BEizvERFAHREN FÜR EDELSTAHL
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum beizenden Behandeln von Edelstahl bzw. Edelstahloberflächen. Das erfindungsgemäße Verfahren eignet sich zur Oberflächenbehandlung von allen Legierungen und Gefügeformen von Edelstahl. Insbesondere ermöglichst das erfinderische Verfahren die Kreislaufführung von Abwasser aus dem lo Verfahren.
Beizverfahren werden im großem Umfang eingesetzt, um die Korrosionsbeständigkeit von Edelstahl zu gewährleisten. Bei diesem Verfahren werden Fremdmetalle, Zunder und Anlauffarben beseitigt. Darüberhinaus verleiht ein Beizverfahren den Oberflä- i5 chen ein gleichmäßiges, metallische Aussehen
Die Beizbehandlung erfolgt üblicherweise so, dass eine oberste Werkstoffschicht in den Beizbädern chemisch angelöst und abgetragen wird. Infolge dieses Abtrags werden alle auf und in der abgetragenen Werkstoffschicht enthaltenen Verunreini- 2o gungen entfernt.
Nach dem Stand der Technik werden solche Beizverfahren eingesetzt bei denen man mit Säuregemischen arbeitet. Solche Gemische sind regelmäßig Umwelt gefährdend und erfordern häufig zusätzliche Maßnahmen um die Sicherheit der mit den Säure- 25 gemischen arbeitenden Personen zu gewährleisten. Abluft, Abwasser und Abfälle aus diesen Beizprozessen unterliegen deshalb strengen gesetzlichen Auflagen.
Beizverfahren nach dem Stand der Technik basieren auf der Verwendung von Flusssäure, einer sekundären Mineralsäure wie beispielsweise Salpetersäure, Schwefelsäu- 30 re oder Phosphorsäure und einem Oxidationsmittel, beispielsweise Salpetersäure oder Wasserstoffperoxid. Im Falle der Salpetersäure erfüllt diese sowohl die Funktion der sekundären Mineralsäure als auch die des Oxidationsmittels. Salpetersäure ist aber hinsichtlich Umweltgefährdung und Arbeitssicherheit sehr nachteilig.
35 Der Einsatz von Wasserstoffperoxid zusammen mit anderen sekundären Säuren wie Schwefelsäure und Phosphorsäure vermeidet zwar die Probleme, die sich beim Einsatz von Salpetersäure ergeben. Diese Beizlösungen führen aber immer noch zu
erheblichen Belastungen hinsichtlich der anfallenden Abwässer. Darüber hinaus gibt es beträchtliche Einschränkungen in der Wirksamkeit und Anwendungsbreite. Die erforderliche Konzentration der Flusssäure liegt bei allen Verfahren deutlich über 1%. Mithin werden als Beizbäder solche flusssäurehaltigen Bäder eingesetzt, die nach gesetzlichen Bestimmungen regelmäßig als giftig gekennzeichnet werden.
Wesentliche Bestandteile von Edelstahlbeizen sind Flusssäure und ein geeignetes Oxidationsmittel. Wie bereits dargestellt, ist es üblich beim Einsatz von Wasserstoffperoxid anstelle von Salpetersäure zusätzlich eine sekundäre Säure einzusetzen. Der Zusatz dieser sekundären Säure dient dem Zweck der geringeren Stabilität des Wasserstoffperoxid bei höheren Konzentration von gelösten Metallen in den Beizbädern entgegen zu wirken. Die Metallauflösung erfolgt dann nicht direkt sondern über den Umweg einer Fe3+/Fe2+-Reaktion wie folgt: 2 Fe2+ + 1 H2O2 = * =, 2 Fe3++ 1 H2O + Vz O2
2 Fe3+ + 1 Fe £=; 3 Fe2+
Die vorstehende Reaktion erfolgt unter der Bildung von Salzen der sekundären Säuren.
Arbeitet man hingegen ohne so genannte sekundäre Säuren, ergibt sich ein weiteres Problem. Dieses Problem besteht darin, dass in der oxidierenden Umgebung des Beizbades mit einem Überschuss an Wasserstoffperoxid eine wässrige Lösung von Flusssäure keinen ausreichend schnellen und zeitlich kontrollierbaren Beizangriff bewirkt. Die Dauer bis zum Beginn des Beizangriffs ist stark unterschiedlich je nach Gefüge und Legierung des Beizgutes. Eine sichere Kontrolle des Beizprozesses über die Beizzeit ist somit nicht mehr möglich.
Die vorliegende Erfindung versucht die vorstehenden Nachteile des Standes der Technik zu überwinden. Ziel der Erfindung ist insbesondere ein Beizverfahren bei dem man mit einer möglichst geringen Konzentration an Flusssäure und mit Wasserstoffperoxid ohne sekundäre Säuren arbeiten kann, beispielsweise in Gegenwart eines geeigneten Stabilisators für Wasserstoffperoxid. Das erfindungsgemäße Verfahren soll darüber hinaus für alle Legierungen und Gefügetypen von Edelstahl anwend- bar sein. Zusätzlich ist es wünschenswert die Abwässer des Verfahrens im Kreislauf zu führen, d.h. sie wieder im Verfahren einzusetzen.
Die vorliegende Erfindung beruht nun auf der Erkenntnis, dass man mittels einer geeigneten Vorbehandlung im Beizverfahren die erfindungsgemäßen Ziele erreichen kann. Die Erfinder haben dabei herausgefunden, dass sich zur Vorbehandlung bzw. Aktivierung des Beizgutes eine flusssäurehaltige Lösung eignet, deren Konzentration üblicherweise so eingestellt wird, dass sie nahe bei der Konzentration des eigentlichen Beizbades liegt, vorzugsweise sogar etwas darüber.
Erfindungsgemäß werden also in einem zweistufigen Verfahren - einer Vorbehandlung (Aktivierung) und dem eigentlichen Beizen - flusssäurehaltige (HF) Lösungen eingesetzt. Die Erfindung wird in den beiliegenden Patentansprüchen und der folgenden Beschreibung näher erläutert.
Die flusssäurehaltige Lösung in der ersten Verfahrensstufe setzt ohne Zugabe von H2O2 im Wesentlichen Flusssäure (HF) in einer Konzentration ein, die nahe bei der Konzentration des Beizbades liegen kann (oder gleich ist). Üblicherweise beträgt deshalb die Konzentration der Flusssäure in der ersten Stufe etwa 0,2 bis 5 Gew.-%, vorzugsweise 0,5 bis 3 Gew-%. Da der erste Verfahrensschritt im Wesentlichen einer Vorbehandlung bzw. einem Aktivieren des Beizgutes dient sind keine weiteren Bestandteile in diesem Aktivierungsbad erforderlich.
Der Fachmann wird eine geeignete Konzentration in Abhängigkeit von dem zu behandelnden Werkstoff und der Flusssäurekonzentration in dem folgenden Verfahrensschritt mit einfachen Versuchen auffinden können. Im zweiten Verfahrensschritt, das heißt dem eigentlichen Beizen, setzt man was- serstoffperoxidhaltige Beizbäder ein, deren Zusammensetzung den Vorgaben des Standes der Technik folgt aber auch in vorteilhafter Weise hinsichtlich der Flusssäurekonzentration vermindert sein kann. Die Konzentration von Flusssäure im eigentlichen Beizverfahren beträgt dann etwa 0,2 bis 5 Gew.-%, vorzugsweise 0,5 bis 3 Gew.-%. Die Konzentration an Wasserstoffperoxid in dem Beizbad beträgt üblicherweise 10 bis 30 Gew.-%, vorzugsweise 18 bis 22 Gew.-% und besonders bevorzugt etwa 20 Gew.-%.
Zusätzlich können Stabilisatoren und weitere allgemein übliche Bestandteile zuge- setzt werden. Ein geeigneter Stabilisator kann beispielsweise Harnstoff umfassen. Harnstoff kann sowohl alleine als auch in Verbindung mit anderen Stabilisatoren, wie zum Beispiel Ammoniumionen, verwendet werden. Weitere geeignete Stabilisatoren
sind beispielsweise Alylidendiphosphonsäure. Darüber hinaus können ganz allgemein Mischungen aus Harnstoff und einer oder mehreren Alkandiphosphonsäuren (einschließlich der Salze) zur Stabilisierung eingesetzt werden. Ein ganz besonders geeigneter Stabilisator ist l-Hydroxyethan-l,l-diphosphonsäure. Stabilisatoren werden insbesondere offenbart in der EP-A-I 903 081, auf die hier ausdrücklich Bezug genommen wird.
Die zu beizenden Edelstahloberflächen werden üblicherweise in dem ersten Verfahrensschritt einer Eintauchzeit von 20 Sekunden bis maximal 5 Minuten unterworfen, Es ist kein Zwischenschritt wie Spülen erforderlich bevor das Beizgut in die zweite Verfahrensstufe eingebracht wird.
Die zweite Verfahrensstufe wird dann in an sich bekannter Weise aber üblicherweise auch ohne Verzögerung nach dem ersten Verfahrensschritt eingeleitet. Über die Beizzeit ergibt sich ein gut kontrollierbarer Beizangriff ohne Gefahr der Schädigung durch Überbeizen. Dies hat sich gleichermaßen für alle Legierungen und Gefügeformen von Edelstahl gezeigt. Lediglich die Konzentration der Flusssäure ist in einem gewissen Rahmen der zu beizenden Edelstahlqualität anzupassen, um die Geschwindigkeit des Beizangriffes auf das gewünschte Maß einzustellen.
Der Eintrag von Flusssäure aus der Aktivierung (Vorbehandlung) in das Beizbad kann so gewählt werden, dass der Verbrauch von Flusssäure im Beizbad und die Aus- schleppung in den Spülprozess weitgehend kompensiert werden. Im Beizbad ist folglich lediglich das verbrauchte und ausgeschleppte Wasserstoffperoxid zu ergän- zen. Nachdem das Beizbad üblicherweise mit Wasserstoffperoxid im Überschuss gefahren wird, ist die Ergänzung unkritisch und erfordert nicht den analytischen Aufwand, wie er für Beizbäder nach dem Stand der Technik erforderlich ist.
Überraschenderweise konnte gezeigt werden, dass das erfindungsgemäße Verfahren gegenüber Beizbädern nach dem Stand der Technik mit deutlich niedrigeren Konzentrationen von Flusssäure auskommen kann, bei vergleichbaren Abtragsraten und Beizzeiten. Die Konzentration von Flusssäure zur Bearbeitung von austenitischen Chrom-Nickel-Stählen liegt im Bereich von 1,5 bis 3,0%, zur Bearbeitung ferritischer Stähle bei 0,5 bis 1%. Im Fall der ferritischen Stähle, kann man sogar davon ausge- hen, dass die eingesetzten Flusssäurebäder nicht mehr als giftig sondern lediglich als ätzend einzustufen sind.
Die Konzentration von Wasserstoffperoxid in den Beizbädern liegt im Bereich von 10 Gew.-% bis 30 Gew.-%, vorzugsweise bei 20 Gew.-%. Die Konzentration von Stabilisator im Beizbad liegt bei 2 Gew.-% bis Gew.10 Gew.-%, vorzugsweise bei 5 Gew.-% bis 8 Gew.-%.
Das erfindungsgemäße Verfahren arbeitet bei Raumtemperatur (maximal etwa 400C), so dass keine aufwändige Heizung und Temperaturkontrolle erforderlich sind.
Beispiele
(Angaben in Gew.%)
Beispiel 1: Beizbad für austenitische Chrom-Nickel-Stähle Zusammensetzung des Aktivierungsbades: 2,1% HF, Rest Wasser, Aktivierzeit 3 min
Zusammensetzung des Beizbades:2,l % HF, 7,5 % Stabilisator, 20% H2O2, Rest Wasser Temperatur: 20 0C
Abtragsraten bei Werkstoff 1.4301 (AISI 304). 1,5 μm/h
bei Werkstoff 1.4571 (AISI 316 Ti): 0,7 - 1,0 μm/h
Beispiel 2: Beizbad für Chromstähle ab 14% Chromαehalt
Zusammensetzung des Aktivierungsbades: 1,0% HF, Rest Wasser, Aktivierzeit 2 min Zusammensetzung des Beizbades: 1,0% HF, 5,0% Stabilisator, 20% H2O2, Rest Wasser
Temperatur : 20 0C Abtragsraten bei Werkstoff 1.4016 (AISI 430): 0,3 μm/min
bei Werkstoff 1.4034: 0,5 μm/ min
BeisDiel 3: Rostbeständige Stähle mit 9% bis 13% Chromαehalt Zusammensetzung des Aktivierungsbades: 0,5% HF, Rest Wasser, Aktivierzeit 2 min Zusammensetzung des Beizbades: 0,5% HF, 5,0% Stabilisator, 20% H2O2, Rest Wasser
Temperatur: 2O0C Abtragsraten bei Werkstoff 1.4512: 0,8 μm/min
bei Werkstoff 1.4300: 0,3 μm/min
Nach dem Beizen wurden die Proben in entmineralisiertem Wasser gespült und an Luft getrocknet.
Die erfindungsgemäßen Beizbäder enthalten an Schadstoffen ausschließlich Flusssäure und die gelösten Metallsalze der Flusssäure, die aus dem Beizbad in das Spülwasser ausgeschleppt werden. Die Behandlung der Spülwässer erfolgt vorteilhaft mit Kalkmilch, die stöchiometrisch auf die Menge der Fluoride abzustimmen ist. Bei einem pH-Wert von 8 - 9 sind die Fluoride bis zu einer Konzentration unter 1 mg/1 gefällt, die Metalle weitgehend in Metallhydroxide überführt und als Feststoffe abgeschieden. Nach dem Filtrieren zur Abtrennung der Feststoffe kann das neutralisierte Spülwasser problemlos zur Aufbe- reitung der Kalkmilch verwendet oder in die Kanalisation abgegeben werden, da es weiter keine Salze wie Nitrate, Nitrite, Sulfate oder Phosphate enthält.
Die Freiheit von Salzen eröffnet eine vorteilhafte Lösung zur Kreislaufführung des Wassers: Nach dem Neutralisieren wird durch Verdampfen das Spülwasser rückge- wonnen und als Kondensat dem Spülprozess wieder zugeführt. Über die Menge des rückgeführten Kondensats ist lediglich der Mengenausgleich des durch die Ergänzung von Wasserstoffperoxid ins Beizbad eingebrachten zusätzlichen Wassers vorzunehmen. Der eingedickte Inhalt des Verdampfersumpfes wird filtriert, wobei die Fluoride und Metallhydroxide als Feststoff abgetrennt werden. Das Filtrat enthält den Großteil des
Stabilisators und wird dem Beizbad wieder zugeführt, so das der Verbrauch an Stabilisator minimiert wird.
Der Filterkuchen enthält neben Kalziumfluorid ausschließlich Metallhydroxide und bietet optimale Voraussetzungen zur wirtschaftliche Rückgewinnung der Metalle.
Beispiel zur Abwasseraufbereitung:
Spülwasser aus einem Beizbad mit 50g/l Fe und lOg/l Cr enthält in 5%-iger Konzent- ration
HF: 0,5 g/i
Fe: 2,5 g/l gebunden als FeF6 3-
Ni: 300 mg/1 Ni
Cr: 0,5 g/l gebunden als CrF6 3-
Stabilisator: 600 mg/1
Die Aufbereitung erfolgte durch Neutralisieren mit Kalkmilch auf pH 8 - 9, Sedimen- tieren und Abtrennen des Schlammes durch Filtrieren. Fluorid und Schwermetalle wurden quantitativ entfernt. Die Inhaltsstoffe des Stabilisators verblieben im Filtrat.
Im Filtrat verblieben:
Fe: 0, 3 mg/1
Cr: 0, 1 mg/1
Ni: 0, 13 mg/1
Fluorid: < 1 mg/1
Stabilisator: 505 mg/1