Verfahren zur Herstellung eines hochaktiven blutgerinnungshemmenden Mittels.
Heparin, ein Polysaeeharid-Sehwefelsäure- ester, wird bekanntlich aus Lebern und Lun nen gewonnen. Für die Herstellung von Heparin sind versehiedene Verfahren bekanntgeworden. Den meisten Verfahren ist gemeinsam, dass in einer ersten Phase Rohware, das heisst sogenanntes Rohheparin, erhalten wird, aus dem nach versehiedenen Methoden Reinware, sogenanntes Reinheparin, gewonnen wird. Das Rohheparin ist ein Gemisch ver schiedener mehr oder weniger stark mit Schwefelsäure veresterter Mucoitinsäuren.
Für die Gewinnung des Rohheparins haben AI. H. Kuizenga und L. B. Spaulding (J. Biol.
Chem., Bd. 148 [1943], S. 641) beispielsweise folgende Vorschrift angegeben : Ochsenlungen werden bei Gegenwart von Ammonsulfat autolysiert und anschliessend mit Natronlauge extrahiert. Aus dem Extrakt wird durch Ansäuern mit Schwefelsäure eine Heparin-Eiweiss-Verbindung ausgefällt. Diese wird mit Natronlauge behandelt und aus der erhaltenen Lösung wird das Rohheparin (im folgenden Produkt C genannt) mit Aceton ausgefällt.
Aus 50 kg Frischlunge wurden so 102 g Roh- heparin mit einer Aktivität von 8, 3 I. E. lmg (= internationalen Einheiten) erhalten, entsprechend einer Ausbeute von 16 900 I. E. pro kg Lunge.
Die Reinigung dieses Rohheparins erfolgt beispielsweise durch Umfällen über das Benzidinsalz (F. Charles und A. R. Todd, Bioeh. J., Bd. 34 [1940], S. 112) oder über das Barium- salz in verdünnter Essigsäure (M. H. Kuizenga und L. B. Spaulding, l. c.). Bei der Reinigung über das Bariumsalz wurden beispielsweise aus 102 g Rohheparin à 8, 3 I. E. lmg 8, 83 g Bariumverbindung erhalten mit einer Aktivität von 85 I. E./mg, entsprechend einer Ausbeute von 88 /o, das heisst 15 000 I. E. pro kg Lunge.
Bei der Reinigung gehen in diesem Falle somit 12% der Aktivität des Rohheparins verloren. Bei der weiteren Reini- gung dieses Präparates durch fraktionierte Fällung mit Aeeton erhielten die gleichen Autoren ein Reinheparin à 125 I. E. lmg in einer Ausbeute von 65 /o, entsprechend 9750 I. E. pro kg Lunge. Insgesamt verliert man also beim Reinigungsprozess 40 /o der urspriinglieh vorhandenen Aktivität.
Wie J. E. Jorpes und S. Gardell (J. Biol.
Chem., Bd. 176 [1948], S. 267) ausführen, besteht das in Lungen und Lebern enthaltene Heparin aus mehr oder weniger sulfurierten Polysacchariden, den sogenannten Heparin mono-,-di-,-tri-und-tetra-sulfosäuren. Je mehr Sulfogruppen im Molekül enthalten sind, um so hoher ist die bintgerinnungshemmende Wirkung. Heparin-monosulfosäure hat beispielsweise nur eine Aktivität von 10 bis 20 I. E. ! mg. Oie wenig wirksamen Verbindungen werden bei der Reinigung abgetrennt, was zu dem oben erwähnten Aktivitätsverluste führt.
Das nach diesen Autoren abtrennbare Gemisch von Heparin-mono-und-disulfosäuren soll im folgenden Nebenprodukt B genannt werden.
Ein weiteres wenig aktives und verhält- nismässig schwefelarmes Nebenprodukt der Heparingewinnung erhält man durch Behan deln von Rohheparin mit Zinkehlorid oder Cadmiumchlorid in verdünntem Alkohol. Es soll im folgenden Nebenprodukt A genannt werden und ist nach dem in der deutsehen
Patentschrift Nr. 806994 beschriebenen Verfahren erhältlieh.
Wird die bei der Reinigung des Rohhepa- rins über das Benzidinsalz (Charles & Scott, Biochem. J. 30 [1936], Seite 1927) oder ber das Bariumsalz (Kuizenga & Spaulding l. c.) erhaltene llutterlauge mit 4 Volumteilen Aceton versetzt, so erhÏlt man einen Niedersehlag.
Diesen Niederschlag kann man in Wasser suspendieren, mit Sodalösung versetzen und ihn von der abgeschiedenen Benzidinbase bzw. vom gefällten Bariumcarbonat abfiltrieren. Die erhaltene Losung kann man auf pH = 6 stellen und die Mucoitinsäuren mittels Alkohol oder A. ceton fällen. Nach Abzentrifugieren und Trocknen erhÏlt man ein Produkt mit einem Titer von 0, 5 bis 1 I. E. /mg, das im folgenden Produkt D genannt werden soll.
Diese Verbindungen unterscheiden sich von hoehaktive. n Heparin hauptsächlieh dureh den niedrigeren Schwefelgehalt.
Es wurde nun gefunden, dass man durch Sulfurierung der genannten Produkte zu ge rinnungshemmenden Verbindungen gelangen kann, deren Aktivität derjenigen des reinen Heparins, das heisst der Heparin-trisulfosäure, entspricht.
Das Verfahren gemäss der Erfindung zur Herstellung eines hochaktiven blutgerinnungs- hemmenden Mittels ist dadurch gekennzeichnet, dass man ein aus tierischen Organen gewonnenes, wenig aktives Gemisch von Mucoi- tinsulfosäuren, in welchen pro Polysaccharid- molek l im Durchschnitt weniger als drei Schwefelsäureestergruppen vorhanden sind, bei Temperaturen zwischen 50 und 120¯ C f r kurze Zeit mit einem Sulfurierungsmittel behandelt, derart, dass ein als Mucoitinsulfo- sÏure praktiseh ausschliesslich die TrisulfosÏure enthaltendes Produkt entsteht.
Als Ausgangsmaterialien f r die Sulfu- rierung kommen in erster Linie in Frage :
A. Das mittels Zink-oder Cadmiumsalzen aus Losungen von Rohheparin in verdünntem Alkohol abtrennbare Nebenprodukt mit einem Schwefelgehalt von etwa 5 O/o und einem Titer von etwa 50 I. EJmg (Nebenprodukt A).
B. Die Heparinmonosulfosäure mit einem Sehwefelgehalt von etwa 6 %und einem Titer von etwa 15 bis 20 I. E./mg sowie die Heparindisulfosäure mit einem Schwefelgehalt von etwa 10 /o und einem Titer von etwa 50I. E./mg (Nebenprodukt B).
C. Das mit Alkohol oder Aceton fällbare sogenannte Rohheparin (Sehwefelgehalt um 8"/o ; Titer um 10 I. E./mg) (Produkt C).
D. Der aus den beim Reinigen von Rohheparin anfallenden Mutterlaugen gewonnene Anteil mit einem Sehwefelgehalt von etwa (i /o und einer Aktivität von etwa 0, 1 bis l I. E./mg (Produkt D).
Die genannten Produkte der Heparingewinnung können einzeln oder gesamthaft sulfuriert werden.
Die Sulfurierung kann in iiblicher Weise in Pyridin, a-Picolin usw. unter Verwendung von Chlorsulfonsäure als Snlfurierungsmittel erfolgen.
Bei der Isolierung der sulfurierten Verbindung aus dem Reaktionsgemisch bereitet die Eliminierung des überschüssigen Sulfurle- rungsmittels gewisse Schwierigkeiten. Gemäss den Angaben von P. Karrer (Helv. Chim.
Acta, Bd. 26 [1943], S. 1296) wird die Ent fernung der Schwefelsäure zum Beispiel durch Dialysieren erreicht. Es wurde nun gefunden, dass man die Eliminierung des übersehüssigen Sulfurierungsmittels auf einfache Weise dadurch erreiehen kann, dass die sulfurierten Verbindungen mittels Alkaloiden, wie Bruein, Narcotin usw., ans dem Snlfurierungsgemisch ausgefällt werden.
Es ist zwar bekannt, dass durch Sulfurie- rung anderer natürlieher oder künstlieher bochpolymerer Stoffe Verbindungen mit blutgerinnungshemmender Wirkung hergestellt werden können. Die blutgerinnungshemmende Wirkung synthetischer Polysaecharid-Sehwe- felsäureester wurde durch Bergström (Ztschr. physiol. Chem., Bd. 238 [1936], S. 163) entdeckt. Durch Sulfurierung von Zellulose, Stärke, Chitin, Pektin u. a. mittels Chlorsulfonsäure erhielt er Präparate, deren Wirksamkeit 5-bis 20mal kleiner war als diejenige des Heparins. Chargaff (J. Biol.
Chem., Bd. 115 [1936], S. 155) stellte fest, dass die Sktivität von Zelluloseschwefelsäureester und Polyvinylalkohol-Schwefelsäureester nur etwa lA derjenigen des Heparins beträgt. Aus- gehend von Zellulose erhielt P. Karrer (Helv.
Chim. Acta, Bd. 26 [1943], S. 1296) Produkte mit einem Sehwefelgehalt von 18 bis 20 /o und einem Titer von 25 I. E./mg, aus Chon droitinsehlvefelsäure solehe mit einem Titer von 17 I. E. lmg. Ihre Aktivität lag also ebenfalls wesentlich unter derjenigen des Heparins, das einen Titer von etwa 130 I. E./mg besitzt.
Auch Astrup (Acta Physiol. Scand., Bd. 8 ['1944], S. 215) kommt zum Ergebnis, dass Zellulose-trischwefelsäureester und Chitindisulfosäure wesentlich weniger aktiv sind als Heparin. Alle diese blutgerinnungshemmenden Mittel sind im Gegensatz zu den gemäss der vorliegenden Erfindung erhaltenen entweder nur sehr wenig aktiv oder wegen ihren toxischen Nebenwirkungen unbrauchbar.
Nach dem neuen Verfahren erhält man in bisher nicht erreiehter Ausbeute (50 000 I. E. und mehr aus 1 kg Lunge) blutgerinnungs- hemmende Stoffe, welche f r therapeutische Zwecke geeignet sind.
Beispiel 1 : 1 Gewichtsteil Nebenprodukt A wird mit einer 800 C warmen Lösung von 1 Raumteil Chlorsulfonsäure in 10 Raumteilen Pyridin verrührt. Man lässt etwa 10 Minuten stehen und giesst die überstehende Lösung ab. Der Rüekstand wird in 100 Teilen Wasser gelost und die Lösung durch Zusatz von Salzsäure auf PH = 3 gestellt. Man versetzt sofort unter Rühren mit 50 Raumteilen einer 10pro zentigen wässerigen Lösung von Narcotinchlor- hydrat, wobei das Narcotinsalz des Schwefelsäureesters in groben Flocken ausfällt.
Nun wird zentrifugiert und der Rüekstand dreimal mit je 10 Raumteilen einerwässerigen, 1 /oigen Narcotinchlorhydratlosung ausgewaschen. Man verrührt das Narcotinsalz mit 10 Teilen Wasser und versetzt mit 10 Raumteilen l0prozen- tiger Sodalosung. Die ausgeschiedene Narco- tinbase wird abgenutseht, das Filtrat mit Essigsäure auf pg = 6 gestellt und der Schwe- felsäureester mit dem doppelten Volumen llethanol ausgefällt. Nach dem Trocknen, mit Alkohol und.
¯ther erhält man 1, 1 Gewichtsteile eines Präparates, das bei einem Schwefelgehalt von 14, 5 /o einen Titer von 130 I. EJmg aufweist und somit dem internationalen Heparinstandard entspricht.
Beispiel 2 : 1 Gewichtsteil Nebenprodukt B wird portionenweise in eine 700 C warme Lösung von 2 Raumteilen Chlorsulfonsäure in 10 Raum- teilen a-Picolin eingetragen. Man rührt 4 Stunden bei 700 C und versetzt mit 100 Teilen Wasser. Die klare Lösung wird mit 4 Raumteilen konzentrierter Salzsäure auf PEX = 3 gestellt und unter Rühren mit 80 Raumteilen einer lOprozentigen wässerigen Lösung von Brucinchlorhydrat versetzt.
Das Brucinsalz des gebildeten Schwefelsäureesters wird abzentrifugiert und dreimal mit je 10 Raumteilen einer lprozentigen wässerigen Losung von Brucinehlorhydrat ausgewaschen.
Man zerlegt das Brucinsalz mit 20 Raum- teilen 5prozentiger Natronlauge und trennt von der ausgeschiedenen Brucinbase ab. Das Filtrat wird mit Essigsäure auf pH = 5 gestellt und der Schwefelsäureester mit dem doppelten Volumen Äthylalkohol ausgefällt.
Nach dem Trocknen mit Alkohol und Äther erhält man 1, ? Gewichtsteile eines Präparates s mit einem Titer von 120 I. E. lmg.
Beispiel 3 : 1 Gewichtsteil Produkt C wird portionenweise in eine 100 C warme Lösung von 2 Raumteilen Chlorsulfonsäure in 10 Raumteilen Pyridin eingetragen. Man lässt 15 Minuten stehen und versetzt mit 100 Teilen Was- ser. Die Losung wird mit konzentrierter Salzsäure auf PH = 3 gestellt und mit 80 Raum- teilen einer 10prozentigen wässerigen Lösung von Narcotinchlorhydrat versetzt. Man zentrifugiert, wäscht das Narcotinsalz dreimal mit je 10 Raumteilen einer lprozentigen wÏsserigen Losung von Nareotinchlorhydrat aus. Der Rüekstand wird mit 20 Raumteilen 5prozen- tiger Sodalosung zerlegt.
Man trennt von der ausgesehiedenen Narcotinbase ab, stellt das Filtrat mit Essigsäure auf pH = 5 und fÏllt den Sehwefelsäureester mit dem doppelten Volumen Methanol aus. Nach dem Trocknen mit Alkohol und Äther erhÏlt man 1 Gewiehtsteil eines Präparates mit einem Titer von 110 I. E./mg und einem Schwefelgehalt un 14, 2 %
Beispiel 4 : 1 Gewichtsteil Produkt D wird mit 2 Raum- teilen Chlorsulfonsäure in 10 Raumteilen Pyridin 5 Stunden bei 600 C ger hrt. Man versetzt mit 200 Teilen Wasser und stellt mit konzentrierter Salzsäure auf pH = 3, 5.
Das Sulfurierungsprodukt wird durch Zusatz von 80 Raumteilen einer 1Oprozentigen wässerigen Lösung von Narcotinchlorhydrat ausgefäilt.
Der Niedersehlag wird abgenutscht und dreimal mit je 10 Raumteilen einer lprozentigen Narcotinchlorhydratlosung ausgewaschen. Das Narcotinsalz wird mit 20 Raumteilen 5prozen- tiger Sodalosung verrührt und die ausgescnie- dene Nareotinbase abgetrennt. Das Sulfure- rungsprodukt wird aus dem Filtrat naeli Einstellen auf pli = 5 mittels 2 Raumteilen Al kohol ausgefällt. Nach dem Trocknen mit Al- kohol und Äther erhält man 1, 1 Gewichtsteile e eines Präparates mit einem Titer von 135 I. EJmg. Der Schwefelgehalt beträgt 13, 1 /o.