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Aufschließen von zinnhaltigem Rohgut Die Neigung bestimmter Metalle,
lösliche Sulfosalze zu bilden, ist sowohl analytisch als auch technisch benutzt
worden, um einzelne Metalle oder Metallgruppen von anderen Metallen zu trennen.
Die Umsetzung Alkalisulfid -'- Metallsulfid-Alkalisalz der Metallsulfosäure gilt
bekanntlich auch für das Zinn. Sie ist daher zur Trennung oder Gewinnung des Zinns
verschiedentlich angewendet worden, wobei auch weder das Alkalisulfid noch das Zinnsulfid
von vornherein vorhanden zu sein brauchen, sondern erst im Verlaufe der Umsetzung
gebildet werden können. So schließt man beispielsweise in der Analyse das äußerst
schwer angreifbare Zinndioxyd durch Schmelzen mit einem Überschuß von Soda und Schwefel
auf (vgl. die deutsche Patentschrift 73 826)
und hat dieses Verfahren auch
für. technische Zwecke vorgeschlagen. Das Verschmelzen schwefelfreier oder entschwefelter
Erze mit Natriumsulfat und Kohle, ebenfalls zur Gewinnung von löslichem Sulfostannat,
ist im Schrifttum verschiedentlich beschrieben (vgl. z. B. B o r c h e r s , Zinn-Wismut-Antimon,
Metallhüttenbetriebe, Band IV, Halle 1924, Seite 6o). Auch ist die große Affinität
der einfachen Sulfide des Zinns zu den stark basischen Alkalisulfiden benutzt worden,
um beispielsweise gefälltes Zinnsulfid mit wässerigem Natriumsulfid unmittelbar
in Lösung zu bringen oder auch natürliches Zinnsulfid mit Schwefelnatrium unmittelbar
zu Natriumsulfostannat zu verschmelzen. Die erwähnten Verfahren haben aber zum Teil
große Nachteile, die ihre technische Anwendung verhindern oder erschweren. Meist,
vor allem bei zinnärmerem Gut, sind sie für die Praxis zu teuer wegen der Kosten
für Chemikalien und Wärmeenergie, oder aber die Ausbeuten sind trotz Überschusses
an den erforderlichen Zuschlägen schlecht. Auch die Zusammensetzung des vom Zinn
befreiten Rückstandes spielt eine wichtige Rolle, falls noch andere Metalle gewonnen
werden sollen. Unter Umständen kann z. B. ein Überschuß von Kohle oder eine zu weitgehende
Veränderung des zu verarbeitenden Gutes, hervorgerufen durch die Schmelzung bei
hoher Temperatur, sehr nachteilig sein.
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Es wurde nun gefunden, daß es in überraschend leichter Weise gelingt,
Zinn in Form von Natriumsulfostannat aus zinnhaltigem Gut zu gewinnen, wenn man
letzteres mit einem Überschuß von Natriumsulfhydrat bei höherer Temperatur behandelt.
Das Sulfhydrat setzt sich bei etwa 25o° C mit Zinnsulfid oder Zinnoxyd glatt um,
so d213 das Ausgangsgut mehr oder weniger löslich wird oder durch Auslaugen mit
Wasser praktisch vollständig vom Zinn befreit werden kann. Um gewisse Metalle löslich
zu machen, hat man bereits die Einwirkung von Alkalisulfhydratlauge auf entsprechende
Metallschwefelverbindungen benutzt, insbesondere für die Gewinnung von Antimon und
Arsen sowie bei der Behandlung von Vanadinerzen. So ist vorgeschlagen worden, Sulfide
des Arsens,
Antimons und Zinns mittels Sulfhydratlauge bei etwa
i oo" C zu behandeln zwecks Gewinnung der entsprechenden Metalle. Unter diesen Bedingungen
wird jedoch Zinnsulfid durch Sulfhydratlauge bei weitem nicht so glatt löslich gemacht
wie Arsen- und Antimonsulfid.
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Der Erfindung liegt nun die Erkenntnis zugrunde, daß Zinnverbindungen,
ganz gleich ob oxydischer oder sulfidischer Art, auffallend leicht in Form des Sulfostannates
wasserlöslich gemacht werden können, wenn man das Gut mit Natriumsulfhydrat auf
Temperaturen von a50' und darüber erhitzt. Die Anwendung dieser erhöhten Temperatur
ist wesentlich für die Durchführung des Zinnisolierungsverfahrens.
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Zweckmäßig verfährt man so, daß man das zinnhaltige Gut mit Natriumsulfhydratlösung
tränkt oder durchmischt, das Gemisch langsam in Ofen erhitzt, so daß das Wasser
verdampft, und weiter einige Zeit auf einer Temperatur von etwa 250'C erhält.
Erst bei dieser Temperatur wird Sulfostannat verhältnismäßig glatt und schnell gebildet.
Eine weitere Steigerung der Temperatur auf etwa 400'C und darüber erhöht im allgemeinen
die Reaktionsgeschwindigkeit, liefert jedoch keine größere Endausbeute. Zu starke
Erhitzung bei ungenügendem L uftabschluß schließt unter anderem die Gefahr einer
Oxydation des Reaktionsgutes in sich, die zum Zerfall des gebildeten Sulfostannates
führen kann.
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Die Vorteile dieses Verfahrens bestehen offensichtlich darin, daß
INTatriumsulfhydrat billig ist und als technische Lösung angewandt werden kann;
es ist außerdem im Betriebe besser zu handhaben als beispielsweise Schwefelnatrium.
Die Reaktionstemperatur ist verhältnismäßig niedrig und ohne große Kosten zu erreichen.
Das Auslaugen des Reaktionsgemisches ist sehr einfach, da keine harte Schmelze gebildet
wird, das unveränderte Sulfhydrat sich vielmehr zuerst glatt in Wasser löst und
so das zu laugende Gut weitgehend auflockert. Die Zinnausbeute ist so gut, daß auch
ganz zinnarmes Gut, z. B. mit besonderem Vorteil zinnhaltige Zinkblenden, verarbeitet
werden können.
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Letzteres sei erläutert durch folgendes Beispiel iooo Teile einer
Zinkblende, die etwa ioo,o Zinn enthält, werden fein gemahlen und mit etwa der i1/2fachen
(Gewichts-) Menge einer etwa a5oloigen Lösung von technischem Natriumsulfhydrat
gemischt. Die Mischung wird in einem Muffelofen unter zeitweiligem Durchrühren langsam
erhitzt. Hat der Ofeninhalt eine Temperatur von etwa 25o° C erreicht, so hält man
diese Temperatur noch ungefähr 1/2 Stunde bei und laugt dann das calcinierte Gut
mit Wasser aus. Alles Zinn geht in Lösung und kann entweder elektrolytisch unmittelbar
als Metall oder durch Ausfällen mit verdünnter Schwefelsäure als Zinnsulfid gewonnen
werden.