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Verfahren zur elektrolytischen Reduktion von Chlor-oder Bromessigsäuren
Aus der Patentschrift 246661 ist es bekannt, daß man Trichloressigsäure in Dichloressigsäure
überführen kann, indem man Lösungen von Trichloressigsäure in einem mit Diaphragma
versehenen Bad kathodisch reduziert, während als Anodenflüssigkeit verdünnte Schwefelsäure,
Salzsäure oder andere geeignete Elektrolyte verwendet werden.
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Es wurde nun gefunden, daß es überraschenderweise ganz allgemein leicht
gelingt, Chlor- oder Bromessigsäuren elektrochemisch in niedrigere Halogenierungsstufen
und schließlich in Essigsäure ohne Verwendung von Diaphragmen überzuführen.
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Zur Ausübung des Verfahrens werden geeignete Elektroden in einem Bad
in den als zweckmäßig ermittelten Abständen einander gegenübergestellt und die zu
reduzierenden Lösungen am besten bei Temperaturen unter ioo° reduziert. In der Regel
erübrigt sich hierbei die Anordnung eines Rührers, weil die sich während des Verfahrens
entwickelnden Gase für eine ausreichende Durchmischung des Badinhalts sorgen. Als
Elektroden können alle gegen
die angewandten Lösungen der Halogenessigsäuren
und ihre in Frage kommenden Reaktionsprodukte beständigen, elektrisch leitenden
Materialien verwendet werden. So kann man beispielsweise als Kathodenmaterial Kohle,
Achesongrafit, Blei oder Magnetit verwenden, während sich als Anoden besonders Kohle-
oder Magnetitplatten eignen. Die Chlor- und Bromessigsäuren bringt man zweckmäßigerweise
in Wasser oder anderen geeigneten Lösungsmitteln gelöst zur Anwendung, wobei aus
wirtschaftlichen Gründen die Konzentrationen möglichst nicht unter 5o % liegen sollen.
Ferner soll man, um die aufzuwendende Spannung in erträglicher Höhe zu halten, Konzentrationen
über 8o % vermeiden, wenn auch das Verfahren ohne weiteres gestattet, die beiden
Grenzen zu unter- bzw. überschreiten. An Stelle der reinen Chlor- oder Bromessigsäuren
kann man auch ihre Gemische, gegebenenfalls mit Essigsäure oder anderen, die Elektrolyse
nicht störenden Säuren anwenden.
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Die Gegenwart sonstiger indifferenter Stoffe oder anorganischer Verunreinigungen
der Säuren machen sich nicht störend bemerkbar. Zur Erhöhung der Leitfähigkeit der
Lösungen kann man unter Umständen geeignete Elektrolyte, wie Salzsäure, vor allem
zu Beginn der Elektrolyse, zufügen. Man kann das Verfahren unter entsprechender
Kühlung, beispielsweise bei 3o bis 40°, betreiben oder höhere Temperaturen, wie
z. B. 5o bis 7o°, wählen, die den Vorteil eines geringeren Spannungsaufwands mit
sich bringen. Die Bäder können geschlossen und mit Rückflußkühlung versehen sein,
um Material- und Wasserverluste zu verhindern. Während der Elektrolyse verbrauchtes
Wasser wird zweckmäßigerweise laufend ergänzt. Das Verfahren kann im periodischen
oder stetigen Betrieb ausgeübt werden. Die Aufarbeitung der Elektrolysenprodukte
aus den Lösungen kann nach bekannten Methoden erfolgen, beispielsweise durch Destillation
oder Extraktion. Die erzielten Ausbeuten betragen 95 bis ioo % der theoretisch zu
erwartenden.
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Gegenüber dem Vorbekannten bringt das neue Verfahren folgende Vorteile:
Beim praktischen Arbeiten nach bekannten Methoden unter Verwendung geteilter Bäder
stellt sich unter anderem als unerwünschte Begleiterscheinung die Tatsache heraus,
daß gegenüber den bekanntlich sehr aggressiven Halogenessigsäuren die üblicherweise
verwendeten Diaphragmen einem Dauerbetrieb vor allem in der Wärme nicht gewachsen
sind und einer langsamen Zerstörung mit' ihren elektrochemischen Folgen unterliegen.
Außerdem treten Konzentrationsschwankungen im Anolyten auf, die laufend auszugleichen
sind. Die Verwendung von Diaphragmen bringt nicht nur Spannungsverluste mit sich,
sondern verlangt auch gegenüber einer diaphragmalosen Elektrolyse doppelt so große
Bäder und zwingt bei der technischen Durchführung zu größeren Elektrodenabständen
als sie bei diaphragmenlosen Bädern möglich sind. Erhöhte Elektrodenabstände haben
aber Spannungssteigerungen im Gefolge. Mit der Einbadelektrolyse entfällt die Notwendigkeit,
anodische Hilfsflüssigkeiten zu verwenden und dadurch weiterhin der Zwang, zwei
Flüssigkeiten zu bewegen und zu überwachen.
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Besonders vorteilhaft ist das Verfahren für die Aufarbeitung technisch
anfallender Endlaugen geeignet, wie sie beispielsweise bei der Herstellung von Chloressigsäure
durch Chlorierung entstehen. Beispiele i. In einem Becherglas von 6oo ccm Fassungsvermögen
befindet sich ein Bleizylinder, der durchlocht sein kann und der hergestellt wurde
aus einem Bleiblech von den Dimensionen 170 : 115 : 1 mm, wobei die Höhe des offenen
Zylinders 115 mm betragen soll. Der Zylinder ist zu drei Viertel, entsprechend 270°',
geschlossen. Er wurde an die Wand des Becherglases angepaßt. Er dient als Kathode,
während die Anode von einem Kohlestab gebildet wird, der in der Mitte des Glases
in 15 mmAbstand vom Bleizylinder steht und 40 mm Durchmesser hat.
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Es wird nun eine 75%ige wäßrige Trichloressigsäurelösung eingeführt
und durch die Lösung ein elektrischer Strom geschickt, dessen Spannung bei einer
Stromdichte an der Kathode von etwa 5oo Ampere je Quadratmeter 2,3 Volt beträgt.
Die Temperatur im Bad ist 50°. Nach Überführung der Trichloressigsäure in Dichloressigsäure
wird die letztere entweder durch Abdestillieren des Wassers oder durch Extraktion
isoliert. Die Ausbeute beträgt 96% der Theorie.
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2. Ein Gemisch, bestehend aus 32% Monochloressigsäure, 59% Dichloressigsäure,
3% Trichloressigsäure, 5 % Essigsäure, Salzsäure, Schwefelsäure, geringen Mengen
Wasser, Eisen- und Bleisalze, wird in Form einer 6o%igen wäßrigen Lösung in ein
Bad gebracht, in dem in 12 mm Abstand Kohlenplatten als Anoden und Magnetitplatten
als Kathoden sich einander abwechselnd gegenüberstehen. Die Reduktion wird bei etwa
65° Badtemperatur durchgeführt. Durch einen an dem abgeschlossenen Bad angebrachten
Rückflußkühler wird der entweichende Gasstrom von mitgerissenen Wasser- und Säureteilchen
befreit, die ins Bad zurückkehren. Die Spannung beträgt im Mittel 3,25 Volt, die
kathodische Stromdichte 500 bis 6oo Ampere je Quadratmeter. Die Elektrolyse
wird abgebrochen, wenn die vorhanden gewesene Di- und Trichloressigsäure ganz oder
nahezu ganz in Monochloressigsäure übergeführt sind'. Dabei ist keine zusätzliche
Essigsäure durch Reduktion der Monochloressigsäure entstanden. Die Monochloressigsäure
wird aus der Lösung durch Abdestillieren des Wassers und der Essigsäure im Vakuum
erhalten. Man kann sie auch durch Extraktion isolieren. Die Ausbeute ist nahezu
quantitativ.
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3. Es wird die 6o%ige wäßrige Lösung eines Gemisches von 74,5°/o Monobromessigsäure
mit 25,5% Dibromessigsäure wie im Beispiel i der Elektrolyse unterworfen, wobei
3,8 Volt Spannung bei einer kathodischen Stromdichte von 6 bis Zoo Ampere je Quadratmeter
aufzuwenden sind. Die Badtemperatur beträgt 50°. Nach der Reduktion der vorhandenen
Dibromessigsäure zu Monobromessigsäure
wird die Elektrolyse abgebrochen
und die Monobromessigsäure wie in Beispiel r isoliert. Die Ausbeute beträgt 97 %
der errechneten.
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4. Unter den gleichen Bedingungen wie im Beispiel 2 wird eine 6o bis
7o%ige Lösung des dort beschriebenen Säuregemisches der Elektrolyse unterworfen,
jedoch der Prozeß erst dann abgebrochen, wenn die chlorierten Säuren restlos in
Essigsäure verwandelt sind. Aus der wäßrigen Lösung wird die Essigsäure durch Destillation
oder durch Extraktion gewonnen. Die Ausbeute beträgt 96% der theoretischen.