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Bakteriengärverfahren Die Vergärung von kohlehydrathaltigen Würzen
insbesondere zu ein- oder mehrwertigen Alkoholen oder zu organischen Säuren wird
vielfach in der Weise vorgenommen, daß man zunächst durch eine Vorgärung kleinerer
Würzemengen eine schnelle Vermehrung des Gärungserregers erwirkt und durch Beimischung
des Vorgärs zur Hauptwürze alsdann auch diese relativ schnell in Gärung versetzt.
Bei diesem bekannten Verfahren besitzen Vorgär und Hauptwürze jedoch die gleiche
Zusammensetzung und Konzentration, und es gelingt beispielsweise bei dieser Arbeitsweise
nicht, kohlehydrathaltige Würzen, welche wie etwa stark karamelisierte Melassen,
Sulfitlaugen u. dgl. infolge ihrer Herkunft oder Gewinnungsart gärungshemmende Stoffe
in bedeutenden Mengen enthalten, in den üblichen Konzentrationen von io bis 2o %
vollständig zur Vergärung zu bringen, ohne daß man diese Rohstoffe zuvor einem kostspieligen
Reinigungsprozeß unterwirft.
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Um die hier gegebenen Schwierigkeiten zu vermeiden, ist u. a. zwar
schon vorgeschlagen, die Konzentration der Würzen auf 5 kg Melasse in ioo 1 Maische
herabzusetzen. Die praktische Durchführung dieser Verfahrensweise scheitert jedoch
daran, daß die Gewinnung der Gärungsprodukte durch Destillation aus den vergorenen
Würzen wirtschaftlich nicht mehr durchgeführt werden kann, da ihre Konzentration
außerordentlich gering ist. Auch die Anwendung von teilweise kostspieligen Nährzusätzen
(Eiweißstoffe) hat die praktische Durchführbarkeit des Verfahrens nicht ermöglichen
können.
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Es wurde nun gefunden, daß sich eine restlose Vergärung solcher kohlehydrathaltiger
Würzen in den üblichen Konzentrationen auch ohne vorhergehende Befreiung von gärungshemmenden
Stoffen und ohne Nährzusatz dadurch erzielen läßt, daß man. zunächst nahezu den
ganzen praktisch ausnutzbaren Gärraum mit einer stark verdünnten, etwa 2- bis 6
°/oigen Würze anfüllt. Durch Zugabe des Gärungserregers wird dieselbe in starke
Gärung versetzt, nach kurzer Zeit aber schon durch allmähliche Zugabe von hochkonzentriertem
5o- bis ioo°/Qigem Gärgut bis auf die übliche Konzentration (io bis 2o °/a) gebracht.
Hierbei ändert sich das Volumen des Dünnvorgär nicht sehr erheblich, da Me, lasselösungen
Wasser nur unter gleichzeitiger Kontraktion aufnehmen, und da andererseits das Volumen
des Gärgutes durch die fortlaufende Gasentwicklung vermindert wird.
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Bei Melassesorten, die nur Spuren von Phosphat und Kalk enthalten,
ist zudem ein geringer Zusatz (etwa 1/4 °/o des Melassegewichtes) derselben angebracht.
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Die beschriebene Dünnvorgärung ermöglicht die Vermehrung des Gärungserregers
auch in gärungshemmende Stoffe enthaltenden kohlehydrathaltigen Würzen, da bei der
allmählich wachsenden Konzentration des Gärgutes eine Anpassung derart- erfolgt,
daß derselbe auch bei der späteren hohen Endkonzentration
den gärungshemmenden
Stoffen gegenüber widerstandsfähig und aktiv bleibt. Im Gegensatz hierzu führt jedoch
die bisher übliche konzentrierte Vorgärung bei Würzen, die gärungshemmende Stoffe
enthalten, zur Abschwächung oder gar Abtötung des Gärungserregers.
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Aber auch bei Würzen, die solche Stoffe nicht enthalten, ist die Anwendung
der Dünnvorgärung von Vorteil, da die Würze schneller und in höherer Konzentration
als üblich zur Vergärung gebracht werden kann. Beispiel 4ooo kg Raffineriernelasse
und 5 kg Superphosphat werden in etwa 6o ooo 1 heißem Wasser gelöst, auf zoo° C
erhitzt und nach schneller Abkühlung auf 37° C mit 6ooo bis 8ooo 1 einer in starker
Gärung befindlichen dünnen Getreide- oder Kartoffelkultur des Butvlobacter versetzt.
Es tritt sofort eine starke Angärung, die Dünnvorgärüng ein. Nach etwa 8-bis 16stündiger
Angärung werden weitere 8ooo kg Raffineriemelasse in 8ooo 1 Wasser und to kg Superphosphat
im Verlauf von weiteren to bis 24 Stunden hinzugesetzt, so daß. dann unter Hinzurechnung
des Kondenswassers die Füllung des Gärbottichs insgesamt 8o ooo 1 beträgt. Die bereits
eingesetzte Gärung erleidet durch die Erhöhung der Konzentration keine Abschreckung,
und die restlose Vergärung ist nach etwa 4o Stunden erreicht, worauf die Gärprodukte
in üblicher Weise gewonnen werden.
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Das beschriebene Verfahren, das. weder anwendbar noch beansprucht
ist für solche Fälle, wo es sich um die gleichzeitige oder gar ausschließliche Gewinnung
der Gärungserreger selbst bzw. der Gewinnung von Alkohol mittels Hefe als Gärungserreger
handelt, sichert zwar die restlose Vergärung des Gärgutes und eine gute Ausbeute
an Gärprodukten, liefert aber eine vergorene Maische, die im Gegensatz zu den bisherigen
Verfahren verhältnismäßig wenig Bakterien enthält. Dies ist eine Folge der starken
Konzentrationserhöhung in der zweiten Phase der Gärung, durch die die Vermehrung
der Bakterien zurückgedrängt wird. Hierin liegt auch ein wesentlicher Unterschied
gegenüber dem sogenannten Differential- oder Zulaufverfahren, die in der Hefefabrikation
bzw. bei der Alkoholgewinnung mit Hefe als Gärungserreger angewandt werden. Da es
sich bei diesem Verfahren um die Gewinnung von Alkohol handelt, wird die Konzentration
der Würze nie so stark erhöht, daß dadurch die Vermehrung der Hefe zurückgedrängt
wird. Dagegen ist es bei dem beschriebenen Verfahren, das auch für Bakterien anwendbar
und beansprucht ist, nicht aber für Hefe, Schimmelpilze und ähnliche Gärungserreger,
unbedingt erforderlich, die Vermehrung der Bakterien durch starke Konzentrationserhöhung
zurückzudrängen, um gute Ausbeuten an Gärprodukten zu erzielen.