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Verfahren zur Herstellung von Acrylsäurenitril Acrylsäurenitril wird
im allgemeinen aus Blausäure und Acetylen in Gegenwart geeigneter Katalysatoren
in der flüssigen oder auch in der Gasphase hergestellt. Die Ausgangsstoffe für diese
Synthese werden dabei in an sich bekannter Weise zunächst getrennt gewonnen. Für
die Blausäureherstellung wird z. B. die Zersetzung von Cyaniden oder auch der sogenannte
Andrussow-Prozeß aus Kohlenwasserstoff und Ammoniak herangezogen, während Acetylen
aus Kalziumkarbid oder auch elektrothermisch aus Kohlenwasserstoffen erzeugt werden
kann. Die beiden Ausgangsstoffe für die Acrylsäurenitrilsynthese sind je nach dem
benutzten Herstellungsverfahren verschiedenartig verunreinigt und müssen daher unter
Anwendung besonderer Reinigungsprozesse für die Synthese vorbereitet werden. Diese
für Blausäure und Acetylen besonders durchzuführenden Reinigungsmaßnahmen sind in
der Regel umständlich, mit einem erheblichen apparativen Aufwand verbunden und belasten
die Wirtschaftlichkeit der Acrylsäurenitrilsyrnthese in sehr unerwünschter Weise.
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Es wurde nun gefunden, daß diese Nachteile sehr wesentlich herabgesetzt
und die Synthese weitgehend vereinfacht werden kann, wenn nicht, wie bisher üblich,
von Acetylen und Blausäure, sondern von Kohlenwasserstoffen und Stickstoff ausgegangen
wird, die im elektrischen Flammenbogen zu Acetylen und Blausäure umgesetzt werden,
worauf nach Aufarbeitung der Reaktionsprodukte zu einem geeigneten Synthesegas die
Bildung von Acrylsäurenitril auf katalytischem Wege in an sich bekannter Weise erfolgt.
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Es hat sich bei der Durchführung der Erfindung gezeigt, daß man bei
der Umsetzung von Kohlenwasserstoffen mit Stickstoff im Lichtbogen zu Gasgemischen
gelangen kann, die Blausäure und Acetylen
in für die Acrylsäurenitrilsynthese
geeigneten Mengenverhältnissen enthalten, wenn man den Stickstoff in einem erheblichen
Überschuß gegenüber dem der Reaktion entsprechenden stöchiometrischen Verhältnis
verwendet. So kann man z. B. bei Methan als Ausgangsstoff mit einem Stickstoffanteil
von 3o bis 6o Volumprozent des Gasgemisches arbeiten, was einem Überschuß an Stickstoff
von Zoo bis qoo o/o entspricht. Besonders günstige Ergebnisse wurden mit einem Stickstoffgehalt
von etwa 35 bis 5o °/o erzielt.
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An Stelle von Methan können auch andere Kohlenwasserstoffe bzw. Kohlenwasserstoffgemische
verwendet werden, sofern sie entweder gasförmig sind oder sich ohne besonderen Aufwand
in den dampfförmigen Zustand überführen lassen. Im Hinblick auf eine Verringerung
der bei der Umsetzung, beispielsweise von Methan, anfallenden großen Menge Wasserstoff
kann auch die Verwendung von höheren Kohlenwasserstoffen, wie Benzinen, oder ungesättigten
Kohlenwasserstoffen, wie Äthylen, bzw. Gemischen mit Zusätzen solcher Kohlenwasserstoffe
von Vorteil sein.
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Die Gemische von Kohlenwasserstoffen mit überschüssigem Stickstoff
werden gemäß dem Verfahren der vorliegenden Erfindung der Einwirkung eines elektrischen
Flammenbogens ausgesetzt, wobei dessen Temperatur vorteilhafterweise mehr als E8oo°,
z. B. 2ooo bis 25oo°, betragen soll. Der Lichtbogen kann mit Gleichstrom, Wechselstrom
oder einem überlagerten Mehrphasenstrom betrieben werden.
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Dafür die weitere Verarbeitung des durch die Lichtbogenbehandlung
gebildeten Reaktionsgemisches auf Acrylsäurenitril die möglichst weitgehende Erhaltung
der der Lichtbogentemperatur entsprechenden Gleichgewichtsverhältnisse, insbesondere
im Hinblick auf gleiche Anteile von Acetylen und Blausäure, von ausschlaggebender
Bedeutung ist, wird das Reaktionsgemisch nach Verlassen der Einwirkungszone des
Lichtbogens einer raschen Abkühlung bzw. einer Abschreckung unterworfen. Zu diesem
Zweck kann es vorteilhaft sein, den Lichtbogen in geeigneter Form auszubilden, beispielsweise
nach der Austrittsseite der Gase hin einzuschnüren. Die schnelle Abkühlung der Reaktionsgase
kann weiterhin durch Einspritzen einer Kühlflüssigkeit in den Ofenraum unterstützt
werden, wobei neben der Abschreckung der Reaktionsgase gegebenenfalls auch bereits
eine teilweise Abscheidung der festen und teerartigen Nebenprodukte der Flammenbogenreaktion
erreicht werden kann. Die Menge des Kühlmittels wird zweckmäßigerweise so gewählt,
daß es mit erhöhter Temperatur die zu kühlende Zone verläßt. Benutzt man als Kühlflüssigkeit
Wasser, so ist es empfehlenswert, die Ablauftemperatur des Kühlwassers auf etwa
6o bis go° einzustellen, um eine Lösung von Blausäure im Kühlmittel weitgehend auszuschalten.
Soll jedoch etwa ein Überschuß von Blausäure aus dem Reaktionsgemisch entfernt werden,
so kann die Temperatur des ablaufenden Wassers entsprechend herabgesetzt werden.
Eine Änderung der Kühlwassermenge und damit der Kühlwassertemperatur gestattet also
in gewissen Grenzen eine Regelung des Blausäuregehalts der Reaktionsgase. Zweckmäßigerweise
wird das Kühlmittel, insbesondere das Wasser, im Kreislauf geführt und nach Entzug
seiner Wärme wiederum zum Abschrecken der Reaktionsgase hinter dem Lichtbogen benutzt.
Dabei kann das umlaufende Kühlmittel nach Verlassen des Lichtbogenofens zur Entbindung
gelöster Blausäure über eine Kolonne geleitet werden.
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Die Reaktionsgase enthalten neben Ruß und teerartigen Bestandteilen
gegebenenfalls auch Naphthalin und höhere Kohlenwasserstoffe, die vor der Weiterverarbeitung
abgetrennt werden müssen. Ein Teil der festen und teerförmigen Anteile scheidet
sich bereits beim Abschrecken der Gase ab, während der Rest in an sich bekannter
Weise z. B. durch Zyklonanlagen, durch Filter oder auch durch mechanische Einwirkung
in mit Prallkörpern beschickten Räumen, Türmen od. dgl. entfernt wird. An diese
Reinigung kann sich insbesondere zur Abscheidung von Naphthalin oder höheren ungesättigten
Kohlenwasserstoffen eine Extraktionsbehandlung, beispielsweise eine Ölwäsche, etwa
mit Anthracenöl, anschließen. Sofern als Ausgangsstoffe schwefelhaltige Gase oder
Gasgemische benutzt worden waren, ist es auch erforderlich, den Schwefel mit den
bekannten Gasreinigungsmassen aus dem Gasgemisch herauszunehmen.
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Das scharf gekühlte und, wie vorbeschrieben, gereinigte Gasgemisch
enthält nunmehr Acetylen und Blausäure in etwa gleichen Mengen und außerdem in der
Hauptsache noch Wasserstoff und Stickstoff sowie gegebenenfalls untergeordnete Anteile
von nicht umgesetzten Kohlenwasserstoffen, Olefinen od. dgl. Zur Abtrennung der
inerten Gase wird das Gasgemisch erfindungsgemäß einer Extraktionsbehandlung unter
solchen Bedingungen unterworfen, unter denen sowohl Blausäure wie Acetylen in etwa
gleichen. Mengen in Lösung gehen. Für diese Verfahrensstufe kommt besonders eine
Druckwasserwäsche in Betracht, bei der Acetylen und Blausäure bevorzugt gelöst werden.
Durch anschließendes Entspannen der Waschflüssigkeit, das gegebenenfalls auch stufenweise
vorgenommen werden kann, wird ein Gasgemisch gewonnen, das bis zu etwa go °/o und
mehr aus im wesentlichen gleichen Mengen Acetylen und Blausäure besteht. Dabei muß
die Entbindung dieser Gase, besonders der Blausäure, aus der Waschlösung noch durch
Anwendung von Unterdruck und bzw. oder erhöhter Temperatur unterstützt werden. Es
ist jedoch nicht unbedingt erforderlich, die gegebenenfalls kostspielige Wärme-
oder Unterdruckbehandlung zur vollständigen Entgasung der Lösung auf deren gesamte
Menge zur Anwendung zu bringen. Bei einer besonders vorteilhaften Ausführungsform
der Druckwasserwäsche wird das Waschwasser nach der Entspannung wenigstens zum Teil
ohne zusätzliche Entgasungsmaßnahmen mit der noch in Lösung befindlichen Blausäure
im Kreislauf in die Wäsche zurückgeführt. Der andere Teil der entspannten Waschlösung
wird, nie oben beschrieben, restlos entgast und eine diesem Anteil entsprechende
Frischwassermenge der Druckwäsche laufend zugeführt.
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Bei einer anderen Form der Extraktionsbehandlung kann auf die Anwendung
von Überdruck verzichtet werden, wenn als Extraktionsmittel Aceton verwendet
wird,
das sowohl für Blausäure als auch für Acetylen ein gutes Lösevermögen aufweist.
Auch andere Extraktionsmittel, die dieser Bedingung genügen, kommen für die gemeinsame
Extraktion gemäß dem Verfahren der Erfindung in Betracht.
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Bei Verwendung von wasserstoffreichen Kohlenwasserstoffen, wie z.
B. Methan, bei denen das am Lichtbogen entstehende Reaktionsgas erhebliche Mengen
Wasserstoff neben Stickstoff enthält, können die bei der vorbeschriebenen Extraktion
nicht gelösten Restgase für andere Prozesse, z. B. für die Ammoniaksynthese, ausgenutzt
werden.
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Das aus der Extraktionsbehandlung gewonnene Gasgemisch kann nunmehr
in direkter Synthese katalytisch zu Acrylsäurenitril in an sich bekannter Weise
umgesetzt werden, wobei vorteilhaft in der Gasphase gearbeitet wird. Das nachfolgende
Beispiel soll das erfindungsgemäße Verfahren näher erläutern. Beispiel 64 Volumteile
eines von Schwefelverbindungen befreiten Methangases (Analyse: 82,8 % Methan, 12,5
0/0 Äthan, 0,27 % sonstige Kohlenwasserstoffe, 3,2 0/0 Wasserstoff, Rest Stickstoff)
werden mit 36 Volumteilen Stickstoff gemischt und bei geringem Überdruck im elektrischen
Flammenbogen i etwa i/looo Sekunde bis zu einer Temperatur (als Mischtemperatur
der austretenden Gase gemessen) von etwa 2ioo° erhitzt. Bei einer Leistungsaufnahme
von
17,2 kWh/kg eines annähernd stöchiometrischen Gemisches aus Blausäure
und Acetylen haben die den Ofen verlassenden Gase mit rund 152 Volumteilen unter
Normalverhältnissen durchschnittlich folgende Zusammensetzung:
Stickstoff . . . . . . . . . . . 26,7 Volumteile = 17,6 0/0 |
Wasserstoff . . . . . . . . . 76,o - = 5o,o 0/0 |
Acetylen .. ... ..... .. 16,8 - = 11,10/0 |
Acetylenhomologe ... 2,6 - = 1'7 0,10 |
Blausäure ... ... . .. . . 19,9 - = 13,10(0 |
Methan . . . . . . . . . . . . . 9,5 - = 6,5 0/0 |
Aromaten . . . . . . . . . . . 0,24 - = o,16 °!o |
Ruß . . . . . . . . . . . . . . . . o,56 |
Unmittelbar anschließend an den Lichtbogen werden die Gase durch Eindüsen von Wasser
2 auf eine Temperatur von 73° abgeschreckt. Entsprechend dem anteiligen Wasserdampfdruck
vermehrt sich das Volumen um 53 % auf 234 Teile. Ein nachgeschalteter Zyklon 3 scheidet
neben Ruß und geringen Mengen absorbierter Kohlenwasserstoffe tropfbares Wasser
ab, das annähernd 1% Blausäure und gegebenenfalls wenig Ammoniak gelöst enthält,
je nach Menge und Temperatur des eingedüsten Wassers. Es werden bei dieser Abscheidung
2 01`o der gebildeten Blausäure aus den Reaktionsgasen herausgenommen. Die wäßrige
Blausäure wird angesäuert und über den Kopf einer Kolonne 4 abdestilliert. Sie steht
in reiner Form für weitere Verwendung zur Verfügung.
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Die Reaktionsgase werden danach mit Gasöl 5 zur Entfernung der polymerisierenden
Acetylenhomologen gewaschen, wobei Blausäure enthaltende Wasserkondensate laufend
in den Kreislauf bei 2 zurückgegeben werden. In einer 2o-atü-Druckwasserwäsche 6
werden dann Blausäure und Acetylen in einem Arbeitsgang aus den vorgereinigten Gasen
quantitativ entfernt. Die noch vorhandenen 16,7 VolumteileAcetylen und 16,8 Volumteile
Blausäure werden bei 20° im Gegenstrom in 2 Volumteilen Wasser gelöst und anschließend
nach Entspannen und Erhitzen auf ioi° aus dem Waschwasser ausgetrieben 7. Das von
den Gasen befreite Wasser wird nach Abkühlung teilweise nach 2 zurückgeleitet und
teilweise wieder in die Druckwasserwäsche gegeben. Das Gasgemisch im Molverhältnis
i : i wird einer Anlage zur katalytischen Herstellung von Acrylsäurenitril in der
Gasphase zugeleitet. Arbeitet man in an sich bekannter Weise bei einer Reaktionstemperatur
von 6oo° mit einem Katalysator, der aus einem mit Bariumcyanid getränkten hochaktiven
Träger besteht, so werden 93,2 % der eingesetzten Blausäure als Acrylsäurenitril
wiedergefunden. Es werden 15,68 Volumteile Acrylsäurenitril erhalten, die sich aus
den eingesetzten 64 Volumteilen des von Schwefelverbindungen befreiten Methangases
gebildet haben. Rund 74 Volumteile = 73,5 % des eingesetzten Methankohlenstoffes
(als reines Methan gerechnet) sind also bei einem Durchgang in Acrylsäurenitril
übergeführt worden.
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Die noch Methan neben Wasserstoff und Stickstoff enthaltenden Abgase
durchlaufen eine Absorptionsanlage für Methan 8, in der dieses z. B. an gekühlter
Aktivkohle zurückgehalten und in einer zweiten Stufe nach Desorption wieder dem
Kreislauf vor dem Lichtbogen zugeführt wird. Das Gemisch von rund ioi Volumteilen
Stickstoff und Wasserstoff kann dann einer Ammoniaksynthese zugeführt werden.
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Erzeugung und Aufarbeitung von Acetylen und Blausäure sind bei dem
beschriebenen Verfahren gekoppelt und dadurch gegenüber getrennter Erzeugung und
Aufarbeitung sowohl anlage- als auch bedienungs- und sicherheitsmäßig leichter zu
handhaben.
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Anstatt der beschriebenen Druckwasserwäsche 6 kann sich der Ölwäsche
5 eine Wäsche unter Normaldruck mit Aceton anschließen, das zweckmäßig mit geringen
Mengen Schwefelsäure zur Verhinderung von Polymerisationen versetzt ist. Da sowohl
Blausäure als auch Acetylen hervorragende Löslichkeit im Aceton besitzen, die diejenige
in Wasser erheblich übertrifft, genügen verhältnismäßig geringe Mengen Waschflüssigkeit
zur Absorption von Blausäure und Acetylen. Die beiden Komponenten können leicht
durch Erhitzen aus ihrer etwa 2o%igen Lösung gewonnen werden. Acetonfallen, wie
Aktivkohle, Kieselsäuregel oder eine nachgeschaltete Wasserwäsche, verhüten Verluste
an Lösungsmitteln.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung ist gegenüber dem Stande der Technik
mit einem erheblichen Fortschritt verbunden. In einem einheitlich geschlossenen
Prozeß wird Blausäure und Acetylen unmittelbar gewonnen und zu Synthesegas verarbeitet.
Dieser Weg war bisher nicht beschritten worden. Er führt zu einer erheblichen Einsparung
an Energie und erfordert einen wesentlich geringeren Aufwand an Anlagen, insbesondere
für die Gasreinigung, gegenüber den bekannten Verfahren, bei denen Blausäure und
Acetylen
getrennt und nach verschiedenartigen Methoden gewonnen werden.