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Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von Bleichlaugen Bei der
Herstellung von Bleichlaugen aus gasförmigem Chlor einerseits und Lösungen bzw.
Aufschlämmungen von Alkalihydroxyden oder Metallo xvden bzw. -hy droxy den anderseits
ist es bekanntlich sowohl für das Gelingen der Fabrikation als auch für die Beschaffenheit
des Endprodukts von ausschlaggebender Bedeutung, daß das Chlor niemals im Cberschuß
mit der Absorptionsflüssigkeit zusammentrifft. Während beim Einhalten der genannten
Bedingung die Absorption des Chlors, z. B. mit Natronlauge, nach der Reaktion 2
NaOH + C12 > NaOCI + NaCi + H20 quantitativ zur Bildung von Hypochlorit führt, bewirkt
ein Gberschuß von Chlor Bildung von freier unterchloriger Säure nach OH' -@ C12
-> HOC' + Cl' und daraufhin Chloratbildung nach der Gleichung:
CIO' + 2 HCIO > CIO;' + 2 HCI |
bzw. nach der Bruttogleichung
6 NaOH -j- 3 C'2 -> NaCI03 |
5 NaCl + 3 H20. |
Diese Chloratbildung tritt selbstverständlich auch dann ein, wenn etwa an einzelnen
Stellen des Reaktionsraumes die Bedingungen für die angeführte Reaktion gegeben
sind, so z. B. sehr leicht an der Eintrittsstelle des Chlors oder überhaupt, wenn
mit Chlor bereits weitgehend gesättigte Flüssigkeit mit neuem Chlor von hoher Konzentration
in Berührung kommt, also z. B. beim Arbeiten nach dem Gegenstromprinzip.
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Die teilweise Bildung von Chlorat bei der Fabrikation von Bleichlaugen
mit bestimmtem Gehalt an bleichendem Chlor verursacht einen entsprechenden Mehraufwand
an den beiden Rohmaterialien. Sie ist außerdem von Nachteil in bezug auf die Beschaffenheit
und Haltbarkeit des Endproduktes. Da bei dem Vorgang der Chloratbildung, wie die
Reaktionsgleichung zeigt, zugleich erhebliche Mengen Chlornatrium entstehen, steigt
der Gehalt der fertigen Bleichlaugen an Neutralsalzen beträchtlich an. Ein hoher
Gehalt an Neutralsalzen verringert aber, wie neuere Untersuchungen (K a u f f m
a n n , Bleichlaugen und Bleichverlauf, Zeitsch.r. f. angewandte Chemie 1924, S.
364) gezeigt haben, die Haltbarkeit der Bleichlaugen.
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Aus diesen Gründen ist es bei der technischen Herstellung von Bleichlaugen
von wesentlicher Bedeutung, die Bedingungen für die Chloratbildung, d. h. also in
erster Linie das Auftreten von überschüssigem Chlor in
der Herstellungsapparatur,
zu vermeiden. Ein gutes Kriterium hierfür bildet die Errechnung der bei der Herstellung
von Bleichlaugen nach verschiedenen Methoden bzw. in verschiedenenApparaten erzielten
Ausbeuteziffern.
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Bei der technischen Herstellung von Bleichlaugen aus Chlor und einer
Auflösung oder Aufschlämmung eines Metallhydroxyds oder -oxyds kann man entweder
so verfahren, daß man das Chlor in die Absorptionsflüssigkeit einleitet, oder man
läßt umgekehrt die Absorptionsflüssigkeit in einen mit Chlorgas oder Gemischen von
Chlor und indifferenten Gasen gefüllten Reaktionsraum eintreten.
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Während die ersterwähnte Arbeitsmethode hauptsächlich bei der Verarbeitung
von flüssigem Chlor angewendet wird, weil das unter Druck befindliche Chlor den
hydrostatischen Druck der Flüssigkeit ohne weiteres überwindet, findet die zweite
Methode zweckmäßigerweise Anwendung bei der Verarbeitung von gasförmigem und unter
schwachem Unterdruck befindlichem Chlor, wie es z. B. bei der Alkalichloridelektrolyse
anfällt und direkt von den Zellen mittels Ventilatoren abgesaugt und aus bekannten
Gründen unter Unterdruck weiterverarbeitet wird.
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Bei ersterer Arbeitsmethode vermeidet man bekanntlich die örtliche
Übersättigung an der Eintrittsstelle des Chlors durch kräftiges Rühren oder auch
durch eine zwangläufige Bewegung der Absorptionsflüssigkeit an der Eintrittsstelle
des Chlors vorbei, etwa durch eine Steinzeugschlange.
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Bei der nveiterwähnten Arbeitsmethode nimmt man gewöhnlich die Absorption
in einem der bekannten, mit Füllkörpern ausgesetzten Absorptionstiirme aus Steinzeug
vor, in dem sich Chlor und Absorptionsflüssigkeit im Gegenstrom hegegnen und die
Flüssigkeit mit Hilfe von Pumpen so lange im Kreislauf aus einem Gefäß über den
Turm und wieder ins Gefäß zurückbewegt wird, bis der Inhalt des Gefäßes gesättigt
ist. Die Vermeidung eines Chlorüberschusses bei der Herstellung von Bleichlaugen
ist mit Hilfe derartiger Absorptionstürme auch bei Anwendung von verdünntem Chlor
nur unvollkommen zu erreiclien. Es werden unter bestimmten Arbeitsbedingungen Ausbeuten
von durchschnittlich etwa 85 °/o erzielt, wohingegen bei dem nachstehend
beschriebenen Verfahren unter den gleichen Arbeitsbedingungen Ausbeuten von 95 °1`o
und darüber erreicht werden, wie die weiter unten bei den Vergleichsversuchen aufgefiihrten
Beispiele zeigen werden. Es gelingt sonach, die unerwünschte Chloratb.ildung weitgehend
zu vermeiden, wenn man das im nachstehenden beschriebene Verfahren anwendet.
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Das Verfahren stellt eine Verbesserung der zweiterwähnten Arbeitsweise
dar und besteht grundsätzlich darin, daß man die Absorptionsflüssigkeit, wie üblich,
im Kreislauf führt, wobei das mit indifferenten Gasen gemischte Chlor im Reaktionsraum
in gleicher Richtung, aber langsamer wandert wie die Absorptionsflüssigkeit.
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Eine derartige Anordnung läßt sich auf einfache Weise wie folgt erzielen.
Man verdünnt das zu absorbierende Chlor in bekannter Weise durch Zusaugen oder auch
Einblasen eines indifferenten Gases, also z. B. Luft. Das so erhaltene Gasgemisch
mit z. B. 5o °/" Chlor läßt man den Reaktionsraum, z. B. einen zu "/h leeren und
im unteren Viertel mit Füllkörpern ausgesetzten Steinzeugturm von oben nach unten
durchströmen und gleichzeitig die durch passende Vorrichtungen in den Reaktionsraum
eingeführte und in bekannter Weise zu Tropfen oder dünnen Strahlen verteilte Flüssigkeit
in gleicher Richtung sich hindurchbewegen, derart, daß man die Apparatur und Betriebsweise
so wählt, daß stets Geschwindigkeit der Flüssigkeitsteilchen (- VFI) mindestens
gleich, besser aber größer ist .als ,die Geschwindigkeit des Gases (-
V,),
also VFi > Vg. Dadurch wird erreicht, @daß die Flüssigkeitsteilchen
bei ihrem Eintritt in das Gasmedium mit dem zu absorbierenden Gas reagieren und
dieses dabei teilweise aufnehmen. Da aber die Flüssigkeitsteile eine höhere Geschwindigkeit
wie die Gasteilchen besitzen, also die letzteren überholen, dabei aber immer einen
Teil des Chlors absorbieren, so kommen sie mit desto verdünnterem Gase in Berührung,
j e weiter sie sich vorwärts bewegen. Durch. dieses Verfahren wird ein Zusammentreffen
von bereits weitgehend mit Chlor gesättigter Lauge mit konzentriertem Chlor vermieden
und die Möglichkeit einer mit solchem leicht eintretenden übersättigung und damit
Chloratbildung erheblich verringert.
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Ein Vergleich der beschriebener. Arbeitsweise mit dem üblichen Verfahren
nach dem Gegenstromprinzip einerseits und dem Gleichstromverfahren, wobei hFI
G Y', anderseits ergibt folgendes: Beim Gegenstromprinzip passiert die. Absorptionsflüssigkeit
den Turm von oben nach unten und absorbiert das von unten nach oben strömende Chlor.
Lauge, die bereits erhebliche Mengen Chlor aufgenominen hat, kommt daher mit um
so konzentrierterem Chlor in Berührung, je weiter sie wandert. Eine Übersättigung
ist infolgedessen leicht möglich.
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Beim Vergleich mit der Arbeitsweise im Gleichstrom, wobei VFI <
h, ergibt sich: In beiden Fällen besteht im Strömungszustanrie ein Konzentrationsabfall
bezüglich des Chlors in der Wanderungsrichtung der Flüssigkeit.
Irn
einen Falle (hFI < Tle) wird dieses Konzentrationsgefälle von der Absorptionsflüssigkeit
so langsam passiert, daß 'die Flüssigkeitsteile immer wieder von frischem, relativ
konzentriertem Chlor eingeholt werden, während im andern Falle (VFI > he)
die Flüssigkeit durch ihre höhere Geschwindigkeit einer Berührung mit konzentriertem
Chlor rasch entzogen wird, ihr gewissermaßen davoneilt. Es ist selbstverständlich,
daß diese Unterschiede in der Arbeitsweise vor allem erst gegen Ende des Prozesses
zur Wirkung kommen, wenn das Alkalihydroxyd fast vollständig aufgebraucht ist und
die Gefahr der Cbersättigung also nahel.iegt.
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Der durch die beschriebene Anordnung zu erreichende Vorteil i. gegenüber
der Arbeitsweise im Gegenstrom und mit Füllmaterial ausgesetztem Turm und 2. gegenüber
der Arbeitsweise im Gleichstrom und mit Füllmaterial ausgesetztem Turm, wobei hF1
< Tls, wird durch die nachstehend aufgeführten Vergleichsversuche gezeigt.
Vergleichsversuche a. Gegenstromprinzip Die Absorption des Chlors wurde in einem
Steinzeugturm von 6 m Höhe und 8oo mm lichtem Durchmesser vorgenommen. Der Turm
war in der üblichen Weise bis an das obere Gasaustrittsrohr mit einem Füllmaterial
ausgesetzt, und zwar bei vorliegendem Versuch mit prismenförmigen Kunststeinen.
Das-Chlor wurde vor dem Eintritt in den Reaktionsturm durch Zusaugen von Luft auf
einen Gehalt von etwa 2o Volumenprozent Chlor verdünnt. Der Gasstrom (28 m3 pro
Stunde) trat seitlich ,unten in den Reaktionsturin ein und verließ ihn oben seitlich
wieder. Als Absorptionsflüssigkeit für das Chlor diente eine Natronlauge mit
230 g NaOH im Liter. Die den Turm pro Zeiteinheit passierende Laugenmenge
betrug 251/min. Zur Verteilung der Lauge war ein gewöhnlicher Fächerdeckel mit Verteilergefäß
aus Steinzeug auf den Turm aufgesetzt worden. Die Lauge trat durch den Verteiler
in den Turm ein, verließ ihn unten. durch einen sip bonartig gestalteten Auslauf
und gelangte dann in ein Sammelgefäß, von wo aus sie bis zur Sättigung immer wieder
über den Turm gepumpt wurde. Bei dieser Arbeitsweise wurden Ausbeuten von 86 °/"
erzielt. b. Gleichstromprinzip, wobei hp1 < l',. Der Absorptionsturm und
die Arbeitsweise waren dieselben wie bei a, nur mit dem einen Unterschied, daß der
Gasstrom seitlich oben eintrat und ihn seitlich unten wieder verließ. Hierbei war
die durchschnittliche Geschwindigkeit der an den Füllkörpern herablaufenden Flüssigkeit
kleiner als die Geschwindigkeit des Gasstroms, der die engen üftnungen z%vischen
dem Füllmaterial durchzustreichen hatte, also VFI < Vg, hg. - etwa 6 cm
pro Sek. VFI - 4 cm pro Sek. Die erreichte Ausbeute betrug 84. "/". c. Gleicbstrornprinzip,wobei
VFI > v, Der hierbei verwendete Steinzeugturm hatte dieselben Dimensionen
wie bei a, war aber zu % ohne Füllung, das untere Viertel war lediglich der restlosen
Absorption wegen mit den obenerwähnten Prismensteinen ausgesetzt. Die Menge und
Zusammensetzung des durchpassierenden Gasstromes und der Absorptionsflüssigkeit
waren dieselben wie bei a. Der Gasstrom trat seitlich oben, die Flüssigkeit durch
den gleichen Verteiler wie bei a in den Turm ein. Gas und Flüssigkeit passierten
den Turm so, daß die in dünne Strahlen zerteilte Flüssigkeit frei durch das in derselben
Richtung strömende Gas durchfiel, derart, daß VFI > Tlg, wind zwar betrug
VFI- etwa 50 cm pro Sek. (oben), bis goo cm pro Sek. (unten) und
V, =etwa i,5 bis 2 cm pro Sek. Das chlorfreie Gas verließ den Turm
seitlich unten. Der Auslauf für die Flüssigkeit2 die Sammelgrube usw. waren ebenso
gestaltet, wie bei a beschrieben. Nach diesem Gleichstromprinzip wurden Ausbeuten
von etwa 95 °/" erreicht. Die gleichen Ausbeuten werden bei einem Turm ohne Füllmaterial
erzielt.
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Um auch den Unterschied zwischen der Anwendung von unverdünntem und
verdünntem Chlor zu zeigen, sind unter d und e zwei diesbezügliche, in einer kleinen
Versuchsapparatur durchgeführte Versuche mit verdünntem und unverdünntem Chlor aufgeführt.
d. Unverdünntes Chlor Die Höhe des röhrenförmigen Reaktionsraumes betrug etwa i
m, die Schichthöhe der eingeschütteten Füllkörper etwa 1/.1 davon, der Durchmesser
des Rohres d. cm; in den oberen Teil des Rohres mündeten außer denn Gaseintrittsrohr
ein Laugeneinlaufrohr. Die durchlaufende Laugenmenge betrug etwa 4.o ccm/min, die
Chlormenge 5oo ccm/inin, VFI- etwa 5o cmisek. und mehr. Tl, - 2 bis 3 cm
pro Sek. Die Absorptionsflüssigkeit gelangte ebenso wie bei a, b und c durch einen
siphonartig gestalteten Zu- und Auslauf in den Reaktionsraum und wieder heraus.
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Beim Einleiten von unverdünntem Chlor in die Apparatur wurde eine
Ausbeute von 8o °I" erzielt.
' e. Verdünntes Chlor Die Apparatur
-Lind Arbeitsweise war die gleiche, wie bei d beschrieben, nur wurde mit etwa 4oprozentigem
Chlor gearbeitet. Ausbeute 96 %.
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Die Leistung der unter c beschriebenen Gleichstromapparatur kann im
Gegensatz zu den unter a und b beschriebenen Verfahren gesteigert werden durch Erhöhung
der den Turm passierenden Laugenmengen auf das Doppelte (5o 1jmin) und Erhöhung
der den Turm pro Zeiteinheit passierenden Gasmenge auf das Vierfache (also etwa
iio m3 2oprozentiges Chlor pro Stunde), ohne daß dadurch eine wesentliche Ausbeuteverminderung
eintritt. Bei dieser intensiven Betriebsweise der Apparatur ist es von Vorteil,
zur Einführung der beiden Reaktionskomponenten einen Verteiler zu verwenden, bei
dem der zugehörige Fächerdeckel außer den in bekannter Weise ausgeführten Einlauföffnungen
mit Glockenverschluß für die Flüssigkeit noch ein oder mehrere symmetrisch angeordnete
Durchgangsrohre für den Gasstrom enthält. Dadurch wird ein Eintreten des Gases von
oben, also in der Fortbewegungsrichtung der Flüssigkeit ermöglicht. Bei seitlichem
Eintritt des Gases unter den genannten Arbeitsbedingungen wird durch Aufprallen
des Gasstromes auf die der Eintrittsöffnung gegenüberliegende: Wandung des Turmes
und die dadurch verursachte Wirbelbildung und Ungleichmäßigkeit des Gasstromes bereits
eine erhöhte Chloratbildung und damit Ausbeuteverminderurig bemerkbar.