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Verfahren zum Behandeln von Lösungen kolloidaler oder kristalloider
Natur, insbesondere Zuckersäften und deren Abwässern Die Erfindung bezieht sich
auf eine besondere Behandlung von Zuckersäften (und zwar Zuckerrüben- sowie Rohrzuckersäften,
Traubensäften u. dgl.) und anderen Lösungen, wie Abwässern, zwecks Reinigung und
Stabilisierung derselben.
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Der größere Teil der in den Zuckersäften sowie übrigens in sämtlichen
Pflanzensäften enthaltenen Verunreinigungen wird von organischen Stoffen (Albuminen
und Pektinstoffen) gebildet. Diese Substanzen liegen in diesen Säften in kolloidaler
Form vor, die im übrigen ihre Normalform zu sein scheint. Es ist nun bekannt, daß
die Stabilität eines kolloidalen Systems von der elektrischen Ladung der Mizellen
abhängt und daß die Ladung der Mizellen selbst wiederum auf den Einfluß der Elektrolyten,
welche die Mizellen begleiten, zurückzuführen ist.
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Die in den Pflanzensäften enthaltenen Kolloide sind reversibel, d.
h. sie können je
nach der Art des anwesenden Elektrolyten positiv oder negativ
geladen sein. Da nun diese Erscheinungen den in der Elektrizitätslehre angewandten
Gesetzen unterstehen, ist es ohne weiteres einzusehen, daß die in den Zuckersäften
enthaltenen Kolloide das gleiche elektrische Vorzeichen besitzen. Sie können sich
also nicht gegenseitig ausflocken, da zwei Ladungen von gleichem Vorzeichen sich
voneinander abstoßen.
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Diese kolloidalen Mizellen sind sehr klein, so daß sie beim Filtrieren
die Filtertücher verstopfen; daraus. folgt, daß es nicht möglich ist, diese Kolloide
in rationeller Weise zu entfernen.
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Diese Schwierigkeit kann aber überwunden werden, wenn man die elektrischen
Ladungen der kolloidalen Mizellen neutralisiert.
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Nach dem gegenwärtigen Stand der Technik werden hierfür mehrere Mittel
vorgesehen, von denen die einen darauf beruhen, daß ein Elektrolyt eingeführt wird,
der zur Änderung der Stabilität der kolloidalen Systeme dient, ,wähnend andere sich
der Wechselwirkung zwischen entgegengesetzt geladenen kolloidalen Mizellen bedienen.
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Unter den in der Zuckerraf#ni-erung am meisten benutzten Elektrolyten
sind das Schwefligsäuneanhydrid, der Kalk und die Kohlensäure zu rechnen. Obwohl
ihre Wirkung eine sehr erhebliche ist, können sie in gewissen Fällen, zumal wenn
man die normalen, Bedingungen überschreitet, entgegengesetzte
Einflüsse
hervorrufen. So kann man mit einem Elektrolytüberschuß eine Umkehrung des elektrischen
Vorzeichens der Kolloide herbeiführen, derart, daß man statt der Ausflockung der
Mizellen eine Erhöhung ihrer Stabilität hervorruft.
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Bei der Wechselwirkung zwischen Kolloiden sind die am häufigsten entweder
einzeln oder gemeinsam verwandten Stoffe Tonerde und Kieselsäure, deren Hydrosole
man ausgehend von einem Tonerde- oder Kieselsäuregel erhält.
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Nun sind einige solcher Stoffe, wie die Tonerde, die Kieselsäure und
andere, die durch einfache Peptisation, selbst in Gegenwart von Formol, hergestellt
werden; mehr oder weniger reversible Hydrosole. Sie können also ihre Ladung ändern,
und zwar namentlich in Gegenwart von stabilen Kolloiden, wie Albumin. In diesem
Falle sind die Kolloide stabilisiert und können durch die spätere Behandlung nur
noch teilweise entfernt werden.
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U m diese Nachteile zu beseitigen, bezieht sich die vorliegende Erfindung
auf die Verwendung einer irreversiblen kolloidalen Lösung, auf welche das Albumin
und die übrigen im Saft in kolloidaler Form vorhandenen Stoffe keinerlei stabilisierende
Wirkung ausüblen.
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Gemäß der Erfindung wird den Lösungen zur Ausflockung und Abscheidung
der kolloidalen Verunreinigungen kolloidaler Schwefel und ein kolloidaler Graphit
in Form eines Hydrosols zugesetzt, -wobei der pH-Wert dieser Lösungen gegebenenfalls
durch Zugabe weiterer Reagenzien vor bzw. vor und nach oder nach jener Zugabe in
geeigneter Weise eingestellt, wird.
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Durch dieses kolloidale Produkt, das dem rohen,- aus dem Diffusionsapparat
oder der Zuckerrohrmühle austretenden Saft zugesetzt -wird, wird ,eine Flockung
der Kolloide mit entgegengesetztem elektrischem Vorzeichen wie demjenigen des Reaktionsmittels
hervorgerufen; daraus folgt die Bildung eines Niederschlages, der leicht abgeschieden
werden kann.
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Normalerweise, d. h. ohne Verwendung des kolloidalen Reagens, ist
der isoelektrische Punkt der Kolloide der Säfte demjenigen des Albumins PH = 4,4
benachbart.
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- Nun tritt aber bei einer so hohen Wasserstoffionenkonzentration
eine beträchtliche Inversion der Saccharose ein.
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Dieser Nachteil -wird durch die Verwendung des kolloidalen Reagens
verhütet. Man weiß nämlich, daß bei der Wechselwirkung zwischen zwei Kolloiden mit
entgegengesetztem Vorzeichen die Koagulation lange, bevor der isoelektrische -Punkt
erreicht ist, erfolgt (vgl. hierzu die Arbeiten von H a r d y, Journ. 0,f Physiol.
24, 288 bis 304 0899j, und von G a 1 e c k i, Zeitschrift f. anorg. Chemie
74, 174 bis 206 [1912]). Galeckl stellt
außerdem fest, daß die
flockende Wirkung .eines Kolloids um so größer ist, je feiner es dispergiert ist.
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Erfindungsgemäß wird ein Sulfit, beispielsweise Natriumhyposulfit,
in der Weise behandelt, daß man ein Schwefelsol erhält.
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Andererseits behandelt man einen Graphit in kolloidalem Zustand derart,
daß man seinen maximalen Dispersitätsgrad erhält.
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Diese beiden Kolloide werden in der Weise gemischt, daß man eine homogene
Mischung erhält.
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Nur beispielshalber kann folgendes Mischungsverhältnis angegeben werden:
Schwefel in kolloidaler Form 35 bis 50,%, kolloidaler Kohlenstoff (Graphit) 15 bis
8%, Reduktionsmittel und Stabilisatoren der Mizellen, wie Phosphor, Tannin, Formol
oder Natriumhyposulfit, etwa 1%, Wasser 41 bis 490,10.
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Im Rahmen der Erfindung können natürlich die Mengenverhältnisse.der
obergenannten Bestandteile der Mischung geändert werden; auch kann das eine oder
das andere der beiden Sole für sich allein benutzt werden.
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Dem Saft, welcher mit diesem Reagens in Mengen von 30, bis
3509 pro loool Rüben- oder Rohrzuckersaft behandelt wird, wird darauf eine
kleine Menge Kalk oder irgendeine andere Substanz, die den gleichen Effekt hervorruft,
zugesetzt, um das PH auf einen gewünschten Wert zu bringen. Der Überschuß an Kalk
oder den anderen Stoffen, die zu dieser Änderung des PH gedient haben, wird darauf
durch einen Zusatz an Phosphorsäure oder an irgendeinem anderen Stoff, der den gleichen
Neutralisationseffekt liefert, entfernt.
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Diese bei angemessenen Temperaturen ausgeführten Maßnahmen ermöglichen
alsbald das Filtrieren der Säfte mit den üblichen Filterpressen.
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Durch die Verwendung dieses Reagens wird der Verbrauch an Kalk um
60, bis loo0;ö herabgesetzt und die Benutzung des Kalkofens während der Arbeitskampagne
überflüssig gemacht, wobei überdies die folgenden Arbeitsgänge vereinfacht werden,
da man stabile und reinere Säfte erhält.
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Es ist bereits bekannt, zum Abscheiden von in Flüssigkeiten schwebenden
fein verteilten festen Stoffteilchen Schwefelwasserstoff oder ein Sulfid in die
Flüssigkeit einzuführen und mittels eines Oxydationsmittels Schwefel in der Flüssigkeit
auszuscheiden. Diese Arbeitsweise ist aber nicht für die Nahrungsmitteltechnik verwendbar,
da hierbei schädliche
Stoffe, wie z. B. Schwefelwasserstoff, Salpetersäure,
Nitrate, -Chlor oder Chlorate, den zu reinigenden Flüssigkeiten züüesetzt werden,
die auf wirtschaftliche Weise nicht mehr hieraus entfernt werden könne. Eerner ist
bereits vorgeschlagen worden, -zur Klärung von Flüssigkeiten geeignete kolloidale
Kohle, z. B. von etwa vorhandenen Elektrolyten befreite verkohlte Stoffe oder gewöhnliche
Holzkohle, in Gegenwart von organischen Kolloiden, wie Albumin, Casein o. dgl.,
zu verwenden. Diese Klärungsmittel haben zwar eine entfärbende Wirkung; sie besitzen
jedoch keine ausgesprochene Reinigungswirkung auf Rohsäfte.