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Verfahren und Vorrichtung zur kontinuierlichen Gewinnung von weitgehend
angereicherten Bestandteilen des Steinkohlenteers durch fraktionierte Destillation
in Rektifizierkolonnen Steinkohlenteer besteht aus einer sehr großen Anzahl von
Bestandteilen, die mit ihren Siedepunkten, insbesondere bei den höheren. Fraktionen,
ziemlich gleichmäßig verteilt sind. Zudem bilden zahlreiche Bestandteile des Teeres
miteinander azeotrope Gemische. Es ist deshalb verständlich, wenn man durch einfache
Destillation nicht einmal aus den niedriger siedenden Bestandteilen, wie z. B. den
Benzolen, Reinprodukte gewinnen kann.
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So ist beispielsweise aus der deutschen Patentschrift 26o oho ein
zweistufiges Verdampfungsverfahren bekannt, bei dem die Verdampfer im wesentlichen
auf gleicher Temperatur gehalten werden und in denen ein Fortschreiten des Destillationsprozesses
in der Weise erreicht wird, daß jeder folgende Apparat mit höherem Vakuum arbeitet
als der vorhergehende. Dieses Verfahren wurde nach der Beschreibung von W. Gluud,
Handbuch der Kokerei, Bd.2 (I928), S.2845, dahingehend erweitert, daß die letzte
Verdampfungsstufe mit höherer Temperatur als die vorhergehenden Verdampfungsstufen
betrieben wird. Der eigentliche Destillationsvorgang vollzieht sich demnach in dem
atmosphärisch arbeitenden ersten und in dem unter hohem Vakuum stehenden zweiten
und dritten Verdampfer. Die im zweiten und dritten Verdampfer ausgetriebenen Dämpfe
werden in nachgeschalteten Kolonnen durch Dephlegmation nochmals in Fraktionen unterteilt.
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Doch ist auch bei Einschaltung von Füllkörperkolonnen zwischen Ausdampfpfanne
und Kühler nur eine Aufteilung in Fraktionen von verhältnismäßig
weiten
Siedebereichen erreicht worden, nämlich 16o bis 20o0, Zoo bis 23o°, 23o bis 300°,
300 bis 35o° (vgl. »Die kontinuierliche Destillation von Teer, Teerölen usw.«, System
Dr. R a.s ch i g, Werbeschrift K 54 der Firma Bamag-Meguin Aktiengesellschaft, Berlin,
insbesondere S. 8, Abs. i und 2,) , Um nun aus dem Teer technisch reine Bestandteile
zu erhalten, hat man bereits vorgeschlagen, den Teer bei der ersten Destillation
unter Verwendung von geeigneten Kolonnen in etwa sechs bis acht Fraktionen aufzuteilen.
Hierdurch gelingt es, insbesondere die in größeren Mengen im Teer enthaltenen Bestandteile
in der einen oder anderen dieser so gewonnenen Fraktion erheblich anzureichern.
Trotzdem fallen bei der bekannten, entweder diskontinuierlich oder kontinuierlich
ausgeführten Arbeitsweise die einzelnen Fraktionen mit einem derartig weiten Siedebereich
an, daß eine zwei- oder mehrmalige Redestillation dieser Fraktionen und gegebenenfalls
auch eine zwei- oder mehrmalige Umlösung und Kristallisation erforderlich ist, um
technisch reine Bestandteile zu erhalten.
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Die bisher übliche mehrfache Behandlung des Teeres zur Gewinnung seiner
Bestandteile bedingt eine mehrfache Erhitzung der Fraktionen auf Destillationstemperatur,
womit nicht nur eine gewisse Zersetzung einzelner Teerbestandteile und damit eine
Verringerung der Ölausbeute, sondern auch ein großer Wärmebedarf verbunden ist.
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Weiterhin entsteht bei der zwei- oder mehrfachen Umlösung der auskristallisierten
Bestandteile ein großer Bedarf an Lösungsmitteln, die außerdem bei der Durchführung
des Verfahrens ständig wieder aufgearbeitet bzw. redestilliert werden müssen. Schließlich
ergeben die bekannten Verfahren vor allem wegen der mehrfachen Anwendung von Lösungsmitteln
nur eine begrenzte Ausbeute an den jeweilig hergestellten Teerbestandteilen.
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Die Erfindung vermeidet nun diese Nachteile der bekannten Verfahren
dadurch, daß der Steinkohlenteer in Rektifizierkolonnen bereits bei der ersten Destillation
von den bei etwa 140' bis zu den bei etwa 36o0 siedenden Bestandteilen in Fraktionen
zerlegt wird, die nur einen Siedebereich von höchstens 250 besitzen. Auf diese Weise
wird der Teer von vornherein in eine größere Anzahl scharf geschnittener Fraktionen
eingeteilt. Werden beispielsweise in der ersten Destillation zwölf Fraktionen in
dem Siedebereich von 1q.0 bis 36o0 außer dem Pech als Rückstand abgenommen, dann
erhöht sich die Konzentration aller Einzelbestandteile in den Fraktionen im Mittel
um das Zwölffache gegenüber der Konzentration im Rohteer. Daher gelingt es, bei
dem neuen Verfahren in zahlreichen Teerfraktionen wichtige Bestandteile bis zu 8o
bis 9o % anzureichern.
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Die Reindarstellung der Einzelbestandteile aus den bis zu 8o bis 9o
°/a angereicherten Fraktionen erfolgt erfindungsgemäß durch eine einmalige Kristallisation,
Destillation, Extraktion oder extraktive Destillation, wobei zur Entfernung unerwünschter
Begleitkörper vor oder nach diesem Arbeitsgang eine zusätzliche-Behandlung mitBasen,
Säuren, usw. vorgenommen werden kann.
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Um bei dem neuen Verfahren eine Zersetzung des Teeres zu verhindern;
wird dieser bei der Destillation erfindungsgemäß in zwei oder mehreren Stufen verdampft,
wobei gleichzeitig der Druck von Stufe zu Stufe bis zu hohem Vakuum abgesenkt wird.
In der ersten Verdampfungsstufe bzw. Destillierkolonne entsprechen die Temperaturen
den Siedetemperaturen der am leichtesten siedenden Fraktionen. Diese Temperaturen
sind auch. bei einem gegebenenfalls vorhandenen geringen überdruck in dieser Kolonne
rnIedrig genug, um Zersetzungen des Teeres zu vermeiden. In der zweiten Kolonne
werden beispielsweise die zwischen aoo und 32o° siedenden Bestandteile abgenommen,
so daß hier zur Verhinderung von Zersetzungen ein mittleres Vakuum eingestellt wird.
Dagegen erhält die dritte Kolonne, in der die über 32o° siedenden Bestandteile aufgeteilt
werden, erfindungsgemäß ein sehr hohes Vakuum.
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Bei den bisher verwendeten Anlagen. zur Destillation von Stein- und
Braunkohlenteer mit Hilfe eines Röhrenofens wird der Teer in diesem auf die höchste
Destillationstemperatur erhitzt und teilweise verdampft der Kolonne zugeleitet.
Hierbei kann aber wegen der begrenzten Wärmezufuhr nur eine unzureichende Trennschärfe
der Fraktion erreicht werden. Es hat sich nun gezeigt, daß die Trennschärfe wesentlich
verbessert werden kann, wenn man den größten Teil der Destillationswärme der aus
Destillierkolonne und Sumpf bestehenden Verdampfungsstufe am Sumpf zuführt. Dabei
kann man erfindungsgemäß so vorgehen, daß man einen Teil des sich im Sumpf der Kolonne
ansammelnden Rückstandes im Kreislauf in einem Erhitzer, beispielsweise einem Röhrenofen,
erwärmt und dabei den Rückstand teilweise verdampfen, läßt. Um jedoch die Erhitzung
der hochsiedenden, pechartigen Rückstände der letzten Kolonne zu umgehen, wird der
Rückstand von der vorletzten nach der letzten Kolonne bereits vor Eintritt in die
letztere durch einen Erhitzer geleitet und hier auf mindestens 3500 erhitzt.
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Die Aufteilung des Steinkohlenteeres in eine große Anzahl Fraktionen
kann mit -einer oder mehreren Hauptkolonnen- erfolgen. Es trat ssch aber als besonders
vorteilhaft erwiesen, die Anzahl der Hauptkolonnen einzuschränken und statt dessen
die Hauptkolonne mit einer entsprechenden Anzahl Seitenkolonnen auszurüsten. Die
Beheizung dieser Seitenkolonnen erfolgt erfindungsgemäß durch Rufkocher, die mit
einem Teilstroriz des im Kreislauf im Erhitzer erwärmten Rückstandes der Hauptkolonne
beschickt werden.
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Eine Ausführungsform einer Destillationsanlage nach der Erfindung
ist in der Zeichnung schematisch beispielsweise dargestellt.
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Es bezeichnen a den ,Steinkohlenteer, b bis q
Fraktionen
mit einem Siedebereich von etwa 8 bis 250 je nach den zu gewinnenden Bestandteilen
und y das Pech als Rückstand.-
Der Rohteer a wird gegebenenfalls
nach Vorwärmung durch die Leitung i in die Hauptkolonne z mit einem absoluten Druck
von etwa iooo mm Hg geleitet. Vom Kopf dieser Kolonne geht Rollbenzol zusammen mit
Wasser als die ]eichtest siedende Teerfraktion b durch die Leitung 3 nach den Kondensatoren
bzw. Wärmeaustauschern 4. Das hier gebildete Kondensat fließt nach dem Scheider
5, von dem das Rohbenzol nach der Vorlage 6 fließt, von der es abgenommen und zu
einem Teil .durch die Leitung 7 als Rückfluß nach dem Kopf der Kolonne 2 zurückgegeben
wird.
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Von den Seitenkolonnen 8 und io mit den nur hier eingezeichneten Wiederaufkochern
9 und ii werden die Fraktionen c und d abgenommen. Der sich im Sumpf 12 der Kolonne
2 ansammelnde Rückstand wird durch die Pumpe 13 im Kreislauf durch den Röhrenofen
14 gedrückt und hier erhitzt.
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Entsprechend dem Rohteerzufluß wird ein Teil des Rückstandes aus dem
Sumpf 12 der Kolonne :2 durch die Leitung 15 nach einem mittleren Boden der Kolonne
16 geleitet. In dieser wird durch Anschluß an eine in der Zeichnung nicht dargestellte
Vakuumpumpe ein absoluter Druck von etwa 6oo mm Hg gehalten. Vom Kopf der Kolonne
16 wird über einen nicht besonders dargestellten Kühler und die Vorlage 17 die Fraktion
e abgenommen, während von den Seitenkolonnen 18, ig und 2o die Fraktionen f, g
und h abgezweigt werden.
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Der sich im Sumpf 21 der Kolonne 16 ansammelnde Rückstand wird durch
die Pumpe 22 im Kreislauf durch den Röhrenofen 23 gedrückt und erhitzt. Entsprechend
dem Zufluß der schwer siedenden Bestandteile nach der Kolonne 16 wird ein Teil des
Rückstandes aus dem Sumpf 21 der Kolonne 16 durch die Leitung 24 nach einem mittleren
Boden der Kolonne 25 geleitet. Durch eine in der Zeichnung nicht dargestellte Vakuumpumpe
wird der Druck in der Kolonne 25 auf einer absoluten Höhe von- 300 mm Hg
gehalten. Vom Kopf der Kolonne 25 wird über die Vorlage 26 die Fraktion i abgenommen,
die zum Teil wieder als Rückfluß nach dem Kopf der Kolonne 25 geleitet wird. Die
Seitenkolonnen 27, 28 und 29 dienen zur Abnahme der Fraktionen k, L und n2.
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Der sich im Sumpf 3o der Kolonne 25 ansammelnde Rückstand wird durch
die Pumpe 31 im Kreislauf durch den Röhrenofen 32 gedrückt und erhitzt. Der überschüssige
Teil des Rückstandes aus dem Sumpf 3o der Kolonne 25 geht über die Leitung 33 durch
den Röhrenofen 34 und wird hier bis etwa 37o° erhitzt und teilweise verdampft. Von
dem Röhrenofen gelangt der Rückstand dann nach der Kolonne 35, die bei einem absoluten
Druck von etwa 4o mm Hg arbeitet. Von dem Kopf dieser Kolonne wird die Fraktion
ia über die Vorlage 36 abgenommen. Ein Teil dieser Fraktion gelangt als Rücklauf
in den Kopf der Kolonne 35.
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Die Fraktionen o, p und q werden über die Seitenkolonnen 37, 38 und
39 abgenommen.
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Die Erfindung gestattet eine weitgehende Anpassung des Destillationsvorganges
an das jeweilige Erzeugungsprogramm, da je nach den Umständen die eine oder andere
Seitenkolonne ohne weiteres abgeschaltet werden kann.
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Die Bodenzahl der Hauptkolonne vom Einsatzboden bis zur Abnahmestelle
der ersten Seitenfraktion sowie von der Abnahmestelle einer Seitenfraktion bis zur
nächsten ist derart gewählt, daß in Verbindung mit der Bodenzahl der Seitenkolonnen
von vornherein zahlreiche Fraktionen des Teeres mit einem Reinheitsgrad von 8o bis
go % erhalten werden können. Die hierzu erforderlichen großen Wärmemengen werden
gemäß der Erfindung durch die verschiedenen Erhitzer bzw. Aufkocher bereitgestellt.
, Durch entsprechende Bemessung der Hauptkolonne 2 sowie der Seitenkolonne 8 kann
beispielsweise die Fraktion c mit nur einem Siedebereich von etwa 178 bis 186° abgenommen
werden. Eine derartige Fraktion braucht nur einmal redestilliert zu werden, um aus
dem :Mittellauf des Redestillates z. B. Inden in einem Reinheitsgrad von etwa 88
bis go % zu erhalten. Ebenso kann beispielsweise die Seitenfraktion h aus der Seitenkolonne
2o der Hauptkolonne 16 mit einem Gehalt von 85 bis go % Acenaphthen erhalten werden,
so daß es zur Gewinnung von technisch reinem Acenaphthen genügt, diese Fraktion
mit Natronlauge zu entsäuern und im Anschluß daran die durch Abkühlung gewonnenen
Kristalle einmal umzulösen. Schließlich sei zur weiteren Erläuterung des neuen Verfahrens
darauf hingewiesen, daß die Fraktion o z. B. etwa 85 bis go %. Carbazol enthält.
Auch hier genügt ein nur einmaliges Umlösen der aus der Fraktion durch Abkühlung
gewonnenen Kristalle, um ein Carbazol mit einem Reinheitsgehalt von über 95 0/0
zu erhalten.