-
Verfahren zum Reinigen der Abluft von Viskosefabriken
Bei der Herstellung
von Kunststoffen nach dem Viskoseverfahren, insbesondere bei der Gewinnung von Kunstseide,
Zellwolle, Filmen, Bändern u. dgl., hat es nicht an Versuchen gefehlt, die bei der
Fabrikation anfallenden ülb,elriechenden und giftigen Gase, die in de!r Hauptsache
aus Schwefel wasserstoff, Schwefelkohlenstoff und. anderen Schwefelverbindungen
- z. B. Merkaptanen - hestehen, aus der Abluft zu entfernen und unschädlich zu machen.
Beispielsweise hat man versucht, diese Gase durch Waschen der Abluft mit Natronlauge
aufzufangen. Abgesehen davon, daß mit den sich bildenden Wassernebeln große Mengen
der Schwefelverbindungen trotzdem ins Freie entweichen, ist hiermit die Frage noch
nicht gelöst, wie die entsprechende Schwefelnatriumlauge ohne Geruchsbelästigung
aufgearbeitet werden soll. Man hat weiterhin versucht, die Verunreinigungen in der
Abluft mit Chlor zu oxydieren, die Abluft mit Arsenitlösungen zu waschen usw. Die
Haaiptschwierigkeit all dieser Verfahren liegt in den ungeheuren Luftmengen, die
zu verarbeiten sind, wodurch die Anlage sehr großer Reinigungseinrichtungen notwendig
gemacht und die Wirtschaftlichkeit all dieser Verfahren in Frage gestellt wird.
-
Als letzter Weg blieb meistens nur das Verbrennen der gasförmigen
Verunreinigungen in der iKesselfeuerung, wodurch jedoch der Gehalt der Schorn-
steingase
an schwefliger Säure unerwünscht zunahm. Die Reinigung oder Unschädlichmachung der
Gase ist nicht nur eine Frage der Beseitigung von Geruchsbelästigungen, sondern
mit Rücksicht auf die Giftigkeit des Schwefelwasserstoffes, insbesondere bei Dauereinwirkung,
aus gesundheitlichen Gründen eine notwendige Bedingung.
-
Es wurde nun überraschenderweise gefunden, daß es gelingt, aus der
Abluft den Schwefelwasserstoff praktisch quantitativ zu entfernen und in Schwefel
überzuführen, wenn man die verunreinigte Abluft über lose geschüttete eisenoxydhydrathaltige
Massen leitet und mit einer Gasströmungsgeschwindigkeit von mindestens I,5 cm in
der Sekunde arbeitet.
-
Dieses Trockenreinigungsverfahren mittels eisenoxydhaltiger Massen
ist aus der Kokerei- und Leuchtgasindustrie bereits bekannt. Hierbei wird normalerweise
das mit H2S verunreinigte brennbare Gas über feuchtes Eisenoxyd geleitet, wobei
der Schwefelwasserstoff chemisch an das Eisenoxyd gebunden wird unter Bildung vonEisensulfid,
das in einem besonderen Regenerationsprozeß durch Oxydation in Eisenoxyd und Schwefel,
welcher extrahiert wird, verwandt wird.
-
Man hat auch bereits vorgeschlagen, dem brennbaren Gas so viel Luft
zuzumischen, daß diese Regenerierung in einer Arbeitsstufe mit der Absorption erfolgt.
Daneben verlaufen dann aber zahlreiche andere Umsetzungen, welche das Reaktionsschema
erheblich komplizieren, neben anderen auch die Weiteroxydation des Schwefels zu
SO2, S 03 oder Thionsäuren, die zu einem Unwirksamwerden der Katalysatormasse durch
Säuerung führen. Diese Weiteroxydation ist unter anderem auch von der Temperatur
in der Reaktionszone sowie von dem Konzentrationsverhältnis °2: H2S abhängig. Man
hat daher bereits Kühlung der Reaktionszone durch Temperaturaustauscher vorgeschlagen
und h,ält insbesondere die Luftmenge in dem brennbaren, H2 S-haltigen Gas so gering,
daß das Mol- bzw. Partialdruckverhältnis H2S: °2 = 1 : 0,5 nur wenig überstiegen
wird. Trotzdem wird immer wieder angegeben, daß das Gas hinter der Katalysatorschicht
neben nicht absorbiertem H2S bis zu 6 O/o Schwefeloxyd enthält und daß bei nicht
genügender Vorsicht sogar eine Entzündung des primär gebildeten Eisensulfids bzw.
Schwefels erfolgen kann.
-
Bei der erfindungsgemäßen Behandlung von H2S-haltiger Abluft, die
etwa o,5.g H2S im cbm enthält, beträgt das Molverhältnis H2S: 02 aber etwa 1 : 650.
Es war daher zu erwarten, daß unter diesen Bedingungen die Oxydation weitergeführt
würde bis zur Bildung von Schwefeloxyden bzaw.
-
Säuren und daß die Oxydation unter Verbrennungserscheinungen vor sich
gehen würde. Überraschenderweise stellt sich jedoch heraus, daß die bei der Umwandlung
von H2 S in H2 0 und S resultierende Temperatur der Katalysatormasse in Abhängigkeit
von der Gasdurchsatzgeschwindigkeit und bei der Temperatur der aus dem Spinnsaal
kommenden Abluft und der herrschenden Konzentration von etwa 0,5 g H2 S/cbm gerade
so groß ist, daß bei dem gegebenen H2 S: 02-Konzentrationsverhältnis wohl eine rasche
und einwandfreie Oxydation zum Schwefel erfolgt, aber die Weiteroxydation praktisch
vollkommen unterbunden ist.
-
Ein weiteres wichtiges. Moment war die Feststellung, daß die Strömungsgeschwindigkeit
der Abluft in den Absorptionsanlagen mindestens I,5 Sekunden betragen kann, ohne
das die Vollständigkeit der Reinigung hierunter leidet. Durch diese Tatsache, wielche
aus den Erfahrungen bei der Reinigung brennbarer Gase keineswegs abzuleiten war,
wird das Verfahren erst wirtschaftlich und großtechnisch durchführbar.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren der Abluftreinigung unterscheidet
sich von dler üblichen Reinigung der Kokereigase auch noch dadurch, daß die Kokereigase
erhebliche Mengen an Fremdverbindungen, insbesondere Staub Xund 01, enthalten, welche
die Oberfläche der Reinigungsmasse nach verhältnismäßig kurzem Betrieb isolieren
und verhindern, daß die im Innern befindlichen Teile der Reinigungsmasse überhaupt
zur Wirkung gelangen. Beim Verfahren gemäß der Erfindung bleibt die wirksame Fläche
der Reinigungsmassen während des ganzen Betriebes wegen Fehlens dieser Staub- und
Ülpartikelchen praktisch sauber, und der sich bildende Schwefel wächst gleichmäßig
in tiefer Schicht in die Masse ein. Die Oberfläche der Reinigungsmasse bleibt also
stets im chemischen Sinne angriffsbereit.
-
Daß an diesen chemisch intakt bleibenden Oberflächen die einstufige
Absorption und Oxydation zum Schwefel mit der oben beschriebenen unerwartet großen
Geschwindigkeit vor sich geht, ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß bei
dem erfindungsgemäßen Verfahren die Absorptionsgeschwindigkeit des Sauerstoffes
von der gleichen Größenordnung ist wie die des Schwefelwasserstoffes, obwohl die
Absorptionskoeffizienten von Schwefelwasserstoff und Sauerstoff sich etwa wie 100
: 1 verhalten, während bei der I200- bis Isoomal so kleinen 02-Konzentration der
Trockenreinigungsverfahren der brennbaren Gase die 02-Konzentration in der Reaktionszone
so gering ist, daß die Sulfidbildung der Oxydation erheblich vorausläuft, so daß
die Gesamtumsetzung tatsächlich aus diesen beiden Sbufen besteht, das Eisenoxyd
also als intermediärer Reaktionspartner eingeht. Offenbar aus diesem Grunde setzt
sich der von den Reinigungsmassen bei dem erfindungsgemäßen Verfahren absorbierte
Schwefelwasserstoff unmittelbar und sofort in elementaren Schwefel um, so daß die
wirksame Fläche der Kontaktmasse für die Aufnahme neuen Schwefel wasserstoffes frei
wird. Praktische Versuche haben ergeben, daß Schwefelanreicherungen in der Reinigungsmasse
bis zu 600/G und mehr erreicht werden können, ohne daß ein Nachlassen des Wirkungsgrades
festzustellen ist.
-
Gemäß der Erfindung wird also die Abluft von Viskosefabriken, d.
h. sowohl die unmittelbar an
den Spinnstellen entstehende als auch
die in den Arbeitsräumen des Spinnsaales und der Nachbehandlung durch entweichende
Gase verunreinigte Luft, in kontinuierlichem Strom durch lose geschüttete Reinigungsmassen
geleitet, die in erster Linie aus Eisenoxydhydrat bestehen, wobei Strömungsgeschwindigkeiten
von mindestens I,5 cm/Sek., vorteilhaft mehr, angewandt werden.
-
Dieses Verfahren wird, wie vorstehend schon erwähnt, bis zur Anreicherung
großer Schwefel mengen in der Reinigungsmasse getrieben, was den weiteren Vorteil
mit sich bringt, daß bei der Extraktion der Reinigungsmasse der Schwefel mit großer
Reinheit in verkaufsfähiger Form gewonnen wird. Die vom Schwefel befreite Masse
ist ohne weitere Reinigungsmaßnahme unmittelbar zu neuem Einsatz wieder verwendbar.
-
Zur Durchführung der Gasreinigung gemäß der Erfindung können alle
Vorrichtungen benutzt werden, wie sie beispielsweise für die trockene Entschwefelung
von brennbaren Gasen - insbesondere Kokereigasen - entwickelt worden sind; so z.
B. die bekannten Turmreiniger mit übereinander angeordneten Reinigerhorden mit einer
Zuleitung der zu reinigenden Gase durch ein zentrales Innenrohr undAbleitung durch
Mantelöffnungen in den Hordenmänteln. Hierbei werden die Reinigungsmassen in Form
einer losen Aufschüttung angewandt.
-
Nach der Entfernung des Schwefelwasserstoffes kann man die Abluft
erforderlichenfalls durch weitere Massen hindurchleiten, welche auf physikalischem
oder chemischem Wege die weiteren in der Abluft enthaltenen -Schwefelverbindungen
und sonstigen Giftstoffe entfernen. Für die Aufnahme des Schwefelkohlenstoffes wird
hierfür in bekannter Weise vorteilhaft Aktivkohle, Silicagel u. dgl. angewandt werden
können. Die Anordnung dieser Kontaktmassen kann auch in der gleichen Apparatur hinter
den Schwefelreinigungsmassen im Sinne der Strömungsrichtung der Abluft erfolgen.
-
Ganz allgemein kann man im Anschluß an die geschilderte Reinigung
auch gegebenenfalls noch weitere Schwefelverbindungen, wie Merkaptane, Disulfide
u. dgl., durch Kontaktwirkung aus der Abluft entfernen. Dabei spielt die möglichst
feine, nebelartige Verteilung der festen oder flüssigen Kontaktstoffe eine wichtige
Rolle, da für die Umsetzung in der Gasphase die Grenzflächenspannung der Reaktionsteilnehmer
von ausschlaggebender Wichtigkeit ist. Beispielsweise kann man in weiteren nachgeschalteten
Reinigungstürmen die restlichen gasförmigen Verunreinigungen durch Ozon, welches
am Ort des Verbrauchs erzeugt wird, oxydieren.
-
Im allgemeinen ist aber nach der geschilderten Reinigung die Konzentration
der in der entweichenden Ab luft vorhandenen Fremdstoffe so gering, daß durch sie
keinerlei schädigende oder geruchsbelästigende Wirkung zu befürchten ist.
-
Es ist bereits vorgeschlagen worden, lose geschüttete oder geformte
eis enoxydhydrathaltige Massen zur Entfernung von Schwefelwasserstoff aus der Abluft
von Zellwollefabriken zu verwenden (vgl. F urkert, »Neue Wege der Rohstoffeinsparung
in Verbindung mit der Abluft und Abwasserreinigung in der Zellwollefabrikation«
[Chemische Berichte des Reichsamtes für Wirtschaftsausbau, I942, 5. 433, Abs. I]),
jedoch ist hier von der Anwendung der beanspruchten Gasgeschwindigkeiten keine Rede,
da die dort gemachten Angaben über die sehr hohen Abmessungen der erforderlichen
Reinigungsflächen ergeben, daß sich der Vorschlag auf die Anwendung der für Koksofengas
üblichen niedrigen Stfömungsgeschwindigkeit von etwa 7 mm/Sek. bezileht. Mit einer
solchen ist aber die trockene Gasreinigung, wie aus den Angaben über die erforderliche
Größe der Anlagen hervorgeht, für die Reinigung der Abluft von Viskosebetrieben
technisch noch nicht brauchbar. Erst mit der Anwendung der erfindungsgemäß anzuwendenden
Strömungsg,eschwindigkeit wird das Verfahren technisch durchführbar, da die Dimensionen
der Reiniger in erträglichen Grenzen gehalten werden können.