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Einrichtung zur mechanischen Bestimmung von Differenzenquotienten
an zeichnerisch vorgegebenen Kurven Alle physikalischen Vorgänge lassen sich mathematisch
in Form von Differentialgleichungen erfassen, deren Lösung im allgemeinen sowohl
als auch in besonderen praktischen Fällen jedoch meist erhebliche Schwierigkeiten
bietet. Man ist daher technisch vielfach gezwungen, die exakten Differentialbeziehungen
durch entsprechende D ifferenzengleichungen näherungsweise zu ersetzen und diese
dann schrittweise für jeden besonderen Fall, meist zeichnerisch, zu lösen. Da in
der Technik im Hinblick auf die praktisch immer beschränkte Herstellungs- bzw. Versuchsgenauigkeit
auch nur eine in bestimmter Weise begrenzte Genauigkeit einer Lösung gefordert werden
muß, ist diese Näherungsrechnung in Verbindung mit zeichnerischen Verfahren meist
unbedenklich.
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Bei vielen derartigen Differenzrechnungen sind nun neben Differentialquotienten
erster Ordnung, die zeichnerisch einfach als Tangentenneigungen bestimmbar sind,
auch solche von zweiter Ordnung durch entsprechende Differenzequoteinten zu ersetzen
was in folgender ÄVeise geschehen kann:
Dabei bedeutet y die vorgegebene Funktion von x, deren zweite Ableitung nach x im
Punkt x zu bestimmen ist. Die Indizes, x + Dx und x - #x deuten dabei jeweils darauf
hin, an welcher Stelle der Wert y der Funktion y (x) zu nehmen ist. Die Gleidmng
I besagt also, daß der zweite Differenzenquotient der vorgegebenen Funktion y an
einer beliebigen Stelle x gleich dem doppelten Unterschied aus dem arithmetischen
Mittelwert der Funktionswerte y x + #x und yx - #x im gewählten Abstand J w vor
bzw. hinter der
Stelle x und dem Wert yx an der Steller, dividiert
durch das Quadrat von j #x des an sich willkürlichen Abstandes d x ist. Bei Verkleinerung
dieses Abstandes #x geht der Differenzenqnotient stetig in den Differentialquocienten
über, so daß also der Fehler dadurch beliebig klein gehalten werden kann. Wählt
man nun den Abstand #x bei einer beliebig vorgegebenen Funktion j (x) für alle ihre
Punkte gleich groß, so wird also in Glei-2 chung 1 eine unveränderliche Größe, so
#x2 daß der zweite Differenzenquotient proportional dem Inhalt der eckigen Klammer
in der Gleichung I ist.
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Zur einfachen mechanischen Bildung dieses in Gleichung 1 eckig eingeklammerten
Wertes bei einer zeichnerisch vorgegebenen Funktion (x) soll nun das hier vorgesclilagene
Instrument dienen, das sich als geeignete Verbindung von an sich bekannten Bauelementen
darstellt. Es besteht aus einer Parallelführung 1 (s, Bild), wie sie beispielsweise
bei technischen Zeichentischen oder bei Planimetern üblich ist, einer daran befestigten
Geradführung B und einem darauf einsetzbaren, beispielsweise nach dem Prinzip des
Storchschnabels arbeitenden Teil C.
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Zur Parallelführung A ist nichts Eesonderes zu erwähnen, da hierzu
alle überhaupt möglichen Ausführungen brauchbar sind.
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Die Geradfübrung B muß so ausgebildet sein, daß sie Fahrstiften I
und 2 des Teiles C bei ruhendem Teil B nur die AIögliclllseit einer Verschicbung
in y-Richtung d.h. also meist senkrecht zur x-Richtung der vorgegebenen Kurve, zuläßt.
Der Abstand der beiden Geradführungen für die Fahrstifte I und 2 von Teil C ist
dabei gleich 2#x; er kaml uilreränderlich oder stetig bzw. stufenweise einstellbar
gemacht werden, so daß die Größe von #x unabhägig vom Maßstab der Kurve wählbar
ist. Im einfachsten Fall kanal diese Geradfiihrung B beispielsweise, wie im Bild
dargestellt, aus einer durchsichtigen Platte bestehen, die in geeigneten Abständen
mit schmalen parallelen Schlitzen versehen ist.
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In diesen können dann die beiden Fahrstifte I und 2 von Teil C ohne
seitliches Spiel hin und her gleiten, wobei sie immer den geforderten gleichbleibenden
Abstand 2#x in x-Richtung aufweisen. Bei Verwendung einer Parallelführung A, wie
sie bei modernen Ingenieurzeichentischen verwendet wird, kann ein Fahrstift, im
Bilde z. B. Stift I, auch fest auf der Platte B eingestellt sein, da hierbei die
ganze Platte auch in z-Richtung ohne Drehung verschoben werden kann. Der zweite
Fahrstift kann dann in festem x-Abstand noch in der Geradführung B verschoben werden.
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Der Schreibstift 3 des Teiles C wird pralstisch zur Vermeidiung von
Klemmungen etwas dünner als die beiden Fahrstifte ausgebildet, so daß er sich In
den Schlitzen ohne Berührung des Teiles B bewegen kann.
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Der in die Geradführung B einsetzbare Instrumententeil C kann z.
B. nach dem Prinzip des Storchschnabels (Pantograph) arbeiten; er sei so eingerichtet,
daß die Spitze des Schreibstiftes 3 unabhängig von der Stellung des Instrumentes
stets in der Platte der Verbindungslinie durch die Spitzen der beide Fahrstifte
I und 2 liegt. Stellt man daher die Fahrstifte I und 2 auf zwei beliebige Punkte
der vorgegebenen Kurvey (r), so liefert der Schreibstift 3 immer den arithmetischen
Mittelwert 1/2(yx+#x+yx-#x) dieser beiden Kurvenpunkte, und zwar gerade an der Stelle
t der Kurve. Da hier auch der NVert , auf der Kurve liegt, so stellt also der jeweilige
senkrechte Abstand zwischen dem schreibstift und der Kurve den gesuchten Wert 1/2(yx+#x+yx-xd)-yx
von Gleichung 1 dar. Da durch die Geradiführug B der waagerechte Abstand der beiden
Fahrstifte stets unveränderlich gleich 2#x ist, zeichnet der Schreibstift bei gleichzeitiger
Führung der beiden Fahrstifte I und 2 auf der vorgegebenen Kurve y (x) eine neue
Kurve, deren Punkte von jener einen Abstand aufweisen, der stets zum gesuchten Differenzenquotienten
verhältig ist. Der Abstand beider Kurven stellt daher unmittelbar die gesuchte Abhängigkeit
des Differenzenquotienten in einem durch 1 « bestimmtes Maßschten dar.
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Entsprechende Überlegungen gelten auch bei schiefwinligne bzw. krummlinigen
Koordinaten (z.B. Polarkoordinatell). Bei Polarkoordinaten tritt an Stelle der Parallelführung
A lediglich eine Drehachse im Pol des Systems.
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Zur ITnterstützung des Instumentes C kann beispielsweise ein Stift
bzw. Gleitschuh 4 vorgesehen werden. Das Instrument kann u. U. aber auch im Fahrstift
1 so befestigt sein, daß nur eine Drehung um eine zur Zeichenebene senkrechte Achse
möglich ist, oder das ganze Instrument C kann so ausgebildet werden, daß es wie
ein gewöhnlicher Zirkel senkrecht zur Papierebene angeordnet ist. Zur unmittelbaren
messung des jeweiligen Abstandes zwischen den beiden Kurven kann das Instrument
C ferner mit einem im Bild nicht mehr dargestellten NIaßstab, evtl. mit Nonius und
Lupe, versehen werden. Zur unmittelbaren Übertragung bestimmter Streliken auf eine
andere Zeichnung kanu das instrument noch mit einer Feststellvorrichtung versehen
sein.
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Das Instrument C kann auch für sich allein verwendet werden, wenn
es nur darauf ankommt, in wenigen Punkten der vorgegebenen Kurvey (x) die Werte
des Differenzenquotienten zu bestimmen. Man zeichnet dann in y-Richtung eine beliebige
Anzahl paralleler gerader Linien zweckmäßig im gleichen Abstand #x voneinander.
Ist der Wert des Differenzenquotienten nur in einem ganz bestimmten Punkt der Kurve
y (x) erwünscht, so kann auch dies unterbleiben.
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Zur unmittelbaren Zeichnung der ganzen I(urve ist die Führung der
beiden Fahrstifte I und 2 von Teil C auf der vorgegebenen Kurve y (x) notwendig,
was beispielsweise durch zwei Personen erfolgen kann. Um auch nur einer weniger
geschulten Person eine genaue Führung der Fahrstifte I und 2 zu ermöglichen, kann
man eine einfache Schablone (z. B. aus dickem Zeichenpapier) verwenden, entlang
der die Fahrstifte bewegt werden.
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Eine weitere Möglichkeit besteht darin, an Stelle von normalem Zeichenpapier
einen Stoff zu verwenden, der beispielsweise durch einen geheizten Stift leicht
mit Rillen versehen werden kann (z. B. Wachsplatte u. dgl.). Die Fahrstifte können
dann leicht in derartigen Rillen geführt werden. Heizt man dabei den Schreibstift-(z.
B. elektrisch wie einen Lötkolben), so zieht dieser die Kurve des Differenzenquotienten
als Rille in den Zeichenstoff.
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Das Verfahren ist besonders dann vorteilhaft, wenn die so gewonnene
Kurve stets wieder die Ausgangskurve y (x) für eine neue Differenzrechnung ist,
so daß auf diese Weise leicht und schnell ganze Kurvenscharen gezeichnet werden
können.
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Als Beispiel dieser Art diene die Berechnung von nichtstationären
Temperaturfeldern, die im Falle ebener Felder der folgenden partiellen Differentialgleichung
zweiter Ordnung genügen : #t #2t = a (s) wenn bedeuten: t (° C) die Temperatur,
« (m) die Ortskoordinate, t (h) die Zeit, a (m2/h) die Temperaturelitfähigkeit,
Als Differenzengleichung kann diese Beziehung folgendermaßen geschrieben werden
Wählt m; man hierin den Zeichenmaßstab so, daß 2a1r (4) ist, so erhält man wegen
#t = tx, # + ## - tx tx + #x + tx - #x tx,# + #t = = tx,# + ##. (5) 2 Danach stellt
also jede als Mittelwert 1/2(tx+#x + tx~x) zweier Kurvenpunkte des Temperaturfeldes
zur Zeit z bestimmte neue Größe einen Punkt der Temperaturkurve zur Zeit # + # T
dar; diese kann daher jeweils wieder als Ausgangskurve für jede weitere Temperaturkurve
im Zeitabstand 1 r dienen, so daß auf diese Weise das gesamte zeitlich und örtlich
veränderliche Temperaturfeld gewonnen werden kann.
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Das bisher bekannte und bisher nur rein zeichnerisch mit Bleistift
und Lineal bzw. rechnerisch ausgewertete Differenzenverfahren kann mit einem hier
beschriebenen Instrument mechanisch sehr leicht und genau durchgeführt werden. Dabei
können ganz entsprechend auch hiermit beliebige Anfangs-, Rand- und Übergangsbedingungen
erfaßt werden.
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Das Verfahren ist dabei nicht nur auf ebene Temperaturfelder beschränkt,
sondern kann auf ähnliche Art auch auf zylinder- bzw. kugelsymmetrische Temperaturfelder
angewendet werden. In gleicher Weise gilt es auch für entsprechende nichtstationäre
Diffusionsvorgänge, Magnetfelder und ähnliche, der Differentialgleichung 2 folgende
physikalische Vorgänge.
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Die punktweise Bestimmung derartiger zeitlich und örtlich veränderlicher
Zustandsgrößen nach diesem Differenzenverfahren kann auch mit Hilfe des Instrumentes
C allein durchgeführt werden. Zu diesem Zweck wird an Stelle des Schreibstiftes
am besten eine Nadel verwendet, mit der man kleine Löcher in das Zeichenpapier stechen
kann. Man unterteilt dann zweckmät'Jig das vorgegebene Anfangsfeld wieder in eine
beliebige Anzahl Streifen von der BreiteS x. Die Schreibnadel 3 sticht dann jeweils
die Löcher, in die bei Bestimmung der nächsten Kurve die Fahrstifte I und 2 eingesetzt
werden. Bei geeigneter Formgebung der Fahr- bzw.
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Schreibstifte kann dadurch unter sonst gleichen Umständen mit wesentlich
geringerem Zeitaufwand eine wesentlich höhere Genauigkeit als beim ursprüngliehen
Schmidtsehen Zeichenverfahren erzielt werden. Etwaige systematische Fehler infolge
von größeren Ungenauigkeiten bei der Herstellung des Instrumentes C können stets
dadurch weitgehend ausgeschaltet werden, daß diese wechseiweise nach jeder neuen
Kurve um 1800 gedreht wieder verwendet wird. Auf diese Weise führen abwechselnd
bei aufeinanderfolgenden Kurven einmal Stift I, dann Stift 2
an
den jeweiligen Stellen x + a x, und die Ungenauigkeiten in der Lage des Schreibstiftes
3 gegenüber den beiden Führungsstiften gleichen sich so nach jeder zweiten Kurve
infolge ihrer ähnlichen Formen gegenseitig atis.
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Das Instrument kann in entsprechender Weise aber auch zur unmittelbaren
Zeichnung bzw. punktweisen Bestimmung von Integralkurven und damit zur näherungsweisen
Lösung von gewöhnlichen Differentialgelichungen zweiter Ordnung verwendet werden.
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Als einfaches Beispiel diene die folgende Beziehung: d2y = #(x) #
y (6) dx2 wenn # («) eine vorgegebene Funktion von r ist. In Differenzenform lautet
Gleichung 6 yx + #x + yx - #x yx = #(x) #x2 # yx. (7) 2 Bei unveränderlichen Werten
von # x bedeutet dies, daß der Abstand zwischen dem Stift 3 und der Kurve y (x)
im Punkt « stets zu #(x)yx, verhältnisgleich sein muß. Setzt man daher den Fahrstift
I auf die Kurve y (x) im Punkt x - d x, den Stift 3 auf Punkt x im Abstand #(x)
#x2 # yx vom Kurvenpunkt yx, so gibt der Stift 2 nun den neuen Punkt x + #x der
gesuchten Kurve y («). Die Stifte 2 und 3 haben damit ihre Rollen als Fahr- und
Schreibstifte vertauscht.
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Zur Vereinfachung des Rechenverfahrens kann man die Abstände d x
auch so veränderlich machen, daß: #(x)#x2 - c=konst. ist.
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Die Bestimmung der Integralkurve erfolgt dabei zweckmäßig punktweise
mit dem Instrument C allein. Unter Verwendung eines weiteren Storchschnabels könnte
der Abstand c y des Stiftes 3 von der Kurve y (x) auch mechanisch eingestellt und
durch besondere Einrichtungen schließlich auch noch der Abstand 1 x nach Gleichung
S gesteuert werden.
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Diese Sondereinrichtungen müssen jedoch in jedem Fall besondere Bauformen
aufweisen und sollen daher an dieser Stelle nicht mehr betrachtet werden.