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Verfahren zur Ausfällung kolloider Stoffe aus Flüssigkeiten.
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ausfällung kolloider Stoffe aus Flüssigkeiten pflanzlichen oder tierischen Ursprungs, insbesondere aus Zuckerrübensäften.
Das Wesen der Erfindung soll bei der Scheidung der Zuckersäfte in der Rübenzuckerfabrikation erläutert werden. Es ist bekannt, dass die Fällung der im Safte enthaltenen kolloiden Stoffe am vollkommensten dann erfolgt, wenn die Konzentration der Wasserstoffionen dem isoelektrischen Punkt entspricht, wobei die Koagulierung eintritt. Von diesen kolloidwissensehaftlichen Ergebnissen hat man auch bei der Scheidung der Zuokerrübensäfte Gebrauch gemacht, derart, dass die Menge des verwendeten Kalkes, die auch heute manchmal noch bis zu 2'5% der Rübenmenge ausmacht, wesentlich vermindert wurde. Die bisherigen Versuche mit so geringem Kalkzusatz haben jedoch zu schlecht filtrierbaren Säften geführt. Auch an Versuchen, diesen Übelstand zu beheben, hat es nicht gefehlt.
So dadurch, dass der gekalkte Saft einem Druck von 1 bis 2 Atm. ausgesetzt wird (Friedrich), ferner nach dem gleichen Verfahren unter Zusatz von Soda (Mintz und seine Mitarbeiter) und weiter durch Teatini, der nach dem Kalkzusatz noch flüssige schwefelige Säure zumischt, u. a.
Diesen Verfahren erscheint nun das der Erfindung zugrunde liegende hinsichtlich Einfachheit und Betriebssicherheit überlegen. Es besteht darin, dass dem Rübensafte Kalk bis zu einer Alkalinität, die einem Kalkzusatz von 0'2 bis 0'5% entspricht, kontinuierlich oder in Teilmengen während eines längeren Zeitraumes, wie etwa 15 bis 25 Minuten, zugesetzt wird, wodurch der erhaltene Niederschlag grobkörnig anfällt, und dass erst dann die etwa noch erforderliche Menge des Fällungsmittels zugesetzt wird. Dieses Verfahren unterscheidet sich in seiner Ausführung von den früheren demnach dadurch, dass die Kalkmilch nicht wie bisher in einem kurzen Zeitraum, z. B. in einer Minute, sondern langsam, kontinuierlich oder intermittierend in der angegebenen Weise zugefügt wird.
Es wird hiezu bemerkt, dass wohl auch Verfahren bekannt sind, bei denen fraktioniert geschieden wurde, u. zw. in der Art, dass wohl zunächst nur die dem Koagulationsoptimum genau entsprechende Teilmenge Kalk zugesetzt wurde (Kowalski-Kozakowski), jedoch in dem üblichen kurzen Zeitraum, worauf dann der Zusatz des restlichen Fällungsmittels erfolgte.
Wenn ferner auch vorgeschlagen wurde, die Kalkmilch langsam und unter stetem Rühren zuzusetzen, so handelte es sich jedoch bei diesem Vorschlag nur um eine blosse Neutralisation, durch welche ein ph-Wert = 7 erreicht werden sollte, wozu Mengen von etwa 0'025% CaO ausreichend waren. Demgegenüber wird erfindungsgemäss im Falle der Scheidung von Zuckersäften der Kalk nicht bis zur Erzielung einer annähernden Neutralität zugesetzt, sondern darüber hinaus, bis zum Koagulierungsoptimum oder auch weiter, d. h. praktisch bis zu einer Alkalinität, die einem Kalkzusatz von 0'2 bis 0'5% CaO entspricht.
Die Ausführung des Verfahrens gestaltet sich danach beispielsweise folgenderweise : Kalkmilch wird zuerst in einen mit Rührvorrichtung versehenen Behälter eingelassen, der sich über jedem Malaxeur befindet. Die Malaxeure werden mit dem zweckmässig erwärmten Saft gefüllt, und die Kalkmilch wird aus dem Rührbehälter in schwachem Strom zufliessen gelassen. Wenn man in der Zeit von 15 bis 20 Minuten etwa 0'2-0'5% CaO zugesetzt hat, so setzt man den jeweils noch erforderlichen Kalkrest sodann auf einmal zu. Nach der Mischung im Malaxeur wird der Inhalt ausfliessen gelassen.
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Man kann auch im durchlaufenden Saft, bei zweckmässiger Verbindung aller Malaxeure zu einer kontinuierlichen Station, die Scheidung, wie geschildert, durchführen. Dabei kann man zur Scheidung selbstverständlich verschiedene Dosierungsapparate benutzen.
Statt Kalkmilch kann auch trockener Kalk verwendet werden. Auch er wird in der ersten Arbeitsperiode allmählich, in der zweiten auf einmal zugesetzt.
Die Geschwindigkeit des allmählich erfolgenden Zusatzes der Kalkmilch oder des trockenen Kalkes hängt naturgemäss von der zur genügenden Anwärmung des Saftes einzuhaltenden Arbeitstemperatur ab, die sich vorzugsweise zwischen 50-85'erstrecken-wird, u. zw. in der Weise, dass bei höherer Temperatur der Zusatz von Kalkmilch bzw. Trockenkalk rascher erfolgen kann als bei niederer, da ja die höhere Temperatur die grobkristallinische Beschaffenheit des Niederschlages und damit die geringere Löslichkeit in den weiteren Zusätzen begünstigt.
Zur Begründung der durch das erfindungsgemässe Verfahren erzielten Erfolge wird auf kolloidchemische Untersuchungen verwiesen, zu deren Erläuterung die Fig. l und 2 dienen.
In Fig. 1 stellt X eine Kurve dar, deren Ordinaten die Prozentmengen des koagulieren Stoffes und deren Abszissen die Wasserstoffionenkonzentration für den Fall darstellen, dass der Zusatz des Klärmittels auf einmal erfolgt. Bei einem bestimmten pl, erfolgt die optimale Koagulation, durch weitere Erhöhung von pi, tritt eine Peptisation ein.
Nach dem Entstehen des Niederschlages kann es aber nach gewisser Zeit zu einer zeitlichen Repeptisation kommen, wie dies in Fig. 2 dargestellt ist, wo die Abszissen Zeiteinheiten nach dem Zusatz des Fällungsmittels und die Ordinaten die Prozente des Niederschlages ausdrücken. Es ist also nicht gleich, wie lange man die Koagulation führt, um einen Teil des Kläreffektes nicht zu verlieren. Dieses Diagramm zeigt demnach auch die Geschwindigkeit der Wiederauflösung mit der Zeit an.
Es ergibt sich, dass jener Niederschlag die kleinste Lösungsgeschwindigkeit im Falle des Überschusses an Klärmittel (Fig. 1) oder auch im Falle der zeitlichen Repeptisation (Fig. 2) aufweisen wird, dessen Teilchen die kleinsten Angriffsflächen darbieten, der demnach am grobkörnigsten ist.
Wenn man die Kurve al als Löslichkeitskurve auffasst, so entspricht das Gebiet links dieser Kurve bis A dem ungesättigten, das rechte Gebiet den übersättigten Lösungen. Dieses Übersättigungsgebiet, das durch Versuche bestimmt wurde, zerfällt in zwei Zonen, u. zw. in das metastabile (der schraffierte Teil) und in das labile (punktierter Teil), Metastabil übersättigte Lösungen können nur in Gegenwart bereits gebildeter fester Keime des gelösten Stoffes kristallisieren, während die labil übersättigten Lösungen bereits unter allen Umständen kristallisieren. Wenn demnach beabsichtigt ist, dass die einmal gebildeten Kristalle weiterhin nur wachsen, so darf das Gebiet der metastabilen Übersättigung, sobald die ersten Fällungen durch das Vordringen ins labile Gebiet entstanden sind, nicht mehr überschritten werden.
Diese Erwägungen führen nun zu der dem erfindungsgemässen Verfahren zugrunde liegenden Ausführungsform, die darin besteht, dass, sobald der Kalkzusatz einen Niederschlag hervorgerufen hat, die weitere Zugabe so behutsam erfolgt, dass die Übersättigung in den Grenzen des metastabilen Gebietes bleibt. Es ist klar, dass bei Verringerung der zugesetzten Mengen die intermittierende Zusatzweise allmählich in eine stetige übergeht und demnach bei so langsamem ununterbrochenem Zufügen des Klärmittels, dass die fortlaufenden Übersättigungen sich gleichfalls in der metastabilen Zone abspielen, der gleiche Effekt wie beim intermittierenden Verfahren erreicht wird.
Wenn die Übersättigung hingegen in der labilen Zone erfolgt, so geschieht die Fällung infeinkörniger Form, wodurch sie leichter repeptisierbar wird und wodurch dann der Scheidungserfolg wesentlich verringert wird.
Der grobkörnig entstehende Niederschlag im metastabilen Gebiete ist durch die verringerte Oberfläche sehr widerstandsfähig gegen den Überschuss an Klärmittel, denn die Löslichkeitsgeschwindigkeit des Niederschlages im Überschuss des Klärmittels ist dann so klein, dass man von einer praktischen Unlöslichkeit des Niederschlages sprechen kann. Auf diese Weise kann man also das Koagulationsoptimum gegebenenfalls auch durch einen grösseren Überschuss an Klärmittel überschreiten, ohne dass man den optimalen Kläreffekt verliert. Die Kurve ai nimmt dann die Richtung % an, statt wie bei al abzusinken.
Ausserdem verringert sich durch die kleinere Oberfläche des Niederschlages die Repeptisation pro Zeit- einheit, welche in Fig. 2 dargestellt ist.
Das für die besonderen Zwecke der Verwendung in der Zuckerfabrikation erläuterte Verfahren lässt sich sinngemäss auch überall dort anwenden, wo eine wirtschaftliche und vollkommene Abscheidung kolloider Stoffe aus ihren Lösungen erwünscht ist, wie z. B. bei der Reinigung von Schlachthausabwässem, bei der Herstellung pharmazeutischer Präparate u. a.
Die Vorteile dieses Verfahrens sind folgende : Der Reinheitsgrad der derart geklärten Lösung wird erhöht. Die Beseitigung der kolloiden Stoffe ist vollkommener.
Die Menge des Klärmittelzusatzes wird auf ein Minimum herabgesetzt. In den Zuckerfabriken z. B. wird dadurch viel an Kalk erspart. Die Zuckerfabriken hätten dann die Möglichkeit, den Kalk zu kaufen, so dass die Kalkbrennerei entbehrlich wäre.
Es entfällt die Abscheidung des durch Vorklärung entstandenen Schlammes und dadurch auch die teuere und unbequem Arbeit mit Schleudermaschinen oder mit Asbest-oder ähnlichen Sehlamm- filtern.
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Die Filtration der Zuckersäfte wird durch das neue Verfahren um ein Vielfaches beschleunigt und kann man auch unter Anwendung niedrigen Druckes die Säfte filtrieren. Durch die grosse Porosität der Schlämme, die bei diesem neuen Verfahren entstehen, kann man dieselben sehr leicht und mit verringerter Wassermenge absüssen, wodurch eine Ersparnis an Kohle zum Eindampfen des Absüsswassers erreicht wird.
Weiter werden die Zuckerverluste im Schlamme und die Mengen des verwendeten Filtriermaterials verringert.
Ein grosser Vorteil des neues Verfahrens liegt auch darin, dass man durch das allmähliche Vorscheiden das Koagulationsoptimum ganz automatisch erreicht und mit weiterer Kalkgabe u. ä. auch überschreiten kann, weil der grobkörnig entstehende Niedersehlag im überflüssigen Klärmittelzusatz praktisch unlöslich ist. Auf diese Weise entfällt die stetige Kontrolle des Koagulationsoptimums, was bei den früheren Methoden immer nötig war..