-
Plastischer Sicherheitssprengstoff mit ausgeglichener Sauerstoffbilanz
Die Erfindung betrifft einen sauerstoffausgeglichenen, plastischen Sicherheitssprengstoff,
d. h. einen Sprengstoff mit einer solchen Zusammensetzung, daß die Gesamtsumme der
Sauerstoffverbraucher, wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Metalle, Metalloide usw., gleich
oder geringer als die Summe des verfügbaren Sauerstoffs in Form von Nitraten, Nitroprodukten,
Chloraten, Perchloraten usw. ist, wenn die Umsetzung bei einer Explosion zu einer
vollständigen Verbrennung unter Bildung von C02, H20 usw. führt, wobei dieser Sprengstoff
auch in hohem Maße schlagunempfindlich ist.
-
Ein Hauptproblem sowohl bei der Herstellung als auch beim Gebrauch
von Sprengstoffen besteht in der Verminderung der Unfallgefahr. Dies wurde auch
erfolgreich gelöst hinsichtlich der sogenannten pulverförmigen Sprengstoffe mit
niedriger Dichte und Ammoniumnitrat als Hauptbestandteil. Auf der anderen Seite
war bei plastischen und halbplastischen Sprengstoffen mit Volumgewichten über etwa
1,3 das Problem der Herstellung unempfindlicher Sprengstoffe bei weitem komplizierter,
und es konnte bisher aus folgenden Gründen nicht befriedigend gelöst werden.
-
Sprengstoffe dieser Art werden in einem Gel aufgebaut, das üblicherweise
aus Nitrocellulose mit Hilfe von Nitroglycerin, Nitroglykol oder anderen flüssigen
Salpetersäureestern gewonnen wird, die an sich für diesen Zweck vorzüglich geeignet
sind. Der Umstand, daß bei der Herstellung solcher Gele Salpetersäureester vorgeherrscht
haben, beruht teils darauf, daß sie gute sprengtechnische Eigenschaften besitzen,
teils darauf, daß sie selbst verhältnismäßig gut sauerstoffausgeglichen sind, was
in vielen Fällen von großer Wichtigkeit ist. Insbesondere für Arbeiten unter Tag
besteht das Bedürfnis, daß . bei der Sprengarbeit eine möglichst geringe Menge Kohlenmonooxyd
gebildet wird, was bedeutet, daß der Sprengstoff sauerstoffausgeglichen sein muß.
Die Salpetersäureester einfacher, mehrwertiger Alkohole, wie Glycerin und Glykol,
enthalten eine so große Menge Sauerstoff, daß zu ihrer vollständigen Verbrennung
kein zusätzlicher Sauerstoff zugeführt zu werden braucht. Sie sind daher von diesem
Gesichtspunkt aus ideal als Baumaterial für Sprengstoffe, andererseits besitzen
sie als Gelbildner den großen Nachteil, daß sie Gele bilden, die schlagempfindlich
sind.
-
Außer dem Gel enthält der Sprengstoff Salze, wie Ammoniumnitrat, Natriumnitrat,
Bariumnitrat, ferner organische Bilanzstoffe, insbesondere feinpulverisierte, organische
Mehle oder Nitroprodukte, wie Nitrobenzol, Nitrotoluol, Dinitrotoluol, und andere
geeignete Zusatzstoffe. Alle diese Zusatzstoffe ändern jedoch den schlagempfindlichen
Charakter des Sprengstoffes nicht, jedenfalls nicht, solange die plastische Konsistenz
bestehenbleibt. Wenn beispielsweise Nitrokohlenwasserstoffe als Gelbildner gewählt
werden, was an sich. möglich wäre, muß entweder die Forderung an eine plastische
Konsistenz oder die Forderung an die Sauerstoffbilanz aufgegeben werden. Aus den
dargelegten Gründen war es bisher nicht möglich, einen wirklich erstklassigen, sauerstoffausgeglichenen,
plastischen oder halbplastischen Sprengstoff zu erzeugen, der den Sicherheitsforderungen
entspricht.
-
Gemäß neuerer Untersuchungen ist eine der Hauptursachen der Initiierempfindlichkeit
eine adiabatische Zusammenpressung der in dem Sprengstoff enthaltenen Luftblasen
bei Stoß und Schlag unabhängig davon, ob die Luftblase mit Sprengstoffdämpfen gefüllt
ist oder nicht. Wenn die Kompression stark genug ist, steigt die Temperatur in der
Blase so hoch an, daß eine Entzündung entweder der eingeschlossenen Sprengstoffdämpfe
oder durch Wärmestrahlung über die Blasenwandungen eintritt oder durch beides. Nach
einem kurzen Zwischenstadium, in welchem der Sprengstoff sich unter Erwärmung zersetzt,
geht die Zersetzung schnell zur Detonation über.
-
Die Erfindung hat zum Zweck, die erwähnten Nachteile, die den bisher
bekannten plastischen Sprengstoffen anhaften, zu beseitigen und einen im wesentlichen
sauerstoffausgeglichenen, plastischen Sprengstoff zu schaffen, der auch schlagunempfindlich
ist. Der Erfindung liegt in erster Linie der Gedanke zugrunde, die durch die adiabatische
Zusammenpressung des plastischen Sprengstoffes entwickelte Wärme an einer Erwärmung
der Sprengstoffteilchen in einem solchen Ausmaß zu hindern, daß eine Zersetzung
des Sprengstoffes stattfindet und
statt dessen die Wärme von verdampfendem
Wasser aufnehmen zu lassen. Zu diesem Zweck wird:gemäß der Erfindung, statt für
die Gelbildung eine gelatinierende, hydrophobe Nitrocellulosesubstanz zu verwenden,
das Gel mit Wasser als flüssigem Bestandteil gebildet, während ein hydrophiles Kolloid
als gelbildender Stoff' benutzt wird.
-
In das so hergestellte,. inexplosive Gel werden dann eine hochexplosive
Verbindung und anorganische sauerstoffabgebende Salze, wie Nitrate und Chlorate,
geknetet und gewünschtenfalls auch andere Zusatzstoffe in geeigneten Mengen. Es
muß jedoch darauf geachtet werden, daß die Menge an hochexplosiver Verbindung ausreichend
ist, um einerseits die erforderlichen .Sprengstoffeigenschaften zu erzeugen; auf
der anderen Seite müssen aber die in das Gel eingebrachten Stoffmengen nicht so
groß sein, daß die gewünschte Plastizität des Sprengstoffes nicht erreicht wird.
Um die notwendige Unempfindlichkeit zu erreichen, müssen hinsichtlich des Wassergehaltes
im Gel gewisse Grenzwerte eingehalten werden, die nach unten hin durch die Möglichkeit
zur Erzielung einer Stoß-, Schlag- und Reibungsunempfindlichkeit bestimmt werden
und nach oben dadurch, daß es leicht möglich sein muß, den Sprengstoff zur Detonation
zu bringen.
-
In Übereinstimmung mit dem Obigen besteht der sauerstoffausgeglichene,
plastische Sicherheitssprengstoff gemäß der Erfindung im wesentlichen aus einer
Mischung von etwa 20 bis 45 °/o eines Sprengstoffes mit hoher Brisanz, ausgenommen
flüssige Salpetersäureester, und einem sauerstoffabgebenden, anorganischen Salz,
die einem aus Wasser und einem hydrophilen Kolloid hergestellten Gel solcher Zusammensetzung
einverleibt ist, daß der Wassergehalt des Sprengstoffes zwischen 3 und 25°/o liegt.
-
Im Hinblick darauf, daß es bekannt ist, daß sogar mäßige Mengen Wasser
in einem Sprengstoff auf gelförmiger Nitroglycerin-Nitrocellulose-Basis die Wirkung
des Sprengstoffes vermindern und schließlich vernichten, war es sehr überraschend,
daß die gelförmigen Sprengstoffe gemäß der Erfindung mit erhaltener Initiierempfindlichkeit
und Sprengkraft beträchtliche Mengen Wasser enthalten können.
-
Als Sprengstoffe mit hoher Brisanz, die als Komponenten im Sicherheitssprengstoff
gemäß der Erfindung unter anderem verwendet werden, werden beispielsweise genannt:
Pentaerythrittetranitrat, Hexogen,Nitromannit, Ditrinitroäthylharnstoff. Im allgemeinen
sind solche Sprengstoffe hoher Brisanz besonders geeignet, die, wenn sie sich in
hochkomprimiertem Zustande befinden, eine Detonationsgeschwindigkeit von über 7500
m/Sek. besitzen. Diese Sprengstoffe sollten fein verteilt sein, aber das Ausmaß
der Verteilung ist nicht kritisch.
-
Geeignete hydrophile Kolloide zur Erzeugung des Gels sind beispielsweise
Stärke und Dextrin verschiedener Art, Carboxymethyl-cellulose, Agar-Agar, Alginate,
Pektin, Alkyl-cellulose, Alkylhydroxylalkyl(äthyl)cellulose und andere Stoffe. Die
Kolloidmenge im Sprengstoff kann in den Grenzen von 0,3 bis 10 °/o schwanken.
-
Geeignete anorganische sauerstoffabgebende Salze sind insbesondere
Salze der Alkali- und Erdalkalimetalle, z. B. Ammoniumnitrat, Calciumnitrat, Natriumnitrat,
Barinmnitrat oder andere Nitrate, auch Calciumchlorat, Kaliumperchlorat, Ammoniumperchlorat
oder andere Chlorate und Perchlorate: Diese Stoffe werden in solchen Mengen zugefügt,
daß - der Sprengstoff = sauerstoffausgeglichen ist, beispielsweise in Mengen zwischen
10 und 70°/0, vorzugsweise 30 bis 65°/o.
-
Ferner kann der Sprengstoff geringe -Mengen von üblicherweise in Sprengstoffen
enthaltenen Zusatzstoffen enthalten; beispielsweise organisches Mehl, wie Holzmehl,
Roggenmehl öd. dgl.
-
In gewissen Fällen kann es auch erwünscht sein, weitere Stoffe zuzufügen,
die ohne Beeinträchtigung des Prinzips der Erfindung dem Sprengstoff gewisse besonders
erwünschte Eigenschaften verleihen, beispielsweise hinsichtlich seiner Widerstandsfähigkeit
gegen Kälte, Stabilität usw. Zu diesem Zweck können dem Gel eutektische Salzgemische
zugesetzt werden. Es wurde ferner auch gefunden, daß es für die Steigerung der Kältefestigkeit
vorteilhaft ist, niedermolekulare, mehrwertige Alkohole, wie Glykol oder Glycerin,
zuzusetzen. Um die Sicherheit während des Mischens der Komponenten zu steigern,
kann der Sprengstoff mit hoher Brisanz in einer teilweise phlegmatisierten Form
zugesetzt werden. Als Phlegmatisierungsmittel seien beispielsweise Paraffinwachs
und andere Wachse genannt. Es kann auch ein Teil des Endwassergehaltes des Sprengstoffes
in der Weise zugesetzt werden, daß die Sprengstoffe mit hoher Brisanz, mit Wasser
durchnäßt, zugesetzt werden.
-
Die sauerstoffausgeglichenen, plastischen Sprengstoffe gemäß der Erfindung
besitzen, wie sich gezeigt hat, viele interessante Eigenschaften, und sie unterscheiden
sich in vieler Beziehung vorteilhaft von den Sprengstoffen, die auf Gelen des Nitroglycerins,
Nitroglykols und ähnlicher Salpetersäureester aufgebaut sind. Als besonders hervorragende
Eigenschaft wurde die Tatsache erkannt, daß sie in hohem Maße unempfindlich gegen
Stoß, Reibung und Beschießung sind. Sie widerstehen beispielsweise Fallhammerschlägen,
die durch ein aus einer Höhe von 800 mm fallendes 10-kg-Gewicht hervorgerufen werden,
ohne zu zünden, und es hat sich gezeigt, daß es möglich ist, in einem mit Sprengstoff
stehengebliebenes Bohrloch (Versager) zu bohren, ohne daß Initiierung eintritt.
Andererseits sind sie bereits durch schwache Sprengkapseln (Nr. 4) leicht und zuverlässig
initiierbar, und die Detonationsgeschwindigkeit ist sehr wenig von der Stärke der
Initiierung abhängig, wodurch Sprengstoffe dieser Art nur ein Detonationsniveau
zu haben scheinen. Sie sind alterungsbeständig; und die Detonationsgeschwindigkeit
ist in einem unbedeutenden Ausmaß vom Durchmesser abhängig. Der Überschlag bei frei
liegendem Sprengstoff ist verhältnismäßig niedrig und abhängig von der Zusammensetzung
des Sprengstoffes und dem Wassergehalt. Das Überschlagsergebnis ist auch nicht nachweisbar
abhängig von der Alterung. Da der Sprengstoff keine flüssigen Salpetersäureester
(wie Nitroglycerin und Nitroglykol) enthält, verursacht die Arbeit damit keine Kopfschmerzen.
Da der Aufbau der Sprengstoffe mit Hilfe eines wasserenthaltenden Gels erfolgt,
sind sie in einem gewissen Ausmaß hygroskopisch. Ihr Bestreben, Wasser zu absorbieren,
kann jedoch in ausreichend weiten Grenzen durch Verwendung von mit Wachs, Paraffinwachs
oder Silikonen oder anderen wasserabweisenden Stoffen überzogenen Salzen verändert
werden. Es ist natürlich auch möglich, die Salze während der Herstellung der Sprengstoffe
derart aufzuteilen, daß ein Teil dem Gel in Form einer eutektischen Mischung und
ein anderer Teil in fester Form zusammen mit dem hochexplosiven Bestandteil zugesetzt
wird, wobei der letztgenannte Teil mit Wasser abweisenden Mitteln überzogen sein
kann, wie dies oben angegeben ist, und auclx aus zermahlenen Salzen bestehen kann.
-
Es ist bereits vorgeschlagen worden (britische Patentschrift 597 716),
bei der Sprengstoffherstellung Gele zu verwenden, die mit Hilfe eutektischer Salzmischungen
gebildet sind, die Ammoniumnitrat in Form einer chemisch stabilen Flüssigkeit ohne
flüchtige Bestandteile enthalten. Dieses Gel kann auch Wasser enthalten, aber das
ist keine Voraussetzung. Durch Einkneten eines hohen-Prozent-
Satzes
(64 bis 73 °/o) hochexplosiver Bestandteile in das Gel sollten Sprengstoffe mit
plastischer Konsistenz erhalten werden. Solche Sprengstoffe sind jedoch nicht sauerstoffausgeglichen,
und sie sind gewöhnlich nicht schlagunempfindlich, noch hat man auf diesen Punkt
geachtet.
-
Die erfindungsgemäßen Sprengstoffe eignen sich gut für alle Zwecke
der normalen Gesteinssprengung und sind ausgezeichnet als aufgelegte Ladungen. Sie
sind auch als Sicherheitssprengstoffe für Kohlengruben gut geeignet. Selbstverständlich
ist die Zusammensetzung des Sprengstoffes je nach dem Bedürfnis des betreffenden
besonderen Verwendungszweckes zu wählen. Beispiele Eine Reihe von Beispielen für
die Herstellung von Sprengstoffen gemäß der Erfindung sind in der vorstehenden Tabelle
aufgeführt. Alle Proben wurden in einem Mac-Roberts-Mischer in Mengen von etwa 7
kg erzeugt. Hierzu wurde zuerst das Gel eingeführt, worauf zu rühren begonnen wurde
und die übrigen Bestandteile eingeknetet wurden.
-
Die Sprengstoffeigenschaften wurden durch folgende Prüfungsmethoden
bestimmt Die Detonationsgeschwindigkeit wurde mit einer Trommelkamera mit umlaufendem
Spiegel gemessen. Die Stauchprobe wurde nach Hess durchgeführt mit nur 20 g Sprengstoff.
Zur Bestimmung der Mörserwerte diente ein ballistisches Pendel in Standardausführung,
und sie wurde bezogen auf den Trotylwert (TNT). Die Überschlagsproben wurden bestimmt
mit Patronen von 25 mm Durchmesser bei 20° C. Die Stabilitätswerte wurden bestimmt
durch Gewichtsverlustmessung bei 80° C für eine Gewichtsverminderung von 1°% in
einer Flasche aus Pyrexglas mit einem Durchmesser von 20 mm und einer eingeschliffenen
Kapillare von 0,2 mm Durchmesser und 40 mm Länge. Sprengstoffe, die unter Verwendung
unterschiedlicherStärkearten hergestellt wurden, zeigten sehr ähnliche Ergebnisse.