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Verfahren zur Saftreinigung in der Zuckerindustrie mittels Kalkzusatz
und Saturation Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Reinigung von
Diffusionssaft oder anderen bei der Herstellung von Zucker anfallenden kolloidalen
Flüssigkeiten wie beispielsweise des Spül- oder Abwassers von ausgelaugten Rübenschnitzeln.
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Der Diffusions- oder Rohsaft, der durch das Auslaugen von Rübenschnitzeln
erhalten wird, enthält verschiedene Verunreinigungen, insbesondere Pektin und Eiweißstoffe,
die entfernt werden müssen, ehe der Saft der weiteren Behandlung unterworfen werden
kann. Die Abscheidung dieser Stoffe wird nach den bisher bekannten Verfahren durchgeführt,
indem Calciumhydroxyd in Form von Kalkmilch oder trockenem Kalk (Naß- bzw. Trockenscheidung)
zugesetzt wird, und diese Stoffe werden in der folgenden Beschreibung einfach mit
Kalk bezeichnet. Die Verunreinigungen werden auf diese Weise in kolloidaler Form
ausgefällt, und nach dem Zusatz von Kohlensäure, beispielsweise in Form von Kalkofengas
(Saturation), werden sie zusammen mit den bei der Saturation gebildeten Calciumkarbonatteilchen
durch Filtrieren entfernt. Da die so ausgefällten Verunreinigungen in voluminöser
gallertartiger Form erhalten werden, in der sie schwierig zu filtrieren sind, muß
bei dem Kalken ein wesentlicher Überschuß an Kalk benutzt werden, damit der durch
die Filtration gebildete Filterkuchen in der Hauptsache aus dem verhältnismäßig
leicht abfiltrierbaren Calciumkarbonat besteht, mit welchem die ausgefällten
Verunreinigungen
mechanisch vermischt sind.
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Bei der Saturation kann jedoch der gesamte Kalk nicht mit einem Mal
entfernt werden, da sonst ein Teil der beim Kalken ausgefällten Verunreinigungen
wieder gelöst werden würde (Übersaturation). Daher wird der Saft nach der auf die
erste Saturation folgenden Filtration einer zweiten Saturation unterworfen, bei
der der zurückgebliebene Kalk entfernt wird.
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Um die Filtration zu erleichtern und auf diese Weise an Kalk zu sparen,
sind schon verschiedene Verfahren zur Anwendung gekommen, die sich in der Praxis
auch mehr oder weniger vorteilhaft erwiesen haben. Einige dieser Verfahren laufen
darauf hinaus, daß sie das Kalken durch vorsichtigen allmählichen Zusatz von Kalkmilch
einleiten (Vorkalkung).
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Nach anderen Verfahren wird die Kalkmilch unter gleichzeitigem Zuleiten
von Kohlensäure (Abklärsaturation oder Defecokarbonation) zugesetzt, und zwar oft
in kontinuierlichem Verfahren, wodurch auch ein milderer Einfluß auf die Kolloide
des Saftes erzielt wird. Es sind ferner auch Verfahren vorgeschlagen worden, die
auf eine Vergrößerung der gebildeten Calciumkarbonatteilchen hinauslaufen. Von den
letzteren Verfahren sollen vor allem diejenigen erwähnt werden, bei denen die Kohlensäure
fortlaufend zugeführt wird, so daß das neu gebildete Calciumkarbonat in hohem Ausmaße
dazu beiträgt, die zuvor gebildeten Teilchen zu vergrößern. Bei anderen Verfahren
(Rückführung von saturiertem Saft) wird eine ähnliche Wirkung angestrebt, indem
während des Balkens völlig saturierter Saft zugesetzt wird.
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Allen diesen bekannten Verfahren ist gemeinsam, daß die Pektinstoffe
und anderen Verunreinigungen durch den Zusatz von Kalk zum Koagulieren gebracht
werden, und je nach den Umständen erfolgt diese Koagulation entweder vor oder gleichzeitig
mit der Ausfällung des Calciumkarbonats oder in Gegenwart von zuvor gefälltem Calciumkarbonat.
Der Unterschied zwischen diesen Verfahren liegt zum Teil in dem verschiedenen Grad,
in welchem die Koagulation an die Calciumkarbonatteilchen gebunden ist und zum Teil
in der verschiedenen Größe derselben, die, zusammengebracht, verschiedene Eigenschaften
hinsichtlich der Sedimentation und Filtration ergeben.
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Die vorliegende Erfindung beruht auf der Beobachtung, daß eine wesentlich
bessere Filtration erzielt werden kann, wenn das Verfahren in der Weise durchgeführt
wird, daß - im Gegensatz zu den früheren Verfahren - in keiner Stufe der Saftreinigung
eine Koagulation der Pektinstoffe und der anderen Verunreinigungen stattfindet,
wodurch eine bessere Sedimentbildung oder Abscheidung, ein kleineres Volumen des
Rückstandes und ein wesentlich besseres Filtrationsvermögen erhalten werden.
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Eine Koagulation der Verunreinigungen kann gemäß der Erfindung dadurch
verhindert werden, daß der Diffusionssaft vor dem Kalken und dem eigentlichen Saturieren
stabilisiert wird, indem ihm in an sich bekannter Weise (vgl. »Die Deutsche Zuckerindustrie«,
1932, S. 18 ff.) durch ein Kalkungsmittel, dessen Alkalität nicht über 0,15°/o CaO
hinausgeht, allmählich oder sofort eine Alkalität von o,oi bis 0,o5 % Ca 0, vorzugsweise
o,o2% Ca0, erteilt wird und daß erfindungsgemäß für den in einer nachfolgenden Scheidesaturation
oder in einer Vorkalkung in bekannter Weise, aber unter allmählicher gleichzeitiger
oder vorausgehender Zumischung eines calciumkarbonathaltigen Schlammes stattfindenden
Adsorptionsvorgang im Saft ständig eine Ca C O3-Menge zur Verfügung gehalten wird,
die etwa 1% CaO entspricht. Die genannte Stabilisierung wirkt sich in zwei Richtungen
aus: A. Der stabilisierte Diffusionssaft kann nach der sogenannten Abklärsaturierung
weiterbehandelt werden, d. h., er kann in einem Reaktionsbehälter unter gleichzeitigem
Zusatz von Kalk und Kohlensäure behandelt werden, ohne daß die Verunreinigungen
in kolloidaler Form ausgefällt und somit die spätere Sedimentation und Filtration
gestört werden, da eine derartige Fällung bei der üblichen Behandlung von Diffusionssaft
durch Abklärsaturierung (Defecokarbonation) normal ist. Die durch die Stabilisierung
erhaltene Wirkung besteht darin, daß die während der Stabilisierung gebildeten Primärteilchen
sofort von den Calciumkarbonatteilchen adsorbiert werden können, die in dem Reaktionsbehälter
vorhanden oder in diesem in Bildung begriffen (statu nascendi) sind.
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B. Der stabilisierte Diffusionssaft kann weiterbehandelt werden, indem
er in bekannter Weise, aber unter gleichzeitiger oder vorausgehender Zugabe von
calciumkarbonathaltigem Schlamm, vorzugsweise eines während der Saturierung ausgefällten
Schlammes, einer Vorkalkung unterworfen und dann gekalkt und saturiert wird, gegebenenfalls
auch unter gleichzeitigem Zusatz von Kalk.
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Durch die Alkalisierung auf eine Alkalität zwischen o,oi und 0,05'10
CaO wird erreicht, daß das bei dem späteren Kalken aus den Verunreinigungen des
Saftes und dem zugesetzten Calciumhydroxyd gebildete Reaktionsprodukt in einer Form
anfällt, in der es leicht durch die Calciumkarbonatteilchen des calciumkarbonathaltigen
Schlammes adsorbiert wird, der beim Vorkalken oder noch früher zugesetzt worden
ist.
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Wenn der so gebildete Adsorptionskomplex während oder nach dem Zusatz
weiterer Mengen von Kalk einen Teil einer kontinuierlich arbeitenden Saturation
bildet, so wird die Oberfläche der Teilchen durch das neu gebildete Calciumkarbonat
in feinkörniger Form bedeckt, wodurch eine Aktivität des für das Vorkalken zurückzuführenden
Schlammes erhalten wird. Auf diese Weise wird erreicht, daß die kolloidalen Verunreinigungen
ohne Gelierung den gebildeten Konglomeraten von Calciumkarbonat allmählich einverleibt
werden.
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Die Stabilisierung des Diffusionssaftes kann vorzugsweise dadurch
bewirkt werden, daß ein Teil des vorgekalkten Diffusionssaftes, der gewöhnlich
eine
Alkalität von etwa o, i 5 % Ca 0 besitzt, zurückgeführt wird.
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Die Stabilisierung kann jedoch auch durchgeführt werden, indem Schlammsaft
aus der ersten Saturation, der zwecks Erzielung der gewünschten Alkalität mit Kalk
gemischt worden ist, zugesetzt wird. In letzterem Falle wird weiter erreicht, daß
der Saft eine größere oder kleinere Menge Schlamm erhält, der für die Adsorption
notwendig ist.
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Der Schlamm kann weiter in Form eines Rückstandes aus einer Eindickungsvorrichtung
geliefert werden, wodurch die Menge der umlaufenden Flüssigkeit wesentlich verringert
wird.
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Die zurückgeführte Schlammenge muß natürlich so groß sein, daß eine
genügend große Oberfläche für die Adsorptionswirkung verfügbar ist, d. h., sie muß
normalerweise so groß sein, daß sie etwa i % Ca O in Form von Ca C 03 entspricht.
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Das Vorkalken kann sehr vorteilhaft durchgeführt werden, indem völlig
gekalkter Saft zurückgeführt wird, da die Verwendung von Kalkmilch, wie bei der
Stabilisierung, möglicherweise örtlich schädliche Wirkungen hervorrufen kann.
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Es ist darauf hinzuweisen, daß die während des Vorkalkens gebildeten
Reaktionskomplexe bei der späteren Kalkung einer gewissen Peptisierung ausgesetzt
sind und infolgedessen ruft eine zu starke Behandlung mit Kalk eine Verringerung
der erzielten Wirkung hervor. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine lange kalte Hauptkalkung
angewendet wird.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung kann beispielsweise in einer Anlage
durchgeführt werden, wie sie in der Zeichnung schematisch dargestellt ist. In dieser
veranschaulicht Fig. i eine Ausführungsform einer Anlage zur Durchführung des erfindungsgemäßen
Verfahrens, Fig.2 eine andere Ausführungsform einer Anlage, bei der die Stabilisierung,
das Kalken und das Saturieren in ein und demselben Behälter stattfinden, und Fig.3
einen Schnitt nach der Linie 11-II der Fig. 2.
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Bei der Anlage nach Fig. i wird der ankommende frische Diffusionssaft
in einem Behälter i, der mit einer Rührvorrichtung 2 versehen ist, mit einer entsprechenden
Menge Saft gemischt, der in einem mit einer Rührvorrichtung io versehenen Behälter
8 mit saturiertem Saft gemischt und mit Kalkmilch auf eine Alkalität von etwa 0,15%
CaO gekalkt worden ist. Das Gemisch wird durch eine Pumpe d. durch ein Schwimmerventil
3 und einen Vorerhitzer 5 nach dem Behälter 8 gepumpt, in dem es, wie erwähnt, gekalkt
wird und von wo es nach einer Saturierkammer 6 läuft, von der durch eine Pumpe 7
ein Teil des saturierten Saftes nach dem Behälter 8 durch ein Schwimmerventil 9
zurückgeschickt wird, während die übrige Menge des Saftes durch einen Überlauf i
i für die weitere Behandlung in der Verarbeitung abgezogen wird.
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Bei der Anlage nach Fig. 2, bei der die Stabilisierung, das Kalken
und das Saturieren im gleichen Behälter stattfindet, ist dieser mit Trennwänden
12 versehen, in denen einstellbare Absperrvorrichtungen 13 vorgesehen sind. Der
Spiegel des Saftes in dem System wird durch einen einstellbaren Überlauf 14 einreguliert,
und der ankommende Diffusionssaft durchläuft die Anlage in der in der Zeichnung
durch den Pfeil 15 angegebenen Hauptrichtung. Durch eine Rührvorrichtung 16 wird
eine wirbelnde Strömung hervorgerufen und hierdurch zwischen den durch die Teilwände
begrenzten Kammern eine innere Zirkulation erhalten. Das Ausmaß der Zirkulation
kann durch die Absperrvorrichtungen oder auch durch Änderung der Umlaufgeschwindigkeit
der Rührvorrichtung beliebig eingestellt werden.
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Wenn für einen Diffusionssaft mit einer ursprünglichen Alkalität von
- 0,02% Ca0 die folgende Abstufung in der Alkalität: o-o,o2-0,o5-o,i-o,2-o,i, unter
Verwendung von 0,05 Teilen einer Kalkmilch mit 200/0 CaO als Kalkungszusatz
erhalten werden soll, so muß die Umlaufmenge des Saftes zwischen den verschiedenen
Kammern die i-1,3-i,4-1,2-7,7fache der eintretenden Saftmenge sein. Die Anlage wird
auf der gewünschten Temperatur gehalten, indem der Saft durch eine außerhalb der
Vorrichtung angeordnete Vorheizvorrichtung 17 geschickt wird.
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Auf diese Weise wird erreicht, daß die Zunahme der Alkalität sowie
die Zunahme der Temperatur und der Zusatz. des Calciumkarbonats, das in der Saturierkammer
gebildet wird, allmählich erfolgen.
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Falls es erwünscht ist, daß eine höhere maximale Alkalität in dem
System erhalten wird, so müssen die zwischen den Kammern umlaufenden Saftmengen
verringert werden, wodurch sich allerdings ergeben kann, daß die Menge des zurückgeführten
Calciumkarbonats ungenügend wird. In diesem Falle kann die Menge des Calciumkarbonats
durch den Bodensatz der Eindickungsvorrichtung 18 erhöht werden, indem ein Teil
dieses Bodensatzes dem System zusammen mit dem Diffusionssaft zugeführt wird.
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Das beschriebene Verfahren und die Vorrichtungen können natürlich
im Sinne der Erfindung nach dieser oder jener Richtung hin geändert werden, um sie
den örtlichen Verhältnissen und Erfordernissen anzupassen. Insbesondere soll darauf
hingewiesen werden, daß, falls der erzeugte Diffusionssaft gemessen wird, es vorteilhaft
ist, die Meßgefäße, nachdem das Messen beendet ist, auch für den weiteren Zusatz
der erforderlichen Menge des gekalkten Gemisches aus stabilisiertem Saft und Saturiersaft
zu verwenden. Da auf diese Weise das Gemisch diskontinuierlich anfällt, so ist es
ratsam, hinter den Meßgefäßen einen Ausgleichsbehälter einzuschalten.
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Die vorstehend beschriebenen erfindungsgemäßen Verfahren und die nach
diesen Verfahren erzielten Vorteile sind auch bei der Reinigung anderer Flüssigkeiten
von Wichtigkeit, die während der Herstellung von Zucker anfallen und kolloidale
Verunreinigungen enthalten.