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Verfahren zur Herstellung von gepfropften Vinylpolymeren Es ist bekannt,
daß gepfropfte Polymere dadurch hergestellt werden können, daß auf mit einem Vinylmonomeren
gequollene Polymere ionisierende Strahlen (Röntgenstrahlen, Gammastrahlen, Elektronen,
Neutronen usw.) zur Einwirkung gebracht werden.
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Durch zweckentsprechende Auswahl des Monomeren und der Arbeitsbedingungen
können auf diese Weise gewisse physikalische, mechanische, physikalisch - chemische
und andere Eigenschaften des behandelten Polymeren, insbesondere seine Beständigkeit
gegen Wärme, chemische, vor allem lösende Agenzien, sowie Stoßbeanspruchungen verbessert
werden.
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Es können sowohl Fertigerzeugnisse, d. h. geformte Gegenstände, wie
auch Halbzeug, wie Röhren, Platten, Folien usw., wie auch die hierzu dienenden Formmassen
behandelt werden.
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Jedoch ist im Falle von Polyvinylchlorid durch diese Behandlung nur
ein geringer Pfropfungsgrad und eine entsprechend geringe Verbesserung der Eigenschaften
der Polymeren erzielbar, weil hierbei das Ergebnis auf die anteilige Menge an Vinylmonomerem,
die das Polymere bei den erheblich unterhalb des Siedepunktes des Monomeren liegenden
Temperaturen, bei welchen die Behandlung durchgeführt wird, absorbieren kann, beschränkt
ist.
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Das den Gegenstand der Erfindung bildende Verfahren beseitigt diese
Nachteile und ermöglicht es, außerordentlich hohe Pfropfungsgrade von Polyvinylchlorid
und damit erhebliche Verbesserungen seiner Eigenschaften in physikalischer, mechanischer,
physikalisch-chemischer und anderer Hinsicht zu erzielen.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung besteht darin, daß das bereits
durch einen mittels eines Vinylmonomeren durchgeführten Quellvorgang und Einwirkung
von ionisierten Strahlen gepfropfte Polyvinylchlorid einer oder mehrerer folgenden,
durch Quellen mit einem solchen Monomeren und Strahlungseinwirkung durchgeführten
Pfropfbehandlungen unterworfen wird. Statt eines Vinylmonomeren kann auch ein Methylvinylmonomeres,
also ein an der Vinylgruppe durch den Methylrest substituiertes Vinylmonomeres verwendet
werden.
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Es wurde überraschenderweise gefunden, daß bereits durch Quellen
mittels eines Vinylmonomeren und Einwirkung von ionisierenden Strahlungen gepfropftes
Polyvinylchlorid durch einen weiteren Quellvorgang eine zusätzliche Menge an Vinylmonomerem,
die größenordnungsgemäß der entspricht, die das Polyvinylchlorid unter den gleichen
Bedingungen vor der Pfropfung absorbieren könnte, zu absorbieren befähigt ist. Durch
eine Strahlungsbehandlung mittels ionisierender Strahlen kann dann ein neues Pfropfen
des Polyvinylchlorids erfolgen und dadurch sein Pfropfungsgrad verbessert werden.
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Eine nochmalige Quellbehandlung des Erzeugnisses mittels des Vinylmonomeren
und eine folgende Strah-
lungsbehandlung ermöglichen es, den Pfropfungsgrad noch
zu erhöhen und durch folgende entsprechende Behandlungen so weit zu steigern, bis
der gewünschte Endzustand erzielt ist.
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So kann z. B. ein mit 33dz, Acrylnitril gepfropftes Vinylchloridpolymeres
in aufeinanderfolgenden Stufen entsprechend der Erfindung bis auf einen Pfropfungsgrad
von 200 0/, und darüber gebracht werden.
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Unter einem Pfropfungsgrad von 20001o wird hierbei eine Gewichtsvermehrung
von 100 g Ausgangspolyvinyl chlorid um 200 g verstanden.
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Die Zahl der aufeinanderfolgenden Behandlungsstufen, die notwendig
sind, um einen vorbestimmten Pfropfungsgrad des Polyvinylchlorids zu erzielen, hängt
grundsätzlich von dem Sättigungsgrad des Polymeren durch das gewählte Vinylmonomere,
der bei jeder Arbeitsstufe erzielt wird, und dieser wieder von der Beschaffenheit
des Vinylmonomeren, seiner Quellwirkung auf das Polyvinylchlorid, dem Polymerisationsgrad
des letzteren und der Arbeitstemperatur ab.
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So beträgt z. B. im Falle eines Polyvinylchlorids von einem mittleren
Molekulargewicht von 40 000 der durch Acrylnitril erzielbare Sättigungsgrad bei
der ersten nicht beanspruchten Pfropfung unter verschiedenen Arbeitstemperaturen:
330/0 bei 200C 50010 bei 55"C 620/,bei 80"C 750/o bei 1200 C Da Acrylnitril bei
77"C siedet, ist es schwierig, unter normalem Druck den Quellvorgang bei Temperaturen
von
mehr als etwa 550C durchzuführen, so daß es im allgemeinen vorzuziehen
ist, sich auf Quellungsgrade von 50 °ß0 zu beschränken. In diesem Falle überschreiten
die entsprechenden Pfropfungsgrade bei den aufeinanderfolgenden Behandlungen nicht
50 0/,.
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Deshalb sind in dem betrachteten Falle, um einen Pfropfungsgrad von
z. B. 2000/o durch Acrylnitril zu erzielen, wenn bei einer Temperatur von 550C gearbeitet
wird, insgesamt mindestens vier aufeinanderfolgende Stufen der Quell- und Strahlungsbehandlung
erforderlich. Sinngemäß sind im Falle einer Arbeitstemperatur von 20"C etwa sechs
aufeinanderfolgende Arbeitsgänge bis zum Erreichen der gleichen Wirkung erforderlich.
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Selbstverständlich ist das Verfahren gemäß der Erfindung nicht auf
die Innehaltung von bestimmten Temperaturen bei der Quellbehandlung beschränkt.
Es kann auch bei anderen Temperaturen, insbesondere solchen, die die Anwendung von
gegenüber den atmosphärischen höheren Drücken erfordern, gearbeitet werden, ohne
daß dadurch der Rahmen der Erfindung verlassen wird. Durch eine solche Arbeitsweise
wird es insbesondere möglich, die Zahl der notwendigen aufeinanderfolgenden Behandlungsstufen
zu verringern und gegebenenfalls Erzeugnisse von anderen Eigenschaften als denen
der bei niedrigeren Arbeitstemperaturen hergestellten zu erhalten.
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Bei den durchgeführten Versuchsreihen wurde festgestellt, daß die
Zeit, die notwendig ist, um eine völlige Sättigung des Polyvinylchlorids durch ein
gegebenes Vinylmonomeres herbeizuführen, je nach dem bereits erzielten Pfropfungsgrad
des Polymeren verschieden ist.
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Im Falle von nicht gepfropftem Polyvinylchlorid beträgt die Dauer
der Sättigung durch Acrylnitril z. B. 8 Stunden, für das gleiche auf 500/o gepfropfte
Polyvinylchlorid liegt sie bei 12 Stunden und für einen Pfropfungsgrad von 100 °/0
erreicht sie 30 Stunden.
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Außerdem ist die Zeitdauer, die notwendig ist, um die Sättigung zu
erreichen, eine Funktion der Temperatur, und zwar derart, daß am Ende eines bestimmten
Zeitintervalls eine Probe von gepfropftem oder nicht gepfropftem Polyvinylchlorid
bei hoher Temperatur mehr Monomeres absorbiert haben wird als bei niedriger Temperatur.
So absorbieren z. B. nach etwa 8 Stunden zwei gleiche Proben von Polyvinylchlorid
bei 200 C 7,5 0/o Acrylnitril und bei 500 C 450/o AcrylnitriL Hieraus ergibt sich,
daß es, um bei den aufeinanderfolgenden Pfropfungsvorgängen Zeit einzusparen, vorteilhaft
sein kann, bei der Sättigung mit verhältnismäßig hohen Temperaturen zu arbeiten.
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Entsprechend dem Fortschritt des Sättigungsgrades des Polyvinylchlorids
ist eine fortschreitende Verbesserung der allgemeinen Eigenschaften des Polymeren
zu beobachten. Diese Verbesserung ist besonders leicht dann festzustellen, wenn
das Verfahren gemäß der Erfindung auf bereits gepfropfte Fertig- oder Haibfertigerzeugnisse,
insbesondere auf gepfropfte Platten aus Polyvinylchlorid, angewendet wird, aus denen
leicht Probestäbchen geschnitten werden können.
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Es zeigt sich, daß der Festigkeitsmodul der durch Acrylnitril gepfropften
Vinylchloridpolymeren mit dem Pfropfungsgrad ansteigt, und zwar von 0,1 kg/mm2 bei
100°C im Falle von nicht behandeltem Polyvinylchlorid auf 2,2 kg/mm2 bei einem Pfropfungsgrad
von 330/o, auf 3,2 kg/nun2 bei einem Pfropfungsgrad von 500/o und auf 7 kg/mm2 bei
einem Pfropfungsgrad von 1000/o.
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Um einen möglichst weiten Bereich von in verschiedenem Grade gepfropftem
Polyvinylch]orid zu schaffen, kann entweder die Art des für das Pfropfen verwendeten
Vinyl-oder Methylvinylmonomeren geändert oder es können gemeinsam oder aufeinanderfolgend
während der aneinander anschließenden Pfropfungsvorgänge mehrere
verschiedene Monomere
der genannten Art verwendet werden.
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Zweckmäßig werden für das Verfahren gemäß der Erfindung Monomere
verwendet, die eine erhebliche Quellwirkung auf das Polyvinylchlorid ausüben und
außerdem die allgemeinen Eigenschaften des Polyvinylchlorids in der gewünschten
Richtung verbessern.
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Während z. B. bei Verwendung von Butadien und Isopren als Monomere
nur verhältnismäßig geringe Sättigungsgrade von 12 bzw. 60/o bei 55"C erzielt werden,
sättigen Acrylnitril und Methylmethacrylat das Polyvinylchlorid bei 20"C auf 33
bzw. 1200/o. Diese Stoffe besitzen also besonders günstige Pfropfbedingungen.
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Styrol und Vinylacetat ermöglichen es, bei Arbeitstemperaturen von
500 C Sättigungsgrade von 121 und 610/o zu erzielen.
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Jedes dieser Monomeren verleiht dem gepfropften Polyvinylchlorid
neue Eigenschaften von hohem Wert.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung ist, wie bereits bemerkt wurde,
auf gepfropftes Polyvinylchlorid in jeder Form, d. h. sowohl auf das pulverförmige
Kunstharz wie auf Formmassen und Fertigerzeugnisse oder Halbzeug, wie Rohre, Verbindungsstücke,
Fäden, Profile usw., insbesondere nach der Formgebung, in dem Rahmen anwendbar,
der durch die praktischen Durchführungsmöglichkeiten der Quell- und der Strahlungsbehandlung,
insbesondere durch die Abmessungen der Gegenstände, bestimmt ist.
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Im Falle von in Pulverform vorliegendem Kunstharz ist es lediglich
erforderlich, im Augenblick des Pfropfungsvorganges eine gute Verteilung des Pulvers
zu sichern, um die Gefahr einer sonst etwa möglichen Verkrustung zu vermeiden.
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Der Rahmen der Erfindung wird nicht verlassen, wenn das Quellen des
bereits gepfropften Polyvinylchlorids durch das Vinylmonomere durch ein Lösungsmittel
oder irgendeine andere organische Flüssigkeit befördert wird, die nach- der erfindungsgemäßen
Pfropfung aus dem gepfropften Polymeren ausgetrieben bzw. entfernt werden kann.
Ferner kann in einem beliebigen Stadium des Quellvorganges, z. B. vor dem letzten
Pfropfvorgang, durch Lösung in dem Vinylmonomeren jedes geeignete gegen Wärme, Licht,
Verfärbung usw. stabilisierende Mittel, dessen Zusatz zu dem gepfropften Endprodukt
erwünscht ist, in Mengen beigefügt werden, die so bemessen werden, daß eine Störung
des einen oder der mehreren späteren Pfropfvorgänge nicht zu befürchten ist.
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Beispiel Ein vorher gewogener Probestab aus Polyvinylchlorid in den
Abmessungen von 2 6 70 mm wurde in frisch destilliertes Acrylnitril eingetaucht
und das Ganze in einem Behälter während der für die Sättigung notwendigen Zeitdauer
von 8 Stunden unter Überwachung der Temperatur durch einen Thermostaten auf 55"C
erhalten. Nach dieser Behandlung war eine gleichmäßige Vergrößerung des Probestabes
in allen seinen Dimensionen bei einer Volumenvergrößerung um etwa 1/3 festzustellen.
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Nunmehr wurde der Probestab aus dem Acrylnitril herausgezogen, gespült
und in eine tarierte Ampulle übergeführt, die nach völliger Entfernung der darin
enthaltenen Luft hermetisch abgeschlossen wurde. Durch Wiegen der Ampulle unter
Berücksichtigung des Anfangsgewichts des Probestabes wurden die Gewichtsprozente
an durch diesen absorbiertem Acrylnitril (in diesem Falle 44,5 0/o) bestimmt. Die
hermetisch geschlossene Ampulle wurde der Einwirkung von radioaktivem Kobalt, und
zwar einer Strahlungsquelle mit einer Intensität
von 70 Curie-Einheiten
in einem Abstand von 15 cm ausgesetzt. Die Strahlungsstärke betrug 4000 Röntgen
je Stunde und die Gesamtstrahlung 156 000 Röntgen.
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Nach Zerbrechen der Ampulle und Herausnehmen des aus gepfropftem
Polymeren bestehenden Probestäbchens zeigte sich, daß eine nennenswerte Gewichtsänderung
desselben nicht eingetreten war.
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Dieser mit 44,5 0/o Acrylnitril gepfropfte Probestab wurde nun erfindungsgemäß
einer wiederholten Sättigungsbehandlung mit Acrylnitril und Strahlungsbehandlung
in der gleichen Weise, wie vorstehend beschrieben, unterworfen. Die Zeit, die notwendig
war, um nunmehr die Sättigung zu erzielen, betrug bei einer Behandlungstemperatur
von 450C unter Einwirkung einer Strahlung von insgesamt 185 000 Röntgen 20 Stunden.
Das Ergebnis war ein Pfropfungsgrad von 91 0/o.
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In einer zweiten erfindungsgemäßen Behandlungsstufe wurden in dem
bereits auf 91 0/o gepfropften Polymeren weitere 450/o seines Gewichts an Acrylnitril
absorbiert und dieses einer Strahlung von 164000 Röntgen unterworfen. Es ergab sich
dann ein Pfropfungsgrad von 1360/o.
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Eine dritte, ähnliche Behandlung, bei der eine Bestrahlungsstärke
von 156 000 Röntgen angewendet wurde, erhöhte den Pfropfungsgrad des Probestabes
auf 1780/o.
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Durch Verlängerung der Zeitdauer, während welcher sich der auf 178
0/o gepfropfte Probestab in Kontakt mit dem Acrylnitril befand, gelang es, noch
340/o des Gewichts des Probestabes an Acrylnitril durch diesen absorbieren zu lassen
und durch Einwirkung einer Strahlung von 164000 Röntgen den Pfropfungsgrad desselben
bis auf 2120/o zu steigern.
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Der als Ausgangsstoff für das erfindungsgemäße Verfahren dienende
einmal gepfropfte Probestab zeigte eine leicht gelbliche Färbung, die sich aber
im Verlaufe der folgenden Pfropfvorgänge nicht nennenswert änderte.
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Die mechanischen Eigenschaften des Probestabes veränderten sich in
regelmäßiger Weise mit der Steigerung des Pfropfungsgrades. Insbesondere war dies
hinsichtlich des nach der Methode von Clash und Berg gemessenem Festigkeitsmoduls
der Fall, der im Zuge der verschiedenen Behandlungen wie folgt anstieg:
Festigkeitsmodul
des Polyvinylchlorids bei ........................ 100°C 0,1 kg/mm2 Nach dem ersten
Pfropfvorgang (Pfropfungsgrad 44,5 0/o) Festigkeitsmodul des Polymeren ....... 2,9
kg/mm2 Nach dem zweiten Pfropfungsvorgang, der ersten erfindungsgemäßen Behandlungsstufe
(Pfropfungsgrad 910/0) Festigkeitsmodul ......... mehr als 6 kg/mm2 Festigkeitsmodul
des auf 2120/o gepfropften Polymeren über 15 kg/mm2 Die Arbeitstemperatur betrug
100"C.
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PATENTANSPROCHE: 1 .Verfahren zur Herstellung von gepfropften Vinylpolymeren,
dadurch gekennzeichnet, daß ein bereits durch Quellen mit einem Vinyl- oder Methylvinylmonomeren
und durch die Wirkung von ionisierenden Strahlen gepfropftes Polyvinylchlorid einer
oder mehreren folgenden Pfropfbehandlungen durch Quellen mit einem solchen Monomeren
und Strahlungswirkung unterworfen wird.