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Die vorliegende Erfindung betrifft eine gaserzeugende Masse zur Verwendung in einer Sicherheitseinrichtung für Fahrzeuge, mit einem thermoplastischen Bindemittel als Brennstoff und einem Oxidationsmittel für das Bindemittel sowie deren Verwendung.
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Aus dem Stand der Technik sind zahlreiche extrudierbare pyrotechnische Zusammensetzungen mit einem thermoplastischem Bindemittel als Brennstoff bekannt. Diese Zusammensetzungen bestehen neben dem thermoplastischem Bindemittel im allgemeinen aus einem Weichmacher für das Bindemittel sowie aus Oxidationsmitteln und gegebenenfalls Zusatzbrennstoffen und weiteren Additiven. Darüber hinaus sind extrudierbare gaserzeugende Massen bekannt, die als Brennstoff ein Bindemittel auf der Grundlage von Silikonharzen verwenden.
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Die
DE 44 46 976 B4 beschreibt eine extrudierbare pyrotechnische Zusammensetzung, die im wesentlichen aus einem thermoplastischen Bindemittel mit einer zahlengemittelten Molekülmasse von 10000 bis 300000, einem Weichmacher für das Bindemittel sowie Oxidatoren besteht. Der Weichmacher ist ein bei Umgebungstemperatur flüssiges Polybutadien mit einer zahlengemittelten Molekülmasse von 1500 bis 7500, das an einigen seiner ethylenisch ungesättigten Bindungen Silylferrocengruppen aufweist. Als thermoplastische Bindemittel eignen sich insbesondere thermoplastische Elastomere, vorzugsweise auf der Basis von Blockcopolymeren, die hauptsächlich aus Blöcken mit Polyethereinheiten und Blöcken mit Polyamideinheiten bestehen. Als Oxidatoren werden insbesondere Ammoniumperchlorat oder ein Alkalimetallnitrat verwendet. Bei einem Ausführungsbeispiel werden die Komponenten der pyrotechnischen Zusammensetzung in Gegenwart eines Lösungsmittels miteinander vermischt und anschließend extrudiert.
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Aufgrund der Verwendung siliziumhaltiger Bindemittel oder Weichmacher in den bekannten pyrotechnischen Zusammensetzungen entsteht bei der Verbrennung jedoch SiO2 als Abbrandprodukt. Dadurch wird nicht nur die Gasausbeute gesenkt, sondern auch der Anteil an Partikeln im Abbrand dermaßen erhöht, daß die USCAR-Spezifikation (eine von der United States Council for Automotive Research eingeführte Industrienorm) nur durch Verwendung zusätzlicher Filter eingehalten werden kann. Die hohen Abbrandtemperaturen der bekannten Treibstoffe, die in der Größenordnung von 2500 K liegen, können in Kombination mit heißen, festen Partikeln, wie z. B. SiO2, außerdem zu einer Beschädigung des Gassackgewebes führen. Zur Vermeidung einer solchen Beschädigung des Gassackgewebes müssen bisher aufwendige Maßnahmen wie die Verwendung von beschichteten Gassackgeweben getroffen werden.
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Aus der
US 6 593 444 B2 ist die Herstellung eines thermoplastischen Polyurethans bekannt, das eine aus Polytrimethylencarbonatdiol gebildete Weichsegmentphase und eine aus einem Isocyanat und einem Kettenverlängerer gebildete Hartsegmentphase aufweist. Geeignete Isocyanate sind z. B. Isophorondiisocyanat, Methylendiphenyidiisocyanat, Hexamethylendiisocyanat sowie hydriertes Methylendiphenyldiisocyanat. Als Kettenverlängerer eignen sich insbesondere Glykole wie beispielsweise Ethylenglykol, Propylenglykol, Propandiol, Butandiol und Hexandiol. Die Konzentration der Hartsegmentphase in diesem thermoplastischen Polyurethan beträgt zwischen 10 und 55 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung.
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Es besteht weiter Bedarf für eine extrudierbare gaserzeugende Masse, die physiologisch unbedenklich sowie leicht verarbeitbar ist, und die unter Bildung eines ungiftigen Verbrennungsgases abbrennt, das im wesentlichen frei von fasten Partikeln ist. Für den Einsatz in Hybridgasgeneratoren oder Gurtstraffern sind zudem eine ausreichend hohe Abbrandgeschwindigkeit und eine hohe Verbrennungstemperatur wünschenswert.
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Diese Aufgabe wird von einer gaserzeugenden Masse zur Verwendung in einer Sicherheitseinrichtung für Kraftfahrzeuge gelöst, die als Brennstoff ein thermoplastisches Bindemittel und ein Oxidationsmittel für das Bindemittel umfaßt, wobei das thermoplastische Bindemittel ein thermoplastisches Polyurethan ist, das eine aus einem Polyester und einem Polycarbonat oder einem Polycarbonat gebildete Weichsegmentphase und eine aus einem Isocyanat und einem Kettenverlängerer gebildete Hartsegmentphase aufweist.
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Die Verwendung eines thermoplastischen Polyurethans mit einer Weichsegmentphase aus einem Polyester und einem Polycarbonat oder einem Polycarbonat ermöglicht die Bereitstellung einer gaserzeugenden Masse, die gute mechanische Eigenschaften aufweist, wie z. B. eine gute Flexibilität bei Temperaturen zwischen –40°C und 90°C, und die ohne Weichmacher zu extrudierten Formkörpern verarbeitet werden kann. Darüber hinaus ist es möglich, die Polyester-Weichsegmentphase leicht auf einen hohen Sauerstoffgehalt und eine gute Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln zu optimieren. Durch den höheren Sauerstoffgehalt des Bindemittels kann dann die Menge an Oxidationsmittel verringert werden, die für eine vollständige Umsetzung des Bindemittels benötigt wird. Auf diese Weise werden nicht nur die Mengen an Verbrennungsrückständen reduziert, sondern auch die mechanischen Eigenschaften der gaserzeugenden Masse sowie deren Verarbeitbarkeit verbessert, da anteilig mehr Bindemittel in der Masse zur Verfügung steht. Die erfindungsgemäße gaserzeugende Masse ist außerdem physiologisch unbedenklich und brennt unter Bildung eines ungiftigen Verbrennungsgases ab, das im wesentlichen frei von größeren fasten Partikeln ist. Somit ist eine Beschädigung auch unbeschichteter Gassackgewebe durch heiße Schlackenreste ausgeschlossen, ohne daß aufwendige Filter vorgesehen werden müssen.
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Thermoplastische Polyurethane weisen im allgemeinen eine zweiphasige Morphologie auf, und zwar eine kontinuierliche Weichphase sowie eine darin dispergierte Hartphase aus einem Isocyanat und einem Kettenverlängerer. Die Hartphase ist für das Verhalten bei hohen Temperaturen, d. h. den Schmelzbereich, und für die Festigkeit des Materials verantwortlich. Die Weichsegmentphase hingegen beeinflußt die Flexibilität des Materials.
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Das Isocyanat, aus dem die Hartsegmentphase des thermoplastischen Polyurethans der erfindungsgemäßen gaserzeugenden Masse gebildet ist, ist vorzugsweise ein Diisocyanat, das aus der aus Methylendiphenyldiisocyanat (MDI), Ditolyldiisocyanat (TODI) Paraphenylendiisocyanat (PPDI), Isophorondiisocyanat (IPDI), Toluylendiisocyanat (TDI), Hexamethylendiisocyanat (HDI) und hydriertem Methylendiphenyldiisocyanat (H12MDI) bestehenden Gruppe und deren Gemische ausgewählt sein kann. Die Auswahl des Hartsegments beeinflußt insbesondere die Löslichkeit des thermoplastischen Polyurethans in organischen Lösungsmitteln. Besonders bevorzugt ist ein thermoplastisches Polyurethan mit einem Hartsegment aus 4,4'-MDI und 1,4-Butandiol, das sich sowohl durch eine gute Löslichkeit in niedrigsiedenden organischen Lösungsmitteln als auch durch gute mechanische Eigenschaften auszeichnet.
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Der Kettenverlängerer kann erfindungsgemäß aus der aus Ethylenglykol, Propandiol und Butandiol bestehenden Gruppe und Gemischen davon ausgewählt sein. Als Propandiol eignet sich sowohl 1,2-Propandiol als auch 1,3-Propandiol. Als Butandiol eignet sich insbesondere 1,4-Butandiol, wobei aber auch 1,2-Butandiol oder 1,3-Butandiol eingesetzt werden können.
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Da der Sauerstoffgehalt der Hartsegmentphase nur wenig variabel ist, wird ein niedriger Anteil der Hartsegmentphase im thermoplastischen Polyurethan angestrebt. Erfindungsgemäß beträgt der Anteil des Hartsegments im thermoplastischen Polyurethan daher vorzugsweise zwischen 15 und 40 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des TPU. Die Weichsegmentphase stellt somit den Hauptanteil des thermoplastischen Polyurethans der erfindungsgemäßen gaserzeugenden Masse dar.
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Dagegen soll der Sauerstoffanteil in der Weichsegmentphase möglichst hoch sein, damit der Anteil an Oxidationsmitteln in der gaserzeugenden Masse reduziert und trotzdem eine ausgeglichene Sauerstoffbilanz der Masse erzielt werden kann.
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Erfindungsgemäß ist die Weichsegmentphase des thermoplastischen Polyurethans aus einem Polyester und einem Polycarbonat oder einem Polycarbonat gebildet. Gemäß einer ersten Ausführungsform der Erfindung ist der Polyester aus einer organischen Dicarbonsäure und einem Diol gebildet, wobei die Dicarbonsäure aus der aus Oxalsäure, Malonsäure, Bernsteinsäure, Glutarsäure und Adipinsäure bestehenden Gruppe sowie Gemischen davon ausgewählt ist. Das Diol sollte aus Gründen einer optimalen Sauerstoffbilanz möglichst kurzkettig sein und kann daher aus der aus Ethylenglykol, 1,2-Proppandiol und 1,3-Propandiol bestehenden Gruppe und Gemischen davon ausgewählt sein. Es können auch Mischungen der vorgenannten Säuren und zweiwertigen Alkohole in jedem Verhältnis zueinander eingesetzt werden. Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung besteht die Weichsegmentphase aus Blöcken des aus der organischen Dicarbansäure und dem Diol gebildeten Polyesters.
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Erfindungsgemäß umfasst die Weichsegmentphase Polycarbonate als formale Ester der Kohlensäure. Bevorzugt sind die Polycarbonate von Diolen mit 3 bis 6 Kohlenstoffatomen, insbesondere von Propandiol oder Hexandiol, gebildet. Ganz besonders bevorzugt ist Polytrimethylencarbonat. Die Weichsegmentphase des erfindungsgemäß verwendeten thermoplastischen Polyurethans kann auch ein Mischpolymerisat des Polycarbonats mit dem vorgenannten Polyester aus einer organischen Dicarbonsäure und einem Diol sein.
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Das zahlengemittelte Molekulargewicht des Polyesters bzw. des Polycarbonats im thermoplastischen Polyurethan beträgt vorzugsweise zwischen 500 und 5000 g/mol.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der vorliegenden Erfindung besteht die Weichsegmentphase des thermoplastischen Polyurethans aus Polytrimethylencarbonatblöcken, und die Hartsegmentphase ist aus einem der oben beschriebenen Diisocyanate und einem Kettenverlängerer gebildet. Die Herstellung solcher thermoplastischer Polyurethane ist aus der
US 6 593 444 B2 bekannt.
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Bei einer weiteren erfindungsgemäßen Ausführungsform besteht die Weichsegmentphase des thermoplastischen Polyurethans aus Polytrimethylencarbonatblöcken und Blöcken des aus den oben genannten organischen Dicarbonsäuren mit einem Diol, insbesondere Ethylenglykol und/oder Propandiol, gebildeten Polyesters. Die Verwendung solcher gemischten Blockpolymere hat den Vorteil, daß die resultierenden thermoplastischen Polyurethane niedrige Glasübergangstemperaturen und eine verbesserte Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln, wie z. B. Tetrahydrofuran (THF), aufweisen.
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So sind thermoplastische Polyurethane auf der Grundlage von Polytrimethylencarbonat mit einer Hartsegmentphase aus MDI und Butandiol in Tetrahydrofuran nur schwer löslich und haben eine Glasübergangstemperatur von über 0°C. Die Glasübergangstemperatur kann durch Verwendung eines Gemisches aus Polytrimethylencarbonat mit einem oder mehreren Polyestern reduziert werden. Als zweite Komponente kann beispielsweise ein Polyester aus Bernsteinsäure und 1,3-Propandiol eingesetzt werden, der amorph und daher leicht löslich ist, und der dem resultierenden thermoplastischen Polyurethan gleichzeitig eine hohe Zugfestigkeit verleiht. Das Mischungsverhältnis zwischen Polytrimethylencarbonat und Polypropandiolsuccinat kann entsprechend der erforderlichen Löslichkeit und Glasübergangstemperaturen eingestellt werden.
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Bevorzugt sind außerdem die thermoplastischen Polyurethane mit einer Weichsegmentphase auf der Grundlage des Polyesters von Propandiol und Bernsteinsäure sowie einer Hartsegmentphase aus MDI und 1,4-Butandiol. Diese thermoplastischen Polyurethane zeichnen sich durch einen niedrigen Glasübergangspunkt und eine geringe Shore-A-Härte aus und sind besonders gut löslich in THF.
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Die vorgenannten Formulierungen können hinsichtlich der Sauerstoffbilanz des thermoplastischen Polyurethans noch verbessert werden, indem ein Teil des Propandiols durch Ethylenglykol ersetzt wird. In der Folge nimmt zwar die Löslichkeit der thermoplastischen Polyurethane in THF ab und die Glasübergangstemperatur (Tg) sowie die Festigkeit und die Härte nehmen zu. Es lassen sich dadurch aber für den jeweiligen Anwendungsfall der erfindungsgemäßen gaserzeugenden Masse maßgeschneiderte thermoplastische Polyurethane formulieren.
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Das thermoplastische Polyurethan weist bevorzugt einen Schmelzpunkt von wenigstens 100°C auf. Dadurch wird gewährleistet, daß die erfindungsgemäße gaserzeugende Masse nach den jetzt geltenden Produktspezifikationen der Automobilindustrie einer Warmlagerung von 408 Stunden bei 110°C standhält und auch unter den normalen Betriebsbedingungen in einem Kraftfahrzeug bei Temperaturen zwischen –40°C bis 90°C stabil ist sowie ihre mechanischen Eigenschaften unter Erhalt der vollen Funktionsfähigkeit beibehält. Der Glasübergangspunkt des thermoplastischen Polyurethans liegt vorzugsweise bei oder unter –8°C, insbesondere zwischen –10°C und –20°C.
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Die Sauerstoffbilanz des thermoplastischen Polyurethane beträgt bevorzugt über –180%, und besonders bevorzugt zwischen –170 und –150%. Unter der „Sauerstoffbilanz” einer Verbindung oder einer gaserzeugenden Masse wird diejenige Sauerstoffmenge in Gew.-% verstanden, die bei vollständiger Umsetzung der jeweiligen Verbindung bzw. der gaserzeugenden Masse zu CO2, H2O, Al2O3, B2O3 etc. frei wird (Sauerstoffüberschuss). Reicht der vorhandene Sauerstoff hierzu nicht aus, so wird die zum vollständigen Umsatz notwendige Fehlmenge mit negativem Vorzeichen angegeben (Sauerstoffunterschuss). Die Verwendung von sauerstoffreichen Bindemitteln in den erfindungsgemäßen gaserzeugenden Massen gestattet eine Reduzierung des Oxidationsmittelanteils. Durch den geringeren Anteil an anorganischen Bestandteilen kann einerseits die Gasausbeute verbessert werden. Andererseits werden so die mechanischen Eigenschaften des thermoplastischen Polyurethans weniger beeinträchtigt.
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Vorzugsweise ist das thermoplastische Polyurethan in einem organischen Lösungsmittel mit einem Siedepunkt von höchstens 70°C löslich. Dies ermöglicht eine schonende Herstellung der gaserzeugenden Masse durch Extrudieren im Nassprozess.
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Das Lösungsmittel ist aus der Gruppe der Ether, Alkohole, Ketone oder deren Mischungen bestehenden Gruppe ausgewählt. Vorzugsweise ist das Lösungsmittel ein cycloaliphatischer Ether, und besonders bevorzugt Tetrahydrofuran. Die gute Löslichkeit in niedrigsiedenden organischen Lösungsmitteln, insbesondere in Tetrahydrofuran, gestattet eine schonende Verarbeitung der gaserzeugenden Masse im Extruder bei niedrigen Temperaturen, so daß die Gefahr einer Selbstentzündung der gaserzeugenden Masse bei der Herstellung deutlich verringert ist.
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Das Oxidationsmittel der erfindungsgemäßen gaserzeugenden Masse ist vorzugsweise aus der Gruppe der Chlorate, Perchlorate, Oxide, Peroxide, Hydroxide, Nitrate, Nitramide, Dinitramide und Carbonate sowie deren Mischungen ausgewählt. Besonders bevorzugt umfaßt das Oxidationsmittel Ammoniumperchlorat und/oder Kaliumperchlorat.
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Falls die gaserzeugende Masse ein chlorhaltiges Oxidationsmittel wie Ammonium- oder Kaliumperchlorat enthält, kann ferner ein Chloridfänger aus der Gruppe der Alkali-, Erdalkali- oder Übergangsmetallverbindungen zugesetzt werden. Besonders bevorzugt umfaßt der Chloridfänger ein Alkalinitrat, vorzugsweise Natriumnitrat, und/oder Eisenoxid. Aufgabe des Chloridfängers ist es, die beim Abbrand der gaserzeugenden Masse für einen Fahrzeuginsassen schädliche Salzsäure abzufangen und in physiologisch unbedenkliche Verbindungen zu überführen. Die bei der Reaktion von Salzsäure mit den vorgenannten Chloridfängern entstehenden Verbindungen wie NaCl, KCl und FeCl3 sind unter den Abbrandbedingungen üblicherweise gasförmig und kondensieren erst später zu sehr feinen Partikeln. Diese feinen Partikel führen im Gegensatz zu grobkörnigen Siliciumdioxid-Schlackenresten nicht zu einer Beschädigung des Gassackgewebes.
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Die gaserzeugende Masse kann ferner einen Abbrandmoderator oder einen Katalysator umfassen. Der Abbrandmoderator bzw. der Katalysator ist bevorzugt aus der Gruppe der Übergangsmetallverbindungen, insbesondere der Übergangsmetalloxide ausgewählt. Als Abbrandmoderator können auch Kohlenstoffe wie Graphit oder Ruß verwendet werden, die kostengünstig erhältlich sind und vollständig, d. h. rückstandsfrei, umgesetzt werden. Außerdem können energetische Zuschlagstoffe, wie Hexogen, Oktogen, Guanidinnitrat, Nitroguanidin, Triaminoguanidinnitrat, Harnstoffnitrat, Nitroharnstoff, Nitropenta, 3-Nitro-1,2,4-triazol-5-on (NTO), N,N'-Dinitroammelin oder deren Mischungen als Abbrandmoderatoren in der gaserzeugenden Masse enthalten sein. In manchen Fällen können sich die Funktionsweisen der einzelnen Inhaltsstoffe überschneiden. So kann Eisenoxid beispielsweise sowohl als Chloridfänger als auch als Abbrandmoderator bzw. Katalysator dienen.
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Die erfindungsgemäße gaserzeugende Masse ist vorzugsweise weichmacherfrei. Da somit keine Veränderung der mechanischen Eigenschaften durch Ausbluten des Weichmachers erfolgen kann, bleiben die erfindungsgemäßen Massen während der gesamten Fahrzeuglebensdauer mechanisch stabil.
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Der Anteil des thermoplastischen Polyurethans in der erfindungsgemäßen gaserzeugenden Masse beträgt vorzugsweise zwischen 5 und 30 Gew.-%. Der Oxidationsmittelanteil kann zwischen 40 und 85 Gew.-% variieren. Zusätzlich kann die Zusammensetzung einen oder mehrere Chloridfänger in einem Anteil von zwischen 0 und 40 Gew.-% enthalten. Besonders bevorzugte Zusammensetzungen enthalten 10 bis 30 Gew.-% Bindemittel, 40 bis 50 Gew.-% Oxidationsmittel und 30 bis 40 Gew.-% Alkalinitrat als Chloridfänger bzw. 5 bis 20 Gew.-% Bindemittel, 65 bis 75 Gew.-% Oxidationsmittel und 5 bis 20 Gew.-% Eisenoxid als Chloridfänger. Falls kein Chloridfänger eingesetzt wird, beträgt der Anteil des thermoplastischen Polyurethans bevorzugt zwischen 15 und 25 Gew.-% und der Oxidationsmittelanteil zwischen 75 und 85 Gew.-%. Die weiteren Zuschlagsstoffe wie Abbrandmoderatoren und Katalysatoren liegen vorzugsweise in einem Anteil von additiv bis zu 5 Gew.-% vor, bezogen auf die Anteile an thermoplastischem Polyurethan, Oxidationsmittel und Chloridfänger.
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Ein Verfahren zur Herstellung einer erfindungsgemäßen gaserzeugenden Masse ist durch die folgenden Schritte gekennzeichnet:
Lösen des thermoplastischen Polyurethans in einem organischen Lösungsmittel mit einem Siedepunkt von höchstens 70°C;
Vermischen des gelösten thermoplastischen Polyurethans mit dem Oxidationsmittel sowie gegebenenfalls weiteren Zusatzstoffen aus der Gruppe der Chloridfänger, Abbrandmoderatoren und Katalysatoren unter Bildung einer Aufschlämmung der gaserzeugenden Masse;
Entfernen des Lösungsmittels; und
Extrudieren der gaserzeugenden Masse.
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Das Entfernen des Lösungsmittels kann durch vorsichtiges Erhitzen bis zum Siedepunkt des Lösungsmittels erfolgen, mit und ohne den Einsatz eines Vakuums. Vorzugsweise erfolgt die Verarbeitung der gaserzeugenden Masse, einschließlich der Schritte des Lösens des thermoplastischen Polyurethans, des Vermischen und des Entfernen des Lösungsmittels sowie des Extrudierens bei einer Temperatur von höchstens 40°C, besonders bevorzugt zwischen 20°C und 35°C.
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Durch dieses Verfahren wird eine schonende Herstellung der gaserzeugenden Masse sichergestellt, da die Mischungskomponenten einer deutlich geringeren Belastung während des Verarbeitungsprozesses unterliegen. Dies ermöglicht eine größere Auswahl an geeigneten Oxidationsmitteln sowie an weiteren Additiven, wie z. B. den vorstehend genannten energetischen Zuschlagstoffen. Zudem ist die Gefahr einer Selbstentzündung der gaserzeugenden Masse bei ihrer Herstellung deutlich verringert.
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Die vorliegende Erfindung betrifft ferner die Verwendung der erfindungsgemäßen gaserzeugenden Masse in einer Sicherheitseinrichtung für Kraftfahrzeuge. Besonders bevorzugt umfaßt die Sicherheitseinrichtung einen Gasgenerator, und die gaserzeugende Masse ist in den Gasgenerator eingebracht. Die Sicherheitseinrichtung kann ein Gassackmodul, ein Gurtstraffer oder ein pneumatischer Kniefänger sein.
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Weitere Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele, die jedoch nicht in einem einschränkenden Sinn verstanden werden sollen.
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Ausführungsbeispiele 1 bis 6: Herstellung der thermoplastischen Polyurethane
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Die Herstellung der in den erfindungsgemäßen gaserzeugenden Massen verwendeten thermoplastischen Polyurethane erfolgte nach dem One-Shot-Verfahren. Dazu wurden alle zur Herstellung der thermoplastischen Polyurethane benötigten Ausgangsstoffe, d. h. das Polyesterdiol und/oder das Polytrimethylencarbonatdiol sowie das Diisocyanat und der Kettenverlängerer, zusammen bei einer Temperatur von 100 bis 220°C unter Bildung des jeweiligen thermoplastischen Polyurethans umgesetzt.
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In Tabelle 1 sind beispielhafte, mit dem One-Shot-Verfahren hergestellte thermoplastische Polyurethane aufgelistet. Die Weichsegmentphase der thermoplastischen Polyurethane gemäß den Beispielen 1 bis 3 ist aus einem Polyester von Bernsteinsäure und Gemischen von 1,3-Propandiol und Ethylenglykol im jeweils angegebenen Mischungsverhältnis gebildet. In den Beispielen 4 und 5 besteht die Weichsegmentphase aus dem Polyester von Bernsteinsäure und Propandiol. Beispiel 6 zeigt ein thermoplastisches Polyurethan mit einer Weichsegemtphase, die Polymerblöcke von Polytrimethylencarbonat (PTMC) und Polypropandiolsuccinat aufweist. Das zahlengemittelte Molekulargewicht Mn der Polyesterblöcke bzw. Polycarbonatblöcke betrug in den Beispielen 1 bis 6 jeweils ca. 1500 g/mol. In allen Beispielen wurde ein aus Methylendiphenyldiisocyanat (MDI) und 1,4-Butandiol als Kettenverlängerer gebildetes Hartsegment verwendet.
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In Tabelle 2 sind ausgewählte Eigenschaften der so erhaltenen thermoplastischen Polyurethane angegeben. Die Sauerstoffbilanz der thermoplastischen Polyurethane aus den Beispielen 1 bis 6 wurde aus den theoretischen Elementardaten berechnet. Diese wurden anhand der klassischen CHN-Analyse im Rahmen der Messgenauigkeit bestätigt. Der Glasübergangspunkt wurde mittels Differentialthermoanalyse (DSC) anhand der Halbstufen ermittelt. Die Festigkeit wurde gemäß DIN 53504 an S2-Zugstäben ermittelt, die aus einer durch Formpressen bei 200°C hergestellten Prüfplatte ausgestanzt wurden. Tabelle 1:
Bsp. | Polyester-Formulierung | TPU-Formulierung |
| Mol.-% Propandiol | Mol.-% Ethylenglykol | Masse PTMC | Masse % Polyester | Teile MDI/ 100 Teile Polyol | NCO-Index |
1 | 50 | 50 | 0 | 100 | 25 | 0,99 |
2 | 50 | 50 | 0 | 100 | 30 | 0,99 |
3 | 20 | 80 | 0 | 100 | 30 | 0,99 |
4 | 100 | 0 | 0 | 100 | 35 | 0,99 |
5 | 100 | 0 | 0 | 100 | 30 | 0,99 |
6 | 100 | 0 | 50 | 50 | 30 | 0,98 |
Tabelle 2:
Bsp. | Eigenschaften |
| Löslichkeit in THF | Smp. (°C) | Tg (°C) | Festigkeit (MPa) | O2-Bilanz |
1 | löslich | 110 | –16 | 23 | –158 |
2 | löslich | 120 | –12 | 26 | –160 |
3 | trübe
löslich | 120 | –8 | 17 | –156 |
4 | löslich | 140 | –19 | 21 | –168 |
5 | löslich | 110 | –18 | 14 | –166 |
6 | löslich | 135 | –13 | 15 | –157 |
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Ausführungsbeispiele 7 bis 10: Herstellung von extrudierten gaserzeugenden Massen
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Extrudierte gaserzeugende Massen, welche die thermoplastischen Polyurethane gemäß den Beispielen 1 bis 6 als Bindemittel enthalten, wurden entsprechend dem folgenden allgemeinen Verfahren hergestellt.
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36,8 g (16 Gew.-%) eines thermoplastischen Polyurethans wurden in 110,4 g THF bei Raumtemperatur gerührt oder geschüttelt, bis eine klare, etwa 25%ige Lösung entstand. Das Bindemittel-Lösungsmittelgemisch wurde in einem Laborkneter (z. B. Fa. Grabender, Plasticorder-Messkneter Typ 350) vorgelegt. Danach wurden 172,18 g (74 Gew.-%) Ammoniumperchlorat (APC), 21,99 g (10 Gew.-%) Fe2O3 und 0,46 g (additiv 0,2 Gew.-%) Ruß (z. B. Printex L, Fa. Degussa) hinzugefügt und der Kneter verschlossen. Nach 20 min Mischen im verschlossenen Kneter wurde der Verschlusskolben entfernt und der Ansatz offen, bei einer Temperatur von ca. 24°C weiter geknetet. Der Verlauf des Abdampfens des Lösungsmittels wurde über das Drehmoment des Kneters überwacht, das nach ca. 55 bis 65 min. stark anstiegt. Bei einem Drehmoment von ca. 13 bis 19 Nm wurde der Kneter gestoppt und die Masse in einen Laborextruder (z. B. Fa. Brabender, Messextruder 1/25D) überführt. Der Restlösemittelgehalt der Masse betrug noch ca. 11%.
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Durch entsprechende Wahl der Extrusionsmatrize ließen sich alle dem Fachmann bekannten Stranggeometrien (z. B. Vollstrang, Rohr, Mehrlochgeometrien, Kleeblatt, Kreuzform usw.) herstellen. Die Extrusionsdrücke in der Matrize betrugen beispielsweise 100 bis 200 bar bei Temperaturen von 25 bis 35°C und einer Kleeblattgeometrie mit einem Außendurchmesser von 3 mm und einem 1 mm Innenloch. Die Stränge konnten entweder direkt am Matrizenausgang durch eine geeignete Schneidvorrichtung oder nach einer erfolgten Trocknung auf die gewünschte Größe abgelängt werden. Das Trocknen der Treibstoffstränge oder -abschnitte erfolgte unter milden Temperaturbedingungen (von im allgemeinen unter 100°C), mit oder ohne Vakuumunterstützung.
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In analoger Weise lassen sich vielfältige Kombinationen aus thermoplastischen Polyurethanen, Oxidationsmitteln, Chloridfängern, Abbrandmoderatoren und weiteren Additiven herstellen.
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Die nachfolgende Tabelle zeigt Beispiele für die Zusammensetzung von erfindungsgemäßen gaserzeugenden Massen, die aber nicht limitierend sind. Tabelle 3:
TPU | Oxidationsmittel | Chloridfänger | Abbrandmoderator | Additiv |
15–25% | 75–85% APC | - | 1,5% Fe2O3* | 0,2% Ruß* |
10–30% | 40–50% APC | 30–40% NaNO3 | 1,5% Fe2O3* | 0,2% Ruß* |
15–25% | 75–85% KPC | - | - | - |
5–20% | 65–75% APC | 5–20% Fe2O3 | - | 0,2% Ruß* |
APC: Ammoniumperchlorat; KPC: Kaliumperchlorat
*Anteile sind additiv zu 100 Gew.-% thermoplastischem Polyurethan, Oxidationsmittel und Chloridfänger.
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Die so hergestellten gaserzeugenden Massen zeigen bei einer Warmlagerung über 408 Stunden bei 110°C einen Gewichtsverlust von weit unter 2% und erfüllen somit die geltenden Anforderungen der Automobilindustrie. Die Abbrandtemperaturen der erfindungsgemäßen gaserzeugenden Massen liegen im Bereich zwischen 2200 K und 3000 K.
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Die Versuchsergebnisse zeigen, daß die erfindungsgemäßen gaserzeugenden Massen gut zur Verwendung in Sicherheitseinrichtungen für Fahrzeuge geeignet sind. Von Vorteil ist insbesondere der geringe Feststoffgehalt im Verbrennungsgas, die hohe Abbrandtemperatur, die einen Einsatz in Hybridgasgeneratoren und Gurtstraffern ermöglicht, und die chemische und thermische Stabilität.