Verfahren zur Carboxymethylierung primärer und sekundärer Amine Aminocarbon- bzw. Aminopolycarbonsäuren sind bis anhin u. a. nach den drei folgenden Verfahren hergestellt worden:
1. Die Umsetzung von chloressigsaurem Natrium mit einem primären bzw. sekundären Amin ergibt ein Natriumsalz einer Aminocarbon- bzw. Aminopolycarbonsäure.
2. Die Umsetzung von Cyanwasserstoff mit einem Aldehyd und einem primären bzw. sekundären Amin ergibt unter stark sauren Bedingungen Aminonitril bzw. Aminopolynitril, welches durch saure oder alkalische Hydrolyse in die gewünschte Aminocarbonsäure bzw. Aminopolycarbonsäure übergeführt werden kann.
3. Das Natriumsalz einer Aminocarbonsäure wird bei erhöhter Temperatur in Gegenwart von Alkali in einer einzigen Stufe aus Natriumcyanid, Formaldehyd und einem Amin dargestellt.
Andere Verfahren zur Herstellung von Aminocarbon- und Aminopolycarbonsäuren sind bekannt, doch stehen sie mit vorliegender Erfindung in keinerlei Beziehung.
Es ist bekannt, dass bei der Herstellung von Aminopolycarbonsäuren, beispielsweise von Äthylentetraessigsäure, durch Zugabe von Formaldehyd zu einer Lösung, welche Natriumcyanid und ein primäres oder sekundäres aliphatisches Amin oder ein aliphatisches Polyamin, welches primäre und/oder sekundäre Stickstoffatome aufweist, enthält, und Erwärmen der Lösung auf 60-110 , die Carboxymethylierung des Aminstickstoffes unter Bildung des Natriumsalzes der Aminosäure eintritt. Da sich das Natriumcyanid bereits in der vorgelegten Lösung befindet, erfordert dieses Verfahren zur Herstellung von Aminopolycarbonsäuren eine ständige Zugabe von Formaldehyd zur Reaktionsmischung. Es ist augenscheinlich, dass unter den stark alkalischen Bedingungen eine beträchtliche Hydrolyse des Natriumcyanids zu Natriumformiat eintreten muss.
Zur Vermeidung dieses Nachteils wurde das betreffende Verfahren in dem Sinne modifiziert, dass nur ein Teil des Natriumcyanids vorgelegt wird, und dass nach Zugabe einer äquivalenten Menge Formaldehyd zur Reaktionsmischung eine zweite äquivalente Menge Natriumcyanid zugegeben wird, worauf wieder eine bestimmte Zugabe von Formaldehyd erfolgt. Dieses stufenweise Vorgehen wird bis zur beendigten Carboxymethylierung des Amines befolgt. Die Überführung von Äthylendiamin in das Tetranatriumsalz der Äthylendiamintetraessigsäure erfordert nach diesem modifizierten Verfahren vier getrennte Zugaben von Natriumcyanid, welche in zeitlich genau bestimmten Intervallen, die ihrerseits von der bereits zugegebenen Menge Formaldehyd abhängig sind, erfolgen müssen.
Bei der Ausführung des oben erwähnten Verfahrens scheint es wünschenswert, das Formaldehyd und Natriumcyanid gleichzeitig zuzugeben. Die Kontrolle einer solchen gleichzeitigen Zugabe ist jedoch in der technischen Produktion schwierig; zudem treten bei der Mischung von Formaldehyd und Natriumcyanid stark exotherme Reaktionen auf. Es ist deshalb wichtig, dass eine Berührung der beiden Komponenten erst in der Reaktionsmischung erfolgt.
Aus dem oben Gesagten geht hervor, dass die direkte Carboxymethylierung von Aminen mittels Natriumcyanid und Formaldehyd - obschon sie eine einfache Herstellung der Natriumsalze von Aminopolycarbonsäuren in einer Stufe gestattet - den Nachteil der genau zu bemessenden Zuflussmengen von Natriumcyanid und Formaldehyd aufweist.
Ein weiterer Nachteil liegt in der Beschränkung des Verfahrens auf die Herstellung von Natrium- und Calciumsalzen der Aminopolycarbonsäuren. In vielen Fällen sind zur Isolierung der freien Säuren auch andere Salze erforderlich. Beispielsweise ist es möglich, die reine N-Hydroxyäthylamino-diessigsäure durch Zugabe der berechneten Menge Schwefelsäure aus ihrem Bariumsalz herzustellen; das unlösliche Bariumsalz fällt aus und die freie Aminosäure bleibt in Lösung. Anderseits ist die Isolierung der N-Hydroxy äthylamino-diessigsäure, frei von anorganischen Salzen, aus ihrem Natriumsalz schwierig.
Die erwähnten Nachteile können zum Teil vermieden werden, wenn man zur Herstellung der Aminocarbonsäuren Glykolnitril verwendet.
Die Verwendung von Glykolnitril zur Herstellung von Aminosäuren ist zwar an sich bekannt. Dabei wird jedoch das als Zwischenprodukt auftretende Aminoacetonitril isoliert und dann alkalisch-oder sauer hydrolysiert. Die Reaktion verläuft wahrscheinlich gemäss folgenden Reaktionsgleichungen:
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Wird jedoch zur Bildung von Aminopolynitril, ausgehend von einem primären Amin, versucht, zwei Mol Glykolnitril anzulagern, so erhält man nur geringe Mengen des gewünschten Produktes. Als Beispiel sei der Versuch zur Bildung von Äthylendiamin-tetra- acetonitril durch Umsetzung von 1 Mol Äthylendiamin mit 4 Mol Glykonitril genannt. Die ersten zwei Mol Glykolnitril können sehr rasch zugegeben werden, und es gelingt eine Isolierung der symmetrischen Äthylendiamin-diessigsäure durch Hydrolyse des Reaktionsproduktes.
Die Anlagerung des dritten und vierten Mols Glykolnitril erfolgt hingegen langsamer als die Zersetzung des Glykolnitrils. Das durch diese Reaktion erhältliche Produkt besteht deshalb aus Zersetzungsprodukten des Glykolnitrils und nur wenig oder keinem Äthylendiamin-tetraacetonitril.
Es wurde ein Verfahren zur Carboxymethylierung primärer und sekundärer Amine gefunden, bei dem die erwähnten Nachteile vermieden werden und nach welchem es z. B. möglich ist, eine Carboxymethylierung eines bereits eine Carboxymethylgruppe enthaltenden Amines durchzuführen.
Das erfindungsgemässe Verfahren zur Carboxymethylierung primärer und sekundärer Amine ist da .durch gekennzeichnet, dass man zu einer wässrigen Lösung oder Dispersion eines primären oder sekun dären Amines, bei einem pB plr-Wert von mindestens 12, eine wässrige Lösung von Glykolnitril zugibt und die
Reaktionsmischung unter einem Druck von 25-130 mm Hg auf eine Temperatur innerhalb des Bereiches von 85" bis zum Siedepunkt der Reaktionsmischung erhitzt.
Wenn man auf diese Art Glykolnitril (abs. oder in wässriger Lösung) portionenweise in Gegenwart von Alkali- oder Erdalkalimetallhydroxyden oder von quaternären Ammoniumhydroxyden zu einer wässrigen Lösung primärer oder sekundärer Amine zugibt, so gelingt eine vollkommene Carboxymethylierung der Amine, und es bildet sich das der verwendeten Base entsprechende Salz der Aminopolycarbonsäure; das sich bildende Ammoniak wird zweckmässig aus der Reaktionsmischung entfernt. Das Gelingen des Verfahrens beruht auf der Gegenwart genügend starker Basen, wie z. B. Natrium-, Kalium-, Lithium-, Calcium-, Barium-, Te trakis-(ss-hydroxyäthyl)-ammonium- hydroxyd, welche einen pl pH-Wert von mindestens 12, in vielen Fällen einen pH-Wert von 14, gewährleisten.
Die Zugabe von Glykolnitril zu einer Lösung eines Amines ist bei der technischen Anwendung des erfindungsgemässen Verfahrens bedeutend einfacher als die zu regulierende Zugabe von wässriger Natriumund Formaldehydlösung. Da das Verhältnis Cyanid zu Formaldehyd in Glykolnitril 1:1 beträgt, wird die Konzentration des Cyanids und Formaldehyds durch Zugabe des Glykolnitrils automatisch richtig bemessen.
Das Verfahren gemäss vorliegender Erfindung lässt sich ganz allgemein zur Carboxymethylierung primärer und sekundärer Amine, d. h. Amine, welche mindestens ein ersetzbares Wasserstoffatom in direkter Bindung am Aminstickstoffatom enthalten, verwenden.
Beispiele solcher Amine sind, nebst dem bereits erwähnten Äthylendiamin: Äthylamin, Chloräthylamin, n-Butylamin, Dodecylamin, 1,2-Propylendiamin, Di äthylen-di- und -triamin, Triäthylentetramin, N-Mono äthoxy-äthylendiamin, Cyclohexylamin usw. Wie bereits erwähnt, eignet sich das erfindungsgemässe Verfahren auch zur Carboxymethylierung bereits teilweise carboxymethylierter Amine.
Die Verfahrensprodukte können als Reinigungsmittel, Netzmittel und insbesondere als Komplex- bildner benutzt werden.
Die in den folgenden Belspielen angegebenen Teile sind Gewichtsteile.
Beispiel 1
Zu einer Mischung von 60 Teilen 50% der wässriger Äthylendiaminlösung mit 200 Teilen 50%iger Natronlauge werden bei Rückflusstemperatur innerhalb 5 Stunden 379 Teile einer 33%igen wässrigen Glykolnitrillösung unter vermindertem Druck (25-130 mm Hg) zugegeben. Die Reaktionsmischung wird während einer weiteren halben Stunde unter Rückfluss erhitzt, dann abgekühlt und mit Schwefelsäure bis pH 2 angesäuert. Die erhaltene Äthylendiamin-tetraessigsäure wird abfiltriert und sulfatfrei gewaschen.
Ausbeute: 133 Teile (= 91% der Theorie).
Bei einer Reaktionstemperatur von 85" bzw. 95" erhält man das Reaktionsprodukt in einer Ausbeute von 73% bzw. 76,8%. Verwendet man anstelle von 200 Teilen 50%iger Natronlauge (= 13,6% Überschuss bezogen auf Glykolnitril) 185 Teile 50%iger Natronlauge (= 4,55% Überschuss bezogen auf Glykolnitril) und verfährt sonst wie oben beschrieben, so erhält man das Reaktionsprodukt in einer Ausbeute von 78,1%.
Beispiel 2
Man gibt 264 Teile einer 40%igen wässrigen Tetra äthanolammoniumhydroxydlösung zu 12 Teilen einer 50 %igen wässrigen Äthylendiaminlösung und erhitzt die Mischung unter Rückfiuss. Dann werden unter vermindertem Druck (25-130 mm Hg) 76 Teile einer 33% igen wässrigen Glykolnitrillö sung innerhalb 3 Stunden zugegeben. Die dunkle Lösung wird noch während einer halben Stunde unter Rückfluss erwärmt und dann mit Aktivkohle behandelt. Eine Probe von 10 Teilen der Äthylendiamin-tetraessigsäure enthaltenden Reaktionslösung vermag 35,3 Teile Calcium komplex zu binden. Die Reaktionslösung verhindert ein Ausfallen von Ferriionen aus alkalischen Lösungen.
Beispiel 3
Zu einer Mischung von 60 Teilen 50%iger wässriger Äthylendiaminlösung und etwa 70 Teilen 50%iger Lithiumhydroxydlösung werden 379 Teile einer 33%igen wässrigen Glykolnitrillösung zugegeben. Die Zugabe erfolgt bei Rückflusstemperatur der Mischung innerhalb 5 Stunden unter vermindertem Druck (25-130 mm Hg). Man erwärmt noch eine halbe Stunde unter Rückfluss, kühlt ab und säuert mit Schwefelsäure an. 90,5% der theoretischen Ausbeute an Äthylendiamin-tetraessigsäure lassen sich durch Filtration isolieren. Der Niederschlag wird sulfatfrei gewaschen. Durch Eindampfen zur Trockene erhält man aus dem Filtrat eine zusätzliche Menge Äthylendiamin-tetraessigsäure, in Form ihres Lithiumsalzes, welche durch Behandlung mit Alkohol von überschüssigem Lithiumhydroxyd befreit werden kann.
Beispiel 4
379 Teile einer 33%igen wässrigen Glykolnitrillösung werden zu einer Mischung von 60 Teilen einer wässrigen 50%igen Äthylendiaminlösung, 225 Teilen 98%igem Triäthanolamin und 200 Teilen 50%iger Natronlauge zugegeben. Die Zugabe erfolgt bei Rück fiusstemperatur der Mischung innerhalb 21/2 Stunden unter vermindertem Druck (88 mm Hg). Die Reaktionsmischung wird noch während einer weiteren halben Stunde unter Rückfluss erwärmt, dann mit Aktivkohle geklärt und filtriert. Die bernsteinfarbene Lösung enthält 123 Teile (84,2% der Theorie) Äthylendiamin-tetraessigsäure und verhindert eine Ausfällung von rerriionen aus alkalischer Lösung.
Beispiel 5
Unter Rühren werden 874 Teile Dodecylamin zu 1500 Teilen Methylcellosolve (Äthylenglykol-monomethyläther) und 388 Teilen Natriumhydroxyd, gelöst in 1500 Teilen Wasser, zugegeben. Die Mischung wird auf 102" erwärmt und 716 Teile einer 70%igen wässrigen Glykolnitrillösung werden innerhalb 5 Stunden zugegeben. Nach beendigter Zugabe des Nitrils wird die Lösung zur Entfernung des entstandenen Ammoniaks unter vermindertem Druck (50-77 mm Hg) während 10 Stunden erhitzt. Dann wird die Reaktionsmischung unter Beibehaltung einer Temperatur von 100" mit 1000 Teilen Wasser verdünnt und mit 3220 Teilen 3-n-Salzsäure versetzt.
Der entstandene Brei wird auf 15 abgekühlt und das Reaktionsprodukt wird abfiltriert, mit Wasser gewaschen und getrocknet (Ausbeute 1213 Teile); es besteht aus 87% Dodecylamino-di-essigsäure, 12,5% Dodecylglycin und etwa 3% Natriumchlorid.
Beispiel 6
2980 Teile einer 50%igen wässrigen Natronlauge werden mit 2500 Teilen Wasser verdünnt und mit 3150 Teilen Diäthanolamin vermischt. Man erwärmt die Mischung auf 105-110 und gibt unter einem Druck von 75-102 mm Hg (innerhalb 7 Stunden) tropfenweise 2690 Teile einer 70%igen wässrigen Glykolnitrillösung zu. Nach Beendigung dieser Zugabe wird die Temperatur noch während 80 Minuten auf 110 belassen. Dann kühlt man ab. Die Ausbeute beträgt 10473 Teile einer 46,5%igen Lösung des Mononatriumsalzes des Dihydroxyäthylglycins.
Beispiel 7
75 Teile Glycin werden in 100 Teilen einer 50%igen Natronlauge, verdünnt mit 150 Teilen Wasser, gelöst.
Man erwärmt die Lösung auf 105 und gibt tropfenweise innerhalb 3 Stunden 81 Teile einer 70%igen wässrigen Glykolnitrillösung unter vermindertem Druck (100 mm Hg) zu. Nach Entweichen des gebildeten Ammoniaks wird die Reaktionsmischung mit 5 Teilen Aktivkohle behandelt und abgekühlt. Die Lösung (526 Teile) besteht aus einer Mischung der Natriumsalze der Amino-di- und -triessigsäure.
In analoger Weise lassen sich andere carboxymethylierte Verbindungen, wie z. B. Aminopropionsäure, Aminoisovaleriansäure, Aminophenylpropionsäure usw., weiter carboxymethylieren.