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Von flüssigen Salpetersäureestern freier, plastischer Sicherheitssprengstoff
Die plastischen Sprengstoffe werden im allgemeinen durch Lösungen von Nitrocellulose
in Nitroglycerin und ähnlichen Salpetersäureestern plastifiziert. Diese Gele besitzen
jedoch mehrere für Herstellung, Lagerung und praktischen Gebrauch unangenehme Eigenschaften,
wie hohe Schlagempfindlichkeit und Entwicklung schädlicher Dämpfe. Daher war und
ist man bestrebt, andere Plastifizierungsmittel zur Herstellung plastischer oder
halbplastischer Sprengstoffe zu verwenden, z. B. flüssige Nitrokohlenwasserstoffe
(»flüssiges Tri«, Nitrobenzol u. a. m.) oder auch wasserhaltige oder wasserfreie
Gele mit Salzgemischen.
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Wenn die mit diesen Gemischen hergestellten Sprengstoffe auch gewisse
Vorteile gegenüber den Nitroglycerinsprengstoffen besitzen, so überwiegen doch die
Nachteile, so daß eine befriedigende Lösung bisher nicht gelungen ist.
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Die flüssigen Nitrokohlenwasserstoffe z. B. haben eine sehr stark
negative Sauerstoffbilanz. Daraus folgt, daß die mit ihnen hergestellten explosiven
Gemische entweder eine negative Sauerstoffbilanz haben oder, wenn man die negative
Bilanz durch Zusatz von Sauerstoffträgern ausgleicht, sehr energiearm sind. Außerdem
sind sie bekanntlich schwer zündbar.
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Auch bei den bisher vorgeschlagenen Mischungen mit wäßrigen oder wasserfreien
Gelen konnte der Forderung nach ausgeglichener Sauerstoffbilanz und genügender Initiierbarkeit
nur durch einen hohen Gehalt (mindestens 20 0/0) an hochbrisanten Explosivstoffen
(Detonationsgeschwindigkeit von über 7500 m/sec) von geringem Sauerstoffbedarf entsprochen
werden.
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Daß diese plastischen Gemische selbst bei sehr hohem Gehalt bis zu
45 % an hochbrisanten Explosivstoffen, wie Pentrit, nur relativ energiearme Sprengstoffe
darstellen, liegt daran, daß ein erheblicher Anteil der in das Gel einzuarbeitenden,
sauerstoffliefernden Salze, wie Ammonnitrat u. a., verbraucht wird, um den Sauerstoffbedarf
des Plastifizierungsmittels zu decken.
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Die vorliegende Erfindung hat nun zum Zweck, die genannten Nachteile
zu beseitigen durch Verwendung eines Plastifizierungsmittels, dessen Sauerstoffbilanz
im Gegensatz zu den bisher vorgeschlagenen Plastifizierungsmitteln positiv und höher
ist als die von Ammonsalpeter, der im allgemeinen den Hauptsauerstoffträger in den
gewerblichen Sprengstoffen darstellt.
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Dieses Plastifizierungsmittel stellt erfindungsgemäß eine zähflüssige
Öl-in-Wasser-Emulsion (Viskosität etwa 1000 cP) dar, die Öle, hydrophile Kolloide
und Emul;gatoren enthält, dispergiert in konzentrierten wäßrigen Lösungen mehrerer
Salze mit hohem Sauerstoffüberschuß. Hierbei können beispielsweise die Öle Pflanzliche
Öle, wie Rizinusöl, die hydrophilen Kolloide Dextrin, Agar-Agar u. a., der Emulgator
Polyglykoläther und das Dispersionsmittel eine zwei oder mehr Nitrate enthaltende
Lösung sein.
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Die vorbeschriebene Etnulsion setzt sich beispielsweise zusammen aus:
Calciumnitrat ....... 40,0 bis 45,0 Gewichtsprozent |
Ammoniumnitrat .... 20,0 bis 30,0 Gewichtsprozent |
Natriumnitrat ....... 2,0 bis 5,0 Gewichtsprozent |
Rizinusöl . . . . . . . . . . . 0,5 bis 1,0 Gewichtsprozent |
Agar-Agar . . . . . . . . . . 2,0 bis 4,0 Gewichtsprozent |
Polyglykoläther ..... 0,5 bis 1,5 Gewichtsprozent |
Wasser . . . . . . . . . . . . . 20,0 bis 30,0 Gewichtsprozent |
100,0 Gewichtsprozent |
Das Plastifizierungsvermögen dieser Emulsionen mit einem sehr geringen Gehalt organischer
Substanzen ist durchaus befriedigend. Die für die Plastifizierung nötige Menge der
Emulsion hängt im wesentlichen von dem Feinheitsgrad und der Aufsaugefähigkeit der
sauerstoffaktiven Salze (Nitrate) und der explosiven Komponenten ab und liegt im
allgemeinen zwischen 15 und 25 Gewichtsprozent des fertigen Sprengstoffes. Der fertige
plastische Sprengstoff enthält 4 bis 8 Gewichtsprozent Wasser und nur 1 bis 2 Gewichtsprozent
organischer Substanzen ohne Sprengstoffcharakter.
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An Stelle des Öles in der Emulsion können auch flüssige Nitrokohlenwasserstoffe,
z. B. »flüssiges Tri«, verwendet werden; und zwar in größeren Mengen als das Öl,
da sie einen wesentlich geringeren Sauerstoffbedarf haben als Öle.
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Durch Anwendung derartiger plastifizierender Emulsionen, die zugleich
einen hochwertigen Sauerstoffträger darstellen, ist es bereits möglich, mit 20 bis
25 Gewichtsprozent eines sauerstoffarmen, aber handhabungssicheren Explosivstoffes
von mäßiger Brisanz,
wie beispielsweise Trinitrotoluol (TNT), einen
Sprengstoff mittlerer Energie (etwa 10001ccal/kg) herzustellen, dessen Zündfähigkeit
ausreicht, daß er mit einer Normalsprengkapsel (z. B. Nr. 8) sicher zur vollen Detonation
gebracht werden kann.
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Selbstverständlich kann man die Sprengstoffenergie erhöhen, indem
man den mäßig brisanten Explosivstoff von hohem Sauerstoffbedarf (z. B. TNT) teilweise
ersetzt durch hochbrisante Explosivstoffe von geringerem Sauerstoffbedarf, wie z.
B. Pentrit, Hexogen, Tetryl u. a. So ergibt beispielsweise- eine Mischung mit nur
7 Gewichtsprozent Pentrit einen Sprengstoff, der bezüglich Brisanz und Bleiblockausbauchung
einem der gebräuchlichen Sicherheitsdynamite mit etwa 20 Gewichtsprozent Nitroglycerin
ähnlich ist.
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Gemische besonders hoher Energie, welche die stärksten Dynamite erreichen,
erhält man, wenn man einen Teil der Explosivstoffe durch feinverteilte Metalle sehr
hoher Verbrennungswärme ersetzt.
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Der Gesamtgehalt des fertigen Sprengstoffes an mittel- und hochbrisanten
Explosivstoffen hängt ab von deren Sauerstoffbedarf und liegt vorzugsweise zwischen
20 und 35 Gewichtsprozent, wobei es vollständig ausreichend ist, wenn erfindungsgemäß
der Anteil an hochbrisanten Explosivstoffen zwischen 0 und 15 Gewichtsprozent gewählt
wird.
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Als Sauerstoffträger sind vor allem Ammonnitrat und Nitrate der Alkali-
und Erdalkalimetalle sowie unter anderem auch von Schwermetallen, wie Blei, zu nennen,
wobei die Sauerstoffträger so gewählt werden, daß die Stabilität des fertigen Sprengstoffes
gewährleistet ist. Die Korngröße der Sauerstoffträger sollte zweckmäßigerweise nicht
größer als 200 R, sein.
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Als Beispiele der Zusammensetzung des vorbeschriebenen Sprengstoffes
seien angeführt:
Beispiel 1 |
Emulsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19,0 Gewichtsprozent |
Ammoniumnitrat . . . .. .. .. . 59,5 Gewichtsprozent |
Trinitrotoluol . . . . . . ... . . . . . 21,5 Gewichtsprozent |
100,0 Gewichtsprozent |
Dichte ..... . . . . . . . . . . . . . . . 1,40 g/cm3 |
Explosionswärme . . . . . . . . . . 980 Kcal/kg |
(H2 0-Dampf) |
Gasvolumen ............... 8601/kg |
Sauerstoffüberschuß . . . . . . .. 0,3 Gewichtsprozent |
Beispiel 2 |
Emulsion . . . . ... . . . . . . . . . . . 21,0 Gewichtsprozent |
Ammoniumnitrat . . . . . . . . . . 52,5 Gewichtsprozent |
Trinitrotoluol . . . . . .. .. .. . . . 19,5 Gewichtsprozent |
Pentrit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7,0 Gewichtsprozent |
100,0 Gewichtsprozent |
Dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,47 g/cm3 |
Explosionswärme . . . . . . . . . . 1010 Kcal/lcg |
(H2 0-Dampf) |
Gasvolumen ... .......... 8501/kg |
Sauerstoffüberschuß . .. . . . . . 0,2 Gewichtsprozent |
Beispiel 3 |
Emulsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24,9 Gewichtsprozent |
Ammoniumnitrat . . . . . . . . . . 47,8 Gewichtsprozent |
Trinitrotoluol . . . . . . . . . . . . . . 10,8 Gewichtsprozent |
Pentrit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10,0 Gewichtsprozent |
Aluminium . . . . . . . . . .. . . . . . 6,5 Gewichtsprozent |
100,0 Gewichtsprozent |
Dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,49 g/cm3 |
Explosionswärme . . . . . . . . . . 1200 Kcal/kg |
(H, 0-Dampf) |
Gasvolumen ............... 7651/kg |
Sauerstoffüberschuß . . . . . . . . 0,4 Gewichtsprozent |
Die Empfindlichkeit dieser plastischen Gemische gegen Schläge ist sehr gering, sie
beträgt mit einem 5-kg-Fallhammer 100 bis 150 cm gegenüber 30 bis 40 cm bei den
gebräuchlichen Sicherheitsdynamiten.
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Neben den genannten Vorteilen, wie hohe Energie bei geringem Gehalt
an hochbrisanten Explosivstoffen, leichte Detonierbarkeit und geringe Empfindlichkeit
gegen thermische und mechanische Beanspruchungen, ist nicht zuletzt die Preiswürdigkeit
des vorbeschriebenen Sprengstoffes hervorzuheben, welche wirtschaftlich einen beachtlichen
Fortschritt darstellt.