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In der Bakteriologie und Desinfektion verwendbares Mittel und Verfahren
zu seiner Herstellung Unter dem Begriff der Desinfektion wird gemeinhin die Entkeimung,
Entseuchung, Entwesung und die Reinigung von Ansteckungsstoffen verstanden. Bei
Anlegung eines strengen Maßstabes reichen jedoch :die gebräuchlichen oder praktisch
in Frage kommenden Mittel entweder überhaupt nicht aus, um alle in Betracht kommenden
Keime abzutöten, oder sie benötigen für die Entfaltung ihrer vollen Wirkung so lange
Zeiträume, daß sie praktisch nicht verwendbar sind. Eine der bekanntesten Substanzen
für die Desinfektionszwecke ist das elementare Jod. Es entwickelt bekanntlich seine
größte Desinfektionskraft in wäßriger Jod-Jodkali-Lösung, durch die beispielsweise
in o,5o/oiger wäßriger Lösung Bac. mesent. rub. nach einer Einwirkungsdauer von
etwa 8 Tagen abgetötet wird. Diese an sich als äußerst wirksam bekannte Lösung ist
somit für praktische Desinfektionszwecke nur bedingt brauchbar, denn es ist beispielsweise
unmöglich, auf eine Wunde 8 Tage lang eine o,5o/oige wäßrige Jod-Jodkali-Lösung
einwirken zu lassen.
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Für die Wunddesinfektion wird meist Jodtinktur verwendet. Selbst bei
.einer Konzentration von 5 bis zo % geht jedoch nach einer achttägigen Einwirkung
das Bac. mesent. rub. nicht zugrunde.
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Alle anderen in der Praxis gebräuchlichen Desinfektionsmittel stehen
hinsichtlich ihrer Desinfektionswirkung hinter dem Jod, so daß bei ihnen auch nur
von einer relativen Abtötung aller Keime nicht die Rede sein kann.
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Es ist nun bekannt, daß die Verbindungen der Halogene untereinander,
wie Jodtrichlorid, Jodmonochlorid,
Jodbrom, Jodpentafluorid, Bromtrifluoritd
u. -dgl., für Desinfektionszwecke anwendbar sind und daß diese Stoffe gegenüber
dem Jod eine erhöhte Desinfektionskraft besitzen. Aber auch diese Stoffe benötigen
zur Abtötung des Bac. mes.ent. rub. noch viele Stunden, also einen Zeitraum, der
für praktische Desinfektionsaufgaben in der Medizin nicht in Frage kommt. Derartige
Lösungen, z. B. in Wasser, Alkohol, Benzin u. dgl., haben außerdem noch den Nachteil
einer .gewissen Unstabilität, da sie nach kurzer Zeit mit den Lösungsmitteln reagieren,
so daß sie ihre Wirksamkeit ganz oder teilweise einbüßen. Diese Lösungen entfalten
deshalb ihre Wirkung nur, wenn sie frisch angesetzt sind. Dadurch ist ihr Anwendungsbereich
stark eingeschränkt. Aus diesem Grunde ist es vorgeschlagen worden, als Lösungsmittel,
beispielsweise für Jodtrichlorid, konzentrierte Salzsäure zu verwenden. Die unmittelbare
Anwendung solcher Lösungen ist jedoch für Desinfektionszwecke als auch auf dem Anwendungsgebiet
der Bakteriologie unmöglich. Sie können höchstens als Stammlösungen Verwendung finden,
:die bei Gebrauch stark verdünnt werden müssen. Auch dabei ist aber die Anwesenheit
von Salzsäure in den meisten Fällen nicht nur unerwünscht, sondern direkt schädlich.
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Alle diese Nachteile werden in völlig Überraschender Weise dann überwunden,
wenn die Verbindungen der Halogene untereinander an kolloidal gelöste Trägerstoffe
angelagert werden. Als solche können beispielsweise Kieselsäuresol, Goldsöl, Platinsol
od. dgl. dienen. Die Anlagerung vollzieht sich von selbst, nachdem die Verbindungen
der Halogene untereinander der kolloidalen Lösung der Kieselsäure zugesetzt worden
sind, und macht sich dadurch bemerkbar, daß im Verlauf von etwa 8 Wochen die Mischung
eine um ein Vielfaches erhöhte Desinfektionskraft annimmt. Diese erhöhte Desinfektionskraft
bleibt dann auch bei langer Lagerung der Mischung unverändert bestehen. Es entsteht
hierbei schon bei großer Verdünnung der genannten Halogenverbindung, z. B. bei einer
Konzentration von o,o5 % der Halogenverbindungen eine hervorragende bakterientötende
Wirkung, welche idie in Rede stehende Stoffgruppe in der geschilderten Anwendungsform
nicht nur für Desinfektions- und Sterilisationszwecke, sondern auch ..für diejenigen
der Bakteriologie vorzüglich geeignet macht.
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Umfangreiche Versuche haben nämlich ergeben, daß eine solche Anlagerung
der genannten Halogenverbindungen an kolloidale Trägerstoffe -auf Bakterien eine
ganz überraschende Wirkung ausüben, welche diejenigen aller bekannten Desinfektionsmittel
in ungeahnter Weise übersteigt. Wird beispielsweise ein Tropfen von an kolloidal
gelöste Kieselsäure angelagertem Jodtrichlorid auf eine Bakterienkultur gebracht,
die sich auf einer Agarplatt.e befindet, und wird der Tropfen mittels eines sterilen
Instrumentes in gleichmäßiger Weise über die Bakterien verteilt, so ist augenblicklich
eine heftige Reaktion zu beobachten, und die Bakterien werden innerhalb weniger
Sekunden bis höchstens Minuten abgetötet. Im Versuch wurde nachgewiesen, daS nicht
nur der obenerwähnte Bac. mesent. rub., sondern auch beispielsweise Bacterium coli,
Staphylococcus pyog. aur., Bact. vulgare (Proteus) und viele andere augenblicklich
abgetötet werden. Wird ein Ausschnitt aus der Agarplatte unmittelbar anschlie-Bend
an die Aufbringung des Tropfens der kolloidal angelagerten Jodhalogenverbindung
auf flüssigem Nährboden übertragen, so ergibt sich selbst nach fünftägiger Bebrütung
völlige Keimfreiheit.
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Eine weitere Ausgestaltung kann dem Verfahren dadurch gegeben werden,
daB der kolloidalen Anlagerung der Halogenverbindungen untereinander ein ein- oder
mehrwertiger Alkohol, z. B. Äthylalkohol, Glycerin od. dgl., in geringer Menge,
z. B. 5 °/o, zugesetzt wird. Dadurch werden -auch Schimmelpilze abgetötet.
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Durch die Anlagerung der Halogenverbindungen untereinander an kolloidal
gelöste Trägerstoffe können also neue Desinfektionsmittel geschaffen werden, die
auf diesem Gebiet geradezu eine Umwälzung :bedeuten, weil durch sie die bisher gültigen
Erfahrungen über,dieAbtötungszeitenfürBakterien nicht nur vollständig umgeworfen,
sondern auch auf eine so kurze Zeitspanne reduziert werden, daß ein nach den Angaben
der Erfindung hergestelltes Desinfektionsmittel geeignet ist, auf allen Gebieten
der Medizin und Desinfektion innerhalb Sekunden oder höchstens Minuten Bakterien
und Sporenbildner abzutöten.
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In der Bakteriologie kann ein nach dem erfindungsgemäßen Verfahren
hergestelltes Mittel auch zur Differenzierung von Bakterien verwendet werden. So
färben sich z. B. Staphylokokken mit einer mit kolloidal gelöstem Trägerstoff versetzten
Jodtrichloridlös.ung blau und Colibakterien lila, während Schimmelpilze. ungefärbt
bleiben, also leicht von den Bakterien unterschieden werden können.
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Ein weiterer Anwendungsbereich im Gebiet der Bakteriologie ergibt
sich bei der Herstellung von Nährböden. Wird beispielsweise ein fester Nährboden
mit einer kolloidalen Lösung nach der Erfindung übergossen, so wird dieser nicht
nur steril, sondern es bildet sich auch über .dem Nährboden eine sterile Filtermembran,
durch welche,die Nährstoffe aus .dem Nährboden hindurchdiffundieren. Die vorzügliche
Desinfektionswirkung des Mittels widerspricht deshalb nicht der Verwendung der auf
diese Weise hergestellten Membranen für bakteriologische Zwecke, weil die keimtötende
Wirkung mit dem Verdunsten des Lösungsmittels verschwindet.
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Als Hauptanwendungsgebiete seien beispielsweise genannt die Desinfektion
des Operationsfeldes, die Handdesinfektion, Spülungen in der Chirurgie, z. B. Bauchhöhlenspülungen,
Spülungen in der Gynäkologie, z. B. Vaginalspülungen, Spülungen in der Urologie,
z. B. Blasenspülungen, Versorgung von Unfallwunden, Ekzemen, Furunkeln, Spülungen
bei Mittelohrentzündungen, bei Rachen-und .Naseninfektionen sowie bei entzündlichen
Prozessen aller Art. Auch zur Desinfektion des Sputums Lungenkranker oder des Stuhles
Seuchenerkrankter oder auch auf dem technischen Gebiet
für. die
Sterilisation von chirurgischem Nähmaterial od. dgl. können derartige erfindungsgemäß
hergestellte Mittel verwendet werden.
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Die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten des neuen Mittels und seine
einfache Herstellung machen diese zu einem wertvollen Hilfsmittel für die Bakteriologie
und Desinfektion. Ausführungsbeispiel i 1,5 g jodtrichlorid, 98,5 g io°/oige
kolloidal gelöste Kieselsäure. Ausführungsbeispiel e 1,5 g Jodbrom, 5 g Äthylallzohol,
93,5 g ioo/oige kolloidal gelöste Kieselsäure.