Verfahren zur Rückgewinnung von 10Bor oder Dekontamination von Bor aus Verdampferkonzentraten von Druckwasserreaktoren
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Rückgewinnung von 1QBor oder Dekontamination von Bor aus Verdampferkonzentraten von Kernkraftwerken, insbesondere Druckwasserreaktoren, bei dem Borsäure in dekontaminierter Form gewonnen wird. Durch Kopplung an einen Natriumsulfat-Dekontaminationsprozess ist eine äußerst wirtschaftliche Aufbereitung von Verdampferkonzentraten aus Druckwasserreaktoren möglich.
In Druckwasserreaktoren wird ein Teil der Überschußreaktivität durch einen im Hauptkühlmittel homogen verteilten Neutronenabsorber kompensiert. Hierzu wird die in Wasser lösliche Borsäure H3BO3 verwendet, die den Neutronenabsorber 10B enthält. Im natürlichen Bor-Isotopengemisch ist das neutronenwirksame 10B zu etwa 20% neben etwa 80% 11B vorhanden. Zur Leistungsregulierung des Reaktors wird jedoch in erster Linie 10B benötigt, dessen Neutronen-Einfangsquerschnitt um den Faktor 10δ größer ist als der von 11B. Durch Zugabe von isotopenreinem 10B wird daher vielfach das Isotopenverhältnis auf 30% 10B und 70% 11B angehoben. In neueren Reaktor-Baulinien kommt nur isotopenreines 10B zum Einsatz. Die Beschaffungkosten für isotopenreine 10B-Borsäure sind recht hoch, so dass eine Rückgewinnung und Wiederverwendung der Borsäure von hohem wirtschaftlichen Interesse sind.
Borhaltiges Abwasser gelangt über das Abwasser-Sammelsystem in die Verdampferanlagen der nuklearen Wasseraufbereitung. Die dort anfallenden Verdampferkonzentrate enthalten zu einem hohen Massenanteil (20 bis 25%) inaktive Salze, zum Großteil Borsäure, die im neutralen pH-Bereich der Konzentratbehälter in Form gelöster Natriumborate vorliegt. Deren Anteil entspricht ca. 80 bis 90% der Konzentrat-Trockensubstanz. Diese Borverbindungen sind nicht radioaktiv, werden jedoch nach gängiger Praxis konditioniert und im Gemisch mit Aktivitätsträgern (z.B. aktivierte Korrosions- und Spaltprodukte) der teuren Entsorgung zugeführt. Eine Minimierung der endzulagernden Abfallmengen durch vorherige Trennung aktiv/inaktiv wird gewöhnlich nicht vorgenommen.
Es hat bereits Versuche gegeben, die Borsäure durch einen Veresterungsprozeß in Form von flüchtigem Borsäuremethylester aus den Verdampferkonzentraten abzutrennen und wiederzuverwerten. Diese Versuche führten jedoch zu keinem ökonomisch nutzbaren Verfahren.
Aus der EP-A-911834 ist ein Verfahren zur Abtrennung von Bor aus dem Primärkühlkreis eines Druckwasserreaktors bekannt, bei dem Kühlwasser aus dem Primärkühlkreis entnommen und durch ein Elektrolysemodul geleitet wird, in dem Bor mittels anionenselektiver Membranen und Membranelektrolyse aus dem Kühlwasser abgetrennt wird, ohne dass gleichzeitig mittels neben den anionenselektiven Membranen angeordneter kationenselektiver Membranen 7Li durch Membranelektrolyse abgetrennt wird, und bei dem man das aus dem Elektrolysemodul austretende Diluat in den Primärkühlkreis zurückspeist. Auch dieses Membranelektrolyseverfahren ermöglicht jedoch keine wirtschaftliche Rückgewinnung und Wiederverwendung von Borsäure.
Aufgabe der Erfindung war es daher, ein ökonomisch und ökologisch sinnvolles Verfahren zur Rückgewinnung von Borsäure aus Verdampferkonzentraten von Kernkraftwerken, insbesondere Druckwasserreaktoren, bereitzstellen.
Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Rückgewinnung von 10Bor oder Dekontamination von Bor aus Verdampferkonzentraten von Kernkraftwerken, insbesondere Druckwasserreaktoren, das dadurch gekennzeichnet ist, dass man
(a) das Verdampferkonzentrat, das hauptsächlich Natriumborate als Borverbindungen enthält, mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert im Bereich von 3,5 bis 5,5 ansäuert, (b) die entstehende Borsäure bei einer Temperatur im Bereich von 2 bis 5°C auskristallisiert und abtrennt, (c) die zurückbleibende Natriumsulfat-Lösung neutralisiert und entweder (i) eindampft oder
(ii) aufkonzentriert und das Natriumsulfat auskristallisiert und (d) . das Natriumsulfat gewinnt.
Im folgenden wird die Erfindung in näheren Einzelheiten anhand bevorzugter Ausführungsformen erläutert.
Im erfindungsgemäßen Verfahren werden die anfallenden Verdampferkonzentrate zunächst von etwa vorhandenen unlöslichen Feststoffen befreit, z.B. durch herkömmliche Separation, Filtration, Zentrifugieren oder Dekantieren. Hierbei werden auch aktivierte oder kontaminierte Korrosionsprodukte, z.B. Metalloxide wie Eisen- und Cobaltoxide, abgetrennt.
Das Verdampferkonzentrat enthält gewöhnlich 20 bis 25 Gew.% gelöste Feststoffe, wovon 80 bis 90 Gew.% auf Natriumborate (einschließlich Meta-, Ortho-, Oligo-, Poly- und Hydroxoborate) bzw. Borsäure entfallen. Die Borverbindungen können hierbei das natürliche Isotopenverhältnis (20% 10B / 80% 11B). aufweisen oder aber 10B-angereichert sein. In einer speziellen Ausführungsform kann auch isotopenreines 10B eingesetzt werden.
Das schwebstofffreie Verdampferkonzentrat, dessen pH-Wert üblicherweise im Neutralbereich (6,5 bis 7,5) liegt oder auf diesen Bereich eingestellt worden ist, wird dann mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert im Bereich von 3,5 bis 5,5, vorzugsweise 3,5 bis 4,5 und insbesondere ca. pH 4, angesäuert. Hierbei beginnt ab ca. pH 5,5 reine Borsäure als weißer Niederschlag auszufallen. . .
Um eine vollständige Auskristallisation der Borsäure zu erzielen, wird das Konzentrat auf eine Temperatur von 2 bis 5°C abgekühlt, wobei das Konzentrat bewegt (z.B. gerührt) werden kann, um die Bildung eines feinkristallinen Niederschlags zu begünstigen. Die auskristallisierte Borsäure wird dann auf übliche Weise abgetrennt, z.B. durch Filtrieren, Zentrifugieren oder Dekantieren.
Auf diese Weise erhält man Borsäure in sehr hoher Reinheit und hoher Ausbeute (ca. 90%). Der Dekontfaktor liegt nach dieser ersten Auskristallisation bei ca. 80. Soll die Radioaktivität weiter reduziert werden, kann man die auskristallisierte Borsäure ein- oder mehrmals Umkristallisieren, indem man die Borsäure in Wasser löst und
durch erneutes Abkühlen auf 2 bis 5°C auskristallisiert. Hierdurch lassen sich nach einmaliger Umkristallisation Dekontfaktoren um 140 erzielen.
Je nach Reinigungs- bzw. Dekontaminationsgrad kann die gewonnene Borsäure somit im Kreislauf wieder in den Reaktor zurückgeführt und als Neutronenabsorber eingesetzt werden oder aber sie kann, gegebenenfalls durch zusätzliches Umkristallisieren, bis unter die Toleranzgrenzen dekontaminiert und als inaktiver oder schwach aktiver Abfall der Entsorgung zugeführt werden. Die Wiederverwendung im Primärkühlkreis ist vor allem dann von größter wirtschaftlicher Bedeutung, wenn zur Leistungsregulierung des Reaktors reines 10B zum Einsatz kommt.
Die nach der Abtrennung der Borsäure zurückbleibende Natriumsulfat-Lösung wird neutralisiert und kann dann zur Gewinnung des Natriumsulfats eingedampft werden, das der End- oder Zwischenlagerung zugeführt wird.
Da hierbei keine Dekontaminationswirkung erzielt wird, ist eine alternative Verfahrensweise bevorzugt, bei der man die Natriumsulfat-Lösung auf konzentriert, z.B. von ursprünglich 3 bis 5 Gew.% auf 15 bis 30 Gew.%, vorzugsweise 20 bis 25 Gew.%, und dann das Natriumsulfat auskristallisiert. Hierbei wendet man vorzugsweise eine Kühlkristallisation unter Bildung des gut kristallisierbaren
Glaubersalzes (Na2SO4 • 10 H2O) an. Zu diesem Zweck kühlt man die aufkonzentrierte Natriumsulfat-Lösung auf eine Temperatur von -5°C bis 0°C, vorzugsweise -2°C bis. 0°C, ab und trennt das auskristallisierte Glaubersalz auf übliche Weise ab, z.B. durch Filtrieren, Zentrifugieren oder Dekantieren. Hierbei wird 'Natriumsulfat in dekontaminierter Form gewonnen, das anschließend der konventionellen Entsorgung zugeführt werden kann.
Um eine besonders hohe Dekontaminationswirkung zu erzielen und den Einschluß radioaktiver Komponenten in die Glaubersalz-Kristalle zu minimieren, ist es besonders bevorzugt, die Kühlkristallisation mit Hilfe eines Eintauchkühlers durchzuführen.
Hierzu bedient man sich einer Kristallisationsvorrichtung, die einen Behälter zum Aufnehmen der aufkonzentrierten Natriumsulfat-Lösung und einen Eintauchkühler umfaßt, der einen oder mehrere Einlasse und Auslässe für ein Kühl- bzw. Heizmedium aufweist und mit einem Kühl- bzw. Heizaggregat verbunden ist, welches das Kühl- bzw. Heizmedium bereitstellt. Der Eintauchkühler wird durch eine Hebevorrichtung, z.B. einen Flaschenzug, von oben in die in den Behälter eingebrachte Natriumsulfat-Lösung eingetaucht, nachdem der Kühler durch Einleiten eines Kühlmediums aus dem Kühl- bzw. Heizaggregat, z.B. Ethylenglycol/Wasser oder Salzlösung, auf ca. 0°C abkühlt worden ist. Die Natriumsulfat-Lösung wird während der Kühlkristallisation nicht bewegt oder gerührt.
Unter den genannten Bedingungen kristallisiert das Natriumsulfat als Glaubersalz (Na2SO4 • 10 H2O) aus der übersättigten Lösung aus und bildet auf der Kühlfläche des Eintauchkühlers gleichmäßige Kristallschichten, die in Abhängigkeit von der Kristalltracht noch bis zu ca. 10% Mutterlauge enthalten können. Die Bildung übermäßig dicker Kristallschichten sollte vermieden werden. Gewöhnlich beendet man die Kristallisation nach einer Dauer von ca. 8 Stunden bzw. einer maximalen Kristallschichtdicke von ca. 5 cm.
Der Eintauchkühler mit der abgeschiedenen Kristallschicht wird dann aus der Natriumsulfat-Lösung gehoben und noch ca. 30 Minuten über dem Behälter belassen, um die anhaftende Mutterlauge abtropfen zu lassen. Üblicherweise werden bei dieser Kühlkristallisation Dekontaminationsfaktoren von ca. 10 bis 20 erreicht; d.h. die spezifische Aktivität der Glaubersalz-Kristalle ist um den Faktor 10 bis 20 geringer als die der Mutterlauge.
Falls dies bei hohen Ausgangsaktivitäten nicht ausreichend ist, um inaktives Natriumsulfat zu erhalten, kann eine anschließende Umkristallisation durchgeführt werden, z.B. in Form einer Kühlkristallisation oder anderen geeigneten Kristallisationsart. Vorzugsweise wird eine Kühlkristallisation angewandt. Zu diesem Zweck wird der Eintauchkühler mit den abgeschiedenen Glaubersalz-Kristallen über ein Bad aus deionisiertem (z.B. destilliertem) Wasser gebracht und durch Einleiten eines Heizmediums (z.B. warmes Wasser) auf ca. 33-40°C (z.B. 35°C) erwärmt.
Hierbei schmelzen die Glaubersalz-Kristalle in ihrem eigenen Kristallwasser, gleiten in das Wasserbad und lösen sich darin auf. Die Wassermenge wird vorzugsweise so gewählt, daß die Natriumsulfat-Konzentration nahe dem Sättigungsbereich liegt, d.h. bei ca. 20 bis 30 Gew.-%.
Im Anschluß darin wird der Kühlkristallisationsschritt auf die oben beschriebene Weise wiederholt, d.h. der Eintauchkühler wird durch Einleiten eines Kühlmediums auf ca. 0°C -gebracht und in die erhaltene Natriumsulfat-Lösung getaucht. Auch hier erhält man nach ca. 8 Stunden eine gediegene Kristallschicht aus nunmehr gereinigtem Glaubersalz.
Die Gewinnung des auf dem Eintauchkühler abgeschiedenen Glaubersalzes kann durch erneutes Erwärmen des Eintauchkühlers auf >33°C erfolgen, wobei das Salz in seinem eigenen Kristallwasser schmilzt und in ein Auffanggefäß fällt.
Die beschriebene Umkristallisation durch Kühl- oder Verdampfungskristallisation kann ein- oder mehrmals wiederholt werden. In der Praxis hat sich gezeigt, daß normalerweise zwei Umkristallisationen genügen, um einen ausreichend hohen Dekontaminationsfaktor von 1000 bis 4000 zu erzielen! Generell wird die Umkristallisation solange wiederholt, bis die gewünschte Restaktivität erreicht ist.
Das so erhaltene weiße, inaktive Natriumsulfat kann auf konventionelle Weise verwertet werden und muß nicht auf kostspielige Weise als radioaktiver Betriebsabfall entsorgt werden.
Durch die erfindungsgemäße zweistufige Verdampferkonzentrat-Aufbereitung, umfassend (1) die Auskristallisation und Abtrennung von Borsäure zur Wiederverwendung oder Entsorgung; und (2) die Kühlkristallisation des Natriumsulfats mit anschließender konventioneller Entsorgung, können die endzulagernden Abfall- mengen aus Druckwasserreaktoren um mehr als 70% reduziert werden.
Die zurückbleibende Mutterlauge enthält nahezu die gesamte Radioaktivität des behandelten Verdampferkonzentrats und kann dem Verdampfungssystem der
kerntechnischen Anlage zugeführt und dort auf z.B. 20-25 Vol% eingeengt werden. Das aufkonzentrierte Verdampferkonzentrat wird anschließend einer Abklinglagerung unterzogen und kann zu einem späteren Zeitpunkt zur Effizienzsteigerung erneut angewandt werden. Alternativ kann man den radioaktiven Betriebsabfall auch konditionieren und der Endlagerüng zuführen.