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Verfahren zur Herstellung von Lösungen oder pastösen Massen von Acrylnitrilpolymerisaten
Es
ist bekannt, daß Polyacrylnitril und Mischpolymerisate aus Acrylnitril und einer
oder mehreren mischpolymerisationsfähigen Komponenten in Mischungen aus Nitromethan
einerseits und Wasser oder Ameisensäure oder mehrwertigen Alkoholen oder Dioxybenzolen
andererseits gelöst werden können. Diese Zusatzstoffe weisen aber eine Reihe von
Nachteilen auf. Zum Beispiel besteht beim Wasser und bei der Ameisensäure die Gefahr,
daß bei der Herstellung der Lösungen, die bei etwa I00° vorgenommen werden muß,
im Falle der Anwesenheit einer durch Wasser' oder Ameisensäure angreifbaren Mischpolymerisationskompo
nente eine chemische Veränderung des polymeren Moleküles stattfindet. Bei Wasser
kommt noch hinzu, daß die Lösungen in dem Nitromethan-Wasser-Gemisch bereits bei
etwa 800 gallertartig erstarren, so daß die Verarbeitung der Lösungen stets oberhalb
dieser Temperatur vorgenommen werden muß. Ameisensäure ist ferner wegen der Korrosionsmöglichkeit
aus apparatebautechnischen Gründen nachteilig. Schließlich wirkt sich bei den mehrwertigen
Alkoholen und den Dioxybenzolen deren hoher Siedepunkt beim Verarbeiten der Lösungen
zu Fäden, Folien u. dgl. sehr ungünstig aus.
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Die Löslichkeit von Acrylnitrilpolymerisaten in den vorgenannten
Mischungen wird von E. E.
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Walker, J. appl. Chem., 2, 470 (I952), S. speziell S. 479, darauf
zurückgeführt, daß die Wasserstoffbrücken zwischen den Zusatzstoffen durch das Nitromethan
gesprengt werden. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß allgemein Mischungen
aus Nitromethan einerseits und einer über Wasserstoffbrücken andererseits assoziierten
zweiten Komponente Lösungsmittel für Acrylnitrilpolymerisate darstellen. Zum Beispiel
sind OH-haltige Verbindungen, wie Milch- oder Glykolsäureester, Oxyaceton, Phenol
u. a., oder Säuren, wie Essig-, Propion-, Brenzschleim-, Aminoessigsäure u. a.,
oder Amine, wie Äthanolamin, Äthylendiamin, Anilin, Aminopyridin u. a., also alles
Verbindungen, die über OH, CO OH oder N H2 zu assoziieren vermögen, in Kombination
mit Nitromethan Nichtlöser für Acrylnitrilpolymerisate.
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Es wurde nun gefunden, daß sich überraschenderweise Lösungen oder
pastöse Massen von Acrylnitrilpolymerisaten oder -mischpolymerisaten, wobei der
Anteil der Acrylnitrilkomponente im Mischpolymerisat mindestens 50 °/o beträgt,
dadurch herstellen lassen, daß man Trichloracetaldehydhydrat allein oder in Kombination
mit Nitromethan als Lösungs- und Quellmittel verwendet. Hierbei treten die Nachteile
der anderen erwähnten Nitromethangemische als Lösungsmittel für die angegebenen
Produkte nicht auf. Gegenüber den bekannten nitromethanfreien Lösungsmitteln für
Acrylnitrilpolymerisate, z. B. gegenüber Dimethylformamid, Butyrolakton, Oxynitrilen,
Dinitrilen, Cyanessigsäure, Dimethylsulfon und anderen, zeichnen sich Trichloracetaldehydhydrat
und Nitromethan durch ihre niedrigen Siedepunkte (97 bzw.
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IoIO) aus, was besonders in wärmetechnischer Hinsicht bei der Verarbeitung
der Lösungen und der Rückgewinnung der Lösungsmittel von besonderer Wichtigkeit
ist.
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Das Verhältnis von Trichloracetaldehydhydrat zu Nitromethan läßt
sich in weiten Grenzen verändern. Je nach der Natur und dem Mengenanteil der anderen
Komponenten des Mischpolymerisates kann der prozentuale Anteil des Trichloracetaldehydhydrates
im Lösungsmittelgemisch 20 bis IooO/o °/0 betragen. Im allgemeinen gelten bei den
Mischpolymerisaten hinsichtlich der Zusammensetzung des Lösungsmittels folgende
Beziehungen: Besitzt die Mischkomponente nur schwach polare Eigenschaften oder enthält
sie neben einer stärker polaren Gruppe einen größeren, aus z. B. 4 Kohlenstoffatomen
bestehenden schwach polaren Molekülrest, so ist zum Lösen eines Mischpolymerisates
der genannten Art um so weniger Nitromethan im Lösungsmittelgemisch erforderlich,
je größer der Mengenanteil einer solchen Mischkomponente ist; dadurch kommt es,
daß man mitunter auch ohne Zusatz von Nitromethan die hochpolymere Verbindung in
Trichloracetaldehydhydrat allein lösen kann, besonders dann, wenn der Anteil der
Mischpolynlerisationskomponenten größer als 25 O/o ist. Sind die polaren Eigenschaften
der Mischkomponenten aber stärker ausgeprägt, so ist ein größerer Zusatz an Nitromethan
zum Lösungsmittelgemisch zum Erzielen einer homogenen Lösung notwendig.
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Daraus folgt aber nicht etwa, daß Nitromethan allein in diesem Falle
ein besseres Lösungsmittel als das Gemisch aus Trichloracetaldehydhydrat und Nitromethan
darstellt; es gibt vielmehr Mischpolymerisate, die sowohl in Trichloracetaldehydhydrat
als auch in Nitromethan allein unlöslich sind, aber von einem Gemisch aus beiden
Substanzen gelöst werden. Zu den Polymerisaten der letztgenannten Art gehört auch
das Polynerylnitril selbst, das in einem 50°/o oder mehr Nitromethan enthaltenden
Gemisch aus Trichloracetaldehydhydrat und Nitromethan löslich ist.
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Den Polymerisatlösungen in Trichloracetaldehydhydrat-Nitromethan-Gemischen
können zur Erniedrigung der Verarbeitungsviskosität in üblicher Weise in chemischer
und physikalischer Hinsicht verträgliche Nichtlösungsmittel in einer solchen Menge
zugesetzt werden, daß keine Ausfällung des Polymerisates erfolgt. Schließlich können
die Lösungen auch nichtflüchtige als Weichmachungsmittel für das Polymerisat dienende
Substanzen enthalten.
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Für die -im folgenden beschriebenen Versuche werden Polymerisate
verwendet, deren spezifische Viskosität, gemessen an Ie/oigen Lösungen in Dimethylformamid
bei 200, etwa i,8o .bis 2,70 beträgt.
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Beispiel I Polyacrylnitril wird weder von Trichloracetaldehydhydrat
noch von Nitromethan angequollen, geht aber in einem Gemisch- aus gleichen Teilen
beider Substanzen in Lösung. Man verfährt dabei zur Erhöhung der Lösungsgeschwindigkeit
zweckmäßigerweise so, daß das Polymerisat zuerst in Nitromethan allein ganz kurz
erhitzt und sodann die entsprechende Menge an Trichloracetaldehydhydrat nachgegeben
wird. Da die Löslichkeit des Polyacrylnitril in dem Gemisch mit steigender Temperatur
fällt, soll die Lösungstemperatur möglichst nicht über 800 liegen. Sollte aber z.
B. durch lokales Überhitzen ein Teil des Polymerisates ausfallen, so läßt sich dieser
durch Abkühlen der Mischung wieder leicht in Lösung bringen.
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Beispiel 2 Ein Mischpolymerisat aus go Gewichtsteilen Acrylnitril
und IO Gewichtsteilen Chloräthylvinyläther wird in Trichloracetaldehydhydrat bei
60° stark angequollen und bildet dann eine leicht verformbare, pastöse, fadenziehende
Masse. Werden aber nur I5 °/o Nitromethan zum Trichloracetaldehydhydrat zugegeben,
so geht das Polymerisat in der Mischung in Lösung. Die Lösungsgeschwindigkeit wird
bei Erhöhung des Nitromethananteiles etwas vergrößert. Wird der Nitromethananteil
aber zu stark erhöht, so nimmt die Löslichkeit des
Mischpolymerisates
wieder ab, so daß es in Nitromethan allein wieder unlöslich ist. Sogar in einem
Gemisch aus Nitromethan und Wasser, das, wie eingangs erwähnt, häufig als Lösungsmittelgemisch
für solche Mischpolymerisate verwendet wird, wird im vorliegenden Falle keine klare
Lösung erhalten; auch hierin sind die besonders vorteilhaften Lösungseigenschaften
des Trichloracetaldehydhydrates zu erkennen.
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Lösungen, die 20 g des Mischpolymerisates in ion cm eines aus 75
75°/o Trichloracetaldehydhydrat und 25 °/o Nitromethan bestehenden Lösungsmittels
enthalten, sind zwar schon hochviskos, lassen sich aber noch leicht, z. B. durch
Aufbringen auf eine Glasplatte, zu Folien oder durch Pressen durch Düsen zu Fäden
oder Borsten verarbeiten. Das Verdampfen der Lösungsmittel bei der Verarbeitung
der Lösungen erfolgt zweckmäßig etwas unterhalb des Siedepunktes des Trichloracetaldehydhydrates,
um eine Zersetzung des Trichloracetaldehydhydrates zu vermeiden; ferner darf die
Temperatur nie so hoch sein, daß wegen des Vorliegens eines negativen Temperaturkoeffizienten
der Löslichkeit eine teilweise Abscheidung des gelösten Polymerisates erfolgt. Die
Herstellung von z.B.
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Fäden kann auch durch Verdüsen in ein Fällbad vorgenommen werden.
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Beispiel 3 Ein Mischpolymerisat aus gI-Gewichtsteilen Acrylnitril
und 9 Gewichtsteilen Vinylacetat wird von Trichloracetaldehydhydrat allein sehr
stark zu einer pastösen Masse angequollen, so daß es in dieser Form bereits verarbeitet
werden kann, und von einer Mischung aus 80 Gewichtsteilen Trichloracetaldehydhydrat
und 20- -Gewichtsteilen Nitromethan gelöst. Enthält das Mischpolymerisat aber 69
Gewichtsteile Acrylnitril und 3I Gewichtsteile Vinylacetat, so wird es bereits in
Trichloracetaldehydhydrat allein gelöst. Wird der polare Charakter der einpolymerisierten
Mischlromponente durch Einführung eines Chloratomes in das Vinylacetat erhöht, so
wird ein aus 88 Gewichtsteilen Acrylnitril und I2 Gewichtsteilen Vinylchloracetat
bestehendes Mischpolymerisat von Trichloracetaldehydhydrat allein schwächer angequollen
als das oben erstgenannte Mischpolymerisat mit g°/o Vinylacetat; bei Zusatz von
einem Teil Nitromethan zu zwei Teilen Trichloracetaldehydhydrat wird das Mischpolymerisat
mit I2% Vinylchloracetat jedoch gelöst.
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Weitere Beispiele Zusammensetzung des Acryinitrilrnischpolymerisates
Anteil der Löslich in |
Art der zweiten Komponente zweiten Verhalten gegen |
Komponente - a3CcH(oH)2 (Mengenangabenin |
in % Gewichtsteilen) |
Allylamin. HC1 ........................... 5 schwache Quellung
67 A* + 33 B* |
ß-Allyloxypropionitril ...................... 10 starke Quellung
85 A + I5 B |
Dimethylaminoäthanolmethacrylsäureester ... 8 schwache Quellung
55 A + 45 B |
Vinylpropylformal ......................... 20 sehr starke
Quellung 80 A + 20 B |
Vinylbromid . ....................... 6,5 keine Quellung 50
A + 50 B |
Vinylchlorid........... ............ 33 schwache Quellung 80
A + 20 B |
* A bedeutet Trichloracetaldehydhydrat und B Nitromethan.