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Die Erfindung betrifft einen Stahl für Verwendungen, die eine hohe Verschleißbeständigkeit, eine hohe Härte, eine gute Korrosionsbeständigkeit und/oder eine niedrige Wärmeleitfähigkeit erfordern.
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Wenn nachfolgend Gehaltsangaben von Stahllegierungen angegeben sind, so sind diese jeweils auf das Gewicht bezogen, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist.
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Stähle mit dem voranstehend genannten Eigenschaftsprofil eignen sich insbesondere für die Herstellung von Schneidwerkzeugen, Lochplatten, Sieben, Formen und vergleichbaren Komponenten für Maschinen, die in der Kunststoff verarbeitenden Industrie benötigt werden.
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Ein typisches Einsatzgebiet sind hier Maschinen für die Neuerzeugung oder das Recycling von Kunststoffprodukten, die für ihre Rückführung in den Verarbeitungskreislauf zu einer Schmelze eingeschmolzen werden. Um aus der Schmelze ein Granulat zu bilden, wird die Schmelze durch eine Lochplatte gedrückt, aus der sie in einer Vielzahl von Einzelsträngen austritt. Die Einzelstränge erstarren und werden dann mittels geeigneter, nahe der Lochplatte rotierender Messer zu einzelnen Granulatkörnern zerkleinert.
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Um den Erstarrungsvorgang zu beschleunigen, kann das Auspressen der Kunststoffschmelze durch die Lochplatte und das Zerkleinern unter Wasser durchgeführt werden. Dieses Verfahren ist in der Kunststoffindustrie als ”Unterwassergranulieren” bekannt.
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Sowohl die für das Zerkleinern der Kunststoffe eingesetzten Messer als auch die zum Formen der von den Messern zu zerkleinernden Kunststoffsträngen eingesetzten Lochplatten müssen aufgrund der korrosiven Umgebung, der sie im Einsatz ausgesetzt sind, eine gute Korrosionsbeständigkeit besitzen und sind dabei hohem abrasiven Verschleiß ausgesetzt. Gerade für die Anwendung ”Lochplatte” soll gleichzeitig die Wärmeleitfähigkeit des Stahls, aus dem die Lochplatte jeweils hergestellt ist, niedrig sein, damit der mit der jeweiligen Lochplatte in Kontakt kommenden Kunststoffschmelze nicht zu viel Wärme entzogen und es zu einer vorschnellen Erstarrung der Schmelze kommt, die zu einer Verstopfung der Löcher der Platte führen würde. Diese Anforderung ergibt sich insbesondere dann, wenn es sich bei der Lochplatte um eine so genannte ”Micro-Lochplatte” mit Lochdurchmessern von weniger als 1 mm handelt.
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Ein für diese Zwecke vorgesehener bekannter Stahl ist unter der Werkstoffnummer 1.2379 (AISI-Bezeichnung: D2) bekannt. Er enthält neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Gew.-%) 1,55% C, 12,00% Cr, 0,80 Mo und 0,90% V.
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Ein anderer ebenfalls im Bereich des Kunststoff-Recyclings weit verbreiteter Stahl ist unter der Werkstoffnummer 1.3343 (AISI-Bezeichnung: M2) genormt. Er enthält neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Gew.-%) 0,85–0,9% C, 0,25% Mn, 4,1% Cr, 5,0% Mo, 1,9% V und 6,4% W.
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Höchsten Verschleißanforderungen soll der unter der Werkstoffnummer 1.4110 (AISI-Bezeichnung: 440A) genormte martensitische Stahl standhalten, der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Gew.-%) 0,6–0,75% C, max. 1% Mn, max. 1% Si, max. 0,04% P, max. 0,03% S, 16–18% Cr sowie max. 0,75% Mo enthält. Dieser Stahl erreicht nach einer geeigneten Wärmebehandlung eine Härte von mindestens 60 HRC.
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Ein unter der Handelsbezeichnung ”Ferro-Titanit Nikro 128” bekannter Stahl, der speziell für die Herstellung von Komponenten, die bei der Verarbeitung von abrasiven Kunststoffen eingesetzt werden, geschaffen worden ist, enthält neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Gew.-%) 13,5% Cr, 9% Co, 4% Ni und 5% Mo. Der Anteil an Titancarbid im Gefüge des so zusammengesetzten Stahls beträgt 30 Gew.-%, was einem Volumenanteil von ca. 40 Vol.-% TiC entspricht.
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Der bekannte pulvermetallurgisch hergestellte Stahl erreicht nach einer über zwei bis vier Stunden unter Vakuum durchgeführten Glühung bei 850°C und einer anschließenden Abschreckung, bei der er einer Stickstoffatmosphäre mit einem Druck von 1–4,5 bar ausgesetzt wird, eine Glühhärte von ca. 53 HRC, die durch eine anschließende Aushärtbehandlung, bei der der Stahl über sechs bis acht Stunden bei 480°C ausgelagert wird, auf eine Maximalhärte von ca. 62 HRC gesteigert werden kann. Aus diesem Stahl werden typischerweise Lochplatten, Granuliermesser, Spritzdüsen sowie Schnecken, Ringe und sonstige Presswerkzeuge für die Verarbeitung von abrasiv wirkenden Kunststoffen sowie Komponenten für Pumpen, Abfüllköpfe und Ringmesser hergestellt, die für Konserven-Abfüllmaschinen benötigt werden (s.
Datenblatt "Ferro-Titanit Nikro 128", enthalten in der Broschüre "Ferro-Titanit – Die Härte aus Krefeld", 06/2001, veröffentlicht von der Deutsche Edelstahlwerke GmbH).
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Von
Horst Hill ist in seiner Dissertation "Neuartige Metallmatrixverbundwerkstoffe (MMC) zur Standzeiterhöhung verschleißbeanspruchter Werkzeuge in der polymerverarbeitenden Industrie", Bochum Univ. Diss. 2011, veröffentlicht beim Selbstverlag des Lehrstuhls Werkstofftechnik, Ruhr-Universität Bochum, ISBN 978-3-943063-08-0, schließlich ein Stahl vorgeschlagen worden, der aus (in Gew.-%) 13,5% Cr, 1,0% Mo, 9,0% Ni, 5,5% Co, 1,0% Cu, 2,0% Ti und 1,25% Al, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen besteht. Der TiC-Anteil im Gefüge dieses Stahls liegt ebenfalls bei 30 Gew.-%. Zusätzlich sind im Gefüge jedoch 5 Gew.-% NbC als Hartphase vorhanden.
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Der derart zusammengesetzte Stahl ließ bei seiner Erzeugung im Labormaßstab auf vielversprechendes Potenzial hoffen. Allerdings erwies sich seine betriebssichere großtechnische Erzeugung als problematisch.
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Vor diesem Hintergrund bestand die Aufgabe der Erfindung darin, einen Stahl zu schaffen, der sich im industriellen Maßstab unter Anwendung konventioneller Verfahren erzeugen lässt und ein hinsichtlich seiner Eigenschaften optimiertes Profil aufweist. Ebenso sollten praxisgerechte Verwendungen eines solchen Stahls genannt werden.
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In Bezug auf den Stahl ist diese Aufgabe dadurch gelöst worden, dass ein solcher Stahl erfindungsgemäß die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale besitzt.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben und werden nachfolgend wie der allgemeine Erfindungsgedanke im Einzelnen erläutert.
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Mit der Erfindung steht ein Stahl für Anwendungen, die eine hohe Verschleißbeständigkeit, eine hohe Härte, eine gute Korrosionsbeständigkeit und/oder eine niedrige Wärmeleitfähigkeit erfordern, zur Verfügung.
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Der erfindungsgemäße Stahl erzielt im gehärteten Zustand eine Härte von mindestens 56 HRC und enthält in seinem Gefüge in Summe mindestens 30 Gew.-% Hartphasen vorhanden, die neben den TiC-Partikeln aus Karbid-, Oxid- oder Nitrid-Partikeln bestehen. Dabei beträgt im erfindungsgemäßen Stahl der Gehalt an TiC-Partikeln mindestens 20 Gew.-%.
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Erfindungsgemäß sind die Hartphasen in eine Matrix eingebettet, welche (in Gew.-%) aus
9,0–15,0% Cr,
5,0–9,0% Mo,
3,0–7,0% Ni,
6,0–11,0% Co,
0,3–1,5% Cu,
0,1–2,0% Ti,
0,1–2,0% Al,
Rest Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen
besteht.
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Die Komponenten eines erfindungsgemäßen Stahls sind so eingestellt, dass er höchsten Anforderungen genügt, wie sie an Stähle gestellt werden, die im Bereich der kunststoffverarbeitenden Industrie eingesetzt werden. Dementsprechend eignet sich ein erfindungsgemäßer Stahl insbesondere für die Herstellung von Komponenten zum Neuerzeugen und zum Recycling von Kunststoffprodukten. So lassen sich aus erfindungsgemäßem Stahl beispielweise für das Granulieren von aus abrasiven Kunststoffen gebildeten Schmelzen benötigte Lochplatten, insbesondere Mikrogranulierlochplatten, herstellen, die selbst dann noch optimale Gebrauchseigenschaften aufweisen, wenn ihre Lochöffnungen mikrofein ausgebildet sind, um entsprechend feingekörnte Granulate zu erzeugen. Genauso lassen sich aus erfindungsgemäßem Stahl Messer zum Zerkleinern von Kunststoffteilen herstellen. Solche Messer werden, wie oben bereits erläutert, ebenfalls bei der Herstellung von Granulaten aus erschmolzenen Kunststoffsträngen benötigt, wie sie mit Hilfe von Lochplatten der voranstehend erläuterten Art in Granuliereinrichtungen erzeugt werden.
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Um das hierzu benötigte Eigenschaftsprofil bereitzustellen, enthält ein erfindungsgemäßer Stahl mindestens 20 Gew.-% TiC, die eingebettet sind in eine Matrix, die durch Ausscheidungsbildung zur Härtbarkeit des Stahls beiträgt und die gleichzeitig so gewählt ist, dass eine niedrige Wärmeleitfähigkeit von weniger als 35 W/mK unabhängig vom jeweiligen Wärmebehandlungszustand gewährleistet ist.
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Die Passivstromdichte des erfindungsgemäßen Stahls ist geringer als 5 μA/cm2, gemessen in sauerstofffreier 0,5 molarer Schwefelsäure mit einer Potenzialänderungsgeschwindigkeit von 600 mV/h gegen eine Kalomel-Bezugselektrode bei 20°C. Erfindungsgemäßer Stahl weist daher bei hoher Härte und optimiertem Verschleißwiderstand eine Korrosionsbeständigkeit auf, die vergleichbar ist mit der Korrosionsbeständigkeit konventioneller austenitischer rostfreier Stähle.
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Das gemäß mittels Ultraschallmessung in Abhängigkeit der Schallausbreitungsgeschwindigkeit bestimmte E-Modul erfindungsgemäßer Stähle liegt bei einer Temperatur von 20°C bei mehr als 270 GPa, insbesondere mehr als 300 GPa, so dass der erfindungsgemäße Stahl bzw. daraus hergestellte Komponenten auch höchste Anforderungen an ihre Festigkeit sicher erfüllen.
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Der gemäß mittels Dilatometer ermittelte thermische Ausdehnungskoeffizient von erfindungsgemäßem Stahl liegt in dem für Anwendungen, für die erfindungsgemäße Stähle vorgesehen sind, bedeutsamen Temperaturbereich von 20°C bis 600°C bei 7 × 10–6/K bis 12 × 10–6/K.
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Durch die Anwesenheit einer ausreichenden Menge der extrem harten, thermodynamisch stabilen TiC-Partikel, die eine geringe Dichte bei niedriger Wärmeleitfähigkeit besitzen, wird in Kombination mit der erfindungsgemäß vorgesehenen Stahlmatrix, die ebenfalls eine hohe Härte erreicht, eine maximierte Verschleißbeständigkeit bei gleichzeitig minimierter Wärmeleitfähigkeit erhalten. Optimalerweise enthält dazu der erfindungsgemäße Stahl mindestens 20 Gew.-%, entsprechend etwa 30 Vol.-% TiC, oder mindestens 28 Gew.-% TiC, insbesondere mindestens 30 Gew.-% TiC. Jedoch sollte der TiC-Gehalt eine Obergrenze von 45 Gew.-% nicht überschreiten. Auf diese Weise lässt sich gewährleisten, dass sich erfindungsgemäßer Stahl betriebssicher herstellen und weiterverarbeiten lässt. Zu hohe Hartphasengehalte führen zwar zu erhöhter Härte und Verschleißbeständigkeit. Allerdings wird die thermische Ausdehnung reduziert, was die Verbundfertigung mit Stahlsubstraten deutlich erschwert. Zudem bedeutet ein höherer Hartphasengehalt, dass der Werkstoff spröder und rissempfindlicher wird. Gleichzeitig werden die mechanischen Bearbeitungsmöglichkeiten bei zu hohen Hartphasengehalten signifikant herabgesetzt. Ein Vorteil von erfindungsgemäßem Stahl besteht hier darin, dass auch er konventionell zerspanend bearbeitet werden kann.
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Zur Optimierung der Härte und Verschleißbeständigkeit eines erfindungsgemäßen Stahls trägt zudem bei, dass erfindungsgemäß zusätzlich zu den TiC-Partikeln in der Stahlmatrix weitere Hartphasen vorhanden sind, so dass der Volumenanteil der Hartphasen am Gefüge des Stahls insgesamt mindestens 30 Gew.-% beträgt. Dies kann durch gesonderte Zugabe von Karbid-, Nitrid- oder Oxid-Partikeln bei der Erzeugung des Stahls erfolgen. Alternativ oder ergänzend dazu können auch die die Gewichtsanteile der Ausscheidungen bildenden Elemente (Ni, Al, Ti) innerhalb der erfindungsgemäßen Vorgaben so eingestellt werden, dass sich im Zuge der bei der Erzeugung des Stahls absolvierten Arbeitsschritte zuverlässig eine ausreichende Menge an härtesteigernden Ausscheidungen in der Matrix bildet.
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Gegenüber dem aus der oben schon erwähnten Dissertation von H. Hill bekannten Stahl sind beim erfindungsgemäßen Stahl die Gehalte an Mo und Co deutlich erhöht sowie die Gehalte an Ni und Ti deutlich vermindert. Zudem sind die Vorgaben für die Cu-, Al-, TiC- und NbC-Gehalte einer erfindungsgemäßen Legierung gegenüber dem bekannten Stahl variiert worden. Durch die erfindungsgemäße Einstellung der Legierungsgehalte ist es gelungen, einen Stahl im industriellen Maßstab zu erzeugen, der einen hohen Hartphasenanteil besitzt, der in einer Stahlmatrix von ebenfalls hoher Härte eingebettet ist. Ausgehend von den bekannten Stahlkonzepten erforderte dies aufwändige Untersuchungen und Versuche, weil die Wirkweise und die Wechselwirkungen der einzelnen Elemente und Phasen bei Stählen der hier in Rede stehenden Art sehr komplex sind. Der so erhaltene erfindungsgemäße Stahl weist mit seiner hohen Verschleißbeständigkeit, hohen Härte, guten Korrosionsbeständigkeit und niedrigen Wärmeleitfähigkeit eine optimierte Eigenschaftskombination auf.
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Die Ausscheidungen, die sich in der Stahlmatrix des erfindungsgemäßen Stahls bilden, sind intermetallische Ausscheidungen, an deren Entstehung vor allem die Elemente Ni, Al und Ti beteiligt sind. Diese Elemente bilden Ni3Al und Ni3Ti oder auch Mischformen. Diese intermetallischen Phasen liegen im Gefüge mit Korngrößen in der Größenordnung von 10 nm vor und werden nicht zum Gesamthartphasengehalt gezählt. Aufgrund ihrer geringen Größe leisten sie im Vergleich zu den groben Hartphasenpartikeln, wie sie erfindungsgemäß in der Matrix des erfindungsgemäßen Stahls eingebettet sind, keinen größeren Beitrag zur Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß. Jedoch bewirken die intermetallischen Ausscheidungen eine Steigerung der Härte und Festigkeit der Metallmatrix und tragen so ebenfalls zur Verbesserung der Gebrauchseigenschaften bei.
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Chrom ist im erfindungsgemäßen Stahl in Gehalten von 9,0–15,0 Gew.-% vorhanden, um die geforderte Korrosionsbeständigkeit zu sichern. Optimalerweise liegt dazu der Cr-Gehalt bei 12,5–14,5 Gew.-%.
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Molybdän ist im erfindungsgemäßen Stahl in Gehalten von 5,0–9,0 Gew.-% enthalten, um einerseits eine ausreichende Korrosionsbeständigkeit insbesondere im Hinblick auf die Lochkorrosion zu gewährleisten und andererseits die Bildung intermetallischer Phasen zu unterstützen, durch die die Härte der Stahlmatrix, in der die Hartphasen eingelagert sind, erhöht wird. Optimalerweise beträgt der Mo-Gehalt des erfindungsgemäßen Stahls 6,5–7,5 Gew.-%.
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Kobalt ist im erfindungsgemäßen Stahl in Gehalten von 6,0–11,0 Gew.-% enthalten, um zum einen die Martensitstarttemperatur zu erhöhen und zum anderen die Löslichkeit von Mo in der Metallmatrix zu reduzieren. Auf diese Weise kann sich das in der erfindungsgemäßen Stahlmatrix enthaltene Mo verstärkter an der Bildung intermetallischer Phasen beteiligen. Optimalerweise beträgt der Co-Gehalt des erfindungsgemäßen Stahls 8,0–10,0 Gew.-%.
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Kupfer ist im erfindungsgemäßen Stahl in Gehalten von 0,3–1,5 Gew.-% enthalten, um die Ausscheidungshärtung zu beschleunigen. Optimalerweise beträgt der Cu-Gehalt des erfindungsgemäßen Stahls 0,5–1,0 Gew.-%.
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Nickel ist im erfindungsgemäßen Stahl in Gehalten von 3,0–7,0 Gew.-% vorhanden. Nickel wird in der Stahlmatrix in ausreichender Menge benötigt, um bei einem Lösungsglühen, das typischerweise bei ca. 850°C durchgeführt wird, die austenitische Phase zu stabilisieren. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn der erfindungsgemäße Werkstoff ausgehend von der Lösungsglühtemperatur abgeschreckt wird. Durch die Anwesenheit von Nickel wird hier der Austenit so weit stabilisiert, dass bei der Abschreckung sicher Martensit entsteht. Ist zu wenig Nickel in der erfindungsgemäß vorgesehenen Stahlmatrix vorhanden, so wird dieser Effekt nicht mit der notwendigen Sicherheit erreicht. Ist dagegen zu viel Nickel in der Stahlmatrix vorhanden, bildet sich kein Martensit, da die austenitische Phase dann auch bei Raumtemperatur stabil ist. Die zweite Aufgabe von Nickel im erfindungsgemäßen Stahl ist die Ausscheidungshärtung durch Bildung intermetallischer Phasen mit Elementen wie Al und Ti. Daher sind in der Stahlmatrix des erfindungsgemäßen Stahls die Gehalte an Ni, Al und Ti so aufeinander abgestimmt, dass zum einen die Martensitbildung gegeben ist und zum anderen die Ausscheidungshärtung ermöglicht wird. Optimalerweise beträgt dazu der Ni-Gehalt des erfindungsgemäßen Stahls 4,5–5,5 Gew.-%.
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Titan ist im erfindungsgemäßen Stahl in Gehalten von 0,1–2,0 Gew.-% vorhanden, um, wie voranstehend schon erläutert, in Kombination mit Ni die Ausscheidungshärtung zu ermöglichen. Optimalerweise beträgt dazu der Ti-Gehalt des erfindungsgemäßen Stahls 0,8–1,2 Gew.-%.
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Auch Aluminium ist im erfindungsgemäßen Stahl in Gehalten von 0,1–2,0 Gew.-% enthalten, um in Kombination mit Ni die Ausscheidungshärtung zu bewirken. Optimalerweise beträgt dazu der Al-Gehalt des erfindungsgemäßen Stahls 1,0–1,4 Gew.-%.
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Der erfindungsgemäße Stahl lässt sich äußerst verzugsarm härten, da Titankarbid eine geringe Wärmeausdehnung und keine Umwandlung besitzt.
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Durch die Zugabe von bis zu 4,5 Gew.-% NbC-Partikeln wird der Verschleißwiderstand des erfindungsgemäßen Stahls erhöht. Gleichzeitig haben die NbC-Partikel eine geringere Wärmeleitfähigkeit als TiC, was sich günstig auf die Gebrauchseigenschaften des erfindungsgemäßen Stahls auswirkt. Darüber hinaus sind TiC und NbC isomorphe Karbide und daher untereinander mischbar. Dies führt bei Diffusionsreaktionen zur Bildung von Mischkarbiden. In Folge dessen ergibt sich im Vergleich zur alleinigen Verwendung von TiC eine Änderung der Valenzelektronenkonzentration und somit die Bildung von Leerstellen im Zwischengitter des Kohlenstoffes. Auch auf diesem Weg wird die Wärmeleitfähigkeit des erfindungsgemäßen Stahls herabgesetzt und die Gebrauchseignung verbessert. Diese Wirkung kann insbesondere dann erzielt werden, wenn im erfindungsgemäßen Stahl mindestens 2,0 Gew.-% NbC vorhanden sind. Ein optimaler Einfluss ergibt sich dabei dann, wenn der NbC-Gehalt 2,0–3,0 Gew.-% beträgt.
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Indem der erfindungsgemäße Stahl in konventioneller Weise pulvermetallurgisch hergestellt wird, lässt sich gewährleisten, dass sein Gefüge frei von Seigerungen und Faserverläufen ist. Die erfindungsgemäß als Hartphasen verwendeten Karbid-, Nitrid- und Oxidpartikel werden während der pulvermetallurgischen Fertigung bereits als ”fertige” Partikel zugeführt.
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Für die pulvermetallurgische Herstellung lassen sich sowohl die Sinter-, als auch die HIP-(Heiß-Isostatisches Pressen)Route nutzen. Beispielsweise eignet sich auch das Supersolidus Flüssigphasensintern auf Basis gasverdüster Stahlpulver für die Erzeugung erfindungsgemäßer Stähle.
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Eine Beschreibung der üblicherweise bei der pulvermetallurgischen Herstellung von Stählen der hier in Rede stehenden Art angewendeten Arbeitsschritte findet sich beispielsweise in Foller, M.; Meyer, H.; Lammer, A.: Wear and Corrosion of Ferro-Titanit and Competing Materials. In: Tool steels in the next century: Proceedings of the 5th International Conference an Tooling, September 29th – October 1st, University of Leoben, Austria, 1999, S. 1–12, in H. Hill, S. Weber, W. Theisen, A. van Bennekom, Optimierung korrosionsbeständiger MMC mit hohem Verschleißwiderstand, 30. Hagener Symposium, 24.–25.11.2011 oder in der oben schon erwähnten Dissertation von Horst Hill.
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Der erfindungsgemäße Stahl kann zur Einstellung seiner mechanischen Eigenschaften einer konventionellen Wärmebehandlung unterzogen werden, bei der er für 2–4 Stunden erwärmt, anschließend unter einer mit einem Druck von 1–4,5 bar beaufschlagten Stickstoffatmosphäre abgeschreckt und schließlich über 6–8 Stunden bei 480°C ausgelagert wird. Erfindungsgemäßer Stahl weist nach einer derartigen Wärmebehandlung regelmäßig eine Härte von mehr als 62 HRC auf. Durch eine Erwärmung unter Vakuum und eine Abschreckung in einer Inertgasatmosphäre werden negative Einflusszonen im Randbereich des für die Wärmebehandlung jeweils aus dem Stahl geformten Halbzeugs vermieden.
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Beschränkt sich die Wärmebehandlung auf eine Weichglühung bei 850°C über 2–4 Stunden, so besitzt der erfindungsgemäße Stahl eine Härte von mehr als 50 HRC.
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Nachfolgend wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert. Die Figuren zeigen:
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1 einen Ausschnitt einer rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme eines Schnitts einer erfindungsgemäßen Probe;
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2 ein Diagramm, in dem die Ergebnisse der Messung der Wärmeleitfähigkeit von erfindungsgemäßen und zum Vergleich erzeugten Stahlproben dargestellt sind;
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3 ein Diagramm mit dem Ergebnis einer an erfindungsgemäßen und zum Vergleich erzeugten Stahlproben durchgeführten Stromdichte-Potenzial-Messung;
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4 ein Diagramm, das das Ergebnis einer Dilatometermessung an einer aus erfindungsgemäßem Stahl erzeugten Probe wiedergibt.
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Zum Vergleich der Eigenschaften eines erfindungsgemäßen Stahls, der für die Herstellung von Lochplatten oder Messern für eine Unterwasser-Granuliermaschine bestimmt ist, mit den Eigenschaften eines bekannten, für denselben Verwendungszweck vorgesehenen Stahls sind der erfindungsgemäße Stahl E und der bekannte Stahl V erzeugt worden. Die Zusammensetzung beider Stähle E und V ist in Tabelle 1 angegeben.
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Die Zusammensetzung des Stahls V entsprach dabei der Zusammensetzung des unter der Bezeichnung ”Ferro-Titanit Nikro 128” bekannten, beispielsweise in der oben bereits genannten Veröffentlichung dokumentierten Stahls. Die bei der pulvermetallurgischen Herstellung beider Stähle E, V absolvierten Arbeitsschritte entsprachen den Arbeitsschritten, die üblicherweise bei der pulvermetallurgischen Erzeugung des Stahls ”Ferro-Titanit Nikro 128” ausgeführt werden. Sie sind in der oben bereits erwähnten Fachliteratur erläutert.
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Nach der pulvermetallurgischen Erzeugung sind Proben PE1, PV1 der Stähle E und V einer Wärmbehandlung unterzogen worden, die ebenfalls der beim Stahl Ferro-Titanit Nikro 128 standardmäßig absolvierten Wärmebehandlung entsprach. Dazu sind die Proben PE1 und PV1 zunächst über eine Dauer von zwei bis vier Stunden im Vakuum bei einer Temperatur von 850°C gehalten worden und anschließend unter einer mit 1–4,5 bar druckbeaufschlagten Stickstoffatmosphäre abgeschreckt worden. Anschließend erfolgt eine Aushärtebehandlung, bei der die Proben PE1,PV1 jeweils für sechs bis acht Stunden bei einer Temperatur von 480°C ausgelagert worden sind.
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1 zeigt einen Ausschnitt einer rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme eines Schnitts einer Probe PE1 des derart standardmäßig wärmebehandelten erfindungsgemäßen Stahls E. Die Metallmatrix ist durch die hellen Bereiche erkennbar, wogegen die von der Matrix umgebenen TiC-Einschlüsse dunkel wiedergegeben sind.
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Andere aus den Stählen E und V bestehende Proben PE2, PV2 sind einer über ebenfalls 2–4 Stunden sich erstreckenden Weichglühung bei 850°C unterzogen worden.
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An den Proben PE1, PV1, PE2, PV2 sind die Hartphasengehalte bestimmt worden. Sie lagen bei den aus dem erfindungsgemäßen Stahl PE1, PE2 erzeugten Proben im Mittel bei mehr als 30 Gew.-%, wogegen die aus dem Vergleichsstahl V erzeugten Proben PV1, PV2 im Mittel nur 30 Gew.-% Hartphasen aufwiesen.
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Zur Bestimmung der Härte der verschiedenen Proben PE1, PE2, PV1, PV2 wurden fünf Härtemessungen gemäß DIN EN ISO 6508-1 durchgeführt. Die Mittelwerte der so für die Proben PE1, PE2, PV1, PV2 erfassten Messwerte sind in Tabelle 2 angegeben. Es zeigt sich, dass die Härte der erfindungsgemäßen Proben PE1, PE2 jeweils höher lag als die Härte der Vergleichsproben.
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Des Weiteren ist die temperaturabhängige Wärmeleitfähigkeit λ(T) mit Hilfe der indirekten Methode bei Raumtemperatur, 100°C, 200°C und 300°C, bestimmt worden: λ(T) = a(T) × ρ(T) × cρ(T) mit a(T): Temperaturleitfähigkeit, gemessen mittels Laserflash, wie in Linseis Messgeräte GmbH: Instruction Manual LFA 1250/1600 – Laser Flash: Thermal constant analyser, 2010, oder ASTM International E 1461-01: Standard Test Method for Thermal Diffusivity by the Flash Method, 2001, erläutert;
ρ(T): die Dichte der jeweiligen Probe, gemessen mit dem Dilatometer;
cρ(T): die spezifische isobare Wärmekapazität der Probe, ermittelt durch Dynamische Differenzkalorimetrie (”DSC”).
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Das Ergebnis dieser Untersuchung ist für die Proben PE1 und PV1 in 2 dargestellt. Es zeigt sich, dass die Wärmeleitfähigkeit bei der aus dem erfindungsgemäßen Stahl E erzeugten Probe PE1 jeweils niedriger war als bei der Probe PV1, die aus dem Vergleichsstahl V gefertigt worden ist. Die geringe Wärmeleitfähigkeit der erfindungsgemäßen Probe PE1 ist im Hinblick auf den hier vorgesehenen Verwendungszweck der Stähle E und V vorteilhaft.
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Der TiC-Gehalt der erfindungsgemäßen Proben PE1, PE2 betrug, wie in Tabelle 1 angegeben, jeweils mehr als 30 Gew.-%.
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Die Dichte der aus dem erfindungsgemäßen Stahl E erzeugten Proben PE1, PE2 betrug 6,55 g/cm3, womit die theoretische Dichte erreicht wurde. Wie aus 1 hervorgeht, weist das Gefüge keine Restporösitäten auf.
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Das Ergebnis einer an aus dem erfindungsgemäßen Stahl E erzeugten Proben PE1 und aus dem Vergleichsstahl V erzeugten Proben PV1 durchgeführten Stromdichte-Potenzial-Messung ist in 3 dargestellt. Darin ist die für die Proben PE1 ermittelte Stromdichte-Potenzialkurve als durchgezogene Linie und die für die Proben PV1 ermittelte Stromdichte-Potenzialkurve als gestrichelte Linie dargestellt. Die Stromdichte-Potenzialkurven wurden in sauerstofffreier 0,5 molarer Schwefelsäure mit in einer Potenzialänderungsgeschwindigkeit von 600 mV/h gegen eine Kalomel-Bezugselektrode bei 20°C gemessen. Auch die für die erfindungsgemäßen Proben PE1 ermittelten Passivstromdichten lagen jeweils unter 5 μA/cm2.
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Für die aus dem erfindungsgemäßen Stahl E erzeugten Proben PE1 ist das E-Modul mittels Ultraschall in Abhängigkeit von der Schallausbreitungsgeschwindigkeit auf 318 GPa bestimmt worden. Das E-Modul der konventionellen Proben PV1 lag dagegen bei 294 GPa.
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Tabelle 3 gibt einen Überblick über die thermische Ausdehnung des Stahls E. Gemessen wurde diese mittels eines Bähr Dilatometers in Temperaturschritten von 100°C bis zu einer Maximaltemperatur von 600°C. Es ist zu erkennen, dass der thermische Ausdehnungskoeffizient α
th in diesem Temperaturbereich zwischen 7 und 12 10
–6/K liegt. Ergänzend dazu zeigt
4 exemplarisch das Ergebnis einer Dilatometermessung an einer aus dem erfindungsgemäßen Stahl erzeugten Probe PE1, die dieses Ergebnis bestätigt.
Stahl | Cr | Mo | Ni | Co | Cu | Ti | Al | TiC | NbC |
E | 13,5 | 7,0 | 5,0 | 9,0 | 0,8 | 1,0 | 1,2 | 33 | 2,5 |
V | 13,5 | 5,0 | 4,0 | 9,0 | 0,8 | 1,0 | 1,0 | 30 | - |
Tabelle 1 Angaben in Gew.-%, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen
Probe | mittlere Härte HRC |
PE1 | 65 |
PV1 | 62 |
PE2 | 54 |
PV2 | 53 |
Tabelle 2
Temperatur [°C] | αth |
100 | 8,4 |
200 | 8,7 |
300 | 9,0 |
400 | 9,2 |
500 | 9,4 |
600 | 9,7 |
Tabelle 3
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- AISI-Bezeichnung: D2 [0007]
- AISI-Bezeichnung: M2 [0008]
- AISI-Bezeichnung: 440A [0009]
- Datenblatt ”Ferro-Titanit Nikro 128”, enthalten in der Broschüre ”Ferro-Titanit – Die Härte aus Krefeld”, 06/2001, veröffentlicht von der Deutsche Edelstahlwerke GmbH [0011]
- Horst Hill ist in seiner Dissertation ”Neuartige Metallmatrixverbundwerkstoffe (MMC) zur Standzeiterhöhung verschleißbeanspruchter Werkzeuge in der polymerverarbeitenden Industrie”, Bochum Univ. Diss. 2011, veröffentlicht beim Selbstverlag des Lehrstuhls Werkstofftechnik, Ruhr-Universität Bochum, ISBN 978-3-943063-08-0 [0012]
- Foller, M.; Meyer, H.; Lammer, A.: Wear and Corrosion of Ferro-Titanit and Competing Materials [0040]
- Tool steels in the next century: Proceedings of the 5th International Conference an Tooling, September 29th – October 1st, University of Leoben, Austria, 1999, S. 1–12 [0040]
- H. Hill, S. Weber, W. Theisen, A. van Bennekom, Optimierung korrosionsbeständiger MMC mit hohem Verschleißwiderstand, 30. Hagener Symposium, 24.–25.11.2011 [0040]
- Dissertation von Horst Hill [0040]
- DIN EN ISO 6508-1 [0054]
- Linseis Messgeräte GmbH: Instruction Manual LFA 1250/1600 – Laser Flash: Thermal constant analyser, 2010 [0055]
- ASTM International E 1461-01: Standard Test Method for Thermal Diffusivity by the Flash Method, 2001 [0055]