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Verfahren zur Herstellung von Presshefe.
Seit den Arbeiten von Wildiers ist es bekannt, dass es Stoffe gibt, welche das Vermehrungsvermögen der Hefe entscheidend beeinflussen. Diese Stoffe, die ursprünglich mit dem Ausdruck"Bios" bezeichnet wurden, sind, wie man heute weiss, mit Vitaminen nicht identisch, sondern müssen zu diesen lebenswichtigen Stoffen noch hinzukommen, um eine optimale Vermehrung der Hefe zu gewährleisten. Nach dem Vorschlag v. Eulers dient zur Bezeichnung solcher Ergänzungsstoffe (Kompletine) der Buchstabe B, dem, je nachdem es sich um die Beeinflussung der Vermehrung von Pflanzen oder Tieren handelt, noch der Buchstabe P oder T angehängt und schliesslich als Index der Name der Pflanze oder des Tieres hinzugefügt wird. Die hier in Frage kommenden, die Vermehrung der Hefe entscheidend beeinflussenden Faktoren sind also als BP-Hefe-Faktoren zu bezeichnen.
Die vorliegende Erfindung hat ihren Ausgangspunkt in der Erkenntnis, dass das Bedürfnis nach solchen BP-Faktoren bei den verschiedenen Sprosspilzen verschieden ist : Pilze mit vorwiegend oxybiontischem Stoffwechsel sind ihrer nicht so bedürftig wie die vorwiegend anaeroben Arten, zu denen unsere Kulturhefen gehören. Diese Hefen sind offenbar gezwungen, die BP-Faktoren dem Nährsubstrat zu entnehmen.
Es hat sich nun gezeigt, dass solche BP-Stoffe, die in rein synthetischen Nährlösungen überhaupt nicht enthalten sind, in biologischen Flüssigkeiten zwar ausnahmslos vorkommen, aber in sehr verschiedener Menge. Die Hauptrohstoffe der Presshefeerzeugung-u. zw. nicht nur die Melasse, sondern merkwürdigerweise auch Getreidemaischen-haben sich als arm an BP-Stoffen erwiesen. Hingegen wurde festgestellt, dass Pflanzensäfte aller Art, insbesondere Fruchtsäfte (z. B. Tomatensaft), solche Kompletine in sehr reichlicher Menge enthalten ; an zweiter Stelle ist Hefeautolysat als günstiger BP-Stoffträger befunden worden. Aber auch tierische Stoffwechselprodukte, wie Harn, sind, wie sich gezeigt hat, verhältnismässig reich an diesen Stoffen.
Zur weiteren Verfolgung der durch diese neuen Erkenntnisse angeregten Untersuchungen erschien es notwendig, ein Mass für die jeweils vorhandenen BP-Stoffe einzuführen. Als solches wurde die Vermehrungsbeschleunigung gewählt. Die Angabe 4,9 BP-Einheiten bedeutet z. B. in diesem Sinne, dass so viel der in Rede stehenden Kompletine in dem betreffenden Medium vorhanden sind, dass ein 4,9mal schnelleres Wachstum eintritt als unter sonst gleichen Umständen in kompletinfreien Nährlösungen.
Die quantitative Verfolgung der beobachteten Erscheinungen hat schliesslich zu der überraschenden Feststellung geführt, dass bei den verschiedenen S. cerevisiae Hansen-Arten und-Varietäten, zu denen sämtliche technisch verwendeten Pressheferassen gehören, zur Erzielung einer optimalen Wirkung nicht nur eine bestimmte Konzentration an BP-Stoffen erreicht werden muss, sondern eine gewisse obere Grenze nicht überschritten werden darf. Die Abhängigkeit der Wachstumsbeschleunigung von den BP-Faktoren ist also keine lineare, sondern wird durch eine Kurve ausgedrückt, die sich nach Erreichung eines der Optimalkonzentration entsprechenden Scheitelpunkte der Abszisse asymptotisch nähert.
Das vorliegende Verfahren zur Herstellung von Presshefe besteht demnach im wesentlichen darin, dass solchen Nährlösungen, die arm an BP-Stoffen sind, derlei Stoffe, gleichzeitig oder nach und nach in solcher Menge zugefügt werden, dass die optimale Konzentration erreicht, aber nicht überschritten wird.
Man hat z. B. Rüben oder Möhren als Hauptrohstoff oder Zumaischmaterial in der Spiritusindustrie, ferner als Zumaischstoff bei der Presshefeerzeugung bereits verwendet. Ferner wurden solchen Maischen beispielsweise Hefeautolysat oder Harnstoff als stickstoffhaltige Hefenahrung zugesetzt.
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Schliesslich sind auch verschiedene Zusätze, wie Reisschalen, Milch, Hefeextrakt oder auch Möhrensaft, derartigen Nährlösungen zugesetzt worden, um ihren Vitamingehalt zu erhöhen. In allen diesen Fällen hat es sich um Mengen der Zusätze gehandelt (beispielsweise 5% Möhrensaft von der Gesamtmenge der Nährlösung), mit denen die Optimalkonzentratio'n an BP-Stoffen bei weitem überschritten wurde. Erst die vorliegende Erfindung hat dazu geführt, den Gehalt an BP-Stoffen in solchen bekannten Zusätzen festzustellen und die Menge, unabhängig von dem Erfordernis an Nahrungsstoffen (Kohlenstoff-und Stickstoff quellen) und Ergänzungsstoffen von vitaminartiger Beschaffenheit und Wirksamkeit, den Bedürfnissen der Hefe nach BP-Stoffen planmässig anzupassen.
Ferner ist durch die neue Erkenntnis auch der Kreis der brauchbaren Zusatzstoffe wesentlich erweitert worden.
Ausführungsbeispiel : Aus frischen Tomaten oder Tomatenmark wird durch Pressen der Fruchtsaft möglichst vollständig gewonnen, worauf man diesen Saft durch Filtration, Zentrifugieren od. dgl. von Trübstoffen befreit. Der klare Saft wird nun auf seinen Gehalt an BP-Stoffen in folgender Weise untersucht :
Eine leicht in einzelne Zellen zerfallende Standardhefe, z. B. Brauereihefe Pankow, wird in einer kompletinfreien synthetischen Nährlösung, z. B. einer Nährlösung nach Woeltje, welche Saccharose, Asparagin, primäres Natriumsulfat und Magnesiumsulfat enthält, suspendiert, u. zw. in einer solchen Konzentration, dass die Suspension zur Anlegung von Einzelkulturen nach Euler-Lindner geeignet ist.
Von dieser Hefesuspension werden gleiche Mengen abgemessen, z. B. je 10 con3, und mit steigenden Mengen des zu untersuchenden Tomatensaftes, z. B. 0, 0'5, 1, 1'5 cm3, versetzt. Man lässt nun diese Vergleichskulturen eine geeignete Zeit (z. B. 9 Stunden) bei konstanter Temperatur (z. B. 210 C) wachsen. Nach Ablauf dieser Zeit wird in jeder dieser Proben der Hefezuwachs durch Zählung der Zellen festgestellt, wobei vorsichtshalber 30-50 Tröpfchen durchgezählt werden. Die Generationsdauer wird nun nach der Formel von Pederson G. D. =----,-- (in welcher Formel t die Wachstumszeit, a die Zahl der logo-log a Zellen zu Anfang des Versuches, b die Zahl der Zellen zu Ende des Versuches bedeutet) berechnet.
Der Quotient der optimalen Generationsdauer und der Generationsdauer des kompletinfreien Leerversuches gibt den Gehalt des untersuchten Tomatensaftes an BP-Einheiten an.
500 kg einer Melasselösung von 180 Balling werden nach Zumischung von 10 kg Ammonsulfat und 20 kg Superphosphat mit einer Menge Tomatensaft, die 6000-10. 000 BP-Einheiten enthält, versetzt und, zweckmässig nach vorheriger Sterilisation, mit 75 kg Stellhefe nach dem üblichen Zulaufverfahren verarbeitet. Die angegebenen Bedingungen werden im Durchschnitt durch Zusatz von 3 kg Tomatensaft erreicht, was einem Verhältnis von 0'6% der Gesamtmenge der Nährlösung entspricht. Je nach der Beschaffenheit des Saftes liegt die erforderliche Menge nur wenig unterhalb oder oberhalb der angegebenen Zahlen ; es ist daher bei Beibehaltung desselben Zusatzstoffes durchaus nicht notwendig, die oben beschriebene Untersuchung auf BP-Einheiten im praktischen Betriebe regelmässig vorzunehmen.
Eine Ausbeute von 71% Hefe (berechnet auf Zucker unter Abzug der Anstellhefe) ist schon nach einer Gärzeit von 4 bis 5 Stunden erreicht, wogegen dieselbe Vermehrung ohne Zusatz von nach untenund obenhin begrenzten Mengen eines BP-Trägers erst nach einer Gärzeit von etwa 12 Stunden eingetreten ist. Lässt-man die erfindungsgemäss zusammengesetzte Nährlösung 12 Stunden gären, so steigt die Ausbeute auf etwa 90%. Die geerntete Hefe ist sehr triebkräftig und haltbar.