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Verfahren zur Reinigung von Essigsäure durch Destillation
Die rohe,
durch Oxydation von Acetaldehyd hergestellte Essigsäure enthält eine Reihe von Nebenprodukten,
die teils niedriger, teils höher sieden als Essigsäure. Durch wiederholte Destillation
gelingt es zwar, den größten Teil dieser Stoffe abzutrennen, jedoch enthält die
so gewonnene Essigsäure, namentlich wenn sie kontinuierlich hergestellt wird, immer
noch geringe Mengen niedrigsiedender Bestandteile. DieAbtrennung dieser restlichen
Verunreinigungen bereitet, namentlich bei der kontinuierlichen Destillation der
Rohsäure zwecks Gewinnung reiner Säure, erhebliche Schwierigkeiten. Vor allem wird
die Reinigung der Essigsäure dadurch erschwert, daß die destillierte reine Säure
selbst durch sorgfältiges Abfraktionieren des Vorlaufs von einer wechselnden Menge
reduzierender Stoffe nicht getrennt werden kann. Zur Beseitigung derselben hat man
die Essigsäure bisher mit Oxydationsmitteln, vorzugsweise mit Kaliumpermanganat,
behandelt; denn die Brauchbarkeit der reinen Essigsäure für verschiedene Zwecke,
vor allem zur Herstellung von Speiseessig und Arzneimitteln, hängt von ihrer Beständigkeit
gegenüber Permanganat ab, die durch Testmethoden annähernd ermittelt wird. Die Behandlung
der Essigsäure mit Oxydationsmitteln, wie Permanganat oder Bichromat u. dgl., bereitet
ebenfalls einige Schwierigkeiten. Die direkte Zugabe derselben in fester Form, namentlich
zu heißer Essigsäure, ist gefährlich. Die Anwendung von wäßrigen Lösungen derselben
hat den Nachteil, daß die Essigsäure dadurch verdünnt wird.
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Will man die Oxydationsmittel aber in Essigsäure selbst auflösen und
so in die Destillationsapparatur einführen, so benötigt man, namentlich bei starter
Verunreinigung, eine nicht unbeträchtliche Menge Essigsäure, die im Kreislauf immer
wieder destilliert werden muß. Außerdem greifen alle Oxydationsmittel Kupfer, das
übliche Material für Apparaturen zur Destillation von Essigsäure, stark an, so daß
die laufende Verwendung von Oxydationsmitteln entsprechende Kosten verursacht.
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Es wurde nun gefunden, daß die Essigsäure kontinuierlich ohne Anwendung
von Oxydationsmitteln von reduzierenden und sonstigen Verunreinigungen durch Destillation
getrennt werden kann, wenn man in den oberen Teil einer mit Dephlegmator versehenen
Kolonne unter vermindertem Druck die flüssige Rohsäure einführt und etwa in der
Mitte der Kolonne die reine Essigsäure in Dampfform abzieht, wobei zwischen der
Eintrittsstelle der Rohsäure und der Austrittsstelle der Reinsäure eine Temperatur
aufrechterhalten wird, die dem Siedepunkt der reinen Säure bei dem jeweiligen Druck
entspricht, während die niedrigersiedenden Anteile oberhalb des Dephlegmators dampfförmig
austreten und die höhersiedenden und nicht destillierbaren Anteile am Fuß der Kolonne
in flüssiger Form anfallen. Dabei ist es für die Reinheit der Essigsäure wesentlich,
daß zwischen der Eintrittsstelle der unreinen und der Austrittsstelle der reinen
Essigsäure eine Temperatur aufrechterhalten wird, die dem Siedepunkt der reinen
Essigsäure bei dem jeweiligen Druck entspricht. Es entsteht dadurch eine Sperrzone,
welche das Abwärtsdringen der Vorlaufbestandteile verhindert. Als Unterdruck hat
sich ein solcher von etwa 200 mm Hg-Säule als vorteilhaft erwiesen.
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Durch entsprechende Regelung des Zulaufs der unreinen und Abführung
der gereinigten Essigsäure sowie der Beheizung der Kolonne und Kühlung des Dephlegmators
gelingt es ohne Schwierigkeinen, völlig reine Essigsäure zu erhalten.
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Es ist überraschend, daß es gelingt, Essigsäure in reinster Form
aus roher Essigsäure, die ein Dreistoffgemisch darstellt, mit nur einer Kolonne
zu gewinnen. Es ist bekannt und gehört zu den allgemeinen Regeln der Rektifiziertechnik,
daß sich die Zahl der für die vollkommene w Zerlegung eines Mehrstoffgemisches mit
ineinander löslichen Komponenten bepötigten Kolonnen durch Verminderung der Komponentenzahl
um I ergibt (s. E. Kirschbaum, »Destillier- und Rektifiziertechnik« {195o}, S. 191).
Wenn also ein Gemisch aus drei Komponenten zu trennen ist, so benötigt man zwei
Kolonnen Die Gewinnung der drei Komponenten in reiner Form in einer einzigen Kolonne
gelingt jedoch nicht ohne weiteres bei jedem Dreistoffgemisch dadurch, daß man den
Mittelsieder an einer günstigen Stelle der Kolonne abzieht, weil erfahrungsgemäß
immer nur ein mit der einen oder anderen Komponente mehr oder weniger verunreinigtes
Abzugsprodukt erhalten wird Dies wäre auch beim Rohessigsäure-Mehrstoff-Gemisch
der Fall. Nach dem Verfahren gemäß der Erfindung gelingt es aber, unterhalb der
Einlaufstelle wenigstens den Mittelsieder, nämlich die Essigsäure, frei nicht nur
von Niedrigsiedern, sondern vor allem auch von den Hochsiedern abzuziehen. Es ist
zwar nicht überraschend, daß man den Niedrigsiedern das Eindringen in die Mittelsiederabzugszone
durch entsprechende Heizung verwehren kann. Daß aber. aus der Mittelsiederzone eine
völlig reine, sogar testhaltende Essigsäure abgezogen werden kann, ist überraschend
und den allgemeinen Destillationsregeln völlig widersprechend, denn da die Hochsieder
auf ihrem Weg von der Einlaufstelle zur Blase diese mit siedender Essigsäure gefüllte
Zone passieren müssen, ist anzunehmen, daß dem Partialdruck entsprechend so viel
Hochsiederdampf in diese Zone gelangt, daß nur eine mehr oder weniger verunreinigt
Essigsäure abgezogen werden kann. Es war also nicht vorauszusehen, daß nach dem
vorliegenden Verfahren eine Essigsäure mit so hohem Reinheitsgrad gewonnen werden
kann.
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Beispiel Einer kontinuierlich arbeitenden Kolonne werden bei einem
Druck von 200 mm Hg-Säule in der Mitte der oberen Hälfte stündlich 2 1 Rohessigsäure,
die etwa 0,5 0/o niedrigsiedende und 0,2010 höhersiedende Bestandteile enthält,
zugeführt. Die Heizung der Kolonne und das Ventil des mittleren Abzugrohres wird
so einreguliert, daß an dieser Stelle bei 800 stündlich etwa 1,7 1 Essigsäure abdestillieren.
Die erhaltene Essigsäure erstarrt bei I6,50 und verbraucht pro Liter in 3 Minuten
0,02 Kaliumpermanganat. Gleichzeitig destillieren im Kopf der Kolonne stündlich
etwa 0,21 Vorlauf bei 780 bei 0,75 1 Rücklauf pro Stunde ab. Aus der Blase werden
stündlich etwa 0,I 1 abgezogen.
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Die gewonnene Essigsäure ist so rein, daß sie für Speisezwecke, zur
Herstellung von Arzneimitteln und für alle chemischen Prozesse, bei denen nur reinste
Essigsäure verwendet werden kann, geeignet ist.