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Vorrichtung zur Durchführung chemischer Reaktionen zwischen Amalgamen,
insbesondere solchen der Alkalimetalle, und Lösungen oder Aufschlämmungen anorganischer
oder organischer Verbindungen
Seitdem man gelernt hat, die elektrolytische Zerlegung
von Alkalichloridlösungen mittels einer beweglichen Quecksilberkathode technisch
zu beherrschen, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das bei der Elektrolyse primär
anfallende Alkaliamalgam über die Erzeugung von Atzalkalilaugen hinaus auch für
andere chemische Reaktionen zu verwenden, so z. B. zur Herstellung von Schwefelnatrium
durch Reduktion von Polysulfid-Schwefel mittels Amalgam, für die Synthese von Natriumhydrosulfit
aus Natrium in Form von Amalgam und Schwefeldioxyd, für die Reduktion von organischen
Stoffen, wie z. B. von Nitrobenzol zu Azobenzol oder Hydrazobenzol bzw. Benzidin
usw.
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Wenn diese Bildungsmöglichkeiten bisher nicht zu großtechnischen
Verfahren entwickelt werden konnten, so sind hierfür die folgenden Tatsachen maßgebend
gewesen: I. In allen Fällen handelt es sich um Oberflächenreaktionen, die sich in
der Zwischenschicht zwischen Quecksilber und der wäßrigen Phase, in der sogenannten
Diffusionsschicht, abspielen. Diese Reaktionen beanspruchen daher eine verhältnismäßig
sehr große Oberfläche, und innerhalb der am Quecksilber ziemlich festhaftenden Diffusionsschicht
muß für einen regen Stoffaustausch - sowohl der Reaktionsteilnehmer als auch der
Reaktionsprodukte - gesorgt werden.
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2. Bei Reaktionen, die in einem Medium von verhältnismäßig kleinem
p-Wert durchgeführt werden müssen, besteht die Gefahr eines Amalgamzerfalls unter
Bildung von Alkalihydroxyd und Wasserstoff, besonders bei höherer Amalgamkonzentration,
bei einem Mangel an Depolarisatoren in der Diffusionsschicht oder bei Vorhandensein
von festen Verunreinigungen, die - oft nur in Spuren vorhanden - dennoch die Überspannung
des Wasserstoffs am Quecksilber herabzusetzen vermögen.
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3. Eine vehemente Durchmischung des Ouecksilbers mit der wäßrigen
Phase oder einem anderen Lösungsmittel erweist sich meist als sehr schädlich, weil
einerseits das Diffusionshäutchen gerade an der Oberfläche des Quecksilbertröpfchens
sehr fest haftet, so daß jedwede Konvektion und damit der Stoffaustausch innerhalb
der Diffusionsschicht stark behindert ist, hauptsächlich aber darum, weil das Quecksilber
bei heftiger mechanischer Bearbeitung die Neigung zeigt, innerhalb des Lösungsmittels
einen sogenannten »Mulm« zu bilden, bestehend aus feinsten Quecksilbertröpfchen,
die sich nur äußerst schwierig miteinander vereinen und wieder in den tropfbarflüssigen
Zustand überführen lassen.
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Es ist bereits vorgeschlagen worden - deutsche Patentschrift 671
883 -, durch ständiges Abstreifen der Amalgamoberfläche für eine intensive Erneuerung
der Diffusionsschicht zwischen Quecksilber und wäßriger Phase zu sorgen. Bei diesem
älteren Verfahren bildet sich eine paraboloidförmige, ungeteilte Trennungsfläche.
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Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung, welche die Anwendbarkeit
dieses bekannten Verf ahrensprinzips verbessert und erweitert und darüber hinaus
außer der Hydrosulfitherstellung die Reaktion zwischen Amalgamen und anderen gelösten
emulgierten oder suspendierten anorganischen oder organischen Stoffen durchzuführen
erlaubt, wobei die Bildung eines zusammenhängenden, umlaufenden Quecksilberringes
gewährleistet ist.
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Diese Vorrichtung besteht aus einem vertikal oder horizontal gelagerten
zylindrischen Behälter, z. B. einer Trommel, der mit Zu- und Ablauforganen für das
Amalgam bzw. das Quecksilber einerseits und der zweiten flüssigen Reaktionsphase
bzw. den Umsetzungsprodukten andererseits sowie einer Rühr- bzw. Umwälzvorrichtung
für die Amalgamschicht ausgestattet ist.
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Die Zulaufvorrichtung für das Amalgam ist dabei so ausgebildet, daß
das Amalgam wahlweise an einem Ende des Amalgamringes oder über seine ganze Breite
zugeführt werden kann.
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Das in die Trommel eingeführte Quecksilber wird durch eine Rührvorrichtung
bzw. durch eine Umwälzvorrichtung, die zweckmäßigerweise aus turbinenartig abgebogenen,
auf Sprossen oder durchlochten Zwischensdeiben befestigten Schaufeln besteht, an
seiner Oberfläche ständig erneuert.
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Vor dem Abflußstutzen für das Ouecksilber ist ein halbringförmig
ausgebildeter Überlauf vorgesehen.
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Ferner hat es sich als zweckmäßig erwiesen, an der Austrittsseite
der Trommel eine solche Ahsperrung vorzunehmen, daß der Trommelinnenraum von dem
Flüssigkeitsraum getrennt wird.
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Diese Absperrung kann z. B. mittels einer Scheibe und eines Ringes,
der am Bodenende mit einer Aussparung versehen ist, erfolgen.
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Die Trommel steht einerseits mit der elektrolytischen Zelle in Verbindung
und andererseits mit Vorratsbehältern, Vorrichtungen für die Nachsättigung der Reaktionsteilnehmer
und bzw. oder für die Abscheidung der Reaktionsprodukte sowie Vorrichtungen zum
Kühlen oder Heizen der Flüssigkeiten. Desgleichen können Vorrichtungen vorgesehen
werden, die es ermöglichen, die Reaktionsteilnehmer in einem Kreislauf zu- und abzuführen.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung unterscheidet sich grundsätzlich
von den bisher bekannten Vorrichtungen.
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Dies gilt insbesondere im Hinblick auf einen elektrolytischen Apparat
zur Zersetzung von Salzlösungen unter Benutzung einer Quecksilberkathode, bei dem
das in dem Elektrolysierraum gebildete und auf einer tieferen Quecksilberschicht
schwimmende Alkaliamalgam mittels einer Streichvorrichtung in einen durch Qued:silberversebluß
vom eigentlichen Elektrolysierraum abgetrennten Sammelraum befördert wird, wo dann
die weitere Verarbeitung erfolgt (Deutsches Patent 90 637).
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Die Erfindung unterscheidet sich auch grundsätzlich von einer älteren
Vorrichtung zur Elektrolyse von Alkalichloriden mit beweglicher Quecksilberkathode,
bei der das Quecksilber mittels zweier mit Rillen versehener Trommeln durch den
Elektrolysierraum und die Amalgamzersetzungsräume bewegt wird. Diese Trommeln dienen
lediglich a!s Förderorgane zur Erzeugung einer Quecksilberzirkulation (Deutsches
Patent 254 26I).
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In der Zeichnung ist eine geeignete Vorrichtung zur Durchführung
des Verfahrens beispielsweise in schematischer Darstellung wiedergegeben.
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Innerhalb des mit zwei Deckeln b und b' seitlich abgeschlossenen
Zylindermantels a dreht sich ein Schaufelrührer; er besteht aus einer Welle c, an
welcher zwei oder mehrere Rundscheiben d befestigt sind, die die Schaufeln e tragen.
Es können gegebenenfalls auch zwei konzentrisch angeordnete Schaufelreihen vorgesehen
werden, um eine gute Durchmischung der Reaktionsphase und einen intensiven Stoffaustausch
in der Grenzphase der beiden flüssigen Phasen zu gewährleisten.
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In den Rundscheiben d können unter Umständen Olrfnungen / vorgesehen
werden, welche die Kommunikation zwischen den durch die Scheiben abgetrennten Raumteilen
vermitteln.
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Das Amalgam wird dem Reaktor durch den Stutzen g zugeleitet; und
zwar wird in der hier beschriebenen Ausführungsform das Amalgam von dem Verteilungskanal
h aus über die gesamte Länge der Reaktionstrommel gleichmäßig verteilt.
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In anderen Fällen, in denen beispielsweise eine höhere Amalgámkonzentration
nicht schadlich oder
unter Umständen sogar nützlich ist, wird das
Amalgam an einem Ende der Trommel zugeführt.
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Die Rotationsgeschwindigkeit des Rührers wird so hoch bemessen, daß
infolge der Zentrifugalkraft ein umlaufender äußerer Quecksilberring und ein innerer
konzentrischer, die Reaktionsteilnehmer enthaltender Flüssigkeitsring entsteht.
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Der Quecksilberring ist auf der einen Seite durch den Deckel b und
auf der anderen Seite durch eine Ringblende i begrenzt, die eine Aussparungk enthält,
durch welche der Quecksilberüberschuß hindurch und über ein Wehr I abläuft und durch
den Stutzen m aus dem Reaktor austritt. Das Wehr I kann zweckmäßig höhenverstellbar
eingerichtet werden, um die Schichtdicke des umlaufenden Quecksilberringes beliebig
einstellen zu können.
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Hinter der Ringblende i befindet sich zweckmäßig noch eine an dem
Deckel b' befestigte Segmentscheibed, durch welche der Flüssigkeits-und Gasraum
der Reaktionstrommel abgeschlossen wird.
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Das die Reaktionsteilnehmer als Lösung, Emulsion oder Suspension
enthaltende Gemisch tritt durch den Stutzen o in den Reaktor ein und durch den Zwischenraum
p zwischen der Scheiben und der Trommelwand in den Raum q über; dieser ganz von
Flüssigkeit erfüllte Raum steht nicht mehr unter dem Einfluß der Zentrifugalkräfte;
aus diesem Trommel abschnitt tritt die Reaktionsflüssigkeit durch den Stutzen r
aus.
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Gas kann bei o oder statt bei o durch die in diesem Falle hohl ausgebildete
Welle c oder durch einen separaten Stutzen zugeführt werden.
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In der beschriebenen Apparatur wird je Einheit der Reaktionsfläche
ein Mehrfaches an Natrium oder Kalium und mit einer wesentlich höheren Ausbeute
umgesetzt als bei Verwendung einer Apparatur mit horizontaler oder nahezu horizontaler
Ouecksilberfläche. Dieser Umstand ermöglicht es, mit einer weit kleineren Apparatur
und vor allem auch mit einer ouecksilbermenge das Auslangen zu finden, die nur einen
Bruchteil der für jede andere Apparatur erforderlichen Mengebeträgt.
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Infolge des intensiven Stoffaustausches innerhalb der Reaktionsschicht
können, wie der Fall des Hydrosulfits in besonderem Maße beweist. auch in schwach
saurem Medium sehr empfindliche Reaktionen mit Erfolg und praktisch ohne eine die
Ausbeute schädigende Wasserstoffentwicklung durchgeführt werden.
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Trotz der günstigen Konvektionsverhältnisse innerhalb der Reaktionsschicht
wird eine Mulmbildung des Quecksilbers vermieden, infolge der besonderen Ausbildung
der Rührerschaufeln, die in schiefem Winkel gegen die radiale Richtung abgebogen
sind und die Quecksilberschicht in einer mehr tangentialen Bewegung streifen. Durch
diese Ausbildung werden auch etwa in der Flüssigkeit vorhandene Quecksilbertröpfchen
längs der Gleitebenen der Schaufeln in peripherer Richtung abgeleitet und in die
kompakte Quecksilberschicht hineingedrückt.
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Darüber hinaus erweist sich die Apparatur gemäß der Erfindung auch
als ungemein anpassungsfähig an die verschiedenartigsten Reaktionserfordernisse.
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So ermöglicht es die Vorrichtung, z.B. das Flüssigkeitsvolumen, das
in manchen Fällen die M aterialausbeute entscheidend beeinflußt, innerhalb weitester
Grenzen zu variieren; durch Ausbildung eines Gaskernes im Zentrum des Reaktionsbehälters
oder auch durch Kombination des rotierenden Rührers mit einem Verdrängungskörper
gelingt es z.B., die Flüssigkeitsmenge innerhalb der Trommel auf ein nahezu beliebig
kleines Maß zu beschränken.
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Andererseits wiederum ist es möglich, den Trommelinhalt durch eine
Flüssigkeitszirkulation mit einem Vorratsgefäß zu verbinden, wenn ein größeres Flüssigkeitsvolumen
erforderlich ist, und in eine solche Zirkulation gegebenenfalls Vorrichtungen für
eine Kühlung oder eine Heizung, eine Nachsättigung für die Reaktionsteilnehmer oder
eine Abscheidung der Raktionsprodukte einzuschalten. Für eine Nachsättigung mit
gasförmigen Reaktionskomponenten kann auch ein innerhalb des Zentrifugalreaktors
auszubildender Gasraum dienen.
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Ferner hat sich gezeigt, daß manche besonders rasch verlaufende Reaktionen
oder solche, bei welchen die Gefahr einer unerwünschten Reaktion des Amalgams mit
dem Lösungsmittel besteht, ein stark verdünntes Amalgam, z. B. ein solches von I
bis 2 gel oder noch weniger, erfordern, damit keine störende Wasserstoffentwicklung
auftritt.
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Andere Reaktionen, die träger verlaufen, verlangen andererseits wiederum
höhere Amalgamkonzentrationen.
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Auch solchen diametralen Erfordernissen läßt sich die Vorrichtung
gemäß der vorliegenden Erfindung leicht anpassen, und zwar so, daß in letzterem
Falle das aus der Elektrolysenzelle kommende konzentrierte Amalgam auf der einen
Stirnseite der Trommel zugeleitet und, nachdem es auf dem Weg durch den Apparat
sein Natrium ganz oder zum größten Teil abgegeben hat, auf der entgegengesetzten
Seite als Quecksilber abgezogen wird. Dabei kann gegebenenfalls durch Wandschikanen
oder durch an der Rührerwelle befestigte Scheiben der umlaufende Quecksilbermantel
zur Aufrechterhaltung eines Konzentrationsgefälles im Amalgam in mehrere Abschnitte
unterteilt werden.
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Im Falle der rasch verlaufenden oder konzentrationsempfindlichen
Reaktionen hingegen wird das dem Reaktor zulaufende konzentrierte Amalgam durch
eine geeignete Zuteilungsvorrichtung über die ganze Trommellänge gleichmäßig verteilt
und durch das in der Trommel umlaufende Quecksilber hinreichend verdünnt, bevor
es mit der Reaktionsflüssigkeit in Berührung kommt.