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Verfahren zur Herstellung von stickstoffarmem Stahl im Windfrischverfahren
Die großen qualitativen Vorzüge eines niedrigen Stickstoffgehaltes im Thomasstahl
sind bekannt. Es hat daher nicht an Vorschlägen gefehlt, einen solchen Stahl zu
erzeugen. Die bekannten Vorschläge beziehen sich aber durchweg auf eine Beeinflussung
des Blasprozesses im Konverter.
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Es ist nun gefunden worden, daß ein stickstoffarmer Stahl auch schon
bei normalem Blasvorgang erzielt wird, wenn in das flüssige Roheisen vor seiner
Einfüllung in den Konverter Sauerstoff oder mit Sauerstoff oder sauerstoffabgebenden
Gasen angereicherte Luft eingeblasen wird, bis der Si-Gehalt des Roheisens sich
wesentlich vermindert hat.
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Die Erfindung zeigt gleichzeitig den Weg, die seit Einführung des
Windfrischverfahrens in die Großanwendung dem Stahlwerker bekannten Schwierigkeiten
zu überwinden, die sich bei der Verarbeitung von Thomasroheisen mit ungünstigen
physikalischen und chemischen Eigenschaften ergeben. Vor allem hat der Stahlwerker
die Forderung nach einem physikalisch und chemisch warmen Eisen so oft erhoben,
daß die Vielzahl der daraufhin gemachten Vorschläge zur Steigerung des Wärmeinhalts
des Roheisens für die Fülle und Häufigkeit der Schwierigkeiten kennzeichnend ist.
Die Mehrzahl der Vorschläge zur Erhöhung des physikalischen Wärmeinhalts von Thomasroheisen
bezieht sich auf Vermeidung von Wärmeverlusten, wie z. B. Verkürzung von Transportwegen,
Pfannen-und Mischerbeheizung, kurze Gießrinnen u. dgl. Wie die Thomässtahlwerkspraxis
erweist, sind jedoch durchschlagende Erfolge auf diesem Gebiet kaum zu erzielen.
Infolgedessen gewinnt die Möglichkeit, auf dem Wege über die chemischen Eigenschaften
Temperaturgewinne zu erreichen, erhöhte Bedeutung. Bekanntlich
gelten
das Eisen (Fe) und die Eisenbegleiter Kohlenstoff (C), Silizium (Si), Mangän -(Mn).
und Phosphor (P) als Träger der beim.- Verblasen frei werdenden Wärme. Die Höhe
der genannten Begleitelemente im Roheisen ist zum Teil aus naturgesetzlichen, zum
Teil aus wirtschaftlichen Gründen begrenzt. Das letztere trifft insbesondere für
den Si-Gehalt zu, der an sich die gerade im Anfang des Blasprozesses erwünschte
Temperatursteigerung liefern könnte, jedoch bei Gehalten von mehr als o,50°/° zu
einer unerträglichen Erschwerung der Blastechnik führt, z. B. zu schlechter Windannahme
des Konverterinhalts, unruhigem Blasverlauf; erhöhtem Auswurf und Verlängerung der
Blasedauer. Daher geht das Bestreben schon lange dahin; den Si-Gehalt im Interesse
eines ungestörten Blasverlaufs und kurzer Blasezeitenmöglichstniedrig zuhalten.
Für den Hochofen bedeutet es jedoch eine wesentliche Erleichterung sowohl in technischer
als auch in wirtschaftlicher Hinsicht, wenn er dem Stahlwerk ein Roheisen mit Si-Gehalten
über 0,500/, anliefern darf.
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Die Erfindung bietet die Möglichkeit, die bei der Herstellung von
Stahl im Windfrischverfahren .einander widersprechenden Wünsche des Roheisenherstellers
(Hochofen) und des Roheisenverarbeiters (Thomasstahlwerk).in.Einklang zubringen.
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Im großen durchgeführte Versuche unter Anwendung eines das Blasmittel einbringenden
Rohres zeigten, daß die Vorfrischbehandlung des Roheisens, z. B. in Transport- oder
Aufbewahrungsgefäßen durchgeführt, einen Si-Gehalt von etwa 0,5 bis x °/o
auf weniger als o,15 °/° zu ermäßigen vermag. Das Thomasstahlwerk erhält damit ein
Si-armes Roheisen erhöhter Temperatur, wie es der Hochofen ohne derartige Zwischenbehandlung
nicht anliefern kann. Beim Verblasen im Konverter zeigte sich als Erfolg des Vorfrischens
ein geradezu idealer Ablauf des Blasvorgangs, d. h. kürzeste Blasedauer, geringster
Aus-Wurf und als sehr wesentlicher Vorteil. eine bisher ungeahnte mengenmäßige Überlastbarkeit
des Konverters. Es wurden z. B. in einen normalen 2o-t-Konverter bis zu 35 t derartig
vorbehandelten Roheisens eingefüllt und zu hochwertigem Thomasstahl verblasen, ohne
daß das Ausbringen zurückging.
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Die Vorfrischbehandlung des Roheisens kann an einer beliebigen Stelle
zwischen Hochofenabstich und dem Hauptfrischgefäß erfolgen. Nätürlich kann die Vorfrischbehandlung
des Roheisens aushilfsweise auch in einem Konverter ohne Zugabe der beim üblichen
Windfrischverfahren für die Schlackenreaktionen erforderlichen Zuschlagstoffe durchgeführt
werden.
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Wenn der Si-Gehalt des Roheisens vor dessen Einfüllung in den Konverter
unter 0,15 °/° gesenkt wurde, konnten außerordentlich niedrige Stickstoffgehalte
des Stahls erzielt werden, wie die unten mitgeteilten Betriebsergebnisse zeigen.
Zum Teil sind diese Vorteile nicht nur darauf zurückzuführen, daß der Si-Gehalt
an sich sehr verringert wurde, sondern auch darauf, daß durch die Vorbehandlung
die Temperatur des Roheisens erhöht wurde. Für den Hochofen bietet das Verfahren
nach der Erfindung den Vorteil, daß nicht mehr mit erhöhtem Kostenaufwand auf Si-armes,
weißes Roheisen hingearbeitet werden muß, sondern in wesentlich wirtschaftlicherer
Weise ein Thomasroheisen mit hohem Si-Gehalt hergestellt werden kann. Wegert- der,
hohen Si-Gehalte, die bei dem Verfahren nach der Erfindung in dem vom Hochofen kommenden
Roheisen zulässig sind, können der bei der Vorfrischbehandlung entstehenden Schlacke
auch Kalk oder ähnliche, zur Abbindung der Kieselsäure geeignete Stoffe zugegeben
werden und/oder in körniger Form oder Staubform mit dem Blasmittel in das Roheisenbad
eingeblasen werden, um die Fähigkeit der gebildeten Schlacke, das verbrannte Silizium
des Roheisens aufzunehmen, dauernd ° aufrechtzuerhalten. Der Verringerung des Mn-Gehalts,
die bei der Verschlackung des Siliziums als weitere Folge der Vorbehandlurig des
Roheisens mit Sauerstoff unvermeidbar eintritt, steht der Vorteil einer Verminderung
des S-Gehalts gegenüber. Man kann also im Fertigstahl noch niedrigere S-Gehalte
erreichen als bei der üblichen selbsttätigen Vorentschwefelung im Transportgefäß
bzw. Mischer.
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Folgende Zahlenbeispiele zeigen die Verhältnisse beim normalen Thomasroheisen
im Vergleich zu einem nach der Erfindung mit Sauerstoff vorbehandelten Roheisen
_ . Roheisen mit erhöhtem |
Normales Si-Gehalt |
Roheisen vor 1 nach |
Yorbehandlung |
C .........:. 3,6o 3,56 3,52 |
Si . . . . . . . . . . . 0,35 o,61 0,13 |
Mn ......... i,27 1140 0,93 |
P ... ... .. 1,7o 1;74 1,68 |
S............ 0,o60 0,048 0,032 |
Temperatur °C 1200 1g20 126o |
Die Unterschiede in den Analysen kennzeichnen die Vorteile für den Hochofen. Erhöhter
Si-Gehalt in dem vom Hochofen abgestochenen Roheisen bedeutet gleichzeitig höheres
Mn-Ausbringen aus dem Möller und geringeren S-Gehalt des Roheisens. Besondere Vorteile
für den Thomasprozeß liegen in der höheren Endtemperatur des Roheisens und der sowohl
gütesteigernden wie auch ausgleichenden Wirkung der Vorbehandlung des Roheisens
mit Sauerstoff, durch die ein stets gleichmäßiges und besser verblasbares Konvertereinsatzeisen.'erzielt
wird, und in der Unabhängigkeit von den: lästigen Schwankungen im physikalischen
und chemischen Wärmeinhalt des Roheisens, die bisher in Kauf genommen werden mußten.
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Die Erhöhung der Endtemperatur des Roheisens erlaubt es, den P-Gehalt
des Roheisens niedriger zu halten, als er bisher erforderlich war. Dadurch wird
nicht nur der Bedarf an P-haltigen Zuschlägen (Phosphaten) im Möller verringert
und große Ersparnis erzielt, sondern auch die Entphosphorungsperiode verkürzt und
die Möglichkeit der Stickstoffaufnahme während des Konverterprozesses weiter verringert.
Nicht zuletzt zeigt sich daher der Wert des Verfahrens nach der Erfindung in dem
mit ihm erzielten niedrigen Stickstoffgehalt des Stahls, wie aus dem folgenden Zahlenbeispiel
zu erkennen ist
N2 Gehalte |
Roheisen |
vor nach Fertigstahl |
Vorbehandlung |
o,oog I o,oo6 I o,oo6 |
Besonders kraß zeigt sich dieser qualitative Enderfolg des Verfahrens, wenn auch
der Frischprozeß im Konverter mit Sauerstoff oder mit Luft, die mit Sauerstoff oder
anderen oxydierenden Gasen angereichert ist, betrieben wird. Großversuche ließen
bereits erkennen, daß durch die Vorbehandlung des Roheisens gemäß der Erfindung
ein Erblasen fast stickstofffreier Stähle (N.-Gehalt unter etwa 0,004%) möglich
ist. Während beim bisherigen normalen Verfahren Si-reiches Roheisen lange geblasen
werden mußte, um heißen und gut gießfähigen Stahl zu erzielen, und dabei naturnotwendig
erhöhte Stickstoffgehalte im Fertigstahl anfielen, gelingt es, den durch die Vorbehandlung
des Roheisens mit Sauerstoff ermäßigten Stickstoffgehalt des Roheisens beim Frischen
noch weiter herabzusetzen, wie folgendes Zahlenbeispiel zeigt:
N2 Gehalte |
Roheisen |
vor nach Fertigstahl |
Vorbehandlung |
0,0104 I o,oo6 I o,oo28 |
Bei dem Verfahren nach der Erfindung läßt sich der Umstand, daß Si-reiches Roheisen
an sich schon mit geringerem N2-Gehalt anfällt, besonders vorteilhaft ausnutzen.
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Schließlich zeigt sich der Vorteil des Verfahrens nach der Erfindung
noch beim Verblasen sauer erschmolzenen Roheisens mit hohem Si- und S-Gehalt. Wird
ein solches Roheisen nach der Erfindung vorbehandelt und dann mit Soda entschwefelt,
geht die Entschwefelung, bezogen auf die zugegebene Sodamenge, wirksamer vor sich.
Geringere Sodamenge bedeutet aber nicht nur Kostenersparnis, sondern auch, daß die
Temperatur des Roheisens höher bleibt und damit die oben bereits erwähnten Vorteile
hoher Endtemperatur des Roheisens erzielt werden.
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Die vorstehenden Versuchsergebnisse beziehen sich zwar auf die Anwendung
des Verfahrens nach der Erfindung beim Windfrischen im Thomaskonverter. Das Verfahren
kann aber auch im Bessemerkonverter durchgeführt werden. Der Vorteil der Verwendung
von vorgefrischtem Bessemerroheisen zur Herstellung von Windfrischstahl liegt neben
den vom Thomasverfahren her bekannten Vorzügen vor allem darin, daß der beim üblichen
Blasen mit Luft vorzeitig schon während der Entkohlung stattfindende Anstieg des
Stickstoffgehaltes vermieden wird. Damit wird möglich, auch im Großkonverter mit
durch den Boden eingeblasenen Wind Bessemerstahl mit niedrigsten Stickstoffgehalten
unter Ausnutzung der für dieses Frischgefäß üblichen kurzen Blasezeiten herzustellen.