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Verfahren zur katalytischen Reduktion aromatischer Polynitroverbindungen
Die Erfindung betrifft ein verbessertes Verfahren zur katalytischen Reduktion aromatischer
Polynitroverbindungen zu den entsprechenden Aminoverbindungen, und sie betrifft
insbesondere ein verbessertes Verfahren, bei dem die Reduktion in flüssiger Phase
in Gegenwart eines inerten flüssigen Lösungsmittels durchgeführt wird.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist besonders vorteilhaft zur Herstellung
aromatischer Diamine durch katalytische Reduktion der entsprechenden aromatischen
Dinitroverbindungen.
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Aromatische Nitroverbindungen wurden seit langer Zeit zu den entsprechenden
Arylaminen durch zahlreiche Verfahren reduziert, z. B. durch Verwendung von Eisen
spänen und verdünnten Säuren. Weiterhin wurden Zink, Zinn und Zinnchlorür mit oder
ohne Säure, Alkalisulfide und eine Reihe anderer Reduktionsmittel verwendet. Außerdem
wurde die direkte Reduktion der Nitroverbindungen mitWasserstoff und einem Katalysator
in wesentlichem Ausmaß durchgeführt, da dieses Verfahren im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit,
die Abtrennung der Produkte, den Betrieb als solchen, die Vielseitigkeit und die
leichte Umwandlung in kontinuierliche Verfahren beträchtliche Vorteile gegenüber
den vorgenannten Verfahren besitzt. Diese katalytischen Reduktionen waren sehr erfolgreich
zur Reduktion von aromatischen Mononitroverbindungen zu den entsprechenden aromatischen
Aminen, z. B. zur Reduktion von Nitrobenzol zu Anilin. Beim Versuch, Dinitroverbindungen
oder höhere aromatische Polynitroverbindungen zu den entsprechenden aromatischen
Diaminen oder höheren Polyaminen katalytisch zu reduzieren, traten jedoch zahlreiche
Schwierigkeiten auf.
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Großenteils waren die bei der katalytischen Reduktion von aromatischen
Dinitroverbindungen zu den entsprechenden aromatischen Diaminen auftretenden Schwierigkeiten
dem während dieser Reduktion auftretenden Wasser zuzuschreiben. So wird, wenn die
katalytische Reduktion unter Verwendung der früher vorgeschlagenen üblichen Lösungsmittel
durchgeführt wird, z. B. Methanol, Äthanol, Propanol oder Butanol, während der Reaktion
Wasser gebildet, welches den Alkohol verdünnt und die Löslichkeit der aromatischen
Nitroverbindung vermindert, so daß diese aus der Lösung ausfällt. Dadurch treten
schlechte Reaktionsbedingungen auf da zwei flüssige Phasen und eine feste Katalysatorphase
anwesend sind.
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Andere vorgeschlagene Lösungsmittel, wie Äther, Kohlenwasserstoffe
und aromatische Amine, wie sie
durch die Reduktion gebildet werden, verursachen mit
dem während der Reaktion gebildeten Wasser ebenfalls oft die Bildung zweier flüssiger
Phasen, wodurch auch schlechte Reaktionsbedingungen auftreten.
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Unter den Schwierigkeiten, die auf Grund des Auftretens zweier flüssiger
Phasen auftreten, findet sich auch die, daß der Katalysator oft von der falschen
flüssigen Phase benetzt wird und die Reaktion so verlangsamt oder gar unterbrochen
wird.
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Sogar bei gutem Rühren verursacht ein solches zweiphasiges System,
daß der feinverteilte aktive Katalysator am Reaktionsgefäß haftet, wodurch die Lebensdauer
des Katalysators nur kurz ist.
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Wenn auch zahlreiche dieser Schwierigkeiten auch bei der Reduktion
von Mononitroverbindungen zu den entsprechenden Monoaminen auftreten, so sind diese
bei der katalytischen Reduktion von Dinitroverbindungen zu den entsprechenden Diaminen
im verstärkten Maße anzutreffen. Weiterhin sind zahlreiche Vorschläge zur Behebung
dieser Schwierigkeiten, die bei der katalytischen Reduktion von Mononitroverbindungen
wirksam sind, bei der katalytischen Reduktion aromatischer Dinitroverbindungen nicht
so wirksam oder nicht so leicht anwendbar. So wird in der USA.-Patentschrift 2 292
879 beschrieben, daß die schädliche Wirkung der Wasserphase während der katalytischen
Reduktion aromatischer Nitroverbindungen behoben
werden kann, wenn
unter solchen Bedingungen gearbeitet wird, bei denen das Wasser in der Geschwindigkeit,
mit der es gebildet wird, als Dampf entfernt wird. Dieses Verfahren ist jedoch auf
Grund der im Vergleich zu den Mononitroverbindungen gefährlicheren Handhabung der
Dinitroverbindungen bei der katalytischen Reduktion aromatischer Dinitroverbindungen
nicht leicht anwendbar.
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Ebenso ist es auf Grund der im Vergleich zu den Monoaminen instabileren
Natur der aromatischen Diamine nicht ohne weiteres anwendbar. So sind die vorzugsweise
zur Herstellung aromatischer Diamine angewendeten Temperatur- und Druckbedingungen
oft so beschaffen, daß das Wasser nicht leicht in dem Maße, wie es gebildet wird,
als Dampf entfernt werden kann.
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Auf Grund der möglichen Explosionsgefahr aromatischer Dinitroverbindungen
ist es bei allen Verfahren zur katalytischen Reduktion solcher aromatischen Dinitroverbindungen
ratsam, daß die Bildung einer getrennten Phase mit einer hohen Konzentration an
aromatischer Dinitroverbindung nach Möglichkeit vermieden wird. Gleichzeitig ist
es aber vom wirtschaftlichen Standpunkt aus wünschenswert, daß die Menge an verwendetem
Material vermindert wird und aus anderen technischen und wirtschaftlichen Gründen
wünschenswert, daß zur Beschickung möglichst hohe Konzentrationen an aromatischer
Dinitroverbindung verwendet werden. Wenn auch aromatische Dinitroverbindungen anscheinend
ohne Verwendung eines Lösungsmittels katalytisch reduziert werden können, so ist
die Explosionsgefahr bei einem derartigen Verfahren zu groß, als daß es durchführbar
wäre. Derartige Gefahren sind z. B. in der USA.-Patentschrift 2 430 421 beschrieben,
in welcher vorgeschlagen wird, daß die aromatische Dinitroverbindung aus der aromatischen,
der katalytischen Reduktion zu unterwerfenden Mononitroverbindung entfernt werden
soll, um die Gefährlichkeit zu vermindern.
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Weitere Angaben über die Gefährlichkeit von aromatischen Dinitroverbindungen
sind in Ind. Eng.
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Chem., 40 (1948), S. 1538, beschrieben. Im Verlauf eigener Untersuchungen
wurde gefunden, daß Explosionen eintreten und daß das Verfahren ziemlich gefährlich
werden kann, wenn aromatische Dinitroverbindungen, wie Dinitrotoluol, m-Dinitrobenzol,
unter Bedingungen katalytisch reduziert werden, in welchen eine getrennte, einen
hohen Anteil an aromatischer Dinitroverbindung enthaltende Phase gebildet werden
kann. Wenn es auch vorgeschlagen wurde, daß die katalytische Reduktion aromatischer
Dinitroverbindungen auch wirksam in wäßrigen Suspensionen oder Emulsionen durchgeführt
werden kann, wodurch die Explosionsgefahr vermindert wird (s. USA.-Patentschrift
2 619 503), so ist ersichtlich, daß durch ein solches Verfahren an sich die wesentlichen
Gefahren der möglichen Bildung einer getrennten Phase, in welcher sich eine hohe
Konzentration an aromatischen Dinitroverbindungen bildet, nicht völlig beseitigt
wird. IJm jede wesentliche Ansammlung solcher getrennter Phasen, die Anlaß zu Explosionsgefahren
geben, zu vermeiden, ist ein besonderes Durchrühren erforderlich. Ebenso ist eine
sorgfältig ausgewählte Form der Vorrichtung notwendig, um das mögliche Entstehen
irgendwelcher schlecht gerührter Raumteile zu vermeiden, da jedes Nachlassen oder
Unterbrechen des Rührens bzw. irgend-
ein schlecht durchgerührter Raumteil schnell
eine gefährliche, explosive Konzentration der aromatischen Dinitroverbindung verursachen
kann.
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Es wurde nun gefunden, daß es bei der Durchführung des erfindungsgemäßen
Verfahrens möglich ist, aromatische Dinitroverbindungen wirksam katalytisch zu den
entsprechenden Diaminen zu reduzieren, wobei das gesamte Verfahren in einer einzigen
flüssigen Phase durchgeführt wird, so daß die durch getrennte Phasen verursachte
Explosionsgefahr von aromatischen Dinitroverbindungen völlig behoben wird.
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Erfindungsgemäß wird die aromatische zu reduzierende Dinitroverbindung
in einem Lösungsmittel gelöst, welches unter den gewünschten Verfahrensbedingungen
sowohl die als Beschickung benutzte aromatische Dinitroverbindung als auch die bei
der katalytischen Reduktion entstehenden Produkte, d. h.
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Wasser und die gewünschten aromatischen Diamine, löst, so daß während
der gesamten Reaktion eine homogene einzige flüssige Phase aufrechterhalten wird.
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Das im erfindungsgemäßen Verfahren verwendete Lösungsmittel soll
so beschaffen sein, daß es eine verhältnismäßig hohe Konzentration der zu reduzierenden
aromatischen Dinitroverbindungen als auch der Reaktionsprodukte erlaubt, und es
sollte verzugsweise verhältnismäßig billig, leicht von den Endprodukten abtrennbar
und gegen eine Reduktion bzw. Reaktion mit dem aromatischen Diamin oder der Dinitroverbindung
inert sein. Auch soll das verwendete Lösungsmittel mit Wasser verdünnbar sein.
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Es wurde nun gefunden, daß das als Reaktionsprodukt erhaltene aromatische
Diamin als Lösungsmittel verwendet werden kann, wenn es mit einer genügenden Menge
Wasser, etwa 15 bis 50 Gewichtsprozent, verdünnt wird, um ein flüssiges Lösungsmittel
zu bilden. Wenn auch viele bei der Reduktion der aromatischen Dinitroverbindungen
gebildeten aromatischen Diamine wasserlöslich sind, so sind sie doch gewöhnlich
bei den brauchbaren Reaktionstemperaturen fest, und sie lieferten bei den Bedingungen,
bei denen sie nach den bekannten Verfahren gebildet werden, keine flüssigen Reaktionsbedingungen.
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Die weiteren für die katalytische Reduktion der aromatischen Dinitroverbindungen
angewandten Bedingungen sind an sich bekannt. So werden z. B.
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Temperaturen von 20 bis 1000 C oder etwas höhere verwendet. Niedrigere
Temperaturen sind weniger geeignet, da die Reaktion sehr langsam wird, und Temperaturen
über 100° C bringen unerwünschte Reaktionen, wie Hydrogenolyse, Ringhydrierung und
Polymerisationen mit sich. Die geeigneten Temperaturen und Drücke für die Reaktion
können für jede einzelne Dinitroverbindung und den speziellen verwendeten Katalysator
leicht bestimmt werden.
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Im allgemeinen werden bei einer Temperatur von 40 bis 100 C brauchbare
Reaktionsgeschwindigkeiten erhalten. Bei 1000 C kann eine gewisse Zersetzung des
Diamins eintreten, die aber im allgemeinen nicht störend oder gefährlich ist, solange
nicht Temperaturen oberhalb von 100"C erreicht werden.
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Die für das vorliegende Verfahren benutzten Drücke liegen vorzugsweise
etwa bei 1,5 bis 5,5 kgjcm2, obwohl auch Drücke von 1 bis etwa 10,5 kg/cm2 verwendet
werden können.
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Die bei der Reduktion vorzugsweise verwendeten Katalysatoren sind
Nickel und die Metalle der Platingruppe des Periodensystems, vorzugsweise Palladium
oder Platin, entweder mit oder ohne Träger.
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Es können alle üblichen Verfahren zur Herstellung der Katalysatoren
verwendet werden. Die Katalysatoren auf Trägern können kugelförmig, granuliert oder
pulverförmig sein. Der Katalysator kann auf der Außenseite des Trägers liegen oder
durch den ganzen Träger verteilt sein. Einige der brauchbaren Katalysatoren sind
z. B. in den folgenden Literaturstellen beschrieben: Platinschwarz Sabatier-Reid,
Catalysis in Organic Chemistry, D. Van Nostrand Co., New York, 1922.
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Platinoxyd Adams, Voorhees und Shriner, Organic Syntheses, Coll.,
Vol. 1, S. 452, John Wiley & Sons, New York, 1932.
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Raney-Nickel Covert, J. Am. Chem. Soc., 54 (1952), S. 4116.
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Palladium-auf- Mannich und Thiele, Ber.
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Holzkohle Deutschen pharm. Ges., 26 (1916), S. 36 bis 48.
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Platin-auf-Holzkohle El 1 is, USA. -Patentschrift 1174245.
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Nickel-auf-Kieselgur Covert und Conner, J. Am.
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Chem. Soc., 54 (1932), S. 165.
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Platin- oder Schwarcman, USA.-Patent-Palladium-auf- schrift 1111 502.
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Tonerde Wird absatzweise gearbeitet, so wird der aus einem Ansatz
zurückgewonnene Katalysator mehrere Male wieder verwendet, bevor seine Wirksamkeit
merklich abnimmt. In gleicher Weise besitzt, falls das Verfahren kontinuierlich
durchgeführt wird, der Katalysator eine verhältnismäßig lange Wirksamkeit. Sinkt
die Aktivität des Katalysators im absatzweisen oder kontinuierlichen Verfahren unter
einen bestimmten Wert, so kann der Katalysator in bekannter Weise wiederbelebt werden.
Da Edelmetallkatalysatoren, wie Platin oder Palladium, die bevorzugten Katalysatoren
sind, so ist deren Wiedergewinnung und Wiederbelebung nach der Verminderung ihrer
Wirkt samkeit normalerweise wirtschaftlich gerechtfertigt.
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Beispiel 1 Eine Lösung von 30 Teilen m-Dinitrobenzol als 90°/Oige
wäßrige Paste (Verfestigungspunkt des trockenen Materials 89° C) wurde in 170 Teilen
m-Phenylendiamin (F. = 62,8° C) und 34 Teilen Wasser bei 400 C gelöst.
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Der Lösung wurden 5 Teile handelsüblicher 5010 Palladium-auf-Holzkohle-Katalysator
(0,25 Teile Palladium) zugegeben. Die obige Mischung wurde dann in einen l-l-Schüttelautoklav
aus Stahl gegeben und die Luft mit Wasserstoff verdrängt. Dann wurde Wasserstoff
unter Schütteln eingeführt, so daß ein Druck von 7 kg/cm2 aufrechterhalten wurde,
wobei die Temperatur auf 45° C gehalten wurde. Nach 14 Stunden war fast die theoretische
Menge Wasserstoff absorbiert, worauf der Druck abgelassen und der Katalysator aus
der Lösung abfiltriert wurde.
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Die Lösung wurde dann zuerst bei atmosphärischem Druck zur Entfernung
von Wasser und dann unter
vermindertem Druck destilliert und so 181 Teile m-Phenylendiamin,
d. h. 11 Teile aus den zugeführten 30 Teilen m-Dinitrobenzol, erhalten, was einer
57°/Oigen theoretischen Ausbeute entspricht.
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F. = 63,1" C.
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Beispiel 2 In einer halbtechnischen Anlage mit einem Fassungsvermögen
von 8 1 wurde eine Versuchsreihe von acht Versuchen durchgeführt. Der Autoklav besaß
einen Durchmesser von etwa 15 cm, und die Beschickung bestand aus etwa 4 1. Es war
eine Rührvorrichtung mit zwei 5-cm-Turbinen mit einer Rührgeschwindigkeit von 1500Umdrehungen
in der Minute vorgesehen.
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Es wurden 3700 g einer Mischung aus 60°/o m-Phenylendiamin und 400in
Wasser als Lösungsmittel verwendet und dieser 800 g 1,3-Dinitrobenzol und 10 g 5°/Oiger
Palladium-auf-Holzkohle-Katalysator zugesetzt. Die Reaktionstemperatur betrug 80"
C und der Wasserstoffdruck etwa 5 kg/cm2.
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Im ersten Ansatz wurde innerhalb einer Stunde eine Ausbeute von mehr
als 99°/0 m-Phenylendiamin erzielt. Der Katalysator wurde dann abgetrennt und in
einem zweiten Ansatz verwendet. 3700 g des erhaltenen Reaktionsgemisches wurden
dann als Lösungsmittel für den zweiten Ansatz verwendet, in dem genauso verfahren
wurde wie oben. In dieser Weise wurde insgesamt achtmal vorgegangen und jeweils
der Katalysator und das Endprodukt des vorhergegangenen Ansatzes für den nächsten
Ansatz verwendet. Beim letzten Ansatz betrug die Katalysatormenge nurmehr 5,6 g.
Obwohl dieser wahrscheinlich auch noch stark verunreinigt war, wurde trotzdem im
achten Ansatz noch eine Ausbeute von 98°/o der Theorie erzielt. Allerdings dauerte
es etwa 6 Stunden, bis die Reduktion beendet war.
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Die Gesamtausbeute für alle acht Ansätze lag über 980in.
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Bei Verwendung anderer Dinitroverbindungen wurden vergleichbare Ergebnisse
erhalten.
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Zur Prüfung der Löslichkeit von m-Dinitrobenzol in einer Mischung
von m-Phenylendiamin und Wasser wurde folgender Versuch durchgeführt: Es wurden
unter Erwärmen auf 40° C und unter Rühren 40 g Wasser und 63 g 95°/oiges reines
m-Phenylendiamin (= 59,85g l000loiges Phenylendiamin) gemischt, worauf ungelöste
Verunreinigungen abfiltriert wurden. Es wurden so 97 g einer klaren 60 : 40-Lösung
von m-Phenylendiamin in Wasser erhalten, die auf Zimmertemperatur abgekühlt wurden.
Zu der abgekühlten klaren Lösung wurden dann während 15 Minuten 24 g vermahlenes
m-Dinitrobenzol portionsweise zugegeben. Es wurde eine klare Lösung des m-Dinitrobenzols
im Lösungsmittel gemischt erhalten.