nicht um speziell gezüchtete reine Einzell-Kulturen, sondern um die in natürlicher Umgebung
vorliegenden Stämme, die eben, wie bereits weiter vorne erläutert wurde, im allgemeinen zu dieser unerwünschten
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Decarboxylierung des Histidine führen.
Diese mikrobiell bedingte Decarboxylierung des
Histidines unter Bildung von schädlichem Histamin kann bei der Bierbereitung erst am Ende des Verzuckerungsvorganges
durch thermische Inaktivierung unterbrochen werden, nicht jedoch im Verlaufe der Primärgärung oder während der Reifung.
In die Gärbottiche hineingelangte Mikroben, die eine Histidin-Decarboxylierung bewirken, wozu auch zahlreiche
Rassen von Saccharomyces cerevisiae in der Lage sind, lassen so beträchtliche Histamin-Mengen entstehen.
Es hat sich nun überraschenderweise herausgestellt, dasL· ein histaminfreies Bier dadurch hergestellt
werden kann, dass man bereits vor der alkoholischen Gärung eine thermische Inaktivierung der Keimflora des Malzes und
eine thermische Inaktivierung der Keimflora der Maische vornimmt, und dann das in diesem Ausgangsmaterial enthaltene
Histidin abbaut, indem man zu der Maische die weiter vorne, im Zusammenhang mit der Milchsäuregärung bereits beschriebene
Einzell-Reinkultur des Lactobacillus delbrücki zusetzt.
Die Sterilisierung der Maische vor dem Zusatz der Reinkultur des Lactobacillus delbrücki wird zweckmässigerweise
erreicht, indem man diese während einer Dauer von 30 bis 40 Minuten auf eine Temperatur im Bereich von 62°C bis
65 C erwärmt. Anschliessend wird dann die Maische auf U5°C
abgekühlt und bei dieser Temperatur mit der Reinkultur des Lactobacillus delbrücki beimpft. In der so behandleten
Maische findet durch den Lactobacillus delbrücki eine kräftige homofermentative Umwandlung von Glucose und Maltose,
unter Bildung von Milchsäure statt, und gleichzeitig wird das vorhandene Histidin nach primärer Ammoniakabspaltung
in Glutaminsäure umgewandelt. Während dieses Schrittes wird
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das Fortschreiten der Milchsäurebildung und die parallel hierzu verlaufende Umwandlung des Histidines in Glutaminsäure ständig kontrolliert.
Sobald nach dem Abschluss und der Säuerung der Maische das vorhandene Histidin sehr weitgehend in die 1-Glutaminsäure
umgewandelt ist, führt man die Hauptgärung, d.h. die alkoholische Gärung des Bieres durch Hefezusatz,
d.h. durch Zugabe von Saccharomyces cerevisiae, durch. Zweckmässigerweise wird diese alkoholische Gärung durch
Beimpfen mit einer Hefe-Reinkultur durchgeführt, welche sowohl den beim Histidinabbau gebildeten Ammoniak als auch
die aus dem Histidin gebildete Glutaminsäure, und auch die vom Lactobacillus delbrücki gebildete Milchsäure teilweise
metabolisiert. Es soll also die alkoholische Gärung mit einem solchen Stamm von Saccharomyces cerevisiae durchgeführt
werden, der die vorher durch den Lactobacillus delbrücki gebildeten Nebenprodukte wieder in optimaler Weise abbaut.
In der beschriebenen Weise gelingt es ein histaminfreies Bier herzustellen. Wenn man dieses Verfahren auf die Herstellung
eines alkoholfreien Bieres anwendet, dann kann auch dieses histaminfrei erhalten werden.
Mit grossem Vorteil wird die vorhergehende Umwandlung
von Histidin in Ammoniak und Glutaminsäure auch bei der Herstellung anderer alkoholischer Produkte, beispielsweise
Wein und Spirituosen, durchgeführt, und man erhält dann ebenfalls histaminfreie alkoholische Produkte
oder aus diesen hergestellte Sekundärprodukte, beispielsweise histaminfreien Essig.
Bei der Herstellung von histaminfreiem Wein nach dieser zuletzt erläuterten Ausführungsart des erfindungsge-
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massen Verfahrens erfolgt, analog wie bei der Bierherstellung,
zunächst eine thermische Sterilisierung des Mostes, bzw. bei der Rotweinherstellung gegebenenfalls auch der
Maische, um unerwünschte Primärkeime abzutöten. Anschliessend wird dann der Most oder die Maische mit einer geringen
Menge der Einzell-Reinkultur des Lactobacillus delbrücki oder anderer geeigneten Lactobacillen beimpft, und man belässt
dann das Material bei der optimalen Gärungstemperatur dieser Mikroorganismen im Bereich von HO - 45°C so lange,
bis das im Most, bzw. in der Maische, enthaltene Histidin zu Ammoniak und Glutaminsäure umgewandelt ist. Auch in
diesem Fall bildet der Lactobacillus delbrücki oder die anderen zugesetzten Lactobacillus-arten gleichzeitig durch
die Vergärung von Kohlehydraten Milchsäure. Sobald der gewünschte Histidin-abbau stattgefunden hat, erfolgt dann die
Durchführung der Hauptgärung, d.h. die Beimpfung mit einer Hefe-Reinkultur, wobei aucn in diesem Fall ein Saccharomyces
cerevisiae Stamm verwendet wird, der in optimaler Weise
neben der alkoholischen Gärung auch möglichst weitgehend den gebildeten Ammoniak, sowie die Glutaminsäure und Milchsäure
metabolisiert.
Die oben erwähnte Verfahrensweise kann auch mit Vorteil bei der Herstellung von Spirituosen, also gebrannten
alkoholischen Getränken, angewandt werden. Obwohl bei einer sauber durchgeführten Destillation im allgemeinen
keine wesentlichen Mengen von Histamin bei der Destillation in das Destillat mitgeführt werden, so hat es sich dennoch
herausgestellt, dass im Handel erhältliche Spirituosen, wie Cognac und ähnliches, häufig grosse Histaminmengen enthalten.
Auch in diesem Fall kann entweder durch die Auslese
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eines speziellen Hefestammes, oder im allgemeinen noch vorteilhafter,
vor der alkoholischen Gärung durch die Behandlung mit einer Reinkultur des Lactobacillus delbrücki, oder
einer anderen Lactobacillus Reinkultur das vorhandene Histidin in unschädliche Nebenprodukte umgewandelt
werden.
Gemäss einer weiteren Ausführungsart des erfindungsgemässen
Verfahrens kann die Bildung von Histamin bei durch Mikroorganismen hervorgerufenen Umwandlungen auch dort
unterbunden werden, wo normalerweise im Ausgangsmaterial keine wesentlichen Mengen an Histidin enthalten sind, jedoch
dann Histidin aus abgestorbenen Zellen des Mikroorganismus entsteht, durch dessen Einwirkung die Umwandlung im Lebensmittel,
Futtermittel oder Nahrungsmittel durchgeführt wird.
Ein typisches Verfahren, während dessen Durchführung
erst Histidin gebildet wird, ist die Sektherstellung. Bei der Herstellung von Sekt wird bekanntlich einem durch
Primärgärung gewonnenen Wein eine Mischung aus Saccharose und Hefe zugesetzt, und in einem geschlossenen Gefäss, beispielsweise einem Drucktank oder einer geschlossenen Flasche,
wird dann die Sekundärgärung vorgenommen. Dabei wird die Saccharose mit Hilfe der Hefe zu Alkohol vergoren, und das
dabei entstehende Kohlendioxid bleibt im Rohsekt gelöst. Ein unerwünschter Vorgang, der bei der Sektherstellung abläuft,
ist derjenige, dass aus der Hefe stammendes Eiweiss, bzw. das aus diesem Eiweiss stammende Histidin, dann von
den weiterlebenden Hefezellen zu Histamin decarboxyliert wird. Wie aus der weiter vorne angegebenen Tabelle II zu
ersehen ist, weist Champagner aufgrund dieses Eiweissabbaues unter Bildung von Histamin einen wesentlich höheren
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Histamingehalt auf als die für Wein üblichen Durchschnittswerte.
Wenn man das erfindungsgemässe Verfahren zur Herstellung eines Histidinfreien Sektes anwendet, dann wird dem
durch Primärgärung gewonnenen Wein eine Mischung aus einem der weiter vorne beschriebenen Lactobacillen-Reinkulturen,
die zu einer Desaminierung des Histidines führen, mit Saccharose und der Hefe zugesetzt. Bei der im Druckbehälter ablaufenden
Sekundärgärung wird dann das aus der Hefe stammenden Histidin durch den anwesenden Lactobacillus gleich bei
seiner Entstehung desaminiert. Dadurch steht den anwesenden lebenden Hefezellen kein Histidin mehr zur Verfügung, das
zu schädlichem Histamin decarboxyliert werden kann. Nach dieser Verfahrensweise gelingt es, einen praktisch histaminfreien
Sekt herzustellen.
Aus den Mikroorganismen-Reinkulturen, welche zu einer Transaminierung oder Desaminierung des Histidines führen,
wurde der für diese Umwandlung verantwortliche Fermentkomplex isoliert. Hierzu wurden die Zellen mechanisch zerstört,
die den Fermentkomplex enthaltende Flüssigkeit isoliert und lyophilisiert. Es stellte sich heraus, dass 10" g
des so erhaltenen Fermentmateriales in der Lage sind 1 g Histidin abzubauen. Der so erhaltene Fermentkomplex wurde
in der gleichen Weise, wie dies weiter vorne für die Reinkultur des Lactobacillus delbrücki im einzelnen beschrieben
ist, verwendet um in einem Ausgangsmaterial Histidin zu unschädlichen Produkten abzubauen. Man erhielt dabei analoge
Ergebnisse wie bei der Verwendung der Lactobacillus delbrücki Reinkultur.
Histidin ist an und für sich eine essentielle
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Aminosäure, d.h. eine Aminosäure die der Mensch mit der Nahrung aufnehmen muss. Sofern die nach dem erfindungsgemässen
Verfahren hergestellten Lebensmittel eiweissreich sind, wie zum Beispiel SauermiIchprodukte oder Käse, wird
durch die Auswahl eines speziellen Mikroorganismenstanunes
nicht ein vollständig histidinfreies Lebensmittel erzeugt, sondern es wird lediglich verhindert, dass der Mikroroganismenstamm
eine unerwünschte Decarboxylierung von Histidin unter Bildung von Histamin durchführt. Sofern durch den
Kikroorganismenstamm Histidin abgebaut wird, wird es, wie bereits früher eingehend erläutert, beispielsweise in
unschädliche Glutaminsäure umgewandelt.
Wenn das nach dem erfindungsgemässen Verfahren
hergestellte Lebensmittel jedoch kein wesentlicher Lieferant von Proteinen ist, wie dies beispielsweise bei alkoholischen
Getränken der Fall ist, dann bestehen natürlich überhaupt keine Bedenken in diesen Produkten enthaltene geringe
Mengen an Histidin vollständig zu entfernen, weil ja die für die Ernährung nötigen Eiweiss-Stoffe ohnehin durch andere
Quellen, beispielsweise Fleisch, Eier und Milchprodukte, dem menschlichen Organismus zugeführt werden müssen.
Das erfindungsgemässe Verfahren sei nun anhand eines Beispieles näher erläutert.
Beispiel: Herstellung eines praktisch histaminfreien
Bieres
Bei der Herstellung eines Bieres nach den bisher angewandten Verfahren werden drei wesentliche Arbeitsschritte durchgeführt (siehe beispielsweise die Erläuterung
der Bierherstellung im "Lehrbuch der chemischen Technologie" von OST-RASSOW, Ausgabe 1965, und zwar Seiten 1391-1405,
Johann Ambrosius Barth, Verlag Leipzig).
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1. Malzbereitung: Der Hauptrohstoff für das Bier,
nämlich die Gerste, enthält zunächst keinen vergärbaren Extrakt. Die Gerste wird in der Mälzerei keimen gelassen,
wobei sich Enzyme bilden, welche die wasserunlösliche Stärke des Kornes in lösliche Zucker überführen. Durch die beim
Keimen gebildeten Enzyme werden auch andere hochmolekulare Stoffe in niedrigmolekulare umgewandelt. Anschliessend wird
die gekeimte Gerste getrocknet, wobei Farbstoffe und Aromastoffe gebildet werden.
2. Brauen: Das Malz wird zerkleinert und mit warmem Wasser behandelt (Maischen). Schon vorhandene Mengen
an löslichen Verbindungen werden dabei gelöst. Weitere Stärke wird enzymatisch in die lösliche Maltose umgewandelt.
Nach der Filtration der Würze wird diese unter Zusatz von Hopfen gekocht und dabei mehr oder weniger Wasser abgedampft.
Die heisse Würze wird vom Hopfen abgetrennt.
3. Gärung; Nach der Hopfabtrennung muss die
heisse Würze in kurzer Zeit auf eine Gärtemperatur von 5 bis 7 C bei der Herstellung von untergärigen Bieren oder
auf eine Temperatur von IH bis 16 C bei der Herstellung von
obergärigen Bieren abgekühlt werden. Die Brauereihefe wird zugesetzt und bei den angegebenen Temperaturen im allgemeinen
während acht bis zehn Tage vergoren. Das so erhaltene Bier wird dann in Lagerkellern der Nachgärung unterworfen
und schliesslich durch Filtration von der Hefe befreit und abgefüllt.
Das bisher bekannte Verfahren der Bierherstellung wird erfindungsgemäss bei der Erzeugung eines histaminfreien
Bieres wie folgt abgewandelt:
Ueberraschenderweise hat es sich herausgestellt, dass die Oberfläche des in Malz umgewandelten Kornes bereits
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zahlreiche Mikroben enthält. Diese führen dazu, dass beim Maischvorgang in Anwesenheit des Wassers nicht nur die erwünschte
Ueberführung der unlöslichen Stärke in lösliche
Zucker erfolgt sondern auch, dass im Getreideeiweiss reichlich
vorhandene Histidin durch diese Mikroben zu Histamin decarboxyliert wird. Es zeigte sich ferner, dass diese unerwünschten
Mikroben hitzeempfindlich sind.
Beim erfindungsgemässen Verfahren wird daher die Oberfläche der gekeimten Gerste von den störenden Mikroben
befreit, indem man sie blanchiert oder 10 Minuten in ein Wasser einer Temperatur von 75 bis 100 C eintaucht. Das
Wasser wird entfernt und mehrfach mit 50-grädigem Wasser nachgespült.
Anschliessend wird wie bei den bisher bekannten Verfahren das Malz geschrotet und üblicherweise der Maischvorgang
durchgeführt und auch der Hopfenzusatz und das Kochen der Würze erfolgen wie bei den traditionellen Verfahren
.
Ein weiterer wesentlicher Schritt des erfindungsgemässen Verfahrens besteht darin, dass die Kühlung der
vom Hopfen abfiltrierten Würze im absolut reinen, desinfizierten, offenen oder geschlossenen Kühler vorgenommen wird,
womit bei diesem Kühlvorgang eine Neuinfektion mit Mikroben verhindert wird, die eine Decarboxylierung von noch immer
vorhandenem Histidin unter Bildung von Histamin hervorrufen können.
Auch bei der Einstellung der Würze auf den gewünschten Extraktgehalt muss einwandfrei entkeimtes Wasser
verwendet werden.
Die Beimpfung wird durchgeführt, indem man eine geprüfte Einzell-Kultur von Saccharomyces cerevisiae verwendet,
die keine Histidin-Decarboxylierung bewirkt.
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