Stand der Technik
Grundchemikalien, wie Aromaten und Olefine, sind die wichtigsten Ausgangsprodukte
zur Herstellung der verschiedensten Chemieprodukte. Die weltweiten
Produktionsmengen von etwa 60.106 t/Jahr BTX-Aromaten (allein Benzol 28.6.106 t/Jahr) mit einem
jährlichen Anstieg von etwa 4% (K. Jähnisch, "Erdöl, Erdgas, Kohle", 17(5), 232-234
(2001)) geben einen Eindruck von der wirtschaftlichen Bedeutung dieser
Verbindungen.
Zur Herstellung von Aromaten (BTX) werden Prozesse, wie das Steamcrack- und
Reformier-Verfahren eingesetzt. Bei diesen Herstellprozessen spielen thermische
Trennprozesse, wie die extraktive Rektifikation und Extraktion zur Gewinnung der Aromaten
eine entscheidende Rolle, da die Trennung den größten Teil der Produktionskosten
verursacht.
Sowohl bei der extraktiven Rektifikation als auch der Extraktion werden selektive
Trennhilfsmittel (in der Regel organische Verbindungen) benötigt. Diese Zusatzstoffe
(sogenannte Entrainer bei der extraktiven Rektifikation bzw. Extraktionsmittel bei der
Extraktion) haben die Aufgabe, die bei der Trennung ausgenutzten
Verteilungsgleichgewichte zwischen den beiden Phasen (Dampf - Flüssigkeit (extraktive Rektifikation),
Flüssigkeit' - Flüssigkeit" (Extraktion)) in der Weise zu beeinflussen, dass eine
optimale Trennung bei möglichst niedrigen Investitions- und Betriebskosten erreicht wird.
Die entstehenden Kosten werden dabei wesentlich von der Selektivität der eingesetzten
Lösungsmittel beeinflußt. Bei den bisher technisch realisierten Trennprozessen werden
als selektive Lösungsmittel die verschiedensten organischen Verbindungen (z. B.
Ethylenglykole, N-Methyl-2-pyrrolidon (NMP), Sulfolane, Furfurol, Dimethylformamid, N-
Formylmorpholin (NFM), N-Methyl-ε-Caprolactam) teilweise gemeinsam mit Wasser
(zur Optimierung der Selektivität) zur Trennung von Kohlenwasserstoffgemischen
eingesetzt. Nach Lösungsmitteln mit höheren Selektivitäten im Hinblick auf die Senkung
der Trennkosten wird seit Jahrzehnten erfolglos gesucht.
Der Einfluss der Selektivität auf die Investitionskosten (Anzahl der benötigten
theoretischen Trennstufen) und Betriebskosten wird für die genannten thermischen
Trennverfahren nachfolgend kurz dargestellt.
Extraktive Rektifikation
Bei der normalen Rektifikation werden Konzentrationsdifferenzen der verschiedenen
Komponenten in der Dampf- und Flüssigkeitsphase zur Trennung ausgenutzt. Ist keine
Konzentrationsdifferenz vorhanden, wie am azeotropen Punkt, so ist eine Trennung
durch normale Rektifikation nicht möglich. Ist die Konzentrationsdifferenz sehr gering,
so kann der Trennaufwand gewaltig werden, d. h. eine Trennung ist nur durch
Realisierung einer sehr hohen Zahl theoretischer Trennstufen (d. h. hohen Investitionskosten)
möglich (J. Gmehling, A. Brehm, "Grundoperationen", Thieme-Verlag, Stuttgart 1996).
Das zur Auslegung benötigte Dampf-Flüssig-Gleichgewichtsverhalten kann mit Hilfe der
Thermodynamik berechnet werden. Unter Verwendung der vereinfachten
Gleichgewichtsbeziehung (Vernachlässigung der Realität in der Dampfphase) gilt für nicht stark
assoziierende Komponenten (siehe: J. Gmehling, A. Brehm, "Grundoperationen",
Thieme-Verlag, Stuttgart 1996):
xiγiPi s = yiP (1)
xi Molanteil in der flüssigen Phase
yi Molanteil in der Dampfphase
γi Aktivitätskoeffizient der Komponente i
P Gesamtdruck
Pi s Sättigungsdampfdruck
Mit Hilfe von Gl. (1) können direkt auch die für die Auslegung von
Rektifikationskolonnen benötigten Beziehungen für die Verteilungskoeffizienten Ki und Trennfaktoren αi,j
erhalten werden:
Weist das zu trennende System einen azeotropen Punkt auf (Trennfaktor α12 = 1) oder
liegt der Wert des Trennfaktors in der Nähe von 1 (z. B. 0.95 < α12 < 1.05), wie z. B.
bei der Trennung der Aliphaten von den Aromaten- (Beispiel: Benzol-C6-Aliphaten
(Cyclohexan)) werden spezielle rektifikative Trennverfahren eingesetzt.
So erlaubt z. B. die extraktive Rektifikation die wirtschaftliche, rektifikative Trennung
azeotroper Systeme oder Systemen mit Trennfaktoren α12, die nur wenig vom Wert
1 abweichen. Eine typische Kolonnenkonfiguration für die extraktive Rektifikation ist
in Abb. 1 gezeigt.
Dabei wird ein schwersiedender, selektiver Zusatzstoff (Entrainer E) in der Nähe des
Kopfes der ersten Kolonne eingespeist und fließt von dort zum Sumpf der Kolonne. Er
hat die Aufgabe die Aktivitätskoeffizienten und damit die Flüchtigkeiten (γiPi s) der zu
trennenden Komponenten unterschiedlich zu beeinflussen, so dass das Verhältnis der
Aktivitätskoeffizienten (bzw. der Flüchtigkeiten) der zu trennenden Komponenten,
Werte aufweist, die sich deutlich vom Wert 1 unterscheiden. Dadurch ergeben sich
für den Trennfaktor Werte, die eine wirtschaftliche rektifikative Trennung zulassen. Im
Fall der Aliphaten-Aromaten-Trennung fallen am Kopf der ersten Kolonne mit den
üblichen Entrainern (z. B. NMP, NFM) die Aliphaten (A) und im Sumpf der Kolonne die
Aromaten (B) mit dem Entrainer an. Der schwer siedende Entrainer kann dann in der
zweiten Rektifikationskolonne mit den üblichen Verfahren von den Aromaten
abgetrennt, d. h. in der gewünschten Reinheit im Sumpf gewonnen und in den Kreislauf
zurückgeführt werden. Die von den Aliphaten befreiten Aromaten fallen dann als Destillat
in der zweiten Kolonne (Strippkolonne) an. Für die Trennung werden
Entrainerkonzentrationen von 50-80% in der Kolonne realisiert. Die Reinheit der Produkte wird in
erster Linie durch die Selektivität des Entrainers, der Anzahl theoretischer (oder auch
praktischer) Trennstufen und das Verhältnis der Entrainer- und Zulaufmengen
beeinflußt. Je nach Dampfdruck des Entrainers und Entrainerfeedboden können sich noch
geringe Spuren des Entrainers im Destillat befinden, was eventuell zu Problemen bei
der Weiterverarbeitung (z. B. Katalysatorvergiftung) führen könnte.
Die Selektivität des Entrainers kann durch seinen Einfluß auf das Verhältnis der
Aktivitätskoeffizienten beurteilt werden. Für ein zu trennendes, binäres System ergibt sich
für den Trennfaktor in Anwesenheit des Entrainers (3):
Es hat sich aber durchgesetzt, die Selektivität eines Entrainers an Hand der Werte bei
unendlicher Verdünnung zu beurteilen:
In diesem Fall lassen sich direkt die Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung
zur Beurteilung der Selektivität verschiedener Entrainer heranziehen, die mit speziellen
Messtechniken (z. B. Ebulliometrie, Gas-Flüssig-Chromatographie, Dilutor-Technik)
zugänglich sind und für eine Vielzahl von Verbindungen publiziert wurden (J. Gmehling
et. al., "Activity Coefficients at Infinite Dilution, DECHEMA Chemistry Data Series", 4
Bände, DECHEMA, Frankfurt ab 1986).
Unter der vereinfachenden Annahme konstanter Trennfaktoren α1,2 kann der
Investitionsaufwand bzw. die Anzahl theoretischer Trennstufen Nth mit Hilfe der
Fenske-Gleichung abgeschätzt werden (siehe auch: (J. Gmehling, A. Brehm, "Grundoperationen",
Thieme-Verlag, Stuttgart 1996).
1,2: zu trennende Komponenten (1 = Leichtsieder)
D: Destillat (distillate)
B: Sumpfprodukt (bottom product)
Nth: Anzahl theoretischer Trennstufen
So ergibt sich bei Vorgabe der Konzentrationsverhältnisse von (x1/x2)D = 1000 (x1/x2)B =
0.001 (entspricht etwa einer Reinheit von 99.9% des Kopf- und Sumpfprodukts) bei
einer Erhöhung des Trennfaktors von α1,2 = 2.0 um 25% eine Verringerung der Anzahl
theoretischer Trennstufen von 20 auf 15. Daran ist erneut zu erkennen, welchen
Einfluss die Selektivität auf die Investitionskosten besitzt.
An den oben aufgeführten Gleichungen für den Trennfaktor ist sofort die Aufgabe eines
selektiven Entrainers für die extraktive Rektifikation zu erkennen. Er hat die Aufgabe,
das Verhältnis der Aktivitätskoeffizienten möglichst so zu beeinflussen, dass das
Verhältnis (die Selektivität S1,2 bzw. S1,2 ∞) Werte aufweist, die sehr unterschiedlich vom
Wert 1 sind, unabhängig davon, ob die Werte für die Selektivität kleiner oder größer
als 1 sind. Neben dieser wichtigsten Aufgabe des Entrainers muss er weitere
wichtige Eigenschaften für den technischen Einsatz aufweisen. So soll der Entrainer in der
zweiten Kolonne leicht abtrennbar sein (deshalb sollte der Siedepunkt mindestens 40°C
höher liegen, als der Siedepunkt der zu trennenden Komponenten), und der
Entrainer sollte thermisch und chemisch stabil sein.
Extraktion
Grundvoraussetzung für den Einsatz der Flüssig-Flüssig-Extraktion als thermisches
Trennverfahren ist, dass das Extraktionsmittel mit dem zu trennenden Feed eine
Mischungslücke aufweist. Gleichzeitig muss das Extraktionsmittel eine entsprechende
Selektivität aufweisen. Dies bedeutet, dass die zu trennenden Komponenten eine
möglichst unterschiedliche Löslichkeit in dem eingesetzten Extraktionsmittel aufweisen
sollten. Weiterhin sollte die Kapazität (Löslichkeit) nicht zu gering sein. Weitere
Anforderungen an das Extraktionsmittel sind: eine geringe Löslichkeit des Extraktionsmittels im
Raffinat, eine leichte Abtrennbarkeit des Extrakts (Aromaten), keine zu geringe
Dichtedifferenz der beiden flüssigen Phasen, ein geringer Dampfdruck, kein zu niedriger
Flammpunkt, eine geringe Viskosität und eine hohe chemische und thermische
Stabilität. Die Anzahl theoretischer Stufen wird wiederum durch die Selektivität des
eingesetzten Extraktionsmittels bestimmt.
Ein Schema einer Extraktionskolonne ist in Abb. 2 gezeigt. Das Extraktionsmittel und
das zu trennende Gemisch werden in der mehrstufigen Extraktionsanlage (stufenweise
bzw. kontinuierlicher Kontakt der beiden flüssigen Phasen) im Gegenstrom geführt. Im
Falle der Aliphaten-(Naphthene)-Aromaten-Trennung werden in der Regel die im
Feedstrom enthaltenen Aromaten von dem selektiven Extraktionsmittel aufgenommen
(Extrakt). Im Raffinatstrom verbleiben dann die Aliphaten und Naphthene. Aus dem
Raffinat- und Extraktstrom werden dann durch weitere thermische Trennverfahren
(Rektifikation oder Rückextraktion) die Aliphaten/Naphthene und Aromaten gewonnen
und das von den Aromaten befreite Extraktionsmittel in den Kreislauf zurückgeführt.
(siehe auch J. Gmehling, A. Brehm, "Grundoperationen", Thieme-Verlag, Stuttgart
1996).
Die Selektivität des Extraktionsmittels hat auch bei der Extraktion einen
entscheidenden Einfluß auf die Kosten der Trennung. Ausgehend vom Isoaktivitätskriterium für das
Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht (J. Gmehling, A. Brehm, "Grundoperationen",
Thieme-Verlag, Stuttgart 1996):
Anstelle der Aktivitätskoeffizienten können auch in diesem Fall die
Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung zur Beurteilung der Selektivität des Extraktionsmittels
herangezogen werden.
Bedeutung selektiver Lösungsmittel
Auf Grund der Bedeutung der Selektivität von Entrainern bzw. Extraktionsmitteln sucht
man seit vielen Jahren nach Trennhilfsmitteln mit höheren Selektivitäten, als die der
bisher technisch eingesetzten Verbindungen. Trotz dieser weltweit unternommenen
Anstrengungen haben diese Aktivitäten bisher nicht zum Erfolg geführt. So weisen alle
publizierten Daten und teilweise sogar patentierten, selektiven Lösungsmittel lediglich
vergleichbare Selektivitäten zu den bereits für diese Trennaufgabe technisch
eingesetzten, organischen Verbindungen (z. B. N-Methyl-2-Pyrrolidon (NMP),
N-Formylmorpholin (NFM)) auf.
Experimentelle Vorgehensweise
Seit Jahren beschäftigen wir uns mit der Messung von Phasengleichgewichten im
Hinblick auf die Synthese, Auslegung und Optimierung thermischer Trennprozesse. Einen
Schwerpunkt bildet dabei die Suche nach selektiven Trennhilfsmitteln für die
verschiedensten, thermischen Trennprozesse. Die Selektivitäten können, wie bereits dargestellt
wurde, über die Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung erhalten werden.
Diese Daten sind über verschiedene Messtechniken mit der erforderlichen Genauigkeit
zu erhalten.
Experimentelle Details
Deshalb wurden systematisch Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung mit
zuverlässigen Messtechniken bestimmt. Neben der Dilutor-Technik (siehe M.
Krummen, D. Gruber, J. Gmehling, "Measurement of Activity Coefficients at Infinite Dilution in
Solvent Mixtures Using the Dilutor Technique, Ind. Eng. Chem. Res.", 39, 2114-2123
(2000)) wird auch die Gas-Flüssig-Chromatographie (siehe U. Weidlich, J. Gmehling,
"J. Chem. Eng. Data", 32, 138-142 (1987)) und die Ebulliometrie zur Messung dieser Werte
herangezogen. Für die Messung der für die Auslegung bedeutsamen Dampf-Flüssig-
Gleichgewichte wird die statische Messtechnik (siehe K. Fischer, J. Gmehling, "J.
Chem. Eng. Data", 39, 309-315 (1994) und zur Bestimmung der Mischungsenthalpien,
die eine Beurteilung der auftretenden Wechselwirkungskräfte ermöglicht, ein isothermes
Durchflusskalorimeter (siehe J. Gmehling, "J. Chem. Eng. Data", 38, 143-146 (1993))
eingesetzt.
Erfinderische Leistung
Für die verschiedensten, von uns untersuchten, organischen Flüssigkeiten (z. B. N-
Ethylformamid, N-Ethylacetamid, Glutaronitril, N-Methyl-Piperidon) ergaben sich jedoch
Selektivitäten, die mit denen technisch eingesetzter, selektiver Trennhilfsmittel (z. B.
NMP, NFM) vergleichbar waren. Bei der Messung der
Phasengleichgewichtsinformationen verschiedenster, ionischer Flüssigkeiten wurde jedoch überraschenderweise
gefunden, dass diese für ausgewählte Trennprobleme (in diesem Fall die Trennung
aromatischer von nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen) ideale Entrainer für die
extraktive Rektifikation bzw. Extraktionsmittel und für die Flüssig-Flüssig-Extraktion
darstellen. Neben den deutlich höheren Selektivitäten und damit verbundenen, höheren
Trennfaktoren für die extraktive Rektifikation bzw. günstigeren Verteilungskoeffizienten
für die Extraktion im Vergleich zu den technisch eingesetzten, organischen
Verbindungen, sind auch die Reinstoffeigenschaften ionischer Flüssigkeiten ideal für den Einsatz
als selektive Lösungsmittel für die extraktive Rektifikation und die Extraktion. Zu nennen
sind dabei insbesondere der vernachlässigbare Dampfdruck, was eine Abtrennung
der Aromaten durch einfache Verdampfung ermöglicht. Weiterhin ist die sehr geringe
Löslichkeit der ionischen Flüssigkeit in der Raffinatphase (nichtaromatischen
Kohlenwasserstoffen) und die hohe Dichtedifferenz im Vergleich zu den zu trennenden
Kohlenwasserstoffen zu nennen. So kann die Verdampfung anstelle der Rektifikation zur
Abtrennung der ionischen Flüssigkeit bei der Aufarbeitung herangezogen werden, was
wiederum zu einer Senkung der Produktionskosten führt. Anstelle reiner ionischer
Flüssigkeiten können für die Trennung auch Gemische ionischer Flüssigkeiten eingesetzt
werden. Bei hydrolysestabilen, ionischen Flüssigkeiten lässt sich die Selektivität
weiterhin noch durch Zusatz von Wasser optimieren.
Unter ionischen Flüssigkeiten versteht man per Definition Salze oder Gemische aus
Salzen, deren Schmelzpunkte unterhalb 80°C liegen. Diese Salze bestehen
üblicherweise aus Anionen, wie z. B. Halogenoaluminaten, Bis(Trifluoromethylsulfonyl)imid,
Triflaten, Acetaten, Hexafluorophosphaten oder Tetrafluoroboraten kombiniert mit
substituierten Ammonium-, Phosphonium-, Pyridinium- oder Imidazolium-Kationen (T.
Welton, "Chem. Rev.", 1999, 99, 2071; J. D. Holbry, K. R. Seddon, "Clean Products and
Processes", 1999, 223). Besonders geeignet für den Einsatz in der Trenntechnik sind
dabei ionische Flüssigkeiten, deren Schmelzpunkte nahe bei Raumtemperatur liegen.
In dem von uns durchgeführten Messprogramm wurden die Selektivitäten
verschiedener ionischer Flüssigkeiten mit Hilfe der Dilutor-Technik bestimmt. Weiterhin wurden
Mischungsenthalpien, Dampf-Flüssig- und Flüssig-Flüssig-Gleichgewichte untersucht.
Die Resultate der durchgeführten Messungen zeigen, dass ionische Flüssigkeiten und
deren Gemische auf Grund ihrer deutlich höheren Selektivität als die derzeit benutzten
Verbindungen, ideale Entrainer (für die extraktive Rektifikation) bzw. Extraktionsmittel
(Extraktion) für die technisch bedeutsame Trennung der aromatischen von den
nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen darstellen. Während unter nichtaromatischen
Kohlenwasserstoffen alle verzweigten, nichtverzweigten acyclischen und alicyclischen
Kohlenwasserstoffe verstanden werden sollen, stellen die aromatischen Kohlenwasserstoffe
neben den BTX-Aromaten (einschließlich Ethylbenzol) auch die höheren Aromaten
dar. Zum Vergleich der Selektivitäten mit denen von NMP wurden die Daten für 1-Ethyl-
3-methyl-Imidazolium-bis(trifluoromethylsulfonyl)imid (Abb. 3), einer Verbindung die
auch noch bei Raumtemperatur flüssig ist (Dichte bei 20°C 1.524 g/cm3, Schmelzpunkt
-3°C), herangezogen.
In Tabelle 1-3 sind typische Resultate für Cylohexan-Benzol, n-Heptan-Toluol und n-
Hexan-Benzol bei 30, 40 und 50°C in [EMIM]+ [CF3SO2]2N- dargestellt. Neben den mit
der Dilutor-Technik gemessenen Grenzaktivitätskoeffizienten sind weiterhin noch die
daraus berechneten Selektivitäten und die unter Verwendung der
Sättigungsdampfdrücke berechneten Trennfaktoren gegeben. Gleichzeitig sind in den Tabellen noch die
Selektivitäten und Grenzaktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung in NMP und
NMP + 3 Gew.-% Wasser gegeben, wobei für den Vergleich neben den eigenen
Messdaten (für NMP und NMP + 3 Gew.-% Wasser) auch noch die Mittelwerte aus der
Literatur für NMP angegeben wurden. Beim Vergleich der Werte ist zu erkennen, dass
überraschenderweise die Aktivitätskoeffizienten der nichtaromatischen
Kohlenwasserstoffe (Cyclohexan, n-Hexan, n-Heptan) bei unendlicher Verdünnung in [EMIM]+
[CF3SO2]2N- deutlich höhere Werte aufweisen als in NMP. Selbst in NMP mit 3 Gew.-%
Wasser ergeben sich deutlich geringere Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher
Verdünnung. Die Werte für die aromatischen Verbindungen weisen dagegen vergleichbare
Werte in [EMIM]+ [CF3SO2]2N- und NMP auf. Dies bedeutet, dass [EMIM]+ [CF3SO2]2N-
eine deutlich höhere Selektivität als die bisher technisch eingesetzten Trennhilfsmittel
aufweist. Die Verbesserung der Selektivität bei unendlicher Verdünnung bei
Verwendung von [EMIM]+ [CF3SO2]2N- liegt je nach betrachtetem System zwischen 72 und 122%,
beim Vergleich mit den eigenen NMP-Daten, was zu einer Verringerung der Kosten
für die extraktive Rektifikation bei Verwendung von ionischen Flüssigkeiten als Entrainer
für die Trennung aromatischer und nichtaromatischer Kohlenwasserstoffe führt. Beim
Vergleich mit den Literaturdaten für NMP ergeben sich fast identische
Selektivitätserhöhungen. Die deutliche Selektivitätssteigerung wird auch durch die von uns gemessenen
VLE-Daten für Cyclohexan (1) - [EMIM]+ [CF3SO2]2N- (2) untermauert. In Abb. 4 werden
diese Daten (isotherme Px-Daten) im Vergleich zu Literaturdaten des Systems
Cyclohexan (1) - NMP (2) dargestellt. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Flüchtigkeit des
Cyclohexans, d. h. das Produkt aus Aktivitätskoeffizient und Sättigungsdampfdruck bei
Anwesenheit der ionischen Flüssigkeit wesentlich höher ist, als die Flüchtigkeit bei
Anwesenheit des technisch eingesetzten Entrainers NMP. Die Auswertung der VLE-Daten
liefert einen Aktivitätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung von 12.4 und bestätigt
damit die mit der Dilutor-Technik ermittelten Werte. Aus Abb. 4 ist weiterhin zu
erkennen, dass [EMIM]+ [CF3SO2]2N- mit Cyclohexan eine Mischungslücke liefert, was bei der
Trennung der aromatischen von den nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen durch
Flüssig-Flüssig-Extraktion genutzt werden kann.
In Tabelle 4 sind die Werte für Cyclohexen und Benzol gegeben. Auch hier ist die
deutliche Erhöhung der Selektivität bei Verwendung von ionischen Flüssigkeiten im
Vergleich zu NMP und NMP + 3 Gew.-% zu erkennen. Das heißt, dass ionische
Flüssigkeiten auch bei der Trennung von Benzol-Cyclohexen-Gemischen, wie sie bei der
selektiven Hydrierung von Benzol auftreten, deutliche Vorteile gegenüber den klassischen
Entrainern für die extraktive Rektifikation besitzen. Die Erhöhung der Selektivität bei
unendlicher Verdünnung im Vergleich zu den eigenen Daten mit NMP beträgt etwa 85%.
Beim Vergleich mit den Literaturdaten ergibt sich sogar eine Erhöhung der
Selektivität um fast 100%.
Die sehr unterschiedlichen Aktivitätskoeffizienten von Aromaten und nichtaromatischen
Kohlenwasserstoffen können auch zur Trennung mittels Extraktion ausgenutzt werden.
Dabei sind die hohen Werte der nichtaromatischen Kohlenwasserstoffe in ionischen
Flüssigkeiten vorteilhaft, da sie im Gegensatz zu vielen technischen Trennhilfsmitteln
zur Bildung von zwei flüssigen Phasen der ionischen Flüssigkeit mit den
nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen in einem weiten Temperaturbereich führen. Bei den
technisch eingesetzten Trennhilfsmitteln ist in der Regel die Zugabe von Wasser zur
Erzeugung der zweiten flüssigen Phase erforderlich. Wie bereits aufgrund der gemessenen
Aktivitätskoeffizienten zu erwarten, ergab die Messung der Verteilungsgleichgewichte
von Cyclohexan und Benzol in [EMIM]+ [CF3SO2]2N- die in Tabelle 5 gelisteten, günstigen
Konzentrationsverhältnisse. So ergeben sich je nach vorgegebenen
Mengenverhältnissen Verteilungskoeffizienten zwischen 17 und 47. Dabei ist zu bemerken, dass die
gelisteten Molanteile auf lösungsmittelfreier Basis basieren, wobei die Konzentration der
ionischen Flüssigkeit in der Cylohexanphase vernachlässigbar gering ist, was wiederum
vorteilhaft für die technische Umsetzung ist.
Vergleichbar hohe Selektivitäten ergeben sich auch bei ionischen Flüssigkeiten mit
anderen Anionen und Kationen bei deutlich niedrigerem Molekulargewicht. Daraus folgt,
dass ionische Flüssigkeiten ideale Trennhilfsmittel für die Trennung aromatischer und
nichtaromatischer Kohlenwasserstoffe darstellen. Auch die weiteren, von uns
gemessenen Phasengleichgewichte (Dampf-Flüssig-Gleichgewichte) und Exzessenthalpien
bestätigen diese Aussage. Durch Variation des Anions bzw. Kations kann die
Selektivität dieser Trennhilfsmittel dabei noch weiter optimiert werden. Deshalb werden ionische
Flüssigkeiten auch als "designer solvents" bezeichnet.
Weitere Vorteile ergeben sich durch den vernachlässigbaren Dampfdruck ionischer
Flüssigkeiten. Dies ermöglicht den Einsatz der kostengünstigeren Verdampfung anstelle
der rektifikativen Rückgewinnung der ionischen Flüssigkeit in der zweiten Kolonne der
Anlage zur extraktiven Rektifikation bzw. bei der Gewinnung des Extrakt- und
Raffinatstroms bei Extraktionsprozessen. Aber auch andere Reinstoffeigenschaften, wie
Dichte, Nichtbrennbarkeit, usw. sprechen für den Einsatz ionischer Flüssigkeiten als
selektive Trennhilfsmittel bei der Trennung aromatischer von nichtaromatischen
Kohlenwasserstoffen durch extraktive Rektifikation und Extraktion.
Bedeutung dieser Erfindung für die Praxis
Die überraschenderweise gefundene, deutlich höhere Selektivität ionischer Flüssigkeiten
zur Trennung der aromatischen von den nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen im
Vergleich zu den bisher technisch eingesetzten Trennhilfsmitteln, führt zu einer Vielzahl
von Vorteilen bei Trennprozessen, wie der extraktiven Rektifikation und der Extraktion.
So können insbesondere die Kosten (Investitions- und Betriebskosten) bei der
Verwendung ionischer Flüssigkeiten mit den deutlich höheren Selektivitäten als
Trennhilfsmittel (Entrainer, Extraktionsmittel) merklich gesenkt werden. Weiterhin führt der sehr
geringe Dampfdruck ionischer Flüssigkeiten zu weiteren Vorteilen. So kommt es zu
keinen Lösungsmittelemissionen. Weiterhin weisen die Produkte der extraktiven
Rektifikation keine Entrainerverunreinigungen auf. Sowohl bei der extraktiven Rektifikation als
auch der Extraktion wird weiterhin die Rückgewinnung der im Kreis geführten, ionischen
Flüssigkeit erleichtert. Die Rektifikationskolonne kann sogar durch einen Verdampfer
ersetzt werden, was wiederum zur Senkung der Investitions- und Betriebskosten führt.
Von besonderem Vorteil für die Trennung aromatischer Kohlenwasserstoffe von
nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen durch Extraktion ist die bei ionischen Flüssigkeiten
mit nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen auftretende Mischungslücke. Speziell
günstig ist auch die sehr geringe Löslichkeit der ionischen Flüssigkeit in der Raffinatphase
(nichtaromatische Kohlenwasserstoffe). Weiterhin weist die Phase mit der ionischen
Flüssigkeit eine ausreichende Dichtedifferenz zur Raffinatphase bei gleichzeitig
günstigen Viskositätswerten auf. Dies erleichtert den Einsatz der Extraktion als
Trennverfahren. Ionische Flüssigkeiten gelten weiterhin als nicht entflammbar.
Technische Anwendbarkeit
Zur Herstellung von Aromaten (BTX) werden Prozesse, wie das Steamcrack- und
Reformier-Verfahren eingesetzt. Bei diesen Herstellprozessen spielen thermische
Trennprozesse, wie die extraktive Rektifikation und Extraktion zur Gewinnung der Aromaten
eine entscheidende Rolle, da die Trennung den größten Teil der Produktionskosten
verursacht. Die Trennung aromatischer von nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen
durch extraktive Rektifikation ist schematisch in Abb. 5 am Beispiel eines C6
-Kohlenwasserstoffschnitts dargestellt.