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Verfahren zur Herstellung von Graphitstahl Die Erfindung bezieht sich
auf die Herstellung eines Materials, das im normalen Sinne weder als eigentlicher
Stahl noch als Gußeisen angesprochen werden kann sondern als ein Zwischenwerkstoff
bezeichnet werden muß, in dem günstige Eigenschaften von Gußeisen mit günstigen
Eigenschaften von Stahl vereinigt sind. Dieses Material soll nachstehend als Graphitstahl
bezeichnet werden.
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Bekanntlich erstarren Eisenschmelzen mit einem Kohlenstoffgehalt im
Stahlbereich, d. h. mit einem Kohlenstoffgehalt unter etwa 1,70/0, normalerweise
weiß, wobei der Kohlenstoff in gebundener Form als Fe3C vorliegt. Stähle dieser
Art weisen zwar die bekannten Vorzüge, z. B. hohe Festigkeit von hochkohlenstoffhaltigen
Stählen auf, jedoch fehlen ihnen einige erstrebenswerte Eigenschaften des grauerstarrten
Gußeisens, wie z. B. gute Gleiteigenschaften, gute Ölabsorption usw.
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Gemäß der Erfindung wurde ermittelt, daß durch eine bestimmte Schlackenbehandlung
aus Schmelzen im Stahlbereich mit einem Kohlenstoffgehalt unter etwa 1,7% ein als
Zwischenwerkstoff einzuordnender Graphitstahl mit frei ausgeschiedenem Kohlenstoff
erhalten werden kann. Dieser Werkstoff ist hinsichtlich des Kohlenstoffgehaltes
zu den Stählen und hinsichtlich der Kohlenstoffausscheidung zu grauem Gußeisen zu
rechnen. Er vereinigt vorteilhafte Eigenschaften bekannter Stähle, z. B. hohe Festigkeit,
mit vorteilhaften Eigenschaften von grauem Gußeisen, z. B. guten Gleiteigenschaften
und guter Selbstschmierwirkung. Bei der Herstellung kann von geringwertigen Rohmaterialien
ausgegangen werden.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet,
daß eine auf Grund ihres geringen, im Stahlbereich unter etwa 1,7% liegenden Kohlenstoffgehalts
und trotz der gegebenenfalls verwendeten Impfmittel normalerweise weiß mit gebundenem
Kohlenstoff erstarrende Schmelze mit einer reduzierenden Schlacke an sich bekannter
Art, die aus ein oder mehreren Alkali- oder Erdalkalioxyden oder -carbonaten und
einem oder mehreren Stoffen aus der Gruppe Kohlenstoff, Silicium und Aluminium besteht,
im Lichtbogen-, Graphitstab-oder Induktionsofen bis zur Grauerstarrung, d. h. Ausscheidung
von freiem Kohlenstoff, eines Probestücks mit gleicher oder höherer Wandstärkenempfindlichkeit
als das herzustellende Produkt gefeint bzw. desoxydiert und danach abgegossen wird.
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Es sind bereits zahlreiche Schlackenbehandlungen für Gußeisen mit
verhältnismäßig hohen Kohlenstoff-und Siliciumgehalten vorgeschlagen worden. Soweit
bekannt, hat man es bisher jedoch nicht für sinnvoll angesehen, Schmelzen mit niedrigerem
Kohlenstoffgehalt, insbesondere im Stahlbereich unter etwa 1,7%, mit reduzierenden
Schlacken gemäß den Merkmalen vorliegender Erfindung zu behandeln. Nach den bisherigen
Kenntnissen war bei solchen Ausgangsmaterialien eine Weißerstarrung mit gebundenem
Kohlenstoff zu erwarten, nicht aber die Möglichkeit, durch eine Schlackenbehandlung
eine wesentliche Gefügeänderung oder gar eine Grauerstarrung zu erzwingen. überraschend
wurde nun gefunden, daß die Fachwelt hier einem Vorurteil gegenübergestanden hatte.
Erfindungsgemäß wird bei Kohlenstoffgehalten im Stahlbereich eine Grauerstarrung
erzielt.
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Zum Feinen von Stahl ist es auch bekannt, der Schmelze Eisenoxyde
zuzusetzen, um Kohlenstoff zu entfernen; erstere werden dann durch Zusatz von Kalk
wieder gebunden. Eine Gefügeänderung entsprechend oder ähnlich wie bei dem Verfahren
gemäß der Erfindung wird hierdurch nicht bewirkt.
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Weiter ist es bekannt, beispielsweise aus einer zusammenfassenden
Veröffentlichung über den Einfluß von Silicium auf die Gleichgewichts- und Graphitisierungsvorgänge,
insbesondere bei Gußeisen (E. Piwowarsky, »Gußeisen«, 2. Auflage, 1951, Abschnitt
IV, Springer-Verlag, Berlin). daß bei im wesentlichen nur kohlenstoffhaltigen Eisenlegierungen
die Ausscheidung des Kohlenstoffs nach dem metastabilen System Eisen-Eisenkarbid
erfolgt, während die Anwesenheit von Silicium, Aluminium und anderen Elementen die
Neigung der Kohlenstoffausscheidung als Graphit nach dem stabilen System begünstigt.
Es findet sich jedoch kein Hinweis auf eine dem Verfahren gemäß der Erfindung entsprechende
oder ähnliche Arbeitsweise zur Herstellung eines
Graphitstahls und
kein Anhaltspunkt, daß eine Schmelze mit einem Kohlenstoffgehalt unter etwa 1,7%,
die trotz gegebenenfalls verwendeter Impfmittel normalerweise weiß erstarrt, durch
Behandlung mit einer reduzierenden Schlacke der erfindungsgemäß vorgesehenen Art
zu Grauerstarrung mit freiem Graphit gebracht werden könnte.
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Schließlich ist es bekannt, z. B. aus einer zusammenfassenden Veröffentlichung
über den chemischen Umsatz von Edelstahlschmelzen mit Reduktions- und Feinungsschlacken
(F. L e i t n e r und E. P 1 ö c k i n -g e r, ;>Die Edelstahlerzeugung«, 1950,
Springer-Verlag, Wien, S.72/73), daß durch Reduktion von metalloxydhaltigen Schlacken
mit Kohlenstoff und anderen Eisenbegleitern der Legierungsgehalt des Stahlbades
beeinffußt wird. Auch hier findet sich jedoch keine Anregung, in einer dem Verfahren
gemäß der Erfindung entsprechenden oder ähnlichen Weise eine nach den bisherigen
Kentnissen weiß erstarrende Schmelze mit einer reduzierenden Schlacke der erfindungsgemäß
vorgesehenen Art zu behandeln und hierdurch bei einem Kohlenstoffgehalt unter 1,7%
eine graphitische Kohlenstoffausscheidung zu erzwingen.
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In der deutschen Patentschrift 1153 783 ist ein Verfahren,
dessen Arbeitsmaßnahmen - abgesehen von der Zusammensetzung des Schmelzbades - im
wesentlichen mit den Arbeitsmaßnahmen der vorliegenden Erfindung übereinstimmen,
für die Herstellung von grauem Gußeisen angegeben. Demgegenüber richtet sich das
Verfahren vorliegender Erfindung auf die Herstellung eines Werkstoffs, der auf Grund
seines Kohlenstoffgehalts als Stahl (Graphitstahl) anzusprechen ist.
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Bei dem Verfahren gemäß der Erfindung wird von einer Schmelze im Stahlbereich
ausgegangen, d. h. nach der üblichen Definition mit einem Kohlenstoffgehalt unter
1,7%. Da durch das Verfahren eine Grauerstarrung, also Ausscheidung von freiem Kohlenstoff,
erzwungen werden soll und naturgemäß nicht der gesamte Kohlenstoff an einer Bindung
in Form von Fe3C gehindert werden kann, ist ein Kohlenstoffgehalt im oberen Teil
des Stahlbereiches zweckmäßig, etwa im Bereich von 1,0 bis 1,7%.
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Das Rohmaterial der Schmelze kann vorzugsweise aus geringwertigen
Stoffen wie Koksroheisen, Gußbruch, Kreislaufmaterial und normalerweise nicht oder
nur in sehr geringen Mengen verwendbaren Produkten wie Stahlschrott bestehen. Der
Schrott darf sogar stark verrostet sein, ohne daß hierdurch ein störender Einfiuß
bemerkbar wird. Wesentlich ist nur, daß der Kohlenstoffgehalt der Schmelze, die
der Feinung mit der reduzierenden Schlacke unterworfen wird, im Stahlbereich unter
etwa 1,7% liegt. Der Siliciumgehalt hat auf die Graphitausscheidung keinen wesentlichen
Einffuß; beachtenswert ist lediglich, daß bei verhältnismäßig hohen Siliciumgehalten,
im nachstehenden Beispiel sind es etwa 2,8 %, im Verfahren gemäß der Erfindung eine
freie Graphitausscheidung erreicht wird.
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Die Arbeitsstufen im Verfahren der Erfindung erfolgen im wesentlichen
wie bei normalen Schlackenbehandlungen. Das aufgeschmolzene Rohmaterial wird mit
der Schlacke in Berührung gebracht und der Diffusions-Desoxydation unterworfen,
bis ein Probestück mit gleicher oder höherer Wandstärkenempfindlichkeit als die
herzustellenden Produkte unter Abscheidung von freiem Kohlenstoff grau erstarrt,
und dann - eventuell nach vorausgehender Impfung mit an sich bekannten Mitteln -
abgegossen.
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Als Schmelzofen wird ein üblicher, für die Durchführung metallurgischer
Schlackenbehandlungen geeigneter Ofen verwendet, insbesondere ein Lichtbogen-, Graphitstab-
oder Induktionsofen.
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Es werden an sich bekannte, reduzierende Schlakken folgender Art verwendet:
Mischungen, die zur Hauptmenge aus ein oder mehreren Alkali- oder Erdalkalioxyden
oder -arbonaten und ein oder mehreren Stoffen aus der Gruppe Kohlenstoff, Silicium,
einschließlich der Siliciumverbindungen, wie Ferrosilicium, Calciumsilicid und Siliciumlegierungen,
Aluminium, einschließlich der Aluminiumlegierungen, bestehen. Es können auch Mischungen
aus Calciumcyanamid mit den Cyaniden der Alkali- und Erdalkalimetalle, auch in Verbindung
mit einem oder mehreren der zuerstgenannten Stoffe, verwendet werden; derartige
Schlacken sind ebenfalls an sich bekannt.
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Die Schlacken können darüber hinaus aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten
und zur Einstellung des gewünschten Reduktionsvermögens sowie der Basizität bzw.
Acidität übliche Schlackenbestandteile, wie Si02 und A1.03, oder andere Schlacken,
wie beispielsweise Hochofen-, Kupolofen-, Siemens-Martin-oder Elektroofenschlacke,
und Flußmittel in Form üblicher Fluoride enthalten.
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Die reduzierende Schlacke wird in einer Menge von etwa 1 bis 1.5%
zugesetzt.
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Die reduzierende Feinung kann bei vergleichsweise sehr tiefen Temperaturen
im Bereich zwischen etwa 1400 und 1450° C durchgeführt werden. Höhere Temperaturen
sind möglich und führen zu einer noch intensiveren Feinung, es sollten jedoch keine
Temperaturen oberhalb der für Stahlbehandlungen üblichen Temperaturgrenze angewendet
werden.
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Es ist nicht erforderlich, im Ofen eine reduzierende Gasatmosphäre
aufrechtzuerhalten. Obwohl ein basischer Ofen vorzuziehen ist, bestehen auch gegen
die Anwendung eines sauren Ofens keine Bedenken. Die Wirkung der reduzierenden Schlacke
ist unabhängig von ihrem Aggregatzustand; sie kann in fester oder flüssiger Form
vorliegen. Die Schlacke kann die Schmelze bedecken, sie kann aber auch zur Auskleidung
von Boden und Wänden des Ofens verwendet oder unterhalb des Eisenrohmaterials angeordnet
werden.
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Zweckmäßig wird die Schmelze nach dem reduzierenden Feinen geimpft,
z. B. mit Ferrosilicium, Calciumsilicid oder Aluminium, um hierdurch eine Unterkühlung
zu vermeiden und die Graphitisierung zu beschleunigen. Eine Impfung ist zweckmäßig,
aber nicht unbedingt erforderlich. Wenn keine Impfung vorgenommen wird, ist der
Graphit infolge Unterkühlung der Schmelze feiner.
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Nach einer vorzugsweisen Ausführungsform der Erfindung wird die Schlacke
in gemahlener, homo= gen durchmischter Form angewendet. Hierzu werden die Schlackenkomponenten
fein gemahlen und einheitlich miteinander vermischt; die Feinung erfolgt mit dem
vorbereiteten, fertigen Gemisch. Damit wird sichergestellt, daß sämtliche Bestandteile
der Schlacke in der Grenzfläche zwischen Schlacke und Schmelze über die gesamte
Dauer der Feinung in einheitlichem gegenseitigem Verhältnis und Zustand vorliegen.
Die Intensität der Feinung ist dann am größten.
Bei dem Verfahren
gemäß der Erfindung wird z. B. Graphitstahl mit einer Zugfestigkeit von etwa 60
kg/mm= erhalten, der im wesentlichen keinen freien Zementft enthält und eine Struktur
mit kugel-oder flockenförmigem Graphit und sorbitischem Perlit aufweist. Die Ausbildung
von dichtem Perlit ist auf die Senkung des Ar, -Punktes bei der durchgreifenden
Desoxydation zurückzuführen. Durch das Verfahren der Erfindung wird auch der Selbsthärtungseffekt
von Stahl gesteigert, da sich infolge der Senkung des AA-Punktes der streifige bzw.
lamellare Perlit in streifigen Sorbit umwandelt.
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Das folgende Beispiel dient zur weiteren Erläuterung der Erfindung
und Darlegung des erzielbaren technischen Fortschritts. Beispiel Rohmaterialien:
Hochofen-Koksroheisen, gewöhnliches Abfallgußeisen, wie Anschnitte, Steiger usw.,
Drehspäne, Stahlabfälle usw.
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Schmelzverfahren: Heroult-Elektroofen oder Induktionsofen. Es wurden
folgende Schlacken verwendet: a) Bariumcarbonat-Kohlenstoff (5: 1),
b) Calciumoxyd-Calciumcyanamid (1 : 1), c) Calciumcarbonat Kohlenstoff
(5: 1).
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Nach dem Abstich wurde die Schmelze mit etwa 0,2°/o Ferrosilicium
geimpft.
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Die Ergebnisse mit den drei Schlacken waren praktisch identisch.
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Ergebnisse Chemische Zusammensetzung: Gesamtkohlenstoff . . . . .
. . . . . . . . . . . . 1,630/0 Silicium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . 2,8011/0 Mangan ........................... 0,74% Phosphor . . . .
. .. .. . ... .. . . .. . . . . ... 0,03,1/o Schwefel . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . 0,007,1/0 Mechanische Eigenschaften: Form . . . . . .
. . . . . . . . . . . . 30 mm Durchmesser Prüfstück . . . . . . . . . . . . . .
20 mm Durchmesser Zugfestigkeit . . . . . . . . . . . 62,3 kg/mm2 Dehnung . . .
. . . . . . . . . . . . 2,5 bis 5,0% Zugfestigkeit nach kurzzeitigem Glühen .. 55,2
kg/mm2 Dehnung . . . . . . . . . . . . . . . 14,3'/o Struktur: Die Struktur im Gußzustand
bestand aus kugelförmigem Graphit, Ferrit und sorbitischem Perlit ohne freies Eisencarbid
(Fe3C). Die Struktur nach kurzzeitigem Glühen bestand aus geglühtem Graphit und
Ferrit.
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Durch Änderung des Gehalts an Kohlenstoff und Silicium kann eine Struktur
mit kugelförmigem Graphit und Ferrit im Gußzustand erhalten werden. Bemerkung: Wendet
man ein herkömmliches Verfahren zum reduzierenden Feinen mit einer Weiß-oder Carbidschlacke
auf ein Ausgangsmaterial mit einer chemischen Zusammensetzung gemäß diesem Beispiel
an, so erstarrt das Material, selbst nach Impfung mit Ferrosilicium, mit gebundenem
Kohlenstoff und weißem oder meliertem Gefüge.
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Durch die Erfindung wird ein beträchtlicher technischer Fortschritt
erzielt. Es können geringwertige und damit billige Ausgangsmaterialien zu einem
hochwertigen Graphitstahl verarbeitet werden. Die reduzierende Feinung ist sehr
einfach durchzuführen, die Schmelze ist verhältnismäßig dünnflüssig und gut zu vergießen.
Es tritt mit Sicherheit Grauerstarrung ein, je nach Desoxydationsgrad und Impfung
liegt der Graphit in kurzflockiger oder quasiflockiger bis kugeliger Form vor. Der
erhaltene Stahl ist durch hohe Zugfestigkeit und Biegefestigkeit bei gleichzeitig
guten Gleiteigenschaften, wie Notlaufeigenschaften, ausgezeichnet.
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Es ist anzunehmen, daß die Grauerstarrung mit Ausscheidung von freiem
Kohlenstoff und die günstigen Eigenschaften des erfindungsgemäß hergestellten Graphitstahles
unter anderem auf die Einstellung eines optimalen Sauerstoffgehalts bei der erfindungsgemäßen
Kombination von Einsatzmaterial und reduzierender Schlacke zurückzuführen sind,
völlig gesicherte Ergebnisse hierüber liegen jedoch nicht vor.