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Bei der Entgiftung von cyanidhaltigen Abwässern, wie sie in Härtereien
und Galvaniken anfallen, ist es heute allgemein üblich, die Cyanide mit Hilfe von
Natriumhypochlorit im alkalischen Medium zu Cyanat zu oxydieren. Die Regelung der
Zugabe von Natriumhypochlorit erfolgt meistens mit Hilfe eines elektronischen Reglers,
der von einer Elektrodenmeßkette gesteuert wird. Bei der Cyanidoxydation kommen
als Meßelektroden einer solchen Elektrodemneßkette die Silber- oder die Silberamalgamelektrode
in Frage, während als Bezugstlektroden meist Kalomelelektroden verwendet werden.
Die Potentialdifferenz derartiger Elektrodenmeßketten ist eine Funktion des Gehalts
an CN-Ionen in der Lösung. Eine derartige Elekttodenmeßkette steuert einen Regler
in der Weise, daß, solange die Potentialdifferenz der Elektrodenmeßkette einen bestimmten
eingestellten Wert -die sogenannte »Sollspannung« - überschreitet,
aus einem Chemikalienvorratsbehälter, z. B. einem sogenannten »Dosiergerät«, über
ein geöffnetes Magnetventil Natriumhypochlorit in die zu entgiftende Lösung eindosiert
wird. Bekannt ist die Unterbringung derartiger Elektrodenmeßketten in einemkorrosionsgeschützten
Gehäuse aus z. B. Kunststoff, einem sogenannten »Eintauchgeber«, der irn Reaktionsbehälter,
z. B. einer Kammer in einem an sich bekannten Mehrkammersystem, angebracht ist.
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Während es gelingt, mit Hilfe von Natriumhypochlorit freie CN-Ionen,
Tetracyanocadmiat und Tetracyanozinkat quantitativ zu Cyanat zu oxydieren, ist die
Oxydation von komplexen Nickel- oder Kupfercyaniden schon schwieriger, doch läßt
sie sich bei Anwendung eines ausreichend großen Überschusses an Hypochlorit noch
durchführen. Dagegen ist es mit den üblichen Entgiftungseinrichtungen nicht möglich,
einen eventuellen Gehalt an komplexen Eisencyaniden wesentlich zu senken. Es hat
sich gezeigt, daß z. B. bei Zugabe von Natriumhypochloritlauge zu Lösungen, die
Hexacyano-Eisen(H)-Ionen enthalten, im wesentlichen nur eine Oxydation zu Hexacyano-Eisen(III)-Ionen
entritt und ein großer Teil der Hexacyano-Eisen(11)-Ionen erhalten bleibt. Bei Zugabe
von 100 % der zur Cyanidoxydation theoretisch erforderlichen Menge an Hypochlorit
gelang es nur, 13 ()/o des Gesamteyanidgehalts der komplexen Eisencyanide
zu Cyanat zu oxydieren.
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Es hat sich nun gezeigt, daß die Anwesenheit solcher komplexen Eisencyanide
ein konzentrationsrichtiges Ansprechen der Meßelektrode auf den Cyanidgehalt und
damit die richtige Dosierung des Oxydationsmittels verhindert. Die Regelkurve, die
bei einfachen Cyaniden relativ steil abwärts verläuft, wird bei Anwesenheit von
z. B. Hexacyano-Eisen(II)-Ionen sehr flach, so daß die Sollspannung, bei der das
Magnetventil am Dosiergerät für Hypochloritlauge geschlossen wird, nicht erreicht
wird. Hierdurch erfolgt ein ständiger weiterer Zusatz von Natriumhypochloritlauge,
obgleich die giftigen Cyanide, nämlich die freien CN-Ionen und die komplexen Cyanide
von Zn, Cd, Ni und Cu, bereits quantitativ oxydiert worden sind.
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Es besteht somit bei der Entgiftung von Abwässern, die komplexe Eisencyanide
enthalten, die Gefahr, daß während des Durchlaufs der Abwässer durch die Entgiftungs-
und Neutralisationsanlage das an sich ungiftige Hexacyano-Eisen(11)-Ion größtenteils
nur zum giftigen Hexacyano-Eisen(HI)-Ion oxydiert wird und dieses HexacyanQ-Eisen(III)-Ion
zusammen mit einer erheblichen Menge an noch unverbrauchtem giftigem Chlor auch
die Entgiftungsanlage durchbricht und in eine städtische Kanalisation oder einen
Vorfluter gelangt, wobei das Chlor dem Cyanid an Giftigkeit nicht nachsteht.
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Die bekannten, elektronisch gesteuerten Cyanid-Entgiftungsanlagen
haben den Nachteil, daß die Elektroden leicht vergiftet werden und trotz überdimensionierter
Reaktionsbecken die Abwässer gar nicht oder nur ungenügend entgiftet werden. Ein
Nachteil dies-er Anlagen ist ferner, daß durch ungenügende Konstanz im pH-Wert oder
bei fehlendem Chlorübel-schuß - z. B. durch die gefürchteten Konzentrationsstöße
im Abwasser hervorgerufen - die für die quantitative Entgiftung nötige Verweilzeit
und sonstigen Reaktionsbedingungen nicht mehr gewährleistet sind.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, die oben aufgeführten
Schwierigkeiten zu beheben und bei der Entgiftung von cyanidischen Abwässern, die
auch komplexe Eisencyanide enthalten können, das Auftreten der oben angezeigten
Schwankungen des pH-Wertes wie auch der Chlorkonzentration zu verhindern.
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Gegenstand der Erfindung ist daher ein Verfahren zur Erhöhung der
Sicherheit bei der kontinuierlichen Aufbereitung cyanidischer Abwässer mit Hilfe
regelnder Meßstellen, das dadurch gekennzeichnet ist, daß man hinter einem Cyanid-Reaktionsbehälter
mit regelnden Meßstellen eine oder mehrere regelnde Elektrodenmeßketten nachschaltet
und durch diese eine weitere chemische Behandlung des nicht hinreichend aufbereiteten
Abwassers steuert. - Vorteilhaft ist es z. B. bei Anwesenheit von komplexen
Eisencyaniden mit Hilfe einer nachgeschalteten. Meßelektrode die Zufuhr von Oxydationsmitteln
im Cyardd-Reaktionsbehälter zu unterbrechen.
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Eine derartige Meßkette kann, aus an sich bekannten Kombinationen
von Meß- und Bezugselektroden aufgebaut sein. Zum Beispiel können als Meßelektroden
Platin-Iridium-, Gold- oder Goldamalgamelektroden Verwendung finden, während als
Bezugselektroden vorzugsweise Kalomelelektroden in Betracht kommen. Auch Glas- oder
Silber-Silberbromid-Elektroden sind beispielsweise als Bezugselektroden geeignet.
Die Elektroden können auch selbstreinigend sein.
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Potentialbestimmend für derartige Redoxelektrodenketten sind nun die
Konzentrationsverhältnisse der zwei Partner eines Redoxsystems, das in der Lösung
anwesend ist. Zum vorliegenden Fall kommt als potentialbestimmendes Redoxsystem
das System Hypochlorit-Chlorid in, Betracht, so daß ein etwaiger überschuß an Chlor
bzw. Hypochlorit in der Lösung die Potentialdifferenz einer solchen Redoxelektrodenkette
verändert.
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Es wurde nun gefunden, daß eine derartige an sich bekannte Redoxelektrodenkette
einen elektronischen Regler in der Weise steuern kann, daß beim Anstieg der Potentialdifferenz
der Elektrodenmeßkette über einen bestimmten vorgegebenen Sollwert hinaus der elektronische
Regler das Ventil am Dosiergerät für Natriumhypochlorit schließt. Auf diese Weise
wird eine überdosierung von Hypochlorit in den Abwässern verhindert und die Gefahr
eines Durchbruchs von Chlor in einen Vorfluter oder eine städtische Kanalisation
verringert. Man kann den Regler, der das Öffnen und Schließen des Magnetventils
bewirkt,
in erfindungsgemäßer Weise so schalten, daß die überschreitung
der vorgegebenen Sollspannungen der beiden Elektroderuneßketten, d. h. der
Cyanidmeßkette im eigentlichen Cyanidoxydationsbehälter und der Redoxelektrodenkette
im nachgeschalteten Behälter, die Schließung des Magnetventils auslöst.
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Die eine der nachgeschalteten Elektrodenketten ist z. B. eine an sich
bekannte Glaselektrodenkette zur Messung und Regelung des pH-Wertes. Diese Elektrodenmeßkette
steuert eine an sich für die Neutralisation von Abwässern bekannte elektronische
pH-Spitzenabgleichseinrichtung mit Zweiwegesteuerung. Eine derartige Einrichtung
erlaubt durch den feinstufig dosierten Zusatz von Säuren bzw. Laugen aus zwei dazugehörigen
und mit Magnetventilen ausgerüsteten Dosiergeräten die Einstellung des pH-Wertes
der vorbeifließenden, nicht richtig eingestellten Abwässer auf einen bestimmten
vorgegebenen Wert. Eine nachgeschaltete Elektrodenmeßkette ist z. B. eine Redoxelektrodenraeßkette,
die mit Hilfe eines elektronischen Reglers die erneute Zudosierung von Natriumhypochlorit
aus einem hierfür vorgesehenen Dosiergerät mit Magnetventil bewirkt. Der Aufbau
eines solchen zweiten Reaktionsbehälters ist dann besonders vorteilhaft, wenn die
aus den Cyaniden im Abwasser durch Oxydation gebildeten Cyanate einer Totaloxydation
zu CO, und Stickstoff unterzogen werden sollen, wie dies heute vielfach schon
zum Zweck der Reinhaltung der Gewässer gefordert wird. Die vorliegende Erfindung
erlaubt den sorgfältig geregelten Zusatz von Hypochlorit, um die Cyanate vollständig
zu oxydieren, und vermeidet die Gefahr, daß erhebliche überschüsse von nicht verbrauchtem
Chlor aus der Entgiftungsanlage austreten können. Die zweckmäßig am Eintritt der
Ab-
wässer in diesen zweiten Reaktionsbehälter angeordnete pH-Meßelektrodenkette
gestattet weiterl* die Einregulierung des für die Totaloxydation der Cyanate günstigsten
pH-Bereichs. Man kann also z. B. so verfahren, daß man die Oxydation der Cyanide
im pH-Bereich von 10,5 bis 11 vornimmt, während die Oxydation der
Cyanate in der zweiten Stufe dieses Verfahrens bei einem pH-Wert von 7 bis
7,5 vorgenommen werden kann.
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Die Zeichnung zeigt beispielsweise einen schematischen Aufbau einer
derartigen Anlage zur Entgiftung von cyanidhaltigen Abwässern. Hierin bedeutet
1 einen Cyanid-Reaktionsbehälter für die Cyanidoxydation, 2 einen Zwischenbehälter
zur Aufnahme, der nachgeschalteten Redoxelektrodenmeßkette 6,
während
3 ein zweiter Reaktionsbehälter für die Totaloxydation der Cyanate ist. Der
Cyanid-Reaktionsbehälter 1 ist mit der pH-Meßelektrodenkette 4, die die Zudosierung
von Natronlauge aus dem Dosiergerät 9 steuert, und mit der Silber- bzw. Silberamalgamelektrodenkette
5, die die Zudosierung von Natriumhypochlorit aus dem Dosiergerät
10 regelt, ausgerüstet. Eine erfindungsgemäß nachgeschaltete Redoxelektrodenmeßkette
6 kann das Schließen eines Magnetventils 14 bewirken. 7 ist eine erfindungsgemäß
nachgeschaltete pH-Meßelektrodenkette, die mit Hilfe der pH-Spitzenausgleichseinrichtung
15 die Zudosierung von Säure oder Lauge aus den Dosiergeräten 11 und
12 steuert. 8 ist schließlich eine erfindungsgemäß nachgeschaltete zweite
Redoxelektrodenmeßkette, die die Zufuhr von Natriumhypochlorit aus einem Dosiergerät
13 in den zweiten Reaktionsbehälter 3 regelt. R sind Regler, während
Y Verstärker bedeutet.