-
Verfahren zur Entschwefelung von Naphthalin Es ist bekannt, daß die
in Gegenwart metallischer Katalysatoren durchzuführende Hydrierung von Naphthalin
nur dann ohne Schwierigkeiten und mit technisch befriedigenden Ausbeuten verläuft,.
wenn das angewandte Naphthalin vor der Hydrierung von seinen als Katalysatorgiften
wirkenden Schwefelverbindungen befreit worden ist. Es ist ferner bekannt (Berichte
der Deutschen chemischen Gesellschaft 53, 1553 [=92o]), daß im Fall des Naphthalins
dieser schwefelhaltige Begleitkörper anscheinend ausschließlich aus einer das Naphthalin
begleitenden Verbindung, dem Thionaphthen, besteht. Letzteres, den Schwefel in aromatischer,
ringförmiger Bindung enthaltend, gehört zu den beständigsten aller schwefelhaltigen
Verbindungen. Es bleibt auch bei eingehender Behandlungjmit den in anderen Fällen
entschwefelnd wirkenden Mitteln, wie z. B. den Oxyden der Schwermetalle, unverändert
und ist durch schmelzendes Alkali selbst bei seinem Kochpunkt nicht angreifbar.
-
Es wurde nun gefunden, daß es dennoch gewisse Temperaturbereiche gibt,
innerhalb welcher das Thionaphthen von den Ätzalkalien, insbesondere Kalihydrat,
unter Aufspaltung und Überführung in alkalilösliche Verbindungen angegriffen wird,
und daß sich infolgedessen unter Einhaltung dieser Temperaturen eine Entschwefelung
des Rohnaphthalins in überraschend einfacher und glatter Weise durch Behandlung
mit Alkalihydroxyd durchführen läßt. Es wurde festgestellt, daß beim Erhitzen von
Rohnaphthalin mit Ätzalkalien auf Temperaturen über 28o' unter Druck eine völlige
Entschwefelung des Naphthalins erzielt wird, und daß das so gereinigte Naphthalin
in der gleichen Weise wie das nach den üblichen Reinigungsverfahren mit Natrium
erhaltene Erzeugnis der Hydrierung unterworfen werden kann. Die Anwesenheit der
im Rohnaphthalin stets vorhandenen kleinen Mengen Phenole und anderer Verunreinigungen
vom Charakter des Cumarons und Indens stört die Entschwefelung mittels Alkalis nicht,
trotzdem auch diese Körper von den Alkalien angegriffen und in leicht abscheidbare
Alkaliverbindungen übergeführt werden.
-
In der Patentschrift 290 563 wurde bereits vorgeschlagen, Kohlenwasserstoffe,
und zwar Erdöl und diesem ähnliche Gemische, unter dem Druck eines Gases in Gegenwart
von Metalloxyden oder Hydroxyden bei höherer Temperatur zu entschwefeln, doch handelt
es sich hierbei um ein gegenüber dem Rohnaphthalin chemisch völlig anders geartetes
Ausgangsmaterial, dessen schwefelhaltige Verunreinigungen, soweit sie überhaupt
bekannt sind, hauptsächlich aus Mercaptanen und verhältnismäßig leicht aufspaltbaren
Sulfiden aliphatischen Charakters bestehen (vgl. Engler-Höfer »Das Erdöl« 1913,
I, S. 473, 475, 477)- Soweit diese nicht bereits als solche mit Metalloxyden reagieren
(Frasch-Verfahren), darf nach der Beschreibung
der erwähnten Patentschrift
angenommen werden, daß sie bei höhererTemperatiir, und zwar unter dem Einfluß hohen
Gasdruckes, insbesondere wenn dieser als Wasserstoffdruck zur Anwendung gelangt,
eine Aufspaltung in dem Sinne erfahren, daß der Schwefel dieser Körper in Form von
Schwefelwasserstoff oder dessen organischen Abkömmlingen (Mercaptanen) sich mit
dem Metalloxyd verbindet. Demgegenüber enthält das Rohnaphthalin praktisch nur eine
einzige, einheitliche, organische Schwefelverbindung, nämlich das Thionaphthen,
welches infolge seiner den Charakter aromatischer Kohlenwasserstoffe tragenden Struktur
zu den beständigsten aller organischen Schwefelverbindungen gehört und von welchem
daher auf Grund des Verhaltens der Erdöle sich keineswegs voraussehen ließ, daß
es sich mit Ätzalkalien bei hoher Temperatur und ohne Anwendung eines komprimierten
Gases aufspalten lassen würde.
-
In der Patentschrift 13o 679 ist ferner vorgeschlagen worden,
sauerstoff- und schwefelhaltige Begleitkörper hochsiedender Teerkohlenwasserstoffe,
und zwar solche, die der Diarylenoxyd-und der Diarylensulfidreihe angehören, dadurch
zur Abscheidung zu bringen, daß man sie durch Behandlung der sie enthaltenden Kohlenwasserstoffgemische
mit Ätzkali in alkalilösliche Verbindungen überführt und letztere durch weitere
Behandluhg verarbeitet. Dieses Verfahren bezieht sich indessen, wie aus der Beschreibung
der erwähnten Patentschrift hervorgeht, nur auf Fraktionen des Steinkohlenteers,
welche durch ihren Siedepunkt und ihre Zusammensetzung sich ganz wesentlich von
dem Rohnaphthalin unterscheiden und daher in ihrem chemischen Verhalten keinen Vergleich
mit letzterem zulassen.
-
Das erste Glied der in dem Verfahren der Patentschrift i3o 679 als
Ausgangsmaterial auftretenden Alphylenoxydgruppe ist das bei 287'
siedende
Diphenylenoxyd. Das erste Glied der entsprechenden schwefelhaltigen Verbindung ist
das bei 332' übergehende Diphenylensulfid. Beide Verbindungen können ebensowenig
hinsichtlich ihres Verhaltens gegen Alkali mit dem im Rohnaphthalin auftretenden
Thionaphthen verglichen werden wie die hochsiedenden Fraktionen, in denen die erstgenannten
Verbindungen sich finden, mit dem bei 218' siedenden Rohnaphthalin selbst. Auch
chemisch besteht prinzipiell ein Unterschied zwischen beiden Reaktionen. Bei dem
Aufspalten der Arylenoxyde handelt es sich um eine reine Hydrolyse, die mit Wasserabspaltung
verbunden ist. Bei der Überführung des Thionaphthens durch Alkali in lösliche Verbindungen
nach dem vorliegenden Verfahren dagegen handelt es sich um eine Reaktion, die sich
keineswegs als reine Hydrolyse formulieren läßt, sondern von einerOxydationswirkung
des Alkalis notwendigerweise begleitet sein muß.
-
Auch das in der Patentschrift 327 05o beschriebene Verfahren,
bei welchem schwefelhaltige Schieferöle dadurch von dunkeln und übelriechenden Begleitern
befreit werden, daß man sie mit Alkalihydroxyden, insbesondere Natronkalk, behandelt,
weist nur äußerlich eine Ähnlichkeit mit dem vorliegenden Verfahren zur Entschwefelung
von Rohnaphthalin auf. Es unterscheidet sich von letzterem prinzipiell dadurch,
daß es einen Weg zeigt, schwefelhaltige Öle zu reinigen, also die schwefelhaltigen
Körper in den Ausgangsstoffen zu erhalten, ja, anzureichern, während die Behandlung
des Rohnaphthalins mit Alkali bei hoher Temperatur gerade die Entfernung der schwefelhaltigen
Begleiter durch Überführung der letzteren in lösliche Produkte bezweckt. Aus dem
Verfahren der letzterwähnten Patentschrift hätte man den Schluß ziehen müssen, daß
das Erhitzen schwefelhaltiger Kohlenwasserstoffgemische mit Alkali in letzteren
die Schwefelverbindungen nicht angreift, sondern anreichert, so daß die in der vorliegenden
Erfindung beschriebene Wirkung des Alkalis auf schwefelhaltiges Rohnaphthalin unerwartet
und überraschend erscheint. Beispiel iooo kg gepreßtes Rohnaphthalin werden in einem
mit Rührwerk versehenen Autoklaven mit 5o kg Ätzkali unter Rühren 5 ,Stunden auf
300' erhitzt, wobei der Druck' nicht über io Atm. steigt. Nach dieser Zeit
wird das urangegriffen gebliebene Naphthalin von den Kaliverbindungen, welche sich
leicht und glatt zu Boden setzen, abdestilliert oder abgegossen und kann unmittelbar
zur Hydrierung nach bekannten Verfahren Verwendung finden. Aus den alkalischen Rückständen,
welche die Phenole des Rohnaphthalins sowie die Aufspaltungsprodukte des Thionaphthens
enthalten, läßt sich das Kali nach bekannten Verfahren wiedergewinnen.