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Verfahren zur Stabilisierung von Keratinlösungen Keratinlösui gen
kann rnan bekanntlich erhalten, indcrn rnan keratinlialtiges Material, wie Hä-ner,
Hufe, Fcclcrn, Haare, Wolle Lind-Abfälle derselben, Nägel und derartiges :Material;
in wäßrigen AlkalistrlfidlösuFgen löst.
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Die in dieser Weise erlialteren Lösurgen haben bei ihrer .technischen
`"crwendurg jedoch den großen Nachteil, <laß sie nicht staba sind, indem der
Elbbau des Keratins im `"erlauf der Zeit immer weiter fortschreitet, wie aus einer
Herabsetzung der Merge des aus solchen Lüsurgen durch Ansäuern koagulierbaren Eiweiße;
Lind aus einem raschen Absinken der Viskosität der Lösrrrgen hervorgeht.
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Nach den Cntersuehurgen von Astbury r:n@l Speakrnan nimmt man an,
claß im Kerätin lange Yol@lpcpticlketten vorkornmea, die riiitcir:ander v@rbttnden
sind i. durch Cystinmolekiile (S - S-Bi ücken), 2. durch Amidbildung freier N H2
Gruppen der einen Kette mit COOH-Gruppen der anderen Kette, 3. durch Bindurgen,
wie die Wasserstoffbindung (hydregenbord) von - 1 H - mit CO-Gruppen, und durch
van cicr Waalssche Kräfte.
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Es sind gerade diese Bindungsmöglichkeiten, welche nach Goddard und
Miehaelis die Unlöslichkeit urd eine gewisse Nichtangreifbarkeit des Keratirs bedingen
und wodurch erklärt wird, daß zur Lösurg von "'olle z. B. ein alkalisches Medium
erfordErlich ist. In ähnlicher Weise, wie ein Ammonsalz durch alkalische Lösungen
gespalten wird, so werden im vorliegenden Fall die - N H300C-Birdur.gen zeilegt.
Erst dann kann das einwirkende Reduktionsmittel zur S - S-Brücke gelangen und diese
in
S - H-Gruppen umwandeln. Das alkalische Medium befördert außerdem
noch diese Reaktion, da die S - H-Gruppen saure Eigenschaften haben (M a r i o t
t).
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Es ist danach auch verständlich, daß Keratin durch Natriumsulfidlösungen
sich gut lösen läßt, da diese Lösung infolge der Hydrolyse des Natriumsulfids gleichzeitig
reduzierend und alkalisch wirkt. Das Lösen findet wahrscheinlich gemäß nachstehendem
Schema statt
Na2S + HOH -;,-z NaSH + NaOH (1) |
Das Na S H reduziert das Keratin, dargestellt durch R - S - S - R, gemäß nachstehender
Reaktionsgleichung
R-S-S-R+ZNaSH=;#=2RSH+Na2S2 (2) |
Das Na O H reagiert mit den R S H-Grüppen gemäß
RSH + NaOH--> H20 + RSNa (3) |
Aus diesem Schema geht hervor, daß die lösende Wirkung der Na2S-Lösung, welche Wirkung
im Grunde einen Abbau des Keratinmoleküls bedeutet, beendet sein sollte in dem Augenblick,
in dem alle R - S - S - R-Bindungen in R S Na umgewandelt sind.
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In Wirklichkeit ist dies jedoch nicht der Fall; neben dem beschriebenen
Abbau des Keratinmoleküls tritt noch ein anderer Molekülabbau ein, nämlich eine
Hydrolyse unter Einfluß des gemäß Reaktionsgleichung (i) gebildeten NaOH. Dieser
Abbau kann in kurzer Zeit sehr weit fortschreiten.
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Es wurde nun gefunden, daß man diesen Abbau hemmen bzw. zurückdrängen
kann, indem man die ganz oder wesentlich aus in Alkalisulfid gelöstem Keratin bestehenden
Lösungen auf einen bestimmten PH-Wert einstellt. Bei pH-Werten, welche niedriger
sind als dieser experimentell leicht feststellbare pH-Wert, findet im Laufe der
Zeit ein wesentliches Steigen der Viskosität statt, während bei höheren PH-Werten
die Viskosität mit der Zeit stark fällt. Der richtige pH-Wert liegt, gemessen mit
der Glaselektrode, gewöhnlich im Gebiet von io,8 bis 11,5, insbesondere zwischen
ii,i und 11,3.
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Die Einstellung des gewünschten p11-Wertes kann leicht herbeigeführt
werden durch Zusatz der erforderlichen Menge eines sauer reagierenden. Stoffes,
wobei besonders für eine gute Verteilung dieses Stoffes in der zu behandelnden Lösung
Sorge zu tragen ist. Es versteht sich, daß man auch solche Stoffe zusetzen kann,
die in der Alkalisulfidlösung unter Bildung eines oder mehrerer sauer reagierender
Stoffe zerlegt werden. Namentlich bei Verwendung einer starken Säure ist auf eine
gleichmäßige Verteilung achtzugeben, da sonst eine lokale Koagulation von Eiweiß
eintritt. Wenn letzteres nur in geringem Maße der Fall ist, so kann das koagulierte
Eiweiß durch kräftiges Rühren wieder gelöst werden.
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Vorzugsweise wird eine Säure oder ein sauer reagierender Stoff in
gasförmigem Zustand verwendet. Solche Stoffe sind z. B. Schwefelwasserstoff, Chlorwasserstoff,
Kohlensäure oder Acetylchlorid. Es ist jedoch vorteilhaft, aus dem oben angegebenen
Grund die weniger starken Säuren zu wählen.
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Ein weiterer Vorteil der Zugabe gasförmiger Säuren in trocknem Zustand
besteht darin, daß die gewünschte Änderung des pH-Wertes ohne Änderung des Keratingehaltes
der Lösung herbeigeführt werden kann.
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Bekanntlich löst das keratinhaltige Material sich verhältnismäßig
langsam und meistens unvollständig, so daß die erhaltenen Lösungen häufig filtriert
werden müssen. Diese Filtration ist ein ziemlich langwieriges Verfahren. Infolgedessen
war es denn auch bis jetzt äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, Keratinlösungen
für technische Zwecke zu verwenden, da während der Filtration der Abbau des Eiweißes
weiter fortschreitet und eine Endlösung erhalten wird, die meistens eine zu niedrige
Viskosität aufweist.
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Bei Anwendung der vorliegenden Erfindung ist dieser Nachteil nicht
mehr vorhanden, da die Lösungen vor der Filtration stabilisiert werden können.
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Zwecks näherer Erläuterung der Erfindung an Hand zahlenmäßiger Daten
ist nachstehende Tabelle aufgenommen.
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8oo g Haare wurden mit einer i50/0igen Na2S-Lösung, welche
330 g Nag S und
870 g Wasser enthielt, behandelt, worauf filtriert
und die Lösung in 8 Teile aufgeteilt wurde. Von jedem Anteil wurde der PH-Wert bestimmt
und die Viskosität verfolgt, während 7 der Anteile mit wechselnden Mengen HCl behandelt
wurden.
Stabilisierung mit H Cl |
Lösung I I I il I III I IV I V I VI I VII |
Aufgenommener HCI. 0 2,22 2,56 3,o5 3,36 3,37 3,58% |
PH . . . . . . . . . . . . . . . . . 11,7 11,5 11,3 11,2
11,1 io,9 10,7 |
Viskositätsverlauf.... stark schwach nahezu nahezu schwach
ansteigend stärker |
fallend fallend konstant konstant ansteigend ansteigend |
Bei einem entsprechenden Versuch, wobei zur Stabilisierung
H, S angewendet
wurde, wurde gefunden, daß bei pH = 11,8 die Viskosität stark fiel; bei pH = 11,2
war sie konstant, während sie bei PH = 10,2 stark anstieg.
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Zu bemerken ist hierzu, daß die Viskosität als Maß für den Abbau des
Eiweißmoleküls gilt. Gemäß vorliegender Erfindung hat man nun den Abbau des Keratinmoleküls
weitgehend in der Hand; man ist also jetzt in der Lage, Keratinlösungen zu stabilisieren
und für technische Zwecke zu benutzen.
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Wenn es sich nach der Stabilisierung herausstellt, daß die Lösung
nicht die gewünschte Viskosität hat, so kann diese durch Zugabe einer geringen Menge
Formaldehyd
zur stabilisierten Lösung erhöht werden. So ergab z. B. die Zugabe von o,8°/, Formaldehyd,
bezogen auf eine Lösung mit einer Konzentration von 17°/0, eine bleibende Erhöhung
der Viskosität um einen Faktor io. Beim Zusatz von Formaldehyd zu einer nichtstabilisierten
Lösung stieg anfänglich die Viskosität sehr schnell an, um dann jedoch langsam wieder
bis zur Viskosität der nicht behandelten Lösung abzusinken.
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Es hat sich weiterhin herausgestellt, daß auch Lösungen, welche neben
Keratin andere Stoffe enthalten, wie Viskose oder Kunstharzrohstoffe, in der oben
beschriebenen Weise vor oder nach dem Zusatz der Beimischungen stabilisiert werden
können.