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Verfahren und Werkzeug zur Herstellung einseitig geschlossener Hohlkörper
aus Stahl oder anderen Werkstoffen Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein
Werkzeug zur Herstellung einseitig geschlossener Hohlkörper aus Stahl oder anderen
Werkstoffen durch Kalt- oder Warmverformung, bei dem eine Blechronde zu einem Napf
mit einer schwach geformten Umbiegung von seinem zylindrischen Schaft zu seinem
im wesentlichen ebenen Boden tiefgezogen und die Umbiegung anschließend in der gleichen
Vorrichtung in einem Arbeitsgang von unten scharf ausgeformt wird. Insbesondere
behandelt die Erfindung die Erzeugung einteiliger Munitionshülsen.
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Bisher wurde die Herstellung derartiger Hülsen, beispielsweise mit
einer Länge von etwa 800 mm, wie folgt durchgeführt: Aus einer entsprechend dicken
Blechronde wurde zunächst im ersten Doppelzug ein Napf hergestellt, dessen Boden
kaum oder nur wenig verformt wurde. In der Regel lag die Verformung am Boden zwischen
0 und 15 0/0, während der Verformungsgrad am Hülsenrand bis zu 75% betrug. In diesem
Zusammenhang ist von Interesse, daß bekanntlich aus dem Boden gezogene Tiefziehkörper
erhebliche Eigenspannungen aufweisen, so daß man bei der Herstellung von Hülsen
von einer weitergehenden Verformung des Bodens absah. Ein weiterer Grund hierfür
bestand darin, daß bei einer bezüglich des Rekristallisationsbeginns bei nachfolgendem
Entspannen kritischen Verformung des Bodens die Gefahr besteht, daß Grobkorn entsteht,
bei weiteren Ziehoperationen in den Mantel gelangt und später zu einer Rißbildung
im Mantel führt. Bekanntlich bestehen z. B: bei Stahl Verformungsbereiche, innerhalb
derer eine besonders starke Grobkornbildung nach dem Glühen eintritt. Diese Bereiche
liegen in der Regel zwischen 0 und 150/0 oder auch 5 und 15'1/o. Bei den meisten
Stahlsorten tritt bei einer Verformung bis zu 5% nach dem Glühen keine Rekristallisation
auf, während bei Verformungsgraden zwischen etwa 5 und 15% das Ausmaß der Grobkornbildung
nach dem Glühen außerordentlich stark ansteigt. Bei Verformungen über 15% läßt die
Grobkornbildung wieder nach, und bei hohen Verformungsgraden, beispielsweise von
75()/o, ist die Gefahr der Grobkornbildung beseitigt. Außerdem ist zu beachten,
daß das Entspannen in der kritisch verformten Zone, d. h. in der Zone, in der um
etwa 5 bis 15 % verformt worden ist, sehr lange Zeit in Anspruch nimmt, dagegen
hochverformte Teile sehr schnell weich werden.
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Bei dem bekannten Verfahren wurde demzufolge eine nur geringe Verformung
des Bodens vorgenommen, worauf bei 590° C entspannt, sodann gebeizt und phosphatiert
wurde, um anschließend weiterzuziehen. Bei dem gewählten Beispiel der Herstellung
einer Hülse von etwa 800 mm Länge mußte bisher etwa sechsmal gezogen werden, wobei
nach jedem Zug etwa 1 Stunde lang bei 590° C zu glühen war und sich das Beizen und
Phosphatieren des Teiles anschloß.
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Bei anderen bekannten Verfahren ist man auch bereits so vorgegangen,
daß die zunächst erzeugte Umbiegung anschließend in der gleichen Vorrichtung in
einem Arbeitsgang von unten scharf ausgeformt wird. Indessen läßt sich auch hierbei
die Notwendigkeit mehrerer Züge sowie die Gefahr der Grobkornbildung nicht umgehen.
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Dieser und andere Mängel werden erfindungsgemäß bei dem eingangs erwähnten
Verfahren dadurch vermieden, daß die Ausformung der Umbiegung über die kritische
Verformung bezüglich des Rekristallisationsbeginns hinaus erfolgt. überraschenderweise
kann dadurch die Anzahl der Züge erheblich verringert werden, ohne daß Eigenspannungen
des Werkstoffes zu befürchten sind, während es ferner möglich ist, die Standzeit
des Werkzeuges bedeutend zu steigern. Mit Vorteil wird dabei der Hohlkörper in an
sich bekannter Weise nach der Ausformung der Umbiegung geglüht.
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Versuche mit dem erfindungsgemäßen Verfahren haben gezeigt, daß zur
Herstellung z. B. einer etwa 800 mm langen Stahlhülse höchstens drei Züge, eine
einzige Entspannungsglühung bei 590° C während 25 Minuten und lediglich ein einmaliges
Beizen und Phosphatieren erforderlich sind. Die Qualität der Hülse wird außerdem
außerordentlich verbessert,
ohne daß die an und für sich zu befürchtenden
Eigenspannungen auftreten. Die Standdauer des Werkzeuges für die Ziehoperation wird
durch das verbesserte Einziehen verlängert. Außerdem wird eine höhere Genauigkeit
hinsichtlich der Wandstärke erzielbar. Die Preßwerkzeuge brauchen bei weitem nicht
einen so hohen Druck aufzunehmen wie bisher. Weitere Vorzüge der Erfindung ergeben
sich aus der folgenden Gegenüberstellung, die sich auf die Fertigung einer 8,8-cm-Hülse
bezieht:
Operation 1 Bisher Erfindungsgemäß |
1. Arbeitsgang ...... Doppelzug bzw. Napfzug oder Spritzung,
Napfzug mit Bodenverformung, notwen- |
notwendige Presse 500 t dige Presse 500 t |
2. Arbeitsgang ...... Entspannen bei 590° C, Temperatur-
Entspannen bei 590° C, Temperatur- |
Haltezeit 1 Stunde Haltezeit 25 Minuten |
3. Arbeitsgang ...... Beizen und Phosphatieren Beizen
und Phosphatieren |
4. Arbeitsgang ...... 2. Zug, notwendige Maschine 300
t entfällt |
5. Arbeitsgang ...... Entspannen wie unter 2 entfällt |
6. Arbeitsgang ...... Beizen und Phosphatieren wie unter
3 entfällt |
7. Arbeitsgang ...... 3. Zug, Maschine 300 t entfällt |
B. Arbeitsgang ...... s. unter 2 entfällt |
9. Arbeitsgang ...... s. unter 3 entfällt |
10. Arbeitsgang ...... 4. Zug, Maschine 300 t entfällt |
11. Arbeitsgang ...... s. unter 2 entfällt |
12. Arbeitsgang ...... s. unter 3 entfällt |
13. Arbeitsgang ...... 5. Zug, Maschine 300 t 2. Zug,
Maschine 200 t |
14. Arbeitsgang ...... Beizen und Phosphatieren Beizen
und Phosphatieren |
15. Arbeitsgang ...... Egalisierung, Maschine 250 t
Egalisierung, Maschine 250 t |
Ein zur Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignetes Bodenverformungswerkzeug
kennzeichnet sich durch eine Ausnehmung mit einer gleichmäßig schräg nach außen
und oben verlaufenden Formfläche und einer Ecke an seinem zylindrischen Teil. Dieses
Werkzeug besitzt infolge der vorgesehenen Ausnehmung eine Form, die erheblich von
einer zunächst als ideal anzusehenden Gestaltung abweicht, bei der das Werkzeug
eine der beabsichtigten Endform der Hülse angepaßte, z. B. parabelförmige Ausbildung
hätte.
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Würde man ein derartiges Werkzeug verwenden, so würde infolge des
Aufschlags des Preßstempels eine Sprengung des Werkzeuges eintreten. Bei in dieser
Richtung durchgeführten Versuchen hat sich gezeigt, daß selbst die Einfassung des
mit einem parabelförmig ausgebildeten Formteil ausgestatteten Bodenverformungswerkzeuges
mit einem starken aufgezogenen Schrumpfring nicht das Reißen des Werkzeuges verhindert.
Wird hingegen erfindungsgemäß die oben erwähnte Ausnehmung im formenden Teil des
Werkzeuges vorgesehen, so ist es möglich, den zunächst erzeugten Napf von unten
über die kritische Verformung bezüglich des Rekristallisationsbeginns insbesondere
bei nachfolgendem Glühen hinaus zu verformen, beispielsweise Verformungen des Bodens
in der Nähe seiner Umbiegung von mehr als 151/o vorzunehmen. Auf diese Weise kann
man den Werkstoff des Bodens weitgehend zur Herstellung der Hülse verwenden und
spart, wie Versuche ergeben haben, erheblich an Zügen.
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Als besonders zweckmäßig hat es sich erwiesen, das Werkzeug derart
auszugestalten, daß der Durchmesser seines einen zylindrischen Teils etwas kleiner
ist als der Durchmesser des Napfes vom letzten Zug. Hierdurch wird das nicht verformte
Material des Bodens in keinem Fall in die Wandung des Napfes des letzten Zuges hineingezogen.
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Zur weiteren Erläuterung der Erfindung dienen die Zeichnungen, die
die Gestaltung eines für die Ausführung des neuen Verfahrens geeigneten Bodenverformungswerkzeuges
wiedergeben und außerdem einen Vergleich mit der bisher üblichen Methode erlauben.
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Es soll beispielsweise wiederum eine Stahlhülse von etwa 800 mm Länge
hergestellt werden. Als Material hierfür wird eine in F i g. 1 dargestellte Blechronde
1 verwendet, die beispielsweise aus einem beruhigt vergossenen Stahl mit 0,1% C
besteht. Aus dieser Ronde 1 wird zunächst in einer der üblichen Kurbelziehpressen
oder hydraulischen Pressen' ein Napf 2 erzeugt, der in F i g. 2 wiedergegeben ist.
Die Darstellung läßt erkennen, daß der Boden des Napfes 2 an der Umbiegung 2 a nur
wenig verformt ist. Der Verformungsgrad beträgt nach dem Stand der Technik an dieser
Stelle zwischen 0 bis maximal 15 %. Die Zeichnung zeigt weiterhin, daß der Verformungsgrad
am oberen Rand 2 b des Napfes erheblich höher liegt, und zwar hat man an
dieser Stelle bisher Verformungsgrade von etwa 75 11/o angewendet.
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Die Weiterverformung dieses Napfes geschah nun bei den bekannten Verfahren
so, daß zunächst über etwa 1 Stunde bei 590° C geglüht, anschließend gebeizt und
phosphatiert sowie daraufhin weitergezogen wurde. Es liegt auf der Hand, daß dieses
Verfahren umständlich, langwierig und kostspielig ist.
Erfindungsgemäß
wird nun so vorgegangen, daß, wie F i g. 4 und 5 erkennen lassen, der mit Hilfe
der Ziehmatrizen 3 und 4 im ersten Doppelzug erzeugte Napf mittels des Bodenverformungswerkzeuges
5 weiter verformt wird. Dieses Bodenwerkzeug 5 besitzt eine Ausnehmung 8, die eine
gleichmäßig und schräg nach oben und außen verlaufende Fläche 6 aufweist, die sich
anschließend an der Ecke 7 nach oben in den zylindrischen Teil 14 fortsetzt. Die
Ausnehmung 8 ist als Ganzes in F i g. 5 durch einen Kreis hervorgehoben. Die Darstellung
des Bodenwerkzeuges 5 mit der Ausnehmung 8 läßt erkennen, daß die formgebende Fläche
des Bodenwerkzeuges erheblich von einer Gestaltung abweicht, die für den Fachmann
nahelag und die Erzeugung eines Werkstückes vermuten ließ, das in F i g. 6 dargestellt
ist. Es hätte nahegelegen, die formgebende Fläche des Bodenformwerkzeuges der in
F i g. 6 veranschaulichten Gestaltung des Napfes 2 anzugleichen, d. h., sie etwa
parabelartig mit der der Fläche 9 in F i g. 6 angepaßten Rundung auszugestalten.
Bei einer derartigen Formung des Bodenwerkzeuges läßt sich indessen ein Reißen des
Werkzeuges nicht vermeiden, selbst dann, wenn große Wandstärken angewendet werden
und das Bodenformwerkzeug durch einen aufgezogenen Ring verstärkt wird. Wird dagegen
erfindungsgemäß im Bodenformwerkzeug die in F i g. 5 dargestellte Ausnehmung 8 mit
der Ecke 7 vorgesehen, so wird ein Aufreißen des Werkzeuges vermieden und außerdem
die gesamte Herstellung vereinfacht und verbessert. Es entsteht erfindungsgemäß
das in F i g. 3 dargestellte Werkstück 10, das infolge der Gestaltung des
Bodenverformungswerkzeugs 5 die schräg verlaufende Fläche 11 und die Ecke 12 aufweist.
F i g. 3 läßt auch erkennen, daß eine starke Verformung des Bodens 13 stattgefunden
hat und der Werkstoff des Bodens in großem Ausmaß zur Bildung des Mantels der Hülse
10 herangezogen ist. Hierdurch wird erklärlich, daß bei der Herstellung einer
Hülse vorbestimmter Länge erheblich an Zügen gespart werden kann. Die Ecke 12 kann
gewünschtenfalls spanabhebend oder spanlos entfernt werden. Wesentlich- für die
Erfindung ist somit, daß der Werkstoff des Bodens des zunächst erzeugten Napfes,
der in F i g. 5 gestrichelt wiedergegeben ist, bei der Verformung durch das Bodenformwerkzeug
infolge des Vorhandenseins der Ausnehmung 8 seitlich ausweichen und anschließend
nach oben fließen kann. Es tritt trotz des Aufschlags des Stempels keine unzulässige
Beanspruchung des Bodenverformungswerkzeuges auf, welche dieses zum Aufreißen bringen
würde. F i g. 7 stellt noch den letzten Zug dar und läßt besonders erkennen, daß
der zylindrische untere Teil 15 des Werkzeuges nach F i g. 4 (entsprechend dem Durchmesser
15' des Napfes 2) etwas kleiner zu halten ist als der Durchmesser 16 des Napfes
2 nach F i g. 7. Auf diese Weise wird erreicht, daß in die Wandung des Napfes 2
des letzten Zuges auf keinen Fall das nicht verformte Material des Bodens hineingezogen
wird. Wird der Durchmesser der Hülsen laut F i g. 7 um etwa 0,4 mm unter dem letzten
Ziehdurchmesser gehalten, so gibt es keine Verzerrung des Kornes durch Ziehen von
Bodenteilen in den Mantel.
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Wie im gezeigten Beispiel kann man mit allen anderen Werkstoffen vorgehen.
Gibt man dem Material beim ersten Aufschlag ausreichend Möglichkeit zum Ausweichen
und weist es in die richtige Richtung, dann wird grundsätzlich neben der Rationalisierung
die bestmögliche Qualität erzielt.