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Verfahren zur Herstellung von Aminonitrilen Die Darstellung von Aminoacetonitril
durch Behandeln von Glykolsäurenitril mit Ammoniak ist bekannt. Man hat letzteres
bisher in Form einer bei Atmosphärendruck und Zimmertemperatur gesättigten wässerigen
oder alkoholischen Lösung benutzt. Nach Angaben der Literatur soll hierbei Aminonitril
in fast theoretischer Ausbeute zu erhalten sein. Bei Durcharbeitung der bekannten
Vorschriften zwecks technischer Anwendung zeigte sich indessen, daß diese hierfür
nicht brauchbar sind; denn erstens erhält man das angestrebte Produkt, wie weiter
unten gezeigt, durchaus nicht in theoretischer Ausbeute, und zweitens muß man sehr
große Flüssigkeitsmengen anwenden, um in diesen die einen nur einigermaßen befriedigenden
Umsatz gewährleistenden großen Ammoniakmengen unterbringen zu können.
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Es wurde nun gefunden, daß man unter erheblicher Steigerung der Ausbeute
in viel bequemerer Weise zum Ziele kommt, wenn man statt einer wässerigen oder alkoholischen,
bei Zimmertemperatur und Atmosphärendruck gesättigten Ammoniaklösung, deren Konzentration
immer nur beschränkt sein kann, verflüssigtes Ammoniak oder wässeriges bzw. alkoholisches
Ammoniak, in welchem das Ammoniak bei Zimmertemperatur einen erheblichen Überdruck
besitzt, verwendet. -Bei Verwendung verflüssigten Ammoniaks ist z-. B. nach 12-
bis 36stündiger Einwirkung bei Zimmertemperatur kein Cyan mehr titrierbar, und zwar
unter Bedingungen, unter denen sonst das Oxynitril noch einen deutlichen Cyantiter
gibt. Die Aufarbeitung des Reaktionsgemisches liefert eine Ausbeute von 8o bis 92'i',
in Form von z. B. Glvkokollesterhydrochlorid.
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Bei Temperaturen unter -3o° erfolgt der Umsatz nur äußerst langsam;
arbeitet man dagegen im geschlossenen Gefäß bei Zimmertemperatur, so verläuft die
Umsetzung genügend schnell, und die Reaktionsgeschwindigkeit steigert sich noch
bei Anwendung erhöhter Temperatur. Auch erweist es sich von Vorteil, statt Ammoniak
allein, dieses in Mischung mit geringen Mengen eines Verdünnungsmittels, wie z.
B. Alkohol, anzuwenden. Ein Verdünnungsmittel ist besonders insofern von Vorteil,
als man bei Vorhandensein eines solchen nach dem Abdampfen des Ammoniaks den Anfall
eines absoluten oder sehr hochprozentigen Aminonitrils vermeidet, welches unter
gewissen Bedingungen zu ExplosiQnen neigt.
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Wendet man statt des verflüssigten Ammoniaks wässeriges, stark übersättigtes
Ammoniak an, so spielt der geringe Gehalt an Wasser bereits die Rolle des Verdünnungsmittels.
Hierzu
genügt der Wassergehalt, der bei Anwendung eines .4o- bis 6oprozentigen Glykolsäurenitrils,
welches man erhält, wenn man flüssige oder nicht sehr wasserhaltig«,:
Blausäure auf :Ioprozentiges Formaldeh |
einwirken läßt, in das Verfahren eingebrä; |
wird. Man braucht dann die erhaltene Nitri11= lösung nur noch mit gasförmigem Ammoniak
bei erniedrigter Temperatur zu sättigen und das Reaktionsgemisch im verschlossenen
Gefäß bei Zimmertemperatur einige Zeit sich selbst zu überlassen. Bei dieser Arbeitsweise
wird die im allgemeinen mit Verlusten verbundene und überdies nicht gefahrlose Konzentrierung
des Glykolsäurenitrils vermieden.
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Die nachstehenden Vergleichsbeispiele zeigen die Vorteile des neuen
Verfahrens gegenüber dem Bekannten.
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Beispiel i a) 500 ccin einer 35prozentigen wässerigen Glykolsäurenitrillösung
(enthaltend 175 g Nitril) werden bei Zimmertemperatur mit 25oo ccin 3oprozentigem
Ammoniakwasser versetzt, worauf man die Mischung 12 Stunden sich selbst überläßt.
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Man versetzt die so erhaltene ammoniakalische Aminoacetonitrillösung
mit 490 g fein gepulvertem Bariumhydroxyd und schüttelt bei Zimmertemperatur etwa
30 Stunden.
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In die auf 70 ° angewärmte, schwach ammoniakalische Mischung leitet
man Kohlendioxyd ein, bis alles Barium als Carbonat gefällt ist. Dieses wird abgenutscht,
mit wenig Wasser nachgewaschen, das Filtrat auf etwa Zoo ccm eingeengt und die heiße
Lösung mit Alkohol versetzt. Nach dem Erkalten im Eisschrank wird das auskristallisierte
Glykokoll abfiltriert und getrocknet.
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Ausbeute: 123,2 g, d. i. 64,8°,1o der Theorie, bezogen auf
das angewandte Glykolsäurenitril.
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b) In eine Mischung von etwa 125g Alkohol und etwa 375 g bei - 3o
bis - 33 ° verflüssigten Ammoniaks werden bei dieser Temperatur etwa 255 g eines
ungefähr goprozentigen Glykolsäurenitrils (angewandte NTitrxlmenge also etwa 228g)
eingetragen, und die Mischung wird in einem verschlossenen Autoklav en bei Zimmertemperatur
etwa 36 Stunden aufbewahrt. Man läßt dann das Ammoniak entweichen, das aufgefangen
und wiederverwendet «>erden kann, und erhält nach dessen völliger Verjagung eine
schwach gefärbte Lösung des Aminonitrils. Diese wird wie unter a oder in sonstiger
bekannter `''eise auf Glykokoll verarbeitet. Man kann aus ihr auch durch Säurezusatz
ein geeignetes Salz des Aminonitrils, z. B. das Chlorid, Sulfat o. dgl., niederschlagen
und dieses für sich in gleicher oder ähnlicher Weise verarbeiten. Stellt man das
Glykokollesterhydrochlorid her, so wird die Aminonitrillösung in starke alkoholische
Salzsäure eingetragen, mit dieser Deinige Zeit erwärmt, ausgeschiedenes Ammozitmchlorid
heiß abfiltriert und die Flüssigkeit der Kristallisation überlassen, wobei das Glykokollesterhydrochlorid
ausfällt. Erfolgt die erste Abscheidung nicht mit genügender Ausbeute, so kann durch
Zusatz von Alkohol, Einleiten von gasförmiger Salzsäure und Wiedererwärmen noch
einmal nachverestert, in der Hitze wieder auftretendes Ammoniumchlorid abgeschieden
und aus der Mutterlauge noch weiteres Glykokollesterhydrochlorid gewonnen werden.
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Beim Arbeiten auf Glykokollesterhydrochlorid beträgt die Ausbeute
hieran 513 g, d. i. 86 % der Theorie, bezogen auf das angewandte Oxynitril.
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Die Vergleichsbeispiele zeigen, daß man beim Arbeiten mit verflüssigtem
Ammoniak nicht nur eine erheblich verbesserte Ausbeute erhält, sondern auch, wie
eine Überschlagsrechnung erkennen läßt, nur etwa den sechsten bis siebenten Teil
derjenigen Flüssigkeitsmenge zu bewältigen hat, die beim Arbeiten mit wässeriger
konzentrierter Ainmoniaklösung benötigt wird.
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Selbstverständlich ist das Verfahren auch auf die Darstellung anderer
Aminonitrile anwendbar. Beispiel 2 In 1750 g in einem Autoklaven befindliches
flüssiges Ammoniak werden 2000 ccm 95prozentiges Glykolsäurenitril unter Rühren
bei Zimmertemperatur eingetragen. Die im Verhältnis i Mol Oxynitril : 3,05 Mol Ammoniak
vorliegende Reaktionslösung wird im verschlossenen Autoklaven auf eine Temperatur
von 45 bis 5o ° erwärmt und innerhalb 3 bis 4. Stunden praktisch vollstäUdig zu
Aminonitril umgesetzt. Die nach dem Abkühlen des Autoklaven und Abblasen des nicht
verbrauchten Ammoniaks aus diesem entnommene Lösung wird in gleicher Weise wie in
Beipiel a der Verseifung mit Bariumhy droxydlösung unterworfen und weiterverarbeitet.
Die vom Bariumcarbonatniederschlag befreite Lösung wird im Vakuum zur Trockne eingedampft.
Man erhält 26oo g eines gelblichen Rohproduktes, aus welchem durch Umkristallisieren
2ioo g Glykokoll gewonnen werden. Die Ausbeute an Reinglykokoll beträgt demnach
840;0. Beispiel 3 In 3009 flüssiges, in einem Autoklaven untergebrachtes
Ammoniak werden bei Ziininertemperatur 4879 Milchsäurenitril, vorliegend
als 720 ccm wässerige Oxynitrillösung, durch eine Pumpe eingedrückt. Hierauf
wird
der Autoklaveninhalt auf 45° erwärmt und bei dieser Temperatur
I'/2 Stunden weitergerührt, wonach die Umsetzung beendet ist. Sie verläuft hierbei
praktisch quantitativ (gS bis 991/o). Man läßt das überschüssige Ammoniak zum Teil
abblasen und trägt die erhaltene Aminonitrillösung langsam unter Rühren in eine
go bis ioo° warme Lösung von i25og . Bariumhydroxyd in 1500 g Wasser ein. Nach beendeter
Verseifung leitet man bei 8o ° Kohlendioxyd ein, wodurch das Alanin in Freiheit
gesetzt und alles Barium als Carbonat gefällt wird. Letzteres wird abfiltriert,
ausgewaschen und das Filtrat mitsamt dem Waschwasser im Vakuum stark eingeengt,
worauf das wässerige Konzentrat mit Alkohol versetzt wird. Hierbei fallen ,49o g
Alanin äus vom F. 270'. Die Ausbeute beträgt somit 8o°i° der Theorie. Aus
der alkoholischwässerigen Lösung lassen sich durch Einengen und erneutes Fällen
mit Alkohol noch weitere Alaninmengen gewinnen. Beispiel i Mol Mandelsäurenitril
(i2i ccm) - dargestellt durch Einwirkenlassen molekularer Mengen von frischdestilliertem
Benzaldehyd und wasserfreier Blausäure aufeinander, zunächst io bis 15 Stunden bei
Zimmertemperatur, dann unter Erwärmen auf dem Wasserbad auf 6o1, bis keine wesentlichen
Mengen freier Blausäure mehr nachweisbar sind -wird vorsichtig in iao ccm flüssiges,
in einem emaillierten Autoklaven befindliches Ammoniak innerhalb einer Viertelstunde
eingedrückt, worauf man das Gemisch 2 Stunden auf .4o1 erwärmt. Man läßt hierauf
durch Öffnen des noch warmen Autoklaven das überschüssige Ammoniak abblasen. Der
Rückstand besteht aus a-Aminophenyiessigsäurenitril in Form von gelben, noch etwas
feuchten Kristallen vom F. 52 bis 5q1. Die Ausbeute ist nahezu quantitativ. i Mol
des so erhaltenen Produktes (I33 g) wird in 6 Molen 5 n-Salzsäure (i2oo ccm) kalt
gelöst und 8 Stunden am Rückflußkühler gekocht, worauf alles verseift ist. Die erhaltene
hellrote, klare Lösung wird nach dem Erkalten mit Benzol ausgeschüttelt, wobei geringe
Mengen von Verunreinigungen beseitigt werden und die Lösung hellgelbe Farbe annimmt.
Man verjagt aus ihr das gelöste Benzol durch Erwärmen und versetzt in der Kälte
vorsichtig mit konzentriertem Ammoniakwasser, wobei sich die a-Aminophenylessigsäure
als weißer (u. U. schwachgrauer) Niederschlag abscheidet. Man kühlt einige Zeit
in Eis, nutscht ab, wäscht mit Wasser nach und trocknet. Ausbeute oo°/° der Theorie
(bezogen auf reines Mandelsäurenitril). Der Sublimationspunkt liegt bei i5o bis
I56°. Aus der Mutterlauge kann durch Einengen noch weitere, naturgemäß weniger reine
Aminosäure gewonnen werden.