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Abscheidung von Titandioxydhydrat aus hydrolysierbaren Lösungen von
Titansalzen Die Abscheidung von Titandioxydhydrat erfolgt im allgemeinen aus schwefelsauren
oder salzsauren Lösungen des Titans durch Hydrolyse bei erhöhter Temperatur mit
oder ohne Druck. Hierbei ist es auch bekannt, vor der Hydrolyse eine nicht vollständig
hydrolysierte Titansalzlösung zuzusetzen. Bei der technischen Durchführung dieser
Verfahren haben sich gewisse Schwierigkeiten ergeben, die insbesondere darin bestehen,
daß die Druckhydrolyse einerseits verhältnismäßig grobkörnige Hydrolysate liefert
und eine komplizierte Apparatur für ihre Durchführung erfordert, während anderseits
die Hydrolyse bei Kochtemperatur oder darunter von der genauen Einhaltung bestimmter
Bedingungen (Konzentration, Temperatur, Zeitverlauf usw.) abhängig ist, wenn anders
die Fällungen nicht unvollständig oder ungleichmäßig erfolgen sollen. -Allgemein
beobachtet man, daß zur Auslösung der ersten Fällung eine gewisse Induktionsperiode
erforderlich ist: daraus geht hervor, daß der eigentlichen Fällung ein im scheinbar
homogenen Medium verlaufender Vorprozeß vorausgeht, in welchem vermutlich eine Bildung
amikroskopischer Keime statthat, die ihrerseits als Zentren für die Anlagerung weiterer
hydrolvsierter Teilchen dienen.
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An sich wäre es naheliegend, zu versuchen, die Hydrolyse und ihren
Verlauf dadurch günstig zu beeinflussen, daß man die Lösung mit einem geringen Quantum
aushydrolysierten Produktes von vornherein versetzt, entsprechend den in anderen
Fällen üblichen Impfungsmethoden. Es zeigt sich jedoch, daß die auf gewöhnliche
Art, z. B. durch Druckhydrolyse, abgeschiedenenTitandioxydhydrate nicht imstande
sind, eine solche Keimwirkung auszuüben.
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Es wurde indessen gefunden, daß Hydrolysate bestimmter Beschaffenheit
imstande sind, die angestrebte Keimwirkung auszuüben, so daß hierdurch das Mittel
an Hand gegeben ist, die Hydrolyse durch Zusätze geringfügiger Mengen solcher Keime
bei Temperaturen unterhalb des Siedepunktes rasch und glatt in gesetzmäßiger, reproduzierbarer
Weise zum Ablauf zu bringen.
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Bei näherer Untersuchung der für die Durchführung des Verfahrens geeigneten
Keime zeigte es sich, daß ihre Wirksamkeit im Zusammenhang steht mit ihrer Fähigkeit,
durch Dispersionsmittel ganz oder teilweise in eine anscheinend homogene Lösung
überzugehen.' Insbesonders haben sich nur jene Keime als wirksam erwiesen, welche,
in die zu hydrolysierende Lösung bei gewöhnlicher Temperatur eingebracht, schon
bei mäßigem Erwärmen glatt und rasch in eine anscheinend
homogene
Lösung übergehen. Tritt die Bildung der anscheinend homogenen Lösung nur verhältnismäßig
schwierig und langsam auf, so entspricht dem auch eine geringere Wirksamkeit der
hydrolysierenden Kraft der Keime. Dies ist auch der Grund für die Unwirksamkeit
des durch die üblichen Hydrolyseverfahren abgeschiedenen Titandioxydhydrats, das
nicht mehr fähig ist, unter diesen Bedingungen in Lösung zu gehen.
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Zur Herstellung hochwirksamer Keime hat es sich erforderlich erwiesen,
ihre primäre Ausfällung unter verhältnismäßig engen Bedingungen der Temperatur.
der Acidität der Lösung und des zeitlichen Verlaufes der Darstellung vorzunehmen,
wobei die drei erwähnten Bedingungen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis
stehen.
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Aus den Untersuchungen scheint hervorzugehen, daß die Wirksamkeit
der Keime an einen bestimmten Reifungsgrad gebunden ist,-dessen Erreichen durch
Temperaturerhöhung und hohe Acidität beschleunigt, dessen überschreitung aber durch
die gleichen Faktoren gefördert wird. Daraus geht hervor, daß zur Schaffung definitiver
-Reifungsbedingungen konstante Bedingungen der Acidität und Temperatur unter Berücksichtigung
der gegenseitigen Verhältnisse geschaffen werden müssen und daß anderseits ;die
Zeitdauer der Keimbildung in jedem Falle nicht über die für die Erreichung des Reifungsgrades
notwendige Zeit hinausgehen darf.
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In der Praxis hat sich ergeben, daß die Keimreifung im schwach sauren
Aciditätsgebiet und bei Temperaturen unter und beim Siedepunkt der in Betracht kommenden
Lösungen mit endlicher Geschwindigkeit verläuft und daß bei rascher Abschreckung
der so gewonnenen Lösungen der günstige Zustand der Keime erhalten bleibt. Je langsamer
unter großtechnischen Verhältnissen die Abschreckung erfolgt, desto enger und genauer
muß das Gebiet der Acidität eingehalten werden, sofern nicht noch nachträglich während
der Abkiihlung eine Alterung der Keime eintreten soll. Sind die Keime unter diesen
günstigsten Bedingungen erst einmal bei gewöhnlicher Temperatur erhalten geblieben,
so lassen sie sich erfahrungsgemäß wochenlang in unveränderter Keimkraft aufbewahren.
-Die Darstellung der Keime möge in nachstehendem Beispiel erläutert werden Als Ausgangsmaterial
für die Keimflüssigkeit wird im allgemeinen ein Teil der zu hydrolysierenden Titansalzlösung
dienen, deren Acidität durch alkalische Mittel, wie Natronlauge, Kalilauge, Ammoniak
usw., auf den erwünschten Aciditätsgrad abgestumpft wird. Dieses Abstumpfen kann
entweder durch Zugabe des Abstumpfungsmittels zur Titansalzlösung oder besser durch
Zusatz der Titansalzlösung zu der abgemessenen Menge des Abstumpfungsmittels erfolgen.
Letzterer Weg ist der zweckmäßigere, weil mit Sicherheit vermieden wird, daß das
Gebiet höherer Keimbildungsgeschwindigkeit, das ist das Gebiet höherer Acidität,
vor Erreichung des gewünschten Aciditätsgrades durchlaufen wird. Man kann beispielsweise
einen kleinen Anteil der zu hydrolysierenden Titansalzlösung mit einer gemessenen
Menge verdünnter -Natronlauge (ungefähr
NaOH) auf die angegebene Weise bis zu einem Aciditätsgrad von PH - 4 bis PH - 4,5
abstumpfen, wobei die Einstellung dieser Acidität durch Anwendung von Indikatoren,
wie Methylorange oder Bromphenolblau üsw., geschieht. Ist die gewünschte Einstellung
erfolgt, so erwärmt man die Flüssigkeit zweckmäßig unter Rühren auf etwa 74 bis
8o° und hält sie bei dieser Temperatur etwa 15 bis 30 Minuten. Nach dieser
Behandlung ist die erhaltene Keimflüssigkeit imstande, die gewünschte Wirkung bei
der Hydrolyse auszuüben, - derart, daß etwa i °/o der Keime in bezug auf die abzuscheidende
Menge des Titandioxydhydrats genügt, um in z bis 3 Stunden eine mehr als 95°/oige
Abscheidung des in der Lösung vorhandenen vierwertigen Titans hervorzurufen. Würde
die Keimflüssigkeit bei der hohen Temperatur von 8o° noch längere Zeit gehalten
werden, so tritt eine Überr eifung und Inaktivierung der Keime ein. Die Wirksamkeit
der Keime kann dagegen in vollem Umfange erhalten bleiben, wenn die Temperatur rasch
auf unter 6o° erniedrigt wird, was beispielsweise durch Luftkühlung oder durch Verdünnen
mit kaltem Wasser erfolgen kann. Eine so behandelte Keimflüssigkeit kann wochenlang
unverändert bei gewöhnlicher Temperatur aufbewahrt werden, ohne an Wirksamkeit zu
verlieren.
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Man kann auch bei höheren Aciditätsgraden, beispielsweise bei einem
Aciditätsgrad von PH - 3, arbeiten, wenn man für rasche Abkühlung der in der Wärme
gebildeten Keime sorgt und auch die Erhitzungszeit selbst entsprechend abkürzt.
Umgekehrt kann die Keimdarstellung .bei niedrigeren Aciditätsgraden, beispielsweise
bei einer Acidität von PH - 4,5 bis pH - 6, erfolgen, wenn die Keimbildungstemperatur
erhöht und die Erhitzungszeit verlängert wird.
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Die Wirksamkeit der Keimflüssigkeit kann in allen Fällen daran geprüft
werden, daß im Kleinansatz der Verlauf der Hydrolyse nach Einsaat der hergestellten
Keime analytisch erfolgt oder aber die Dispergierfähigkeit der eingesäten Keimsuspension
geprüft wird.