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Flußstähle für Gegenstände, bei denen es auf Zähigkeit bei tiefen
Temperaturen ankommt Bei Temperaturen unter o° nimmt die Zähigkeit der meisten Stähle
erheblich ab. Man hat deshalb für solche Zwecke höher mit Nickel oder anderen Elementen
legierte Stähle entwickelt. Ferner war es bekannt, daß ein AI-Zusatz von mehr als
r kg/t den bei Temperaturen in der Nähe des Gefrierpunktes eintretenden Steilabfall
der Kerbschlagwerte zu tieferen Temperaturen verschiebt. Man hat auch beobachtet,
daß die früher hergestellten Puddel- und Schweißeisen zuweilen noch bei tieferen
Temperaturen verhältnismäßig hohe Zähigkeit besitzen. Das führte man aber auf die
mit dem Herstellungsverfahren zusammenhängenden Eigentümlichkeiten dieses Stahles
zurück, die bei Flußstählen nicht vorliegen. Einem nicht veröffentlichten Vorschlag
zufolge können durch einen Schwefelzusatz zu Mangan-Silizium-Stählen, die
0,5 bis 3 °/o Mangan und o,z bis 2 °/o Silizium mit der Maßgabe enthalten,
daß die Summe des Mangan- und Siliziumgehaltes mindestens 10/0 beträgt, die
Festigkeitseigenschaften dieses Werkstoffes bei Raumtemperatur verbessert werden
(Patent 749 477).
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Bei breit angelegten Versuchen über den Einfluß des Schwefels auf
die Bearbeitbarkeit von Flußstählen wurde nun überraschenderweise festgestellt,
daß die mit dem Schwefelzusatz verbundene Erhöhung der Menge an nichtmetallischen
Einschlüssen in diesen Stählen, z. B. den Stählen nach dem obengenannten
Patent,
einen ganz ähnlichen Einfluß ausübt wie der Zusatz von Nickel oder in schwächerem
Maße von Aluminium: Die Längskerbschlagwerte bleiben im Gegensatz zu schwefelärmeren
Stählen auch noch bei sehr tiefen Temperaturen in beachtlicher Höhe erhalten. Allerdings
liegen die Querkerbschlagwerte bei solchen Stählen auch schon bei Raumtemperatur
verhältnismäßig niedrig. Für sehr viele Verwendungszwecke nicht allzu dicken Querschnittes
kommt es aber nur auf die Längszähigkeit an, so daß die festgestellte Beobachtung
von technischer Bedeutung ist. Die Erscheinung ist um so eigenartiger, als durch
den Zusatz von schwefelhaltigen Einschlüssen die metallische Grundmasse praktisch
nicht geändert wird. Sie widerspricht auch der allgemein verbreiteten und in den
Normen verankerten Vorstellung, daß ein Stahl grundsätzlich um so besser, vor allem
aber um so zäher wird, je reiner er ist.
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Die Wirkung von schwefelhaltigen Einschlüssen geht aus folgendem Beispiel
klar hervor. Ein Block einer Mangan-Silizium-Stahlschmelze wurde ohne, ein anderer
nach Schwefelzusatz vergossen. Hierbei ergaben sich folgende Analysen:
Zahlentafel 1 |
Nr. Block Zusammensetzung der Versuchsstähle |
C Mn si P s |
1 Mn-Si-Stahl ohne Schwefel ... . . . . . . . . ., .
. . . . . . . . o,35 1120 I,30 0,022 0,010 |
2 Mn-Si-Stahl mit Schwefel .......................
0,35 1,20 1,30 0,022 0,155 |
Zahlentafel 2 |
Kerbschlagwerte in mkg/cm2 und Bruchaussehen der Versuchsstähle
bei verschiedenen Prüftemperaturen |
3 - 5 |
Temperatur - - 200 0. 0. 00 00 |
Mn-Si-Stahl ohne Schwefel . . . . . . . . . . . . 13,3 10,2
6,6 6,o 5,7 rnkg/cm2 |
Bruchaussehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
sehnig und gemischt körnig körnig körnig |
körnig |
Mn-Si-Stahl mit Schwefel . . . . . . . . . . . . . 24,1
25,0 24,9 21,0 11,5 mkg/cm2 |
Bruchaussehen ...................... sehnig sehnig sehnig sehnig
sehnigündkörnig, |
zum Teil körnig |
Die beiden Blöcke wurden auf 2o mm 0. ausgewalzt, auf etwa 9o kg/mm2 Festigkeit
vergütet und bei verschiedenen Temperaturen auf Kerbschlagzähigkeit geprüft. Das
Ergebnis ist in der Zahlentafel 2 zusammengestellt.
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Aus Zahlentafel 2 ergibt sich also, daß der schwefelarme Stahl unterhalb
o° etwa 50°/o seiner Kerbschlagzähigkeit verliert, während der schwefelhaltige Stahl
erst bei -70° einen praktisch bedeutsamen Abfall seiner Kerbschlagwerte zeigt. Überlegenheit
ergibt sich im vorliegenden Fall auch aus der Bruchbeschaffenheit, die beim Schwefelgehalt
bei -5o° noch sehnig ist und erst bei -7o° einen Übergang zum körnigen Bruch zeigt,
wogegen der schwefelfreie Stahl schon unterhalb o° eine rein körnige Bruchbeschaffenheit
erkennen läßt.
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Der Einfluß des Schwefels ist bei Massenstählen besonders oberhalb
etwa 0,o8 °/o S wirksam, bei Sonder- und Edelstählen, die normalerweise mit sehr
niedrigen Schwefelgehalten hergestellt werden, allerdings schon oberhalb 0,0404
S.
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Gegenstand der Erfindung ist die Verwendung von unlegierten und legierten
Flußstählen mit derart erhöhtem Gehalt an schwefelhaltigen Einschlüssen, daß der
Schwefelgehalt über 0,o8 °/o bis zu 0,35 %
beträgt, als Werkstoff für Gegenstände,
bei denen es auf Zähigkeit bei tiefen Temperaturen ankommt.
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Die Vorteile des erhöhten Schwefelgehaltes nach der Erfindung werden
besonders - groß, wenn der Verschmiedungs- bzw. Walzgrad der Stähle mehr als das
lofache, vorzugsweise mehr als das 30fache beträgt.
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Durch einige Legierungselemente, wie z. B. Phosphor kann der Einfluß
des Schwefels in gewissem Umfang beeinträchtigt werden. Es empfiehlt sich daher,
den Gehalt an derartig wirkenden Elementen möglichst niedrig zu halten, beispielsweise
bei Phosphor unter 0,04 %. Auch stärkere Kaltverformung wirkt sich bei einigen
Stahlsorten ungünstig auf die Zähigkeit bei tiefen Temperaturen aus. Dies ist auch
wohl der Grund, weshalb man den günstigen Einfluß eines Schwefelzusatzes auf die
Zähigkeit bei niedrigen Temperaturen bisher bei Automatenstählen nicht erkannt hat,
weil hier zwar ebenfalls Einschlüsse in größerer Zahl vorliegen, gleichzeitig aber
durch höhere Phosphorgehalte und/oder Kaltverformung absichtlich eine gewisse Sprödigkeit
erzeugt wird, um kurze, brüchige Späne und damit besonders gute spanabhebende Bearbeitbarkeit
zu erzielen.
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Die Verwendung der schwefelhaltigen Stähle kommt nach der Erfindung
für solche Teile in Frage, die bei tieferen Temperaturen schlagartig wirkenden Beanspruchungen
ausgesetzt sind, die Werkstofftrennungen quer zur Längsrichtung. herbeiführen können.
Hierunter sind in erster Linie schlag- und stoßartige Beanspruchungen quer zur Walz-
und Schmiedelängsrichtung sowie schlagartig wirkende Zugbeanspruchungen in der Längsrichtung
zu verstehen. Entsprechend dem jeweiligen Verwendungszweck