-
Verfahren zur Gewinnung von Schwefeldioxyd Es ist bekannt, .reines
Schwefeldioxyd aus schwefeldioxydhaltigen Gasgemischen, insbesondere aus Röstgasen,
in der Weise zu gewinnen, daß das Gasgemisch mit Wasser gewaschen und das absorbierte
Schwefeldioxyd aus dem Waschwasser, z. B. durch Kochen, in reiner Form wieder ausgetrieben
wird. Dieses Verfahren. besitzt den :Nachteil, daß zur Reinigung große Mengen Wasser
angewendet werden müssen, da die Löslichkeit des Schwefeldioxyds in Wasser entsprechend
dem niederen Prozentgehalt (4 bis S °/o) bzw. Partialdruck des Schwefeldioxvds in
den Röstgasen nur etwa i bis a °1p beträgt, und dementsprechend für das Wiederaustreiben
durch Auskochen ein erheblicher Aufwand an Wärme erforderlich ist.
-
Es wurde gefunden, daß durch wäßrige Lösungen von Salzen solcher wasserlöslichen,
nicht gasförmige Anhvdride bildenden ein-oder mehrbasischen Säuren, die schwächer
sind als die schweflige Säure, bei gewöhnlicher 'Temperatur wesentlich größerz Mengen
Schwefeldioxyd absorbiert werden können als in reinem Wasser und in wäßrigen Lösungen
der Salze starker Mineralsäuren und daß aus der gesättigten Lösung das Schwefeldioxyd
weitgehend durch Auskochen u. dgl. wieder ausgetrieben werden kann. Die vom Schwefeldioxyd
befreite Lösung kann erneut zur Absorption im Kreislauf verwendet werden. Es hat
sich gezeigt, daß nur solche wasserlösliche Säuren mit Vorteil benutzt werden können,
deren Dissöziationskonstante (bzw. im Falle mehrbasischer Säuren deren Dissoziationskonstante
der ersten Dissoziationsstufe) bei Normaltemperatur kleiner ist als die Dissoziationskonstante
der schwefligen Säure in der ersten Stufe. Für das beanspruchte Verfahren ist es
ferner wesentlich, daß die anzuwendenden Salzlösungen so viel Wasser enthalten,
daß während des ganzen Verfahrens eine homogene Lösung erhalten bleibt und Störungen
des kontinuierlichen Kreisprozesses durch Bildung fester Bodenkörper bzw. durch
Bildung von zwei nicht mischbaren flüssigen Schichten vermieden werden. Ein besonders
starkes reversibles Absorptionsvermögen zeigen die Ammoniumsalze der genannten Säuren.
Ferner haben sich wäßrige Lösungen von alkalischen und insbesondere von Ammoniumsalzen
organischer Oxysäuren, z. B. der Äthy lidenmilchsäure, als vorzügliche Absorptionsmittel
für Schwefeldioxyd erwiesen, aus denen das aufgenommene Gas leicht wieder ausgetrieben
werden kann. Als vorteilhaft für das reversible Absorptionsvermögen hat sich ferner
erwiesen, Lösungen zu verwenden, die neben den genannten Salzen Alkali- oder Ammoniumsulfit
enthalten. Die Herstellung derartiger Lösungen kann in einfacher «reise dadurch
geschehen,
daß man den sulfitfreien Lösungen vor ihrer Verwendung freies Alkali oder Ammoniak
zusetzt. Ebenso erweist sich ein geringer Gehalt an kolloidalen Substanzen als zweckmäßig.
-
Das Verfahren kann z. B. in der Weise ausgeführt werden, daß man die
Absorptionslösung bei gewöhnlicher Temperatur in einem Absorptionsturm im Gegenstrom
zu den Röstgasen führt. Die unten am Turm abfließende Lösung wird .alsdann einem
Auskochkessel zugeleitet und hier von dem aufgenommenen Schwefeldioxyd, das als
vollständig reines Gas entweicht, befreit. Darauf wird die Lösung im Wärmeaustausch
mit der neu in den Auskochkessel eingeführten gesättigten Lauge abgekühlt und in
den Absorptionsturm zurückgeführt. Geringe Mengen Schwefelsäure, die sich bei längerer
Verwendung der Lösung anreichern, können z. B. durch Fällen mit Bariumcarbonat von
-Zeit zu Zeit entfernt werden. Die Absorption kann bei erhöhtem Druck vorgenommen
werden und die Austreibung des Schwefeldioxyds bei vermindertem Druck, gegebenenfalls
unter gleichzeitigem Durchleiten eines Gasstromes. Verwendet man hierzu ein sauerstofffreies
Gas, so gelangt man auch bei gewöhnlichem Druck und. ohne Temperaturerhöhung unmittelbar
zu schwefeldioxydreichen, sauerstofffreien Gasgemischen, die z. B. zur Herstellung
von Hydrosulfit vorteilhaft Verwendung finden können.
-
Gegenüber der bekannten Verwendung gewisser organischer Flüssigkeiten
als Absorptionsmittel, wie Karbol-, Teer= oder Mineralöle, besitzt das vorliegende
Verfahren den Vorteil der Ersparnis an Wärme beim Austreiben des Schwefeldioxyds.
Die Austreibung des Schwefeldioxyds, die mit genügender Schnelligkeit erst beim
Siedepunkt vorgenommen werden -kann, erfordert bei den wesentlich höheren Siedepunkten
dieser Lösungsmittel einen erheblich größeren Wärmeaufwand als bei vorliegendem
Verfahren. Leicht flüchtige Lösungsmittel, wie Alkohole, kommen aber wegen der großen
Verluste, die bei Durchführung des Absorptionsverfahrens eintreten und die nur durch
komplizierte Wiedergewinnungsanlagen mit erheblichen Kosten vermieden werden könnten,
nicht in Frage. Der relativ hohe Preis, die leichte Brennbarkeit, die Notwendigkeit,-
die -Lösungsmittel nach längerem Betrieb zu reinigen, sind weitere wesentliche Nachteile
der bisher vorgeschlagenen organischen Lösungsmittel, die durch das beanspruchte
Verfahren beseitigt werden.
-
Beispiel i In einem Absorptionsturm werden bei gewöhnliclier Temperatur
Röstgase mit einem Gehalt von etwa ; % Schwefeldioxyd einer 3 # 3-noriualen N atriunilactatlüsung
entgegengeführt, wobei das Schwefeldioxyd von der Lösung nahezu restlos aufgenommen
wird. Die Absorptionsfliissigl:eit wird alsdann auf Siedetemperatur erhitzt, wobei
je Liter Lösung 6o g .reines Schwefeldioxyd gasförmig abgegeben werden. Nach dem
Abkühlen kann die Lösung zur Aufnahme neuer Schwefeldioxydmengen jeweils beliebig
oft verwendet werden, ohne an Wirksamkeit einzubüßen. Beispiel e Zwei Teile 8o °/oige
Milchsäure (technische Gärungsmilchsäure) werden mit einem Teil Wasser verdünnt,
worauf zu der Lösung so lange wäßriges Ammoniak zugegeben wird, bis eine schwach
alkalische Reaktion eintritt. Die entstandene Lösung von Ammoniumlactat wird, wie
in Beispiel i beschrieben, der Einwirkung von Röstgasen ausgesetzt. Beim Auskochen
dieser Lösung werden je Liter Lösung 128 g Schwefeldioxvdgas abgegeben. Die Lösung
wird nach dem Erkalten der Absorptionsvorrichtung wieder zugeführt.
-
Beispiel 3 Eine Lösung, die auf -je 4o0 ccm 2 Mole N atriumformiat
und i Mol freie Natronlauge enthält, wird in der beschriebenen Weise zur Absorption
von Schwefeldioxyd aus Röstgasen verwendet. Beim Auskochen werden 96 g Schwefeldioxyd
j e Liter Lösung wieder-, gewonnen. Auch hier kann man den Absorptionsprozeß und
das Auskochen bei gleicher Ausbeute an Schwefeldioxyd beliebig oft wiederholen.
Beispiel 4 Eine wäßrige Lösung, die 1,8 Mol Diammoniumhcdrophosphat im Liter enthält,
wird in der in Beispiel i beschriebenen Weise der Einwirkung von etwa 7 °/oigen
Röstgasen ausgesetzt. Beim Auskochen der bei gewöhnlicher Temperatur gesättigten
Lösung werden je Liter der Lösung 4.2 g Schwefeldioxyd abgegeben. Beispiel In einem
Absorptionsturm werden bei gewöhnlicher Temperatur Röstgase mit einem Gehalt von
etwa ; °4 SO= einer wäßrigen Lösung von glykolsaurem Natrium (pro Liter 392g des
Salzes), der etwas Gelatine zugesetzt ist, entgegengeführt. Nach Sättigung der Lösung
mit Schwefeldioxyd wird diese ausgekocht und darauf von neuem in den Absorptionsturm
geführt. Es werden dabei jedesmal i5o bis ijl g Schwefeldioxyd pro Liter
Lösung absorbiert und beim Auskochen
als konzentriertes Schwefeldiox_ydgas
wiedergewonnen. Infolge der Zugabe von Gelatine. an deren Stelle auch ein anderes
hydrophiles Kolloid verwendet werden kann, ist bei gleichzeitiger Verhinderung der
Einwirkung des Tageslichtes, z. B. beim Arbeiten in einer Steinzeugapparatur, die
Bildung von Schwefelsäure in der Lösung so gering, daß eine Regenerierung der Absorptionsflüssigkeit,
z. B. durch Behandeln mit Bariumcarbonat, erst nach sehr langer Zeit nötig wird.
Beispiel 6 -#"'olumprozent Schwefeldioxyd enthaltendes Röstgas wird durch einen
Ströderwäscher hindurchgeführt, welcher mit einer g,iS Gewichtsprozent NaH.PO, und
3,6o Gewichtsprozent Na=HPO, enthaltenden Lösung beschickt ist. Der Gasstrom wird
so geregelt, daß das pro Minute den Wäscher passierende Gasvolumen etwa das Zweieinhalbfache
des Flüssigkeitsvolumens beträgt. Während der Beladung wird die Temperatur, gegebenenfalls
durch Kühlung, auf höchstens 250 gehalten. Nach 3 Stunden ist die SO.-Aufnahme praktisch
beendet. Die Lösung enthält im Liter 73 g S O-.
-
Durch Erhitzen der Absorptionsflüssigkeit, wobei sich das Arbeiten
mit einer Kolonne als zweckmäßig erweist, wird das absorbierte Schwefeldioxyd wieder
in Freiheit gesetzt. Zwei Drittel des gelösten Schwefeldioxyds sind bereits bei
kurzem Kochen, der Rest etwas schwerer austreibbar. Die von Schwefeldioxyd völlig
oder teilweise befreite Lösung wird hierauf zweckmäßig im Wärmeaustausch abgekühlt
und im Kreislauf erneut der Absorptionsapparatur zugeführt. Beispiel ? In einem
mit Raschigringen ausgesetzten Bleiturm von 4 m Höhe rieselt eine Natriumphosphatlösung
von 9,35 Gewichtsprozent Na H= P04 und 4,i2 Gewichtsprözent Na.HP04 mit einer
Geschwindigkeit von 3,5 1 pro 'i Stunde und i qdm Turmquerschnitt herab. Im Gegenstrom
werden stündlich i,4 cbm (pro i qdm Turmquerschnitt) Röstgas -mit 7 Volumprozent
Schwefeldioxyd durch den Turm geführt. Die abfließende Phosphatlösung enthält im
Liter 789 SO-das den Turm verlassende Abgas c,45 Volumprozent S 02.
-
Bei gleicher Gasgeschwindigkeit, aber verdoppelter Laugenzufuhr, wird
praktisch alles SO., absorbiert. Die Aufladung der PhosliIi:itlösung
beträgt in diesem halle 47 gil SO=.
-
Von dein aufgenommenen Schwefeldioxyd kann etwa die Hälfte bis zwei
Drittel bereits durch kurzes Aufkochen wiedergewonnen werden. Die Lauge wird sodann
gekühlt und erneut auf den Turm aufgegeben.
-
An Stelle von Natriumphospliatlösungen können auch Kalium- oder Ammoniumsalzlösungen
benutzt werden, wobei die Konzentrationen dieser Lösungen, um ein Ausfallen von
Monophosphat zu vermeiden, den bekannten Löslichkeitsverhältnissen der betreffendt.i
Phosphate angepaßt werden müssen.
-
Das Verfahren läßt sich mit Vorteil auch auf die Gewinnung von Schwefeldioxyd
aus schwachen, z. B. 0,3- bis o,4/,i,-en Gasen, wie Endgasen der Schwefelsäurefabrikation,
anwenden. Die pro Volumeneinheit gewinnbare Schwefeldioxvdmenge beträgt hierbei
noch immer ein 1@Zehrfaches derjenigen, die durch Wasser aus den üblichen 7 °/oigen
Röstgasen autgenommen wird.