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Verfahren zur Herstellung nicht ausflockender, haltbarer und wirksamer
Arzneimittelkombinationen, welche kolloidale Kieselsäure als Grundlage enthalten
In den letzten Jahren ist der Kieselsäurebehandlung verschiedener Krankheiten erhöhte
Beachtung geschenkt worden. Insbesondere bei der Tuberkulose erscheinen die günstigen
Wirkungen heute unbestritten; ganz allgemein kann gesagt werden, daß überall dort,
wo neues Bindegewebe gebildet werden soll, auch lösliche Kieselsäure vorhanden sein
muß.
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Das einfachste für die Darreichung in Betracht kommende Kieselsäurepräparat
wäre das übliche Natronsilikat, das aber in wäßriger Lösung derart stark dissoziiert
ist, daß seine Alkalikomponente restlos austitriert werden kann. Werden hierbei
starke Mineralsäuren verwendet, so gelatiniert die Lösung je nach Konzentration
mehr oder minder rasch unter Abscheidung des Kieselsäuregels, dessen Unlöslichkeit
eine weitere Verwendung ausschließt. Nach Fr. B r e e s t, Biochem. Zt. 1920, S.
416, wird das Kieselsäurehydrat selbst nicht mehr resorbiert. Reine lösliche Kieselsäuresole
sind auch in dünnen Lösungen schwierig haltbar, sie streben der Koagulation zu;
durch Elektrolyte werden sie nach einer gewissen Zeit oder auch spontan ausgeflockt.
Für die subkutane bzw. intravenöse Einverleibung ist aber die Darreichung der Kieselsäure
in Form eines haltbaren Elektrolytsystems erwünscht, einmal, um nach Möglichkeit
die Isotonie der Körpersäfte nicht zu stören, dann aber, um unerwünschte und schädigende
Ausflockungen zu vermeiden. -Aus diesem letzteren Grunde muß aber auch der Alkaliüberschuß
der Silikatlösung bis auf einen die Körpersäfte nicht mehr schädigenden Betrag herabgesetzt
werden, wobei aber die Kieselsäurekomponente immer noch gelöst verbleiben muß.
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Es hat sich nun herausgestellt, daß, so gering die Haltbarkeit des
Kieselsäuresols in einer bei Gegenwart von Phenolphtalein neutralisierten Silikatlösung
auch ist, in unmittelbarer Nähe des Neutralitätspunktes Gleichgewichtslagen geschaffen
werden können, in denen die Kieselsäuresole, auch in einem Elektrolytsystem, eine
hervorragende Haltbarkeit aufweisen und selbst durch länger dauerndes Kochen nicht
ausgeflockt werden. Besonders wichtig erscheint die Tatsache, daß hierbei an sich
therapeutisch wichtige Stoffe, wie Schwefel, Arsen, Antimon, Gold u. a., als einbettendes
Elektrolytsubstrat Verwendung finden können.
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Erfindungsgemäß können wirksame Arzneimittelkombinationen mit haltbaren
Kiesel- -säuregrundlagen in der Weise hergestellt werden, daß beispielsweise Natronsilikatlösungen
bei Gegenwart von Phenolphtalein oder Lackmus als Indikator über den Neutralitätspunkt
hinaus mit saure Salze bildenden, anorganischen oder organischen Säuren abgesättigt
werden. Andererseits kann die Abschwächung der Basizität der Silikatlösung unter
- Wahrung der Kieselsäurelöslichkeit auch derart vorgenommen werden, daß alkali=
lösliche Sulfide in der Silikatlösung aufgelöst
werden, wobei schwach
alkalisch reagierende Elektrolytsysteme entstehen, die in einfacher Weise und ohne
Ausflockung der Kieselsäure mit kolloiden Goldhydratlösungen sich umsetzen lassen.
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Wird beispielsweise eine 5prozentige Lösung von kristallisiertem Natronsilikat
des Handels mit einer ioprozentigen Lösung von Phosphorsäure bei Gegenwart von Phenolphtalein
in solchem Verhältnis neutralisiert, daß sich hierbei aus dem vorhandenen Alkali
das basisch reagierende tertiäre Phosphat bilden kann, so flockt die Kieselsäure
selbst beim Kochen dieser Lösung nicht aus. Es liegt eine regelrechte haltbare Auflösung
von Kieselsäuresol in Natriumphosphat vor oder auch umgekehrt, falls die Kieselsäure
als Träger des Elektrolyten angesprochen werden soll. Wird die Neutralisation jedoch
gemäß Beispiel e nur bis zum sekundären Phosphat durchgeführt, so tritt nach einigen
Stunden bei konzentrierteren Lösungen spontan Ausflockung ein, nicht mehr aber und
auch nicht beim Kochen, wenn die Absättigung nur bis zur Bildung des primären Phosphats"
vorgenommen wird, gleichgültig, ob es sich um 5- oder ioprozentige Silikatlösungen
handelt und ob man io- oder 2oprozentige Phosphorsäurelösungen zur Absättigung verwendet.
Derartig abgesättigte Lösungen vertragen. überraschenderweise auch länger dauerndes
Kochen ohne sichtbare Beeinflussung der gebildeten Gleichgewichtslage. Angesichts
der besonderen Wichtigkeit der primären Phosphate für die Muskeltätigkeit; wie sie
sich in überzeugender Weise aus- den Untersuchungen E m b d e n s und seiner Mitarbeiter
ergibt, stellt die Kombination dieser Phosphate mit Kieselsäure in einem stabilen
System eine überraschende und für die Behandlung der Tuberkulose sowie der verschiedenen
Formen von Artritiden besonders geeignete Auwendungsformen dar.
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Noch eigenartiger erfolgt die Neutralisation des Natronsilikats bei
Gegenwart von Weinsäure.
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Im . Neutralitätspunkt gemäß Beispiel 5 tritt je nach Konzentration
spontan Ausflockung ein. Wird jedoch die Absättigung mit einem überschuß an Säure
durchgeführt, so daß saure Salze bzw. Zwischenstufen bis zum sauren, halbsauren
bzw. viertelsauren Salz entstehen, so 'tritt selbst beim Kochen Ausflockung nicht
ein, Es entstehen- geschmacklich einwandfreie, sowohl für die orale als auch für
die parenterale Einverleibung der Kieselsäure vorzüglich geeignete Systeme, die
sowohl für sich oder in den nachfolgend beschriebenen Kombinationen Verwendung finden
können.
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Wird nun andererseits das Alkali derart gebunden, daß alkalische Salze
entstehen können, so lassen sich ebenfalls haltbare Gleichgewichtslagen erhalten,
welche die verschiedenartigsten therapeutischen Anwendungsformen gestatten.
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So lösen sich Goldschwefel und Schwefelarsen, wie sich aus den folgenden
Beispielen ergibt, unter bestimmten Konzentrationsverhältnissen glatt und schon
bei gewöhnlicher Temperatur in Natronsilikatlösung auf. Es bilden sich hierbei die
entsprechenden Sulfosalze, Arseniate und Antimoniate neben Kieselsäure, die in kolloidlöslicher
Form verbleibt. Werden nunmehr diese Lösungen bis zur eben beginnenden Ausflockung
des gelösten Sulfids in der Kälte mit Weinsäure neutralisiert und die entstandene
Trübung durch kurzes Aufkochen weggebracht, so entstehen klare, haltbare, chemisch
gut ausgeglichene Systeme, die selbst durch Kochen keine Veränderung weiter erleiden.
Unter bestimmten Bedingungen lassen sich diese mit kolloiden Goldhydraten kombinieren
und für therapeutische Zwecke verwenden.
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Im Hinblick darauf, daß sich für die spezifische Metallbehandlung
verschiedener Krankheiten neuerdings immer weitere Aussichten eröffnen (es sei hier
nur an die Goldbehandlung der Tuberkulose, an die Spezifität des Quecksilbers, des
Silbers, Antimons, Arsens, an die neuerdings propagierte parenterale Eisentherapie
usw. erinnert), bietet die Kieselsäure, die an sich schon für bestimmte Anwendungsgebiete
eine ausgesprochene Spezifität aufweist, unter den geschilderten Arbeitsbedingungen
überraschende Möglichkeiten zur Herstellung beliebiger, chemisch wohl definierter,
in sich ausgeglichener therapeutisch anwendbarer Kombinationen, die j e nach Bedarf
den aktiven Stoff als Elektrolyt oder in kolloider Form enthalten können und für
die parenterale Behandlung geeignet sind. Beispiel i Ausgehend von einer Natriumsilikatlösung
mit 1145 g Na OH und i,io g Si 0, in ioo ccm werden zwecks Bildung von tertiärem
Phosphat 2o ccm dieser Lösung mit 2,35 ccm einer ioprozentigen Phosphorsäurelösung
versetzt. Die Lösung bleibt blank und läßt sich ohne Veränderung aufkochen. Zu Beispiel
i 3 Si03Na. +`2 H3 P04 - 2 Na. PO, + 3 H20 + 3 Si02 =8o Na20 --_ 196 H3 P04 1,45
g Na OH = 1,12 g Na20 = =,2o g H3 P04 20 ccm = 0,224 g Na20 = 0,235 g H3
P04 = 2,35 ccm ioprozentig.
Beispiel e Zwecks Umwandlung des Alkalis
in sekundäres Phosphat werden weitere 2o ccm mit 3,5 der vorbeschriebenen Phosphorsäurelösung
abgesättigt. Es entsteht eine gegen Phenolphtalein neutrale Flüssigkeit, die aber
beim ruhigen. Stehen über Nacht gallertig erstarrt. Zu Beispiel 2: Si03 Nag + H3
P04 - HNaZ P04 -j- H20 -f- Si02 20 ccm = 0,224 g Na20 = 0,35 g H3 P04 ioprozentig,
3,5 ccm. Beispiel 3 Werden 2o ccm der Silikatlösung zur Überführung des Alkalis
in primäres Phosphat mit 7 ccm der vorbeschriebenen Phosphorsäurelösung versetzt,
so erhält man eine klare, beim Stehen über Nacht nur einige wenige Flöckchen ausscheidende,
gegen Phenolphtalein neutrale Flüssigkeit, die selbst beim Kochen keine Kieselsäure
ausscheidet und in der Gleichgewichtslage nach der Formel Nag Si03 -f- 2 H, PO,,
das System _ Si0= + 2 NaH, P04 + H=O aufweist, das auch beim Kochen keine Umkehrung
erleidet.
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Beispiel 4 2o ccm einer doppelt so starken Silikatlösung wie vor mit
2,9 g NaOH und 2,2 g Si0_ in foo ccm werden zwecks Umwandlung des Alkalis in primäres
Phosphat mit 7 ccm einer 20prozentigen Phosphorsäurelösung abgesättigt. über Nacht
schieden sich wie vor wenige Flöckchen ab, die abfiltrierte klare, haltbare, chemisch
ausgeglichene Lösung enthält Kieselsäuresol, in primärem Phosphat gelöst. Beispiel
s 25 ccm der Silikatlösung gemäß Beispiel 1 wurden mit 6,1 ccm einer foprozentigen
Weinsäurelösung gemäß Gleichung Na2Si03 -E- C4HB08 = C4H406Na2 + Si02+ H20 mit 6,1
ccm einer f 0prozentigen Weinsäure gegen Phenolphtalein abgesättigt. Beim Stehen
über Nacht trat Gallertbildung ein, desgleichen, wenn 25 ccm einer doppelt so starken
Lösung mit äoprozentiger Weinsäure neutralisiert werden. Beispiel 6 Werden nach
obiger Gleichung 25 ccm der Silikatlösung zur Bildung des sauren weinsauren Salzes
mit der doppelten Menge Weinsäurelösung versetzt, so resultieren klare, auch beim
Kochen haltbare Lösungen, gleichgültig, ob man von der Silikatlösung gemäß Beispiel
1 oder einer doppelt so konzentrierten ausgeht. Es entsteht ein in sich ausgeglichenes
System von saurem kieselweinsauren Natron. Im Gegensatz zur Phosphorsäure ist die
Kieselsäure bei Verwendung von Weinsäure in allen Aziditätsstufen bis zur Bildung
des sauren Salzes als Sol gut haltbar. Werden im Beispiel s statt der im Neutralitätspunkt
erforderlichen 6,1 ccm Weinsäure 7,7, 9,15 oder 12,2 ccm der Weinsäurelösung verwendet
(saures Salz), so sind sämtliche Zwischenstufen haltbar- und flocken auch beim Kochen
die Kieselsäure nicht aus. Beispiel ? In 400 ccm Natronsilikatlösung gemäß Beispiel
1 werden unter Umschütteln 4 g Goldschwefel aufgelöst und die Lösung nach mehrtägigem
Stehen von einem geringen grauen Bodensatz abgegossen. Zoo ccm dieser Lösung werden
mit 2o ccm foprozentiger Weinsäurelösung in der Kälte unter Umschwenken abgesättigt,
ein geringer sich bildender Niederschlag durch kurzes Aufkochen in Lösung gebracht
und hierauf abgekühlt. Wird die Lösung hierauf mit der gemäß Beispiel 2 und 5 der
Patentschrift 474 62o hergestellten kolloidalen Goldhy droxydlösung von bekanntem
Goldgehalt versetzt, so trübt sie sich .und nimmt tiefbraune Farbe an. Wird sie
zum Kochen erhitzt und dann abgekühlt, so klart sie wieder auf und geht in. Rubinrot
über,. ohne irgendwelche Fällung aufzuweisen. Eine geringe, bei längerem Stehen
etwa einsetzende Trübung kann durch Filtration entfernt werden. Beispiel 8 Es wird
genau in gleicher Weise verfahren wie vor, statt Goldschwefel jedoch Arsenpentasulfid
aufgelöst. Die Absättigung mit Weinsäure erfolgt ebenfalls wie vor beschrieben.
Beim Umsetzen mit dem Goldhydroxyd trübt sich die Lösung allmählich, die Opaleszenz
wird immer stärker unter graugelblicher Verfärbung des Gemenges. Wird in diesem
Zustande kurz aufgekocht, so klart die Lösung völlig auf, nimmt gelbe Färbung an
ohne Trübung und Niederschlagbildung. Gold, Arsen, Schwefel und Kieselsäure befinden
sich auf diese Weise in einem durch Weinsäure ausgeglichenen System, das sich in
beliebigem Verhältnis mit der Lösung gemäß Beispiel ? mischen läßt. Eine solche
zu gleichen Teilen hergestellte Lösung gemäß
Beispie17 und 8 enthält
in 10o ccm o,14 g Antimon, o, i i g Arsen, 0,21 g Schwefel, o,5o g Kieselsäure,
0,50 g Weinsäure, o,3 i g Gold (als Metall), 0,325 g Kochsalz. Ähnlich
wie vorbeschrieben lassen sich Borsäure, Glycerophosphorsäure und arsenige Säure,
an Stelle der _ Weinsäure auch Zitronensäure, Gallensäure oder sonstige organische
Säuren zur stufenweisen Absättigung des Alkalis unter Wahrung der Kieselsäurelöslichkeit
verwenden.