-
Verfahren zur Gasentschweflung
Die Entschweflung der Destillationsgase
bituminöser Brennstoffe hat sich im letzten Jahrzehnt immer mehr in der Richtung
entwickelt, daß man das betriebseigene Ammoniak zur Auswaschung des Schwefelwasserstoffs
herangezogen hat. Bekanntlich nimmt Ammoniakwasser nicht unerhebliche Mengen Schwefelwasserstoff
und Kohlensäure auf.
-
Durch besondere Einrichtungen im Waschverfahren hat man die Auswaschung
des Schwefelwasserstoffs vor der Kohlensäure zu bevorzugen gewußt.
-
Um die vom Schwefelwasserstoffwascher ablaufende, mit Schwefelwasserstoff
angereicherte Waschflüssigkeit wieder benutzen zu können und um andererseits den
darin enthaltenen Schwefelwasserstoff einer geeigneten Verwendung zuführen zu können,
führt man die Waschflüssigkeit über einen Entsäurer, in welchem man den Schwefelwasserstoff
so weitgehend wie möglich abtreibt. Da es nicht ohne weiteres gelingt, den Entsäurer
bei gutem Abtrieb des Schwefelwasserstoffs so zu betreiben, daß keine Ammoniakverluste
entstehen, hat man auch bereits vorgeschlagen, die Entsäuerung unter Druck vorzunehmen.
Hierdurch wird tatsächlich ein guter Abtrieb des Schwefelwasserstoffs und der Kohlensäure
erreicht, ohne daß gleichzeitig Ammoniak mit entweicht.
-
Die Wirtschaftlichkeit des Gasentschweflungsverfahrens, welches sich
des im Kreislauf über einen Entsäurer geführten Ammoniaks bedient, bleibt jedoch
insofern ungenügend, als es nicht gelingt, die täglich über den Entsäurer zu führenden
Flüssigkeitsmengen fühlbar zu senken, denn die gesamte Waschflüssigkeit muß im Entsäurer
zwecks Abtrieb des Schwefelwasserstoffs erhitzt und anschließend wieder gekühlt
werden, bevor sie im Schwefelwascher wieder eingesetzt werden kann. Zwar sind
durch
Einschaltung der Druckentsäuerung die Verhältnisse etwas günstiger geworden, da
der Abtrieb weitgehender erfolgt und die Flüssigkeit bei einmaligem Umlauf zur höheren
Aufnahme von Schwefelwasserstoff befähigt. Indessen reicht diese Anordnung auch
in Verbindung mit einer Erhöhung der Selektivität bei der Abwaschung noch nicht
aus, um die Wirtschaftlichkeit entscheidend zu heben, denn man kommt auch auf diese
Weise nicht auf Ammoniakkonzentrationen in der Waschflüssigkeit, die höher als I,5
bis 20/0 NH3 liegen.
-
Um diesem Mangel zu begegnen, hat man das Gas vor dem Waschvorgang
verdichtet und mit konzentriertem Ammoniakwasser - unter dem man schon immer ein
20- bis 250/oiges Ammoniakwasser verstanden hat - unter Einhaltung geringer Beriihrungsdauer
zwischen Gas und Waschflüssigkeit gewaschen. Die verbrauchte Waschflüssigkeit wollte
man durch Entsäuern und Abtreiben regenerieren oder sogar das konzentrierte Ammoniakwasser
im Kreisstrom zwischen Schwefelwasserstoffwascher, einem Entsäurer und einem Kühler
umlaufen lassen.
-
Das Verfahren konnte sich nicht durchsetzen, da die Verluste an Ammoniak
im Schwefelwasserstoffwascher auch bei dem beispielsweise genannten Druck von I5
bis 20 atü so groß sind, daß praktisch über die Hälfte des gesamten, im Kreislaufwasser
enthaltenen Ammoniaks vom Gasstrom ausgelüftet wird. Diese Verluste sind insbesondere
auch deshalb so hoch, weil bei diesem Verfahren eine hohe Selektivität des Waschprozesses
erreicht werden sollte.
-
Hierzu ist die Einhaltung einer geringen Berührungsdauer zwischen
Gas und Waschflüssigkeit notwendig, die eine sehr starke Auslüftung des Ammoniakwassers
zur Folge hat.
-
Es wurde nun gefunden, daß man zu einem äußerst dampfsparenden, aber
auch technisch durchführbaren Entschweflungsverfahren gelangt, indem man bei der
Auswaschung des Schwefelwasserstoffs aus komprimierten Koksofengasen mittels im
Kreislauf über einen Druckentsäurer geführten Ammoniakwassers, gegebenenfalls unter
gleichzeitiger Verarbeitung mitausgewaschenen Ammoniaks, zwischen Druckwascher und
Druckentsäurer ein Ammoniakwasser im Kreislauf führt, welches wenigstens 20 g, vorzugsweise
etwa 60 bis 90 g, Ammoniak im Liter enthält.
-
Man komprimiert also das Gas bereits vor dem Schwefelwascher auf
8 atü und kann dadurch vorteilhafterweise im Schwefelwascher die Konzentration der
Waschflüssigkeit auf 7 bis 8 0/o Ammoniak halten, notfalls nachdem man zusätzlich
Ammoniakschwaden dem Rohgas vor dem Schwefelwasserstoffwascher zugeführt hat. Der
besondere Vorteil dieser Maßnahme leuchtet ohne weiteres ein. Man braucht nämlich
nur noch ein Fünftel der bei einer drucklosen Wäsche aufzuwendenden Flüssigkeitsmenge
in Umlauf zu halten und über den gleichfalls unter Druck arbeitenden Entsäurer zu
schicken. Das Verfahren erlangt infolge der erheblichen Dampfersparnis auf dem Entsäurer
einen hohen Grad an Wirtschaftlichkeit. Auch ist der Wascheffekt ein wesentlich
besserer, da der Entsäurerabtrieb bei einer Ammoniakkonzentration von 6 bis S°/o
und bei einem Druck von 6 bis 8 Atm. besonders günstig verläuft.
-
Indessen ist das Verfahren kein selektives Waschverfahren, von denen
bekannt ist, daß beim Waschprozeß die Berührungszeiten von Gas und Waschflüssigkeit
so kurz gehalten werden, daß neben Schwefelwasserstoff praktisch überhaupt kein
Kohlendioxyd aus dem Gas ausgewaschen wird. Eine regelrechte Selektivwäsche würde
bei Drücken z. B. zwischen 3 und 30 atü so kurze Berührungszeiten zwischen Gas und
Waschflüssigkeit erfordern, daß starke Ammoniakverluste im Schwefelwasserstoffwascher
unvermeidlich wären und dadurch der Vorteil der Anwendung der erfindungsgemäßen
Ammoniakkonzentration durch Ammoniakverluste im Schwefelwasserstoffdruckwascher
wieder zunichte gemacht würde. Das Verfahren unterscheidet sich daher in grundsätzlicher
Weise von den bekannten Selektivverfahren und nimmt eine gleichzeitigeAuswaschung
von Kohlendioxyd zugunsten einer praktischen Durchführbarkeit des Kreislaufdruckverfahrens
in Kauf. Da im Schwefelwasserstoffwascher genügend Ammoniak angeboten werden kann,
fällt die gleichzeitige Aufnahme von Kohlendioxyd -etwa in der Menge des aufgenommenen
Schwefelwasserstoffs - praktisch kaum ins Gewicht. Sie erweist sich sogar als Vorteil
für die nachfolgende Entsäuerung, da ein hoher Kohlendioxydgehalt im Entsäurer einen
vollständigen Abtrieb des absorbierten Schwefelwasserstoffs zur Folge hat.
-
Wenn es erwünscht ist, die Ammoniakkonzentration noch weiter zu steigern,
um die über denEntsäurer zu führende Flüssigkeitsmenge, die erhitzt und gekühlt
werden muß, zu senken, so wird man zweckmäßig alle Möglichkeiten ausschöpfen, die
auch beim Arbeiten ohne Druck dazu führen, die Ammoniakkonzentration zu heben. Beispielsweise
kann man die Ammoniakkonzentration im Rohgas dadurch steigern, daß man das Kühlerkondensat
wieder auf die Vorlage pumpt, wodurch es gelingt, den Ammoniakgehalt des Rohgases
auf 7 bis 8 g pro cbm zu steigern, und bei der Auswaschung des Schwefelwasserstoffs
unter dem Druck des Ferngases stellt sich dann eine Konzentration von g bis IO°/o
Ammoniak im Wasser ein, was insofern zu einer weiteren Entlastung des Entsäurers
führt, als nur noch ein Sechstel bis ein Achtel der bei normalem Druck aufzuwendenden
Flüssigkeitsmenge im Umlauf zu halten ist und über den Entsäurer geht. Es erweist
sich ferner zur Erzielung hoherAmmoni akkonzentration in der Waschflüssigkeit als
vorteilhaft, das bei der Kompression ausfallende Ammoniakwasser auf einem unter
Druck arbeitenden Ammoniakabtreiber abzutreiben und die ammoniakreichen Dämpfe ins
Gas vor dem Schwefelwascher einzubringen. Auch kann man alle Mittel, die zur Erzielung
bevorzugter Auswaschung des Schwefelwasserstoffs gegenüber der Kohlensäure empfohlen
wurden, anwenden.
-
Die Einstellung des Ferngasdruckes schon an der Stelle, an welcher
das Gas gekühlt und von Naphthalin und Teer befreit ist, im übrigen aber noch alle
Bestandteile
enthält, fällt wirtschaftlich nicht der Gasentschweflung zur Last, da an sich für
das Verfahren nur der Druckverlust der Apparate aufzuwenden ist. Durch die Vorverlegung
der Kompression vor die Schwefelwäscher ergeben sich die folgenden Vorteile: I.
Hohe Ammoniakkonzentration der Waschflüssigkeit für die Gasentschweflung; 2. geringe
Flüssigkeitsmenge für die Gasentschweflung; 3. geringer Dampfaufwand im Entsäurer;
4. höhere Ammoniakkonzentration in den nachgeschalteten Ammoniakwäschern; 5. Ersparnis
an Dampf bei der Gewinnung des Ammoniaks.
-
Aus dem entsäuerten Wasser zieht man das im Schwefelwascher überschüssig
aufgenommene Ammoniak in Form eines 6- bis g0/oigen Ammoniakwassers, welches nunmehr
von Schwefelwasserstoff und Kohlensäure weitgehend befreit ist, ab. Man kann es
für sich abtreiben und auf eine hohe Ammoniakkonzentration, z. B. 25 0/o NH3, erhitzen,
da die Gefahr einer Salzabscheidung bei der Lagerung bei tiefer Temperatur durch
die gute Entsäuerung völlig beseitigt ist.
-
Beispiel I Kokereigas, welches durch Rückführung der Kühlerkondensate
von der Teervorlage auf einen Gehalt von 8 g NHS und gg H2S pro cbm gebracht wurde,
wird nach der Kühlung, Teer- und Naphthalinabscheidung auf 8 atü verdichtet und
mit stündlich 0,22 cbm entsäuertem Ammoniakwasser pro I000 cbm Rohgas (gemessen
bei I Atm.) gewaschen.
-
Das vom Wascher ablaufende Wasser enthält im Liter 70 g NH2, 40 g
H2S und 45 g CO2. Es wird, ohne entspannt zu werden, auf einen unter gleichem Druck
arbeitenden Entsäurer gegeben und in dessen Unterteil mit Dampf indirekt auf eine
Temperatur von etwa I600 C gebracht. Es entweicht ein Schwaden, welcher 950/o des
gebundenen Schwefelwasserstoffs und 85°/o der gebundenen Kohlensäure enthält. Um
das Ammoniak praktisch vollständig zurückzuerhalten, wird im Oberteil des Entsäurers
mit 501 verdünntem Ammoniakwasser gewaschen. Das auf den Wascher zurückkehrende
Ammoniakwasser wird im Gegenstrom mit zum Entsäurer gehendem angereichertem Wasser
vorgekühlt und dann durch indirekte Kühlung wieder auf die bei der Waschung übliche
Temperatur von 20 bis 350 C gekühlt. Es gelangt mit einer Zusammensetzung von 60
g NH5, 3,4 g H2S und 6 g CO2 pro Liter auf den Wascher zurück, nachdem dem Kreislauf
0,05 cbm Waschflüssigkeit mit 3000 g NH3 entzogen wurden, die auf verdichtetes,
entsäuertes Wasser verarbeitet werden.
-
Auf diese Weise wird ein Drittel der Ammoniakproduktion auf entsäuertes,
verdichtetes Ammoniakwasser verarbeitet.
-
Beispiel 2 Ein auf gatü komprimiertes Koksofengas mit einem Gehalt
an 3,0 g NH3, 9,5 g H2S und 48 g CO2/ Ncbm wird nach Kühlung auf 210 C stündlich
mit 0,72 cbm/Iooo Ncbm entsäuertem Ammoniakwasser gewaschen. Die Waschlauge enthält
vor Eintritt in den Wascher 2I,5 g Nu,/1, nach Ablauf vom Wascher 24,9 g NH3/l,
überdies I2,8 g H2S und 17,6 g CO2.
-
Das Waschwasser wird über einen Wärmetauscher auf I250 C aufgeheizt
und in einem unter dem gleichen Druck arbeitenden Entsäurer eingeleitet. Über Kopf
entweicht aus dem Entsäurer ein Schwaden, der neben go bis 95 0/o der gebundenen
sauren Gase etwa 2,9 g Ammoniak pro Liter entsäuerten Ammoniakwassers enthält. Der
Schwaden wird einem Sulfatsättiger zugeleitet.
-
Das zum Wascher zurückkehrende entsäuerte Waschwasser dient im Wärmetauscher
der Aufheizung der verbrauchten Waschlauge und kehrt schließlich in seiner ursprünglichen
Zusammensetzung nach erneuter Kühlung zum Wascher zurück.
-
Der Schwefelwasserstoffgehalt des gewaschenen Gases beträgt noch o,85
g H2S pro Ncbm, der Ammoniakgehalt noch 0,57 g/Ncbm.
-
PATENTANSPRCHE: I. Verfahren zur Auswaschung von Schwefelwasserstoff
aus komprimierten Koksofengasen mittels im Kreislauf über einen Druckentsäurer geführten
Ammoniakwassers, gegebenenfalls unter gleichzeitiger Verarbeitung von mitausgewaschenem
Ammoniak, dadurch gekennzeichnet, daß man zwischen Druckwascher und Druckentsäurer
ein Ammoniakwasser im Kreislauf führt, welches wenigstens 20 g, vorzugsweise jedoch
etwa 60 bis go g, Ammoniak im Liter enthält.