Verfahren zur Spritzgussverarbeitung von thermoplastischen Polyesterformmassen
Die Erfindung betrifft ein verbessertes Verfahren zur Spritzgussverarbeitung von thermoplastischen Polyesterformmassen, insbesondere von Formmassen auf Basis Polyäthylenterephthalat und einen mittels dieses Verfahrens hergestellten Formkörper. Die erfindungsgemässen Verbesserungen gestatten es, den Abbau der erhitzten Formmassen weitgehend hintanzuhalten, ohne ihr Fliessverhalten in der Schmelze zu beeinträchtigen.
Die Spritzgussverarbeitung thermoplastischer Kunststoffe ist seit langem bekannt. Dabei wird der feste, meist körnige Kunststoff unter Einwirkung von Wärme verdichtet, bis er in einen hochplastischen bis flüssigen Zustand übergeht, und der verflüssigte Kunststoff wird rasch und mit grosser Kraft aus einem Zylinder durch eine Düse in ein geschlossen gehaltenes Werkzeug eingepresst bzw. eingespritzt. Da das Werkzeug eine niedrigere Temperatur als der einströmende Kunststoff besitzt, beginnt sich dieser abzukühlen und erstarrt schliesslich vollständig. Nach einer gewissen kurzen Standzeit ist die Erstarrung so weit fortgeschritten, dass das Werkzeug geöffnet und der formfest erstarrte Spritzgussteil entnommen oder ausgestossen werden kann.
Die Spritzgussverarbeitung von Polyäthylenterepththalat ist aus der britischen Patentschrift Nr. 609 795 ebenfalls bereits bekannt. Aus dieser Patentschrift ist bekannt, bei der Verarbeitung der Polyäthylenterephthalatformmassen die Anwesenheit von Feuchtigkeit und von Luft weitestgehend auszuschliessen. Es wird auch in dieser Patentschrift und in der deutschen Offenlegungsschrift Nr. 1 569 591 ausdrücklich hervorgehoben, dass die Verweilzeit des Gussmaterials im flüssigen Zustand möglichst kurz und die Temperatur des flüssigen Gussmaterials (Massetemperatur) im Zylinder der Spritzgussmaschine so niedrig wie möglich gehalten werden müsste, um einen Molekulargewichtsabbau des Polyäthylenterephthalats zu vermeiden.
Die Zylinder der meisten kommerziell verwendeten Spritzgussmaschinen weisen mehrere Temperaturzonen, meist drei oder vier, auf, z.B.
a) Einzugszone b) Kompressionszone c) Ausstosszone
In der von der Algemene Kunstzijde Unie herausgegebenen Verarbeitungsanleitung über die Verarbeitung eines thermoplastischen Polyesters auf der Basis Polyäthylenterephthalat ( Das Spritzen von Arnite-A 150 vom September 1968) wird als Verarbeitungstemperatur 2600 C und als Temperaturen, gerechnet ab Fülltrichter der Spritzgussmaschine 270-260-250 und 2600 C angegeben. In der britischen Patentschrift Nr. 609 795 werden als Zylindertemperaturen in den drei Zylinderzonen 290, 290 und 2900 C angegeben.
Verarbeitet man Polyesterformmassen nach den angeführten Lehren, d.h. man hält die Masstemperatur der flüssigen Gussmasse so niedrig wie möglich über dem Schmelzpunkt, so findet zwar nur ein geringer Abbau des Polyesters statt, jedoch erhält man nur ein sehr mässiges Fliessvermögen der flüssigen Gussmasse. Dieses Fliessvermögen wird durch den von der Schmelze zurückgelegten Fliessweg in einem als Spirale ausgebildeten Spritzgusswerkzeug einer bestimmten Wandstärke charakterisiert (Fliessweg/Wandstärken-Verhältnis). Um ein günstigeres Fliessverhalten zu erreichen, kann man die Massetemperatur des Gussmaterials erhöhen, indem man der Lehre der englischen Patentschrift Nummer 609 795 folgend die Zylindertemperatur in den Zylinderzonen einheitlich erhöht. Dadurch wird zwar das Fliessverhalten deutlich verbessert, aber gleichzeitig der Polyester wesentlich stärker abgebaut.
Dieser Abbau führt zwar zu einer weiteren Verbesserung des Fliessverhaltens, aber nur auf Kosten der mechanischen Eigenschaften des spritzgegossenen Formkörpers. Es ist somit bisher nicht möglich gewesen, Polyestergussmaterial so zu verarbeiten, dass der Abbau des flüssigen Gussmaterials bei einem angestrebten hohen Fliessvermögen auf einem Minimum gehalten werden konnte.
Die vorliegende Erfindung betrifft nun ein Verfahren, das es gestattet, thermoplastische Polyester bei einem hohen Fliessweg/Wanddicken-Verhältnis so zu Formkörpern zu verarbeiten, dass der Abbau des Gussmaterials auf einem Minimum gehalten wird. Es wurde nämlich gefunden, dass überraschenderweise und abweichend von den bekannten Lehren die Temperatur der flüssigen Formmasse ohne thermische Schädigung beträchtlich über dem Schmelzpunkt der festen Formmasse gehalten werden kann, unter der Voraus setzung, dass die Temperatur in der Zylindereinzugszone so niedrig wie möglich über dem Schmelzpunkt der festen Formmasse gehalten wird.
Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist also ein Verfahren zur Spritzgussverarbeitung von thermoplastischen Polyestern, insbesondere auf der Basis von Polyäthylentere phthalat, das dadurch gekennzeichnet ist, dass in der dem Einfülltrichter der Spritzgussmaschine nächstgelegenen Temperaturzone eine Temperatur eingestellt wird, die um die Schmelztemperatur der festen Polyesterformmasse liegt, während die Temperatur der nachfolgenden Temperaturzonen in Richtung auf die Austragseite der Spritzgussmaschine hin ansteigend bis 600 C höher als die Schmelztemperatur der festen Polyesterformmasse eingestellt wird.
Zweckmässig soll die Kompressionszone eine in bezug auf die dem Einfülltrichter nächstgelegene Temperaturzone, höhere Temperatur, vorzugsweise bis 300 C über dem Schmelzpunkt des festen Gussmaterials aufweisen, während die nachfolgende Zylinderausstosszone wiederum eine höhere Temperatur, vorzugsweise 200 bis 600 C über dem Schmelzpunkt, des festen Gussmaterials aufweisen soll. Zufolge der Erfindung können daher z.B. Polyäthylenterephthalatguss massen bei Zylindertemperaturen in der Kompressions- und in der Ausstosszone von 290 bis 3300 C verarbeitet werden, obwohl die bisher bekannten Lehren zum technischen Handeln ausdrücklich davor warnten.
Die erfindungsgemässe Vorgangsweise der Verarbeitung des Polyestergussmaterials bei erhöhten Temperaturen hat nun den Vorteil, dass sich bedingt durch die hohen Arbeitstemperaturen ein hohes Fliessweg-Wanddicken-Verhältnis einstellen lässt. Durch das erfindungsgemässe Verfahren kann die Zugabe von Fliessmitteln, die zugesetzt werden, um das Fliessvermögen einer flüssigen Gussmasse zu erhöhen, reduziert werden oder unterbleiben.
Das erfindungsgemässe Verfahren kann auf alle thermoplastischen Polyesterformmassen angewendet werden. Insbesondere können Polyesterformmassen verarbeitet werden, deren Säurekomponente sich mindestens aus 85 % Terephthal säure und deren Alkoholkomponente sich aus mindestens 85% aliphatischen und/oder alicyclischen Diolen aufbaut, also Formmassen auf der Basis Polyalkylenterephthalat. Die verwendeten Polyesterformmassen enthalten neben Terephthalsäureradikalen oder an Stelle von Terephthalsäureradikalen in manchen Fällen als weitere Säurekomponenten die Radikale der übrigen aromatischen Dicarbonsäuren, die 1 bis 2 Benzolringe und 8 bis 20 Kohlenstoffatome enthalten.
Als Alkoholkomponenten enthalten die Formmassen meist difunktionelle 2 bis 10 Kohlenstoffatome enthaltende Alkandiole oder 1,4-Bis-(hydroxymethyl)-cyclohexan oder Diäthylenglykol. Die Formmassen können jedoch auch kleine Mengen (0,001 bis 1 Mol%, bezogen auf die Gesamtmenge an Säurekomponente) an verzweigend und vernetzend wirkenden mehr als zweiwertigen Komponenten (polyfunktionelle Carbonsäuren, Alkohole, Hydroxycarbonsäuren) enthalten, z.B. Glycerin, Erythrit, Pentaerythrit, Tricarballylsäure, Trimellit-, Dioxybenzoe- und Traubensäure.
Das erreichbare Fliessweg/Wanddicken-Verhältnis ist von den Verarbeitungsparametern, ausser der Zylindertemperatur vom Spritzdruck, der Formtemperatur und von der Spritzgeschwindigkeit abhängig. Es liegt daher im Rahmen der Erfindung, die vorgeschlagenen Temperatureinstellungen der Spritzgussmaschine auch bei der Variation der übrigen Verarbeitungsparameter anzuwenden.
Beispiele: Die folgenden Beispiele werden auf der Schnekkenspritzgussmaschine Arburg Allrounder ausgeführt. Zur Ermittlung der Fliessfähigkeit (Fliessweg/Wanddicken-Ver- hältnis) der flüssigen Polyesterformmasse dient die Spiralform (Querschnitt 3 x 7 mm). Mit Ausnahme der drei voneinander unabhängig regelbaren Zylindertemperaturen der Spritzgussmaschine werden alle übrigen Verarbeitungsparameter konstant gehalten: die Formtemperatur beträgt stets 1400 C, der Spritzdruck stets 890 kp/cm2, die Schliesszeit stets 60 Sekunden.
Als Polyesterformmasse für diese Versuche wird ein Polyäthylenterephthalatgranulat mit einer Grenzviskositätszahl von [ 11 ] = 1,10, gemessen an einer 1 %gen Lösung von Phenol: Tetrachloräthan (1 :1) bei 300 C, verwendet.
Die Versuchsergebnisse sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Die Beispiele 1 bis 4 dienen zur Illustration der Erfindung. Die Vergleichsbeispiele A bis F charakterisieren den Stand der Technik. Die Grenzviskositätszahl der enthaltenen Formkörper ist in Spalte 4 angegeben. Die Zylindertemperaturen (trichterseitig/mitte/düsenseitig) werden durch überprüfte Temperaturregler eingestellt.
Die Fliessfähigkeit einer Formmasse ist umso höher, je höher der in Spalte 3 der Tabelle angegebene Fliessweg bei 3 mm Wandstärke ist.
Die Beispiele 1 bis 3 sind durch ein von der Einzugszone gegen die Ausstosszone ansteigendes Temperaturprofil gekennzeichnet, Beispiel 4 durch ein konstantes Temperaturniveau in der Einzugs- und Kompressionszone und durch ein höheres Temperaturniveau in der Ausstosszone. In allen den Rahmen der Erfindung absteckenden Beispielen wird die Temperatur in der Einzugszone möglichst niedrig, auf maximal 2600 C gehalten. Die Temperatur in den übrigen beiden Zylinderzonen variiert von 260 bis 3100 C.
Die Vergleichsbeispiele hingegen gehen von einer Temperatur von mindestens 2700 C in der Einzugszone aus, da es nicht möglich ist, Polyäthylenterephthalat bei einem gleichbleibenden oder fallenden Temperaturprofil von 2600 C in der Einzugszone ausgehend zu verarbeiten, da die flüssige Formmasse entweder bereits erstarren würde oder eine zu hohe Schmelzviskosität besässe.
Vergleichsbeispiele A bis C zeigen die Auswirkung gleichbleibender und fallender Temperaturprofile auf das Fliessverhalten der Formmasse und auf die Grenzviskosität der hergestellten Formkörper. Zwar ist die Fliessfähigkeit der flüssigen Formmassen gut, jedoch kommt der starke Molekulargewichtsabbau in der stark erniedrigten Intrinsic Viscosity der Formkörper zum Ausdruck.
Die Vergleichsversuche D bis F weisen zwar ein steigendes Temperaturprofil auf, jedoch ist die starke Schädigung der Schmelzmassen aus dem Abfall der Grenzviskositäts-Werte im Formkörper bei den Versuchen E und F deutlich erkennbar. Die Schädigung durch Molekulargewichtsabbau im Vergleichsversuch D ist zwar fast ebenso gering wie bei den Beispielen der Erfindung, jedoch liegt die Fliessfähigkeit der flüssigen Formmasse D deutlich tiefer als bei den Beispielen gemäss der Erfindung.
Tabelle
Zylindertemperatur trichter- düsen- Fliessweg bei Grenzviskositätszahl Beispiel seitig Mitte seitig 3 mm Wanddicke der Formkörper
1 250 / 270 / 310 336 0,97
2 260 j 270 1 310 351 0,97
3 260 / 280 1 300 309 0,98
4 260 1 260 1 310 345 0,96
A 285 1 285 1 285 300 0,91
B 290 1 285 1 280 330 0,87
C 290 1 290 1 290 360 0,87
D 270 1 280 / 290 270 0,95
E 280 1 285 1 290 300 0,92
F 280 1 290 1 300 354 0,91
Temperatur in o C
Fliessweg in
mm
Schmelzpunkt (Polyäthylenterephthalat) 2630 C
Beachtlich ist bei den Beispielen 1 bis 4 vor allem die Verringerung des Molekulargewichtabbaus. Die Abbauwerte sind umso geringer, je niedriger die Temperatur des trichterseitigen Heizzylinders gehalten wird. Der Molekulargewichts abbau wird ferner von der Temperatur des mittleren und des düsenseitigen Heizzylinders nahezu nicht beeinflusst. Das erreichbare Fliessweg/Wanddicken-Verhältnis wird umso grösser, je höher die Temperatur in der Ausstosszone gewählt wird. Das erfindungsgemässe Verfahren erlaubt es, sehr hohe
Temperaturen in dieser Zone zu wählen, da die Beispiele zeigen, dass die Abbauwerte praktisch von der Temperatur in der Ausstosszone unabhängig sind.
Die höhere Fliessfähigkeit der flüssigen Formmassen wird nicht, wie bisher, durch einen Molekulargewichtsabbau und eine entsprechende Einbusse an mechanischen Eigenschaften erkauft. Ferner geht aus den Beispielen 1 und D hervor, dass man, um eine Einbusse an mechanischen Formkörpereigenschaften hintanzuhalten, die Verarbeitungstemperaturen stark senken müsste. Damit weist aber die Formmasse eine wesentlich reduzierte Fliessfähigkeit auf.
Das erfindungsgemässe Verfahren ermöglicht somit die Herstellung von dünnwandigen und langen Formteilen bei geringstem Molekulargewichtsabbau.